Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Börnichen

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Börnichen
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 169–171
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
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Börnichen


10 Minuten von Oederan, auf bedeutender Anhöhe über dieser Stadt, aber dennoch in einer seichten Vertiefung am Abhange des Börnicher Baches und am westlichen Gehänge der Börnicher Höhe gelegen, wo man im Vordergrund die Krone des Gebirges, das nur 1½ Stunde entfernte Schloss „Augustusburg“ erblickt.

Nach Nordwesten hin erreicht das Auge das Niederland und sogar die höhern Flächen von Leipzig, gegen Süden erhebt sich das Gebirge jenseits Augustusburg, welches sich nebst Schellenberg hier prachtvoll und malerisch erhebt, und zwar in theatralischer Entfernung empor bis zu seinen höchsten Spitzen, dem Keil- und Fichtelberge.

In unmittelbarer Nähe und einer kurzen Entfernung, wie sie oben schon angedeutet worden, liegt die Stadt Oederan.

Durch den Ort führt der Hainicher Fussweg welcher zur Belebung desselben viel beiträgt.

Das Dorf selbst erstreckt sich ziemlich lang in östlicher Richtung und das Schloss steht im nördlichen Abhange des Thals; hinter demselben zieht sich der französische und englische Garten. Dieses sehr weit sichtbare und in seinem kürzern Hauptflügel wahrhaft prächtige Schloss wurde in Jahre 1745 vollendet, hat 2 Etagen, in allen Flügeln 27 Fenster in der Breite und gilt als Zierde der hiesigen Umgegend.

Das Schloss selbst bildet mit einem Theile der Wirthschaftsgebäude einen sehr schönen geräumigen Hof in einem länglichen Vierek, und ist durchaus massiv von dicken Mauern erbaut, mit Schiefer- und Ziegel-Bedachung versehen. Das Innere desselben enthielt eine grosse Anzahl von comfortabel und luxuriös eingerichteten Zimmern.

Namentlich bemerkenswerth in diesem Schlosse ist die Bibliothek, mit einer grossen Anzahl französischer und italienischer Werke ausgestattet – eben so die schöne Sammlung verschiedenartiger älterer und neuerer Waffen und Gewehre – besonders aber der grosse Ahnensaal, welcher vom jetzigen Besitzer mit grosser Vorliebe restaurirt und mit alten Stiftungen, Fahnen und Waffen geschmückt und ergänzt worden ist.

Dieser Saal enthielt die grösstentheils höchst werthvollen und von berühmten Meistern (Cranach, Holbein u. s. w.) gemalten Bilder aller der Herren von Schönberg und deren Frauen, welche Börnichen und die herrliche Ahnenreihe bildeten, die bis in das 15. Jahrhundert zu rückreicht.

Damals besass das Rittergut Börnichen Kaspar von Schönberg auf Sachsenburg mit allem heutigen Zubehör, jedoch ohne das Beigut Hohenlinde, welches früher Oederans Stadtgut war.

Den Ursprung dieser berühmten Familie von Schönberg haben wir schon bei der Beschreibung vom Rittergute Rothschönberg hinlänglich erörtert, so dass wir füglich hier darüber hinweggehen können und nur so viel zu erwähnen haben, dass sich nach und nach dieses hochadelige Geschlecht in verschiedenen Linien, in die Sachsenburger (jetzt Börnicher), Wingendorfer und Pfaffenröder, in die Reinsberger, Rothschönberger, Stollberger (jetzt Lausitzer) die wieder in verschiedene Nebenlinien zerfielen, sich theilte.

Als gemeinsamer Stammvater von allen diesen Linien wird Caspar von Schönberg angenommen, nicht desshalb, weil er etwa der einzige von Schönberg gewesen, sondern weil von ihm an erst sich diese Linien und das jetzt in Sachsen und den angrenzenden Ländern blühende Geschlecht von ihm abstammt und von ihm an erst genaue Stammbäume, Lehnbriefe, Urkunden und Nachrichten ausgehen.

Caspar von Schönberg war geboren 1324 und starb 1389. Er besass Neusorge, Wilsdruf, Burschenstein,[VL 1] welches er 1336 von seinem Vater Ascanius in Lehn erhielt – Sachsenburg, Rothschönberg, und ausserdem Limbach und Frankenberg. Erst ein Urenkel von diesem Caspar von Schönberg, Hans von Schönberg, Vormund des Prinzen und Verweser von Sachsen, vermählt mit Anna von Hirschfeld aus dem Hause Otterwisch acquirirte Börnichen, von welchem es an Caspar III., dem Geheimen Rath und Landesverweser kam. Letzterer war mit einer Margaretha von Bünau aus dem Hause Weesenstein verheirathet. Aus dieser Ehe gingen 3 Söhne hervor, Hans, Wolf und Caspar, welche nach dem Tode des Vaters in Jahre 1496 in dessen Güter sich theilten, und zwar so, dass die jüngeren, Wolf und Caspar die Güter Sachsenburg, Neusorge, Frankenberg erhielten und so die Gründer dieser neuen Linie wurden, aus welcher, nachdem 1609 Neusorge, Frankenberg und Sachsenburg an den Kurfürst Johann Georg verkauft wurden, die Limbach, Mittelfrohnau, jetzt Pfaffröder Linie entstand. Der älteste Sohn Hans erhielt Oberschöna und Börnichen, erwarb sich Pulsnitz und war der Gründer der Schöna’schen oder wie sie seit Ende des 17. Jahrhunderts heisst, der Börnicher Linie, weil die Herren von Schönberg [170] früher auf dem kleineren Gute Oberschöna, dann erst zu Börnichen wohnten.

Hans war Ritter und Vorstand der Sächsischen Ritterschaft und mehrmals Abgeordneter auf Reichstagen. Derselbe ging im Jahre 1537 mit Tode ab. Sein ältester Sohn Wolf, Oberamtmann und General-Feldmarschall und Commandeur in der Schlacht bei Sievershausen 1554[VL 2] – bekam Pulsnitz und stiftete die Pulsnitzer und Französische Linie, welche in Frankreich bis Anfang des 17. Jahrhunderts glorreich florirte und sogar die Herzogs Würde erlangte. Der andere Sohn Moritz auf Börnichen und Oberschöna pflanzte diese Linie fort. Er war 1525 geboren und segnete das Zeitliche im Jahre 1610. Derselbe trat zum Protestantismus über, wie alle übrigen Glieder und Vettern der Herren von Schönberg, so dass seit dieser Zeit die ganze Familie protestantisch ist. Moritz erhielt durch besondere Gunst des Kurfürsten das Gut Auerswalde und acquirirte Wingendorf mit der Stadt Hainichen. Letztere hatte schon früher der Familie von Schönberg aus Neusorge angehört.

Des Moritz ältester Sohn gleichen Namens pflanzte die Auerswalder Linie fort, Börnichen hingegen bekam sein jüngster Sohn, Haubold, der jedoch 1632 als Ober-Steuer-Einnehmer und Amtshauptmann kinderlos starb.

Das Gut fiel nun seinen Neffen, Söhnen seines Bruders Nicol zu Wingendorf mit Hainichen, Nicol und Hans Georg zu. Nicol starb als Oberbergrath, Amtshauptmann und Steuer-Director 1659 zu Freiberg und Hans Georg erbte nun die Güter Börnichen, Oberschöna, Wingendorf und Hainichen ganz allein.

Als Offizier wohnte er der Zerstörung von Magdeburg bei. Durch Kauf erlangte er noch das Gut Wiesa bei Annaberg. Sein einziger Sohn war Adam Friedrich von Schönberg, der nach seinem Tode 1676 sämmtliche Güter in Besitz nahm und zu diesen 5 noch die Güter Naundorf, Linda, Wegefarth, und durch Heirath Meineweh, Schleinitz und Priesen erwarb. Er war Reichsgesandter, erster Bergrath und Ober-Steuer-Director, Präsident des Geheimen-Raths, Amtshauptmann und Oberkammerherr von Polen. Er war 1654 geboren und ist im Jahre 1707 in Börnichen verstorben. Seine Güter erbten seine 4 Söhne; Börnichen, Meineweh und Schleinitz bekam der 2. Sohn, Adam Friedrich, welcher noch das Gut Hohenlinde im Jahre 1715 erkaufte. Er baute an Stelle des alten Schlosses das jetzige im neuen Style angelegte Herrenhaus. Auch er war Geheim-Rath, dann Präsident der Ober-Rechnungskammer, Bergrath, Kammerherr und Ober-Steuer-Einnehmer. Er starb 1750 und Börnichen nebst Hohenlinde erhielt sein ältester Sohn, Heinrich Wilhelm von Schönberg, der Wingendorf und Hainichen von seinem Oheim dem Kammerherrn Friedrich August von Schönberg erbte. Meineweh und Schleinitz bekam sein Bruder, Carl August. Heinrich Wilhelm war Hof- und Justizrath und Kreishauptmann, dessen Sohn und Nachfolger im Besitze von Börnichen war, im Jahre 1763 der Kammerherr und Ober-Steuer-Director Friedrich Alexander, welcher Oberschöna wieder in Besitz bekam, es jedoch wieder verkaufte. Letztrer starb 1803. Der Hof zu Dresden schenkte ihm öfter die Ehre seines Besuches und der Prinzstatthalter Xaver sah hier nach Jahre langer Trennung seine Schwester Sophie wieder. Nach Friedrich Alexanders Tode bekam sein einziger Sohn Carl Friedrich Maximilian das Gut Börnichen.

Dieser widmete sich dem Militairstande, nahm an den Freiheitskriegen Theil und war bei der Errichtung der reitenden Banner thätig. Im Jahre 1815 ging er mit Missionen betraut nach London und Paris, wo er als Offizier im Gefolge dem Einzug mit beiwohnte. Nach Schluss des Friedens nahm er als Major seinen Abschied. Er war Johannitter-Ritter und Inhaber mehrer anderer Orden.

Ihm verdankt Börnichen hinsichtlich seiner Verschönerung viel.

Von ihm stammt der neue grosse Park. In seinem Wirken und seinem rastlosen Eifer für das Schöne und Gute ereilte ihm der Tod 1847 und während sein jüngster Sohn Max Wingendorf mit Hainichen erhielt, wurde seinem Sohne Udo bei seiner Mündigkeit im Jahre 1857 Börnichen mit Hohenlinde in Lehn gereicht, einem Mann, welcher durch Hochherzigkeit und Edelmuth schon in seinen Jünglingsjahren sich auszeichnet und den alten Ruhm seiner grossen Ahnen noch dereinst verherrlichen wird.

Das Rittergut Börnichen, dessen Fluren in den Flurbezirken der Stadt Oederan, und der Dörfer Börnichen, Schönerstädt und Memmendorf liegen, fasst ein Areal von circa 900 Acker an Feldern, Wiesen, Teichen und Waldung, einschliesslich eines Vorwerks in Memmendorf und des in nächster Nähe bei Oederan gelegenen Gutes Hohenlinde und ist mit 14,000 Steuereinheiten belegt. Ausserdem gehört eine in der Nähe befindliche Mühle zum Gute.

Die Oeconomie des Gutes befindet sich in einem vorzüglichen Zustande. Es werden gegenwärtig 12 Zugpferde, 82 Stück Rindvieh mit Einschluss von 25 Stück Zugochsen gehalten. Ausserdem ist noch ein ziemlich grosser Theil des Gutes in Einzelpacht vergeben. Die veredelte Schäferei zählt über 1100 Stück Schaafe.

Die Brauerei, erst neuerdings vergrössert und mit den neuesten Apparaten versehen, gehört mit zu den grösseren und besseren in Sachsen.

[171] Die grossen und massiven Oeconomiegebäude sind in vorzüglichem Zustande. Die Teiche, 14 an der Zahl, werden vorzugsweise zu Forellen und Karpfen benutzt.

Der Forst ist zum Theil noch mit schlagbaren Hölzern sehr gut bestanden. Ausserdem ist durch äusserst sorgfältige Culturen ein bedeutender und werthvoller Bestand für die Zukunft gesichert.

Auch ein bedeutendes Torflager, zum Gute gehörig, ist nicht unerwähnt zu lassen.

Der jetzige Besitzer hat eine ziemlich umfangreiche Waldstrecke geschlagen, das sogenannte Trauerholz bei Schönerstadt und dieselbe zur Anlegung eines Vorwerks als Feld verpachtet.

Das Schloss zu Börnichen ist von Linden- und Kastanien-Alleen und von einem herrlichen 18 Acker grossen, im englischen und französischen Geschmack angelegten und mit Eremitagen, Pavillons, Statuen, Wasserfällen und Fontainen geschmücktem Parke umgeben, von dessen westlichem Ende an sich ein offener Pavillon befindet, wo man eine entzückende Fernsicht über die ganze Gegend und besonders nach Augustusburg hin geniesst. Ausserdem[WS 1] gehören zum Schlosse noch 3 grosse Gemüse- und Küchengärten, ein grosses Gewächshaus und Treibhaus. Auch der sogenannte kleine Erlsberg bildet eine anmuthige Parkanlage mit einem römischen Hause.

Vor der Abtretung der Gerichtsbarkeit an den Staat stand dem altschriftsässigen Mannlehngute Börnichen die obere und niedere Gerichtsbarkeit in unbeschränkter Maasse über die Dörfer Börnichen, Hohenlinde, Schönerstadt, Hartha und Memmendorf zu. Ueber die dasige Schulstelle, sowie über die zu Memmendorf und Schönerstadt steht der Gerichtsherrschaft das Collaturrecht jetzt noch zu, wogegen Börnichen, das Gut und das Dorf nach Oederan eingepfarrt sind, wo selbst ersteres 3 grosse Kapellen und eine Erbgruft besitzt. Doch ist das eigentliche Erbbegräbniss, welches sie mit der Wingendorfer Herrschaft gemein hat, in der Kirche zu Frankenstein.

Die Schule zu Börnichen wird von 80 Kindern besucht und für 7 arme Kinder in Schönerstadt wird von dem Rittergute Börnichen in Bezug auf eine alte von Schönberg’sche Stiftung das jährliche Schulgeld bezahlt.

Durch derartige viele andere milde Stiftungen hat sich die von Schönberg’sche Familie überhaupt in hiesiger Gegend einen unsterblichen Namen gesichert, und nie wird der von diesem edlen Geschlechte ausgestreute gute Samen aufhören seine reichen Früchte zu tragen.

Durch das nahe Oederan erhielt die hiesige Gegend viel Nahrung. Börnichen wie das benachbarte Schönerstadt werden durch Fabrikarbeiten von Oederan reichlich beschäftigt.

Die im Dorf Börnichen befindliche Schankwirthschaft wird vom dasigen Erbgericht ausgeübt und häufig von der Stadt Oederan besucht.

Börnichen mit Hohenlinde hat 46 bewohnte Gebäude, worunter 8 Hüfner sich befinden; im Ganzen zählt es 351 Einwohner, welche jetzt unter das Gerichtsamt Oederan gehören.

In der Nähe von Börnichen deuten alte Pingen auf früher verbreitet gewesenen Berg- und Kalksteinbau.

M. G.     



Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Purschenstein
  2. handschriftliche Korrektur: 1553

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ausserden