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Artikel „Widnmann, Max Ritter von“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 362–364, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Widnmann,_Max_Ritter_von&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 15:14 Uhr UTC)
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Widnmann: Max Ritter v. W., Bildhauer und Akademieprofessor, geboren am 16. October 1812 zu Eichstätt als der Sohn eines Arztes (welcher erst bei den dortigen Fürstbischöfen, dann beim Herzog von Leuchtenberg als Medicinalrath in Diensten stand), erhielt eine wissenschaftliche Bildung an den dortigen Lehranstalten, wendete sich aber, angeregt durch eine im Besitze der Eltern befindliche Bildersammlung, ganz zur Kunst und bezog schon 1825 die Münchener Akademie, wo er durch Konrad Eberhard (1768–1859) der antiken Kunst zugeführt und bei Ludwig Schwanthaler (1802–1848) für die Bildhauerkunst bestimmt wurde. Ein dreijähriger Aufenthalt bei Thorwaldsen zu Rom (1836–1839) führte den schwärmerischen, schönheitstrunkenen Jüngling ganz in die der antiken Kunst zugewendete Richtung. Hier componirte W., mit brennendem Ehrgeiz schaffend, viele Gruppen und Reliefs, wie „Simson und Delila“ (Kunstblatt 1835 S. 418), einen von den Nymphen geraubten Hylas, den „Odysseus bei Alkinoos“ und eine von Venus dem Paris zugeführte „Helena“. In Rom faßte W. nach Schwanthaler’s Vorbild (Schild des Achill) den Plan zu einem „Schild des Herakles“, welcher indessen erst 1842 zur Ausführung gelangte (vgl. Nr. 19 Kunstblatt, Stuttgart 1843, mit Abbildung), ebenso arbeitete er damals schon an den „Umrissen zur Odyssee“, welche später vollendet und durch Schütz im Contour-Stich vervielfältigt wurden (München bei Mey u. Widmayer. Vgl. Julius Grosse in der Beilage 162 zur Neuen Münchener Ztg. vom 9. Juli 1859 u. Beilage 13 vom 15. Januar 1861). Nach seiner Rückkehr verarbeitete W. seine Projecte, schuf im Auftrage König Ludwig I. zahlreiche Büsten für die bairische Ruhmeshalle (z. B. General und Pferdemaler C. W. v. Heideck, Hans Holbein, Georg v. Frundsberg, Christoph Amberger, Karl Rottmann, Orlando di Lasso, Joh. Georg v. Herwart, Joh. Mändl), insbesondere aber das Modell zu dem kolossalen Standbild des Fürstbischof Echter v. Mespelbrunn, welches (in Erzguß durch F. v. Miller ausgeführt) vor der durch ihn gegründeten Universität zu Würzburg aufgestellt wurde (1847). Für diese Leistungen gelangte W. nach Schwanthaler’s Ableben (1848) an dessen Stelle als Professor an der [363] Akademie, welche er bis 1887 in voller Thätigkeit, einmal auch als ihr interimistischer Director, bekleidete. Während seiner Lehrthätigkeit bildete W. eine ganze Reihe von Schülern, unter denen freilich mancher, wie Lorenz Gedon († 1883), Joh. Hirt, Sirius Eberle und die so hervorragenden Michel Wagmüller († 1881) und W. v. Ruemann (dieser seit 1887 als Nachfolger Widnmann’s an der Akademie) seinen Lehrmeister überstrahlte! W. erhielt durch König Ludwig I. eine ganze Reihe von Aufträgen zu kolossalen Standbildern, z. B. des Tondichters Orlando di Lasso (1848), des Historikers Lorenz v. Westenrieder (1854), des Fürstbischof Franz Ludwig v. Erthal (1865 auf dem Domplatz zu Bamberg enthüllt, eine Abbildung in Nr. 1179 Illustr. Ztg., Lpz. 3. Febr. 1866); die Statuen von Iffland und Dalberg zu Mannheim, das Grabdenkmal der Großherzogin Mathilde von Hessen-Darmstadt u. s. w. Ein im schönen Linienfluß aufgebautes Werk war die Gruppe der von einem Panther überfallenen „Nomadenfamilie“, welche lange Zeit auf allen Ausstellungen herumwanderte, ohne eine bleibende Stätte zu gewinnen (Abbildung in Nr. 647 Illustr. Ztg., Lpz. 24. November 1855). Zu den besten Leistungen Widnmann’s gehört auch die vor dem heutigen Café Luitpold aufgestellte Schiller-Statue (Abbildung in Nr. 1039 Illustr. Ztg., Lpz. vom 30. Mai 1863), wobei der Künstler sich nicht enthalten konnte, auf jene bei der „historischen“ Schule ehedem so beliebte Bademantel-Drapirung zu verzichten. Dagegen wählte W. für das Münchener Goethe-Standbild, mit Benutzung der idealen Büste Trippel’s, ein griechisches Kostüm, wodurch freilich der aus Stieler’s Bildniß sprechende geheimräthliche Nimbus der weimarischen Excellenz vermieden wurde, doch birgt die Statue mehr als eine Achilles-Ferse, namentlich durch die theilweise Leibarmuth, platte Magerkeit und zerquetschte Breite der ganzen Figur, deren Anblick nur von einer Seite erbaulich und erhebend wirkt (Nr. 1346 Illustr. Ztg., Lpz. 17. April 1869). Das von Schwanthaler auf Matthias Corvinus modellirte und leider nicht zur Ausführung gebrachte Reiterstandbild übersetzte W. auf König Ludwig I., welches in der Münchener Ludwigsstraße zur Aufstellung kam, aber trotz großer Vorzüge im Gruppen-Aufbau, doch an einer heillosen Kostüm-Verquickung (classische Sandalen- und spanisches Krönungskostüm) leidet, ein artistischer Hiatus, welcher durch eine eigens deshalb von dem Künstler 1866 verfaßte Broschüre nicht erklärt werden konnte. Während der Fechter mit sarkastischen Waffen seine Gegner zu verwunden trachtete, bot er selbst sich als kritisches Object. Die Statuen auf Fr. v. Gärtner und Leo v. Klenze erhoben sich nicht über das herkömmliche Niveau und die freilich dem Charakter des Gebäudes angepaßte Statue des Benvenuto Cellini (in einer Nische der Glyptothek) läßt in ihrer olympischen Langweile den Meister der zierlichen Renaissance unmöglich errathen (Abbildung in Nr. 1003 Illustr. Ztg. vom 20. Septbr. 1862). Zweimal versuchte sich W. auch mit christlichen Stoffen, mit einer „Pietà“ (1853) und einer „Madonna“ (1882 für die neue Kirche zu Neuhausen), womit er ein ihm völlig fremdes Gebiet ohne besonderen Erfolg betrat; im letzteren Falle sogar mit einer Niederlage, da durch den allgemeinen Unwillen der Gemeinde das völlig untypische und willkürliche Werk beseitigt und durch eine geringfügige, aber im verständlichen Stylgefühl gehaltene Leistung ersetzt wurde. Zu Widnmann’s besten Erzeugnissen zählten die Kolossal-Figuren des „Kastor und Pollux“ am Treppenportal der neuen Akademie, deren Ausführung sich jedoch lange verzögerte, indeß sein Ehrendenkmal auf Peter Cornelius immer noch auf den Erzguß wartet. Auf für kunstgewerbliche Zwecke brachte W. manche Ideen zur Ausführung, z. B. einen Prachtkrug für den Grafen Thun, natürlich in stylgerechter Strenge auf jede Volksthümlichkeit im voraus verzichtend. W. war eine complicirte Natur, voll Idealität und Sarkasmus, den höchsten idealen[WS 1] [364] Zielen nacheifernd, voll Begeisterung für eine nationale deutsche Kunst, deren Mittel und Wirkungskreis ihm doch nach dem ganzen Gange seiner Bildung immer wieder unter den Händen entrannen. Mit vielen Ehren und Auszeichnungen noch bei seinem achtzigsten Geburtstage gefeiert, vollendete der greise Künstler am 3. März 1895 zu München seine Laufbahn.

Vgl. Raczynski II, 508. – Vincenz Müller, Handbuch für München (1845) S. 184. – Nagler XXI. – Bettelheim, Biogr. Blätter (1896), 3. Hft., S. 226 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: idalen