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Artikel „Hirt, Johann“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 372–373, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hirt,_Johann&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 12:10 Uhr UTC)
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Hirt: Johann H., Bildhauer, geboren am 4. März 1836 zu Fürth, † am 19. August 1897 in München, erregte schon in der Volks- und Gewerbeschule seiner Heimath Aufsehen durch seine auf schärfster Beobachtung beruhenden, mit Prämien belohnten Zeichnungen. Sein Vater, ein bürgerlicher Kammmacher, brachte ihn bei einem Kunstdrechsler in die Lehre; hier schnitzte der Junge viel in Elfenbein und gewann mit einem Becher auf der Pariser Exposition sein erstes Diplom. Seit 1855 auf der Münchener Akademie, war H. bald unter den Besten, erhielt bei einer Concurrenz den Preis, worauf er unter Professor Max Widnmann die classische Plastik studirte. Hier lieferte er mehrere Büsten, insbesondere aber viele anmuthigen und zierlichen Statuetten und Gruppen: einen etwas opernhaften „Faust und Gretchen“, ein neckisches Duett „der verweigerte Kuß“, eine Spinnerin, ein Haideröslein, „Hermann und Dorothea“, eine Lady Macbeth, Aschenbrödel, eine lauschende Amazone; „Jäger und Fischerin“ aus Oberbaiern; ein Ritterfräulein mit der Laute und einen mittelalterlichen Flötenspieler als Gegenstück. Besonderen Beifall fanden eine große „Charitas“ (1872), ein mit seinem Hunde spielendes Kind, ein „Mädchen mit Zicklein“ (1873), einige sehr sinnige Grabfiguren. In einem Cyklus schilderte H. die vier Jahreszeiten (vgl. Nr. 1844 Illustr. Ztg., Lpz., 2. Nov. 1878). Wie so viele andere Künstler begeisterte ihn auch Scheffel’s „Ekkehard“ zu einer Gruppe, wie der junge Mönch die in nur zu jugendlicher Schönheit prangende, in Wahrheit schon etwas ältliche herzogliche Witib über die Klosterschwelle trägt. Besonders aber gelang ihm die Wiedergabe des ganzen Zaubers frisch knospender, unberührter Mädchenschönheit, der unschuldigen „naked purity“ und der vollen majestätischen Frauengestalt. Dazu gehört eine unter verschiedenen Benennungen öfter wiederholte, viel bewunderte „Quellen-Nymphe“ (vgl. Lützow’s Zeitschr. 1882. XVII, 59), wovon eine Variante für die Sammlung des Münchener Kunstvereins angekauft, aber leider in einem Winkel aufgestellt wurde, wodurch die gleichmäßig durchgearbeitete Schönheit der Ausführung nur theilweise dem Beschauer zugänglich bleibt. Ihr folgte die vom Schlangenbiß verwundete „Eurydike“ (1879 als lebensgroßes Gipsmodell auf der Internationalen Kunstausstellung zu München und 1881 in Carraramarmor für Köln), eine gefesselte „Andromeda“ und die im herrlichen Linienrhythmus durchgeführte, um erquickende Regenspende bittende „Arethusa“ (nach dem Tode des Künstlers auf Staatskosten im Februar 1898 für die kgl. Glyptothek angekauft), welche mit einem „David“ und der wohlgerundeten Gruppe „Nessus und Dejanira“ 1888 auf der Münchener Ausstellung erschien. Mit Recht rühmte die Kritik: „Der reine Geist, mit welchem der Künstler die entzückenden Formen des Weibes wiedergegeben und ihr die ganze Fülle des verlockenden sinnlichen Reizes verliehen hat, während doch der hohe Adel der Auffassung dem Beschauer unmöglich macht, einer niederen Regung auch nur für einen Augenblick Raum zu geben, kann nicht hoch genug gepriesen werden“. Weitere Schöpfungen [373] dieser Art waren eine „Klytia“, eine pfeilgetroffene „Niobide“, eine trauernde „Eva“, büßende „Magdalena“, eine dem Amor im Pfeilschießen Unterricht ertheilende „Venus“ und die Gruppe „Fischer und Nixe“. Dazu ersann seine immer schaffende Phantasie eine Anzahl kleiner, reizender Erosspielereien: wie der kleine Schelm mit dem Blasebalg ein Feuerchen anfacht, am Schleifstein und mit der Feile seine Waffen schärft und zu größerer Fährlichkeit glättet, eine ganze Serie von zierlichen Entwürfen, welche aus Hirt’s Nachlaß die Kunstgewerbeschule erstand. Für die historische Galerie des Nationalmuseums hatte H. früher schon die Statue Kaiser Ludwig’s des Baiers und das Standbild des Herzogs Johann Wilhelm (1680) geliefert, auch allerlei mythisch-allegorische Figuren zu den Prachtbauten Königs Ludwig’s II. und für viele andere Gebäude Münchens, in mehr oder minder ausgesprochenem Decorationsstil. – H. erhielt viele Ehrenauszeichnungen und Medaillen, er war Mitglied der Akademie und kgl. Professor, Ritter des Verdienstordens vom hl. Michael u. s. w. Sein zahlreicher, über 200 Nummern umfassender Nachlaß mit Originalarbeiten in Marmor und Bronze, Gipsmodellen, Entwürfen und Skizzen wurde am 7. Februar 1898 versteigert; der deshalb von E. A. Fleischmann’s Hofkunsthandlung herausgegebene Katalog ist mit dem Bildniß und Facsimile Hirt’s ausgestattet, dabei aber das Todesjahr irrthümlich mit 1896 (statt 1897) angegeben.

Vgl. die Nekrologe im Abendblatt Nr. 230 d. Allg. Ztg., 20. Aug. 1897; „Kunst für Alle“ v. 15. Sept. 1897, S. 397 (mit Porträt) und Kunstvereinsbericht für 1897, S. 72 ff. – Bettelheim, Jahrbuch 1898, S. 175. – Singer 1896. II, 183. – Die Wittwe Hirt’s stiftete in das Museum der Stadt München fünf werthvolle Modelle.