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Artikel „Weyhe, Eberhard von“ von Wilhelm Christian Lange in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 273–277, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weyhe,_Eberhard_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 10:47 Uhr UTC)
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Weyhe: Eberhard von W. (Weihe) wurde geboren am 28. Mai 1553 als jüngster Sohn des herzoglich braunschweigischen Kanzlers und Administrators des Fürstenthums Kalenberg, Friedrich v. W. und der Magdalene Katharina v. Plesse, seine fünf älteren Brüder hießen Friedrich, Johann, Peter, Konrad und Joachim. Das Geschlecht, welchem Eberhard entstammte, war eines der ältesten und angesehensten in Niedersachsen und soll seinen ersten Ansitz im Bisthum Bremen auf dem Schloß Weyhe gehabt haben. In der Folge siedelte die Familie ins Braunschweigische über und trennte sich in zwei Linien: Weyhe zu Bötersheim und Weyhe zu Fahrenhorst-Eimbke. Dieser letzteren, noch heute blühenden gehörte auch Eberhard an: sein Wappen war demnach ein gespaltener [274] Schild, im ersten Feld eine blaue Raute in Gold, im zweiten ein halbes goldnes Mühlrad in Blau.

Nachdem Eberhard bereits im J. 1555 (am 21. Dec.) seinen Vater verloren, studirte er vom Jahre 1570 an unter Teuber, v. Beust und Matthias Wesenbeck zu Wittenberg Jurisprudenz und machte hierauf eine längere Reise durch Deutschland, die Schweiz, Italien und Frankreich, von der er erst im J. 1580 nach Wittenberg zurückkehrte. Die älteren Biographen nehmen an, daß er die juristische Doctorwürde von dieser Reise mitgebracht habe, doch widerspricht dem eine in Bibl. Cassellan. aufbewahrte handschriftliche Notiz, nach der W. erst im J. 1590 unter Martin Coler und Jacob Goedemann den Doctorhut zu Wittenberg erwarb. Schon bald nach seiner Rückkehr rüstete sich W. zu einer zweiten größeren Reise; da ihn aber Kurfürst August von Sachsen in die Stelle des nach Dresden übergesiedelten Joachim v. Beust an die Hochschule zu Wittenberg berief, so unterblieb dieselbe. In dieser Stellung, als Professor der Pandekten und als kurfürstlicher Rath im Appellationsgericht, wirkte W. einige Jahre und trat dann im J. 1585 als Rath in die Dienste des Herzogs Adolf von Holstein-Gottorp, der ihn an das Capitel in Lübeck abschickte. um daselbst die Wahl des Prinzen Friedrich zum Bischof zu betreiben. Nachdem Herzog Adolf schon am 1. Oct. 1586 gestorben war, verblieb W. noch kurze Zeit in seiner Stellung als Rath bei dem Nachfolger Adolf’s, Herzog Friedrich, kehrte aber, obwol ihm dieser eine beträchtliche Erhöhung seiner Besoldung versprach, bald nach Wittenberg zurück, da ihm seine Entlassung aus sächsischen Diensten nur auf ein Jahr bewilligt worden war. Der bedeutendste Rechtslehrer der Universität, Mich. Teuber, war zu jener Zeit gestorben und in dessen Stelle rückte jetzt W. ein. Zu Wittenberg lebte er als erster Professor – 1589 und 1591 bekleidete er das Rectorat – mit dem Charakter eines kursächsischen Rathes und Assessors beim Hofgericht von 1587–1591, um welche Zeit er vom Hof nach Dresden gezogen wurde. W. war jedoch, ehe er die Uebersiedlung vornahm. so klug, seine Bedingungen zu stellen und diese bestanden vor allem darin, daß man ihm während seines Aufenthaltes zu Dresden seine Wittenberger Aemter offen lassen sollte. Seine Vorsicht erwies sich auch bald als recht begründet, denn infolge des Todes des Kurfürsten Christian I. († am 25. Sept. 1591) traten in Dresden Verhältnisse ein, welche einen längeren Aufenthalt für W. unerträglich machten. Er ging deshalb zu Beginn des nächsten Jahres wieder nach Wittenberg zurück, gerieth jedoch hier in neue Schwierigkeiten, welche darin ihren Grund hatten, daß man ihn sowie seinen Collegen Peter Wesenbeck im Verdachte hatte, insgeheim dem Calvinismus zu huldigen. Als beide sich außerdem weigerten, die Concordienformel zu unterschreiben, war ihres Bleibens in Wittenberg nicht länger, sie mußten die Stadt verlassen. Von dem dortigen Theologen Samuel Huber aufs schärfste angegriffen, beschwerten sie sich zwar später bei dem damaligen Administrator der Kurlande, Herzog Friedrich Wilhelm, erreichten jedoch für sich nichts; Huber wurde allerdings später abgesetzt.

Mittlerweile war Wesenbeck schon im Sept. 1592 nach Altorf als erster Rechtslehrer übergesiedelt, während W. eine Einladung nach Dänemark erhielt; er schlug jedoch diese Berufung aus und ging als Rath des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen nach Kassel. Unter dem Nachfolger dieses Fürsten – jener starb schon am 28. Aug. 1592 –, dem Landgrafen Moritz wurde W. Kanzler und nahm als solcher 1593 und 1597 die kaiserlichen Lehen für seinen Herrn entgegen; in gleicher amtlicher Eigenschaft war er im J. 1594 auf dem Reichstag zu Regensburg, 1595 zu Speyer zur Visitation des Kammergerichts und 1600 bei dem sog. Receß wieder zu Speyer. Das Einvernehmen mit dem Fürsten [275] blieb zunächst ein sehr gutes und W. lehnte deshalb im J. 1600 eine ihm angebotene vortheilhafte Stelle am Hofe des Erzbischofs Johann Adolf von Bremen ab, aber das wurde bald anders. Der Landgraf Moritz war ein Fürst, der neben seinen guten Eigenschaften auch recht tadelnswerthe aufzuweisen hatte, solche, die dem Historiker es nahelegen, ihm den Vorwurf der Tyrannei zu machen; im Charakter des Landgrafen mögen denn auch die Gründe liegen, welche eine Trennung Weyhe’s vom Kasseler Hofe zur Folge hatten. Im J. 1605 folgte W. deshalb einer Berufung des Grafen von Schaumburg nach Bückeburg, woselbst er zunächst Kanzler wurde; später war er Landdrost zu Pinneberg und hatte diese Stellung noch im J. 1615 inne. Wie aus einem seiner Briefe an Ph. Camerarius (d. d. 4. August 1612) hervorgeht, war er zu jener Zeit von einem Leiden heimgesucht, das die Aerzte nicht zu behandeln wußten und das als Fleischhernie bezeichnet wird; infolge dessen war W. sehr niedergedrückt, jedoch nicht so leidend, daß er eine nothwendige Reise nach Jülich aufschieben wollte. Mit dem bekannten Melchior Goldast, der ebenfalls in Bückeburg damals eine Stellung innehatte, lebte er auf gespanntem Fuße und forderte ihn sogar zum Zweikampf heraus.

Einige Jahre danach (1617) finden wir W. als Kanzler am Hof des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, er führte damals schon den Titel eines Röm. Kaiserlichen Rathes. Als im J. 1625 die Fürsten des niedersächsischen Kreises den Deputationstag zu Segeberg beschickten, um den Uebergriffen der Tilly’schen Armee an der Weser gegenüber Stellung zu nehmen, war auch W. zugezogen als Vertreter seines Herrn, zugleich mit dem geheimen Kammerrath und Statthalter Ernst von Steinberg. Er stand damals schon in seinem 73. Lebensjahr und so mochten die Beschwerden des Alters immerhin schon auf seine Thätigkeit als Staatsmann einigen Einfluß ausüben. Er gab deshalb im J. 1628 seine Stelle auf und wandte sich nach Lüneburg, um dort in Muße mit gelehrten Studien beschäftigt den Rest seiner Tage zu verbringen. Noch im J. 1633 war W. am Leben, wie aus einem von ihm an Christof Crusen gerichteten Schreiben erhellt; er bezeichnet sich darin als Greis, der im 81. Jahre steht, doch haben seine Biographen Jugler und Strieder trotz aller aufgewandten Mühe über sein Todesjahr nichts ermitteln können. Auf diesbezügliche Anfragen erklärte die Familie, daß die alten Papiere durch Feuer und andere Zufälle vernichtet seien. Als Besitzungen Weyhe’s sind bekannt die Güter Böhme und Rohde im Fürstenthum Lüneburg, sowie Sensenstein in Hessen, ferner Bruchhof in der Grafschaft Schaumburg, das er jedoch bald wieder verkauft zu haben scheint; die Drangsale des dreißigjährigen Krieges trafen auch sein Eigenthum und verlor er auf diese Weise eine schöne Bibliothek mit zahlreichen Handschriften, ein Schlag, der ihm sehr nahe ging. Was seine Familienverhältnisse anlangt, so wissen wir, daß W. vermählt war mit Judith v. Behr, der Tochter des Statthalters von Kurland, Johann v. Behr. Die älteren Biographen nennen als seine Söhne August, der später braunschweigisch-lüneburgischer Rath war, und Jobst, der die Stelle eines Hofrichters in Wolfenbüttel bekleidete; dieser Nachricht widerspricht eine in Bibl. Casell. befindliche Handschrift, welche sich auf ein Verzeichniß Plessischer, im Fürstenthum Göttingen und auf dem Eichsfeld gelegener Lehen stützt: diese Quelle nennt als seine Söhne Erich, Otto Giese und Jost Eberhard. Der von Landgraf Moritz von Hessen im J. 1629 zum Rath und Hofmeister ernannte Johann Friedrich scheint ebenfalls ein Sohn Weyhe’s gewesen zu sein. Die Söhne sollen übrigens sämmtlich ohne Leibeserben verstorben sein.

Zu seiner Zeit ein geschätzter mannichfach erprobter Staatsmann, ein Jurist von großem Rufe, besonders auf dem Gebiete des Staatsrechts, leistete W. auch [276] in anderen Fächern Bemerkenswerthes, da er über ein umfangreiches theologisches Wissen verfügte, sowie gute Kenntnisse in der Geschichte und den gelehrten wie den damals üblichen europäischen Sprachen sich erworben hatte. Auch die Verbesserung und Reinigung der deutschen Sprache ließ er sich angelegen sein, Bestrebungen, welche zur Folge hatten, daß ihn der Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen als Mitglied in die Fruchtbringende Gesellschaft unter dem Beinamen des „Wehrenden“ brachte. Sein Wahlspruch war: Mortalium mensura et cynosura actionum Dei voluntas. Des öfteren wurde W. von seinen Zeitgenossen sowol als späteren Kritikern der Vorwurf gemacht, in seinen Schriften entbehre er der strengen Ordnung und Schärfe des Urtheils, manche gehen sogar so weit, ihn einen bloßen Sammler zu nennen, doch sind diese Ausstellungen offenbar in hohem Maße übertrieben: die Geschichte der Rechtswissenschaft wird Weyhe’s Namen immerdar mit Stolz nennen.

Seine im Druck erschienenen Schriften sind folgende: 1) „Enunciationes XLI de poenis; Resp. Seb. a Bergen“ (Hamb., Vitemb. 1582); 2) „Theses de procuratoribus; Resp. Casp. Crusius“ (Hamb., Vitemb. 1582); 3) „Orationes duae, prior de imperatore Theodosio II. cum aggrederetur tit. D. de jurisd. omnium judic.; posterior cum Academiae Witteberg, valediceret“ (Vitemb. 1586); 4) „Oratio vel tractatio de controversia: an jus Pontificium s. canonicum merito et licite in scholis et in foro fidelium locum obtinere … possit? scripta et habita, cum ex Cimbricis regionibus ad docendi et judicandi munus Wittebergam revocatus esset et interpretari inciperet libr. II. Decretal.“ (Vitemb. 1588); 5) „Oratio pro disciplina publica habita“ (Vitemb. 1589) cum Rectoratum deponeret (Vitemb. 1590); 6) „Progr. inaugurale“ (Vitemb. 1592, die letzte von ihm zu Wittenberg herausgegebene Schrift, worin er seine neuen Vorlesungen nach seiner Rückkehr aus Dresden ankündigt); 7) „Problema regium s. Explicato vetustissimae disceptationis politicae: utrius regni conditio melior, pacatior et dignior sit, illiusne, cui Rex nascatur, an ejus, cui eligatur?“ (Lichae 1593, 1598, Cassell. 1600, Frkf. 1610, 1680); 8) „Aulus politicus diversis regulis, vel, ut JCtus Tauolenus loquitur, definitionibus selectis 362 antiquorum et neotericorum prudentiae civilis Doctorum instructus“ (Hanoviae 1596, erschien zuerst unter dem Pseudonym: Durus de Pascolo); 9) „Meditamenta pro foederibus ex prudentum monumentis discursim congesta“ (Hanov. 1601); 10) „Meditamenta pro foederibus et definitio foederis novae reperta eiusque variae formulae ex aliis liber II“ (Frkf. 1609); letztere beide erschienen zuerst unter dem Pseudonym: Wahremundus de Ehrenberg, unter Weyhe’s Namen später zu Frankfurt a. O. 1641; 11) „Thomas Mori de optimo reipublicae statu deque nova insula Utopia libri duo, consilio et cura Eberharti von Weihe“ (Frkf. 1601); 12) Versimilia theologica, juridica, politica, de regni subsidiis atque oneribus subditorum libro I, Samuel c. 8. traditis, per Phil. Melanchtonem proposita, nunc autem repetita ac discursim defensa …“ (Frkf. 1606, Wahremundus de Ehrenberg); 13) „Diss. de vita aulica et privata“ (Frkf. 1610); 14) „Meditatio de gloriae humanae vanitate, ex Patribus collecta“ (Frkf. 1610); 15) Meditamenta et recensio domestica de bono verae vitae beatae aeternaeque, et malo inferni ac gehennae“ (Frkf. 1611, Betrachtungen, die W. auf ausdrückliches Verlangen des Landgrafen Moritz II., eines Sohnes des L. Moritz I. angestellt hat); 16) „Discursus de speculi origine, usu et abusu“ (Hagae Schaumb. 1612); 17) „Ficta Juditha, et falsa ex ea sumta doctrina, licere hostem quemcunque omni in loco sub praetextu amicitiae et simulationis religionis ex ratione status interficere …“ (Veronae 1614, unter dem Pseudonym: Mirabilis de bona casa); 18) „Bedenken eines Fürstl. Braunschweigischen Raths, darinnen politisch discouriret wird, ob sein gnädiger Fürst und Herr, Friedrich Ulrich, [277] sich auf Kays. Majestät allergnädigstes Erfordern auf dem Deputationstage zu Regensburg persönlich begeben und einstellen solle?“ (1621, anonym in Londorp, Acta publica II, 1129. Erste Ausgabe; der Autor verneint die Frage); 19) „De arcanis rerum publicarum libri VI“ (Frkf. 1611); das Werk ist unter dem Namen Arnold Clapmeier’s erschienen, W. nimmt es jedoch entschieden als sein geistiges Eigenthum in Anspruch. Es scheint, als ob Clapmeier sich zu der Zeit, als er bei den Söhnen Weyhe’s Hauslehrer war, in irgend einer Weise Kenntniß von den bezüglichen Arbeiten Weyhe’s verschafft hat, doch ist das Werk erst nach Arnold’s Tode von dessen Bruder Johannes in Druck gegeben; Arnold hätte vielleicht in der Vorrede die Sachlage klar gelegt. – Die zu Frankfurt erschienenen „Opera Eberh. a Weyhe“ (1642) enthalten nur die unter Nr. 8, 9, 12 angegebenen Schriften.

Ausgearbeitet hat er hinterlassen: 1) „Verisimilia de poenis, earumque remissione, ac de mitigatione juris divini, canonici et civilis“, welche Abhandlung kurz vor seinem Tode zu Frankfurt erscheinen sollte; 2) „Opus de contemtu mortis“. Beide Arbeiten werden von verschiedener Seite, ohne Grund, als im Druck erschienen bezeichnet.

Die Schriften Weyhe’s finden sich am vollständigsten aufgezeichnet bei Strieder; zwei derselben, die Abhandlung über das kanonische Recht (Nr. 4) und der Aulus politicus (Nr. 8) stehen auf dem index librorum prohibitorum: in ersterem Werke verwirft W. zwar den Gebrauch des päpstlichen Gesetzbuches auf deutschen Universitäten nicht, spricht jedoch, besonders im Anfang vom Papst mit großer Heftigkeit. Kurz vor seinem Tode verfaßte W. noch seine Grabschrift, in der er einen kurzen Lebensabriß gibt; ihre Schlußworte lauten: Lux aeterna, vera, meram salve! Ob dieselbe wirklich auf seinem Grabstein angebracht war, ist unbekannt, da wir nichts Näheres über den Tod Weyhe’s wissen; wahrscheinlich ist er auf einem seiner Güter Böhme oder Rohde begraben.

Großes Universallexicon etc., Bd. 55. Leipzig u. Halle (Joh. Heinr. Zedler) 1748. – Joh. Friedr. Jugler, Beyträge z. jurist. Biographie. Lpz. 1773. Bd. 2, S. 223 ff. – Friedr. Wilh. Strieder, Grundlage z. e. hess. Gelehrten- u. Schriftsteller-Geschichte. Marburg 1817. Bd. 17, S. 15 ff. – Pfeffinger, Historie des Braunschw.-Lüneburg. Hauses. Hamburg 1734. Bd. 3, S. 286. – Khevenhiller, Annalium Ferdinandeorum p. X. Leipzig 1724, S. 776. – Rietstap, Armorial général, t. 2, Gouda 1887, S. 1081. – Kalckhoff, Collectan. vom Hess. Adel. Mscr. Hass. fol. 74 in Bibl. Cass.