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Artikel „Huber, Samuel“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 248–249, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Huber,_Samuel&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:00 Uhr UTC)
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Huber: Samuel H., evangelischer Theolog des 16. Jahrhunderts, geb. 1547 zu Burgdorf bei Bern, † den 23. März 1624 zu Osterwiek, Provinz Sachsen, – ebenso bekannt durch die große Zähigkeit, womit er seine eigenthümlichen theologischen Ansichten verfocht, wie durch die unglücklichen Schicksale, die er sich dadurch bereitete. – Er war der Sohn eines Berner Schulmeisters, studirte auf schweizerischen und deutschen Universitäten und zeigte früh eine Hinneigung zu lutherischen Ansichten, die ihn mit seiner reformirten Umgebung in Conflikt brachte. Als Pfarrer und Capitelskämmerer in Burgdorf wurde er zuerst mit einigen Berner Predigern, besonders mit Abraham Müslin oder Musculus, in einen Streit verwickelt über das Brotbrechen beim Abendmahl. Zu weitergehenden Angriffen gegen die schweizerische Abendmahls- und Prädestinationslehre bot ihm einen Anlaß das im Mai 1586 zwischen reformirten und lutherischen Theologen angestellte Mömpelgarder Gespräch. H. schlug sich jetzt förmlich auf die Seite der lutherischen Theologen und bestritt die calvinische Lehre von der Gnadenwahl, wie sie in Mömpelgard von Beza und Müslin vertheidigt worden war, als eine unchristliche und greuliche Lehre. Er wurde deshalb 1587 vom Kirchengericht, dann vom Berner Rath zur Verantwortung gezogen. Der Versuch, durch ein mit Zuziehung fremder Theologen angestelltes Religionsgespräch den Frieden herzustellen, mißlang (1588); H. wurde wegen falscher Anklage seines Amtes entsetzt und, da er das ihm auferlegte Stillschweigen brach, des Landes verwiesen. Er ging nach Württemberg, trat durch Unterzeichnung der Concordienformel zur lutherischen Kirche über und erhielt eine Pfarrstelle zu Derendingen bei Tübingen. Hier verfaßte er neben Streitschriften gegen Jesuiten und Reformirte ein größeres lateinisches Werk, das in 1329 Thesen die Lehre verfocht, daß Jesus für die Sünden des ganzen menschlichen Geschlechtes gestorben, die Erlösung also wie die göttliche Erwählung und Berufung eine schlechthin allgemeine sei (Tübingen 1589. 90. 92). Diese Schrift und die darin enthaltene Lehre von der Allgemeinheit der Gnade, welche nicht blos der calvinischen Prädestinationslehre direct widersprach, sondern auch über die vermittelnde Lehrweise der Concordienformel hinausging, verwickelte ihn zwar in Differenzen mit den Tübinger und Stuttgarter Theologen (bes. Gerlach und Lucas Osiander), verschaffte ihm aber eine Berufung nach Wittenberg, wo man einen kräftigen Kämpfer gegen Calvinismus und Cryptocalvinismus an ihm zu gewinnen hoffte. Er schied von den Tübinger Theologen in Frieden (1592) und wurde von den Wittenbergern, besonders Aegidius Hunn und Polykarp Leyser anfangs mit Vertrauen aufgenommen. Bald aber konnte er auch hier nicht lassen, seine Lieblingsmeinung von der allgemeinen Erwählung in schroffster Form vorzutragen und die orthodox-lutherische Lehre, wie sie im Anschluß an die Concordienformel besonders von Hunn vertheidigt und noch weiter entwickelt wurde, als eine schriftwidrige und calvinisirende zu verdächtigen. Mehr noch als der Inhalt seiner Lehre gab die rechthaberische, leidenschaftliche und provocatorische Form seines Auftretens Anstoß, besonders die Art wie er die Studenten, angeblich beim Bierglas, für sich zu gewinnen und gegen seine Collegen einzunehmen suchte. Es kam zu heftigen Auftritten, zunächst im Schooß der Facultät; vergeblich suchte der Rector, der Dresdener Hof, eine Zuschrift der Tübinger Collegen, ein 1593 angestelltes Colloquium, eine beim Regensburger Reichstag von süddeutschen Theologen mit H. angestellte Unterredung (1590[1]) zu vermitteln. H. erklärte, lieber Alles über sich ergehen zu lassen, als seinen Satz aufzugeben. [249] Schließlich ging auch dem kursächsischen Hof die Geduld aus: nach einer neuen Verhandlung zu Torgau wurde H. 1594 seines Amtes entlassen und aus Wittenberg und Kursachsen verwiesen (1595). Unstät und heimathlos trieb er sich nun in Deutschland umher als ein „verbitterter und verbissener Märtyrer des Universalismus“, – überall bemüht Freunde für sich zu erwerben oder wenigstens für kurze Zeit ein Asyl oder Subsistenzmittel zu gewinnen: so in Helmstädt, Braunschweig, Wolfenbüttel, Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Rostock, in Tübingen und Stuttgart, in Speier, wo er 1596 ff. längere Zeit sich aufhielt, in Berlin, wo er 1505 am kurfürstlichen Hof günstige Aufnahme zu finden hoffte, dann wieder in Mitteldeutschland, zuletzt, als er mit den Jahren etwas milder geworden, im Herzogthum Braunschweig-Wolfenbüttel, wo ihm Herzog Friedrich Ulrich einen Jahrgehalt anwies und ihn litterarisch beschäftigte, – in Göttingen, wo er einige Anhänger hatte, in Goslar, zuletzt in Osterwiek bei Halberstadt, wo er einen Schwiegersohn hatte, und wo er im Alter von 77 Jahren starb. Seiner Lehre hatte es eine Zeit lang in Nord- und Süddeutschland an Anhängern nicht gefehlt: mit dem Tod ihres Urhebers ist der Huberianismus spurlos verschwunden.

Ueber den näheren Inhalt und die relative Berechtigung desselben s. die Geschichte d. prot. Lehrbegriffs, bes. Schweizer, Die prot. Centraldogmen, Zürich 1854, I, S. 501 ff., eine ausführliche Monographie über ihn lieferte der Helmstädter Theolog J. A. Schmid, De S. Huberi vita fatis doctrina, 1708, wo auch ein Verzeichniß seiner Schriften. Im Uebrigen vgl. meinen Artikel in der Theol. RE. 2. Aufl., Bd. VI, S. 340 ff.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 248. Z. 2 v. u. l.: 1594. [Bd. 29, S. 775]