ADB:Weston, Elisabeth Johanna von

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Artikel „Weston, Elisabeth Johanna von“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 193–196, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weston,_Elisabeth_Johanna_von&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 13:49 Uhr UTC)
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Weston: Elisabeth Johanna v. W., lateinische Dichterin (als Westonia oder Westonis), wurde am 2. November 1582 zu London geboren und entstammte dem altadeligen Geschlechte W. in der Grafschaft Surrey. Ihr Vater mußte wol infolge persönlichen Mißgeschicks, vielleicht als eifriger, auch politisch frondirender Katholik, das Reich der eben auf dem Gipfel der Macht stehenden Protestantin Elisabeth, etwa gegen Ende der 80er Jahre, unter Verlust des meisten Eigenthums mit seiner nächsten Familie verlassen, als also die Tochter und der zwei Jahre ältere Sohn Johann Franz noch in zarter Kindheit standen. Ueber Frankreich und Italien kam die Familie bald nach Böhmen, wo sie sich, der Gunst des damals einflußreichen Peter Wok v. Rosenberg gewürdigt, erst kurz zu Prag aufhielt, dann in Brüx ein Haus mit Landgut ankaufte. Das Familienhaupt, ein beweglicher Weltmann, beharrte bei seiner früh gewohnten Leichtlebigkeit und stürzte sich durch übermäßigen Aufwand während öfterer Prager Besuche und durch wucherische jüdische Gläubiger tief in Schulden. So blieben die Angehörigen bei seinem plötzlichen Tode im Herbste 1597 in arger Bedrängniß zurück, ja, hartherzig entrissen jene Ausbeuter ihnen auch den Ueberschuß der aus den veräußerten Liegenschaften herausgeschlagenen Summe. Wittwe und Tochter begaben sich, spätestens Anfang 1598, nach Prag, um daselbst bei dem zwar schwachen, aber milden Kaiser Rudolf II. ihr Recht zu finden, und es gelang der letzteren, obschon ein kaum aufblühendes Mädchen, durch ihr gewinnendes [194] Auftreten, insbesondere aber durch rührende Darlegung ihres Unglücks in lateinischen Versen mächtige Leute für die Angelegenheit zu interessiren, zumal ihr begabter Bruder seit etlichen Jahren an der Universität zu Ingolstadt fleißig studirte, wo er dann bald (4. Nov. 1600) gestorben ist. Der Vicekanzler von Böhmen Heinrich v. Pisnitz, bot den beiden Frauen Unterkunft und Unterhalt, für die auch der gelehrte Domherr G. Berthold Pontanus v. Braitenberg aus Brüx, unablässig um ihre Sache bemüht, sorgte. Trotz dieser und anderer Gönner, z. B. des Oberstkanzlers Zdenko Adalb. v. Lobkowitz’, Befürwortung, lief der Proceß wider die benachtheiligende Güterversteigerung erst 1603 glücklich aus. Inzwischen waren aber zwei wichtige Ereignisse in Elisabeth Johanna’s Leben eingetreten. Ihre in der Correspondenz mit den hervorragendsten Humanisten der Zeit Scaliger, Lipsius, J. Douza, Melissus Schede, der sie 1601 mit dem Dichterlorbeer krönte, und Eingaben an Fürsten und Große, verstreuten Gedichte, die ihr in gelehrten Kreisen schon Ansehen und ihren Bittgesuchen für ihre Ansprüche Rücksicht errungen hatten, hatte der schlesische Edelmann Georg Martin v. Baldhoven als „Poemata … studio ac opera G. M. à Baldhoven collecta“,, wol auf seine Kosten, 1602 zu Frankfurt a. d. Oder zusammen drucken lassen. Andrerseits erreichte mit ihrer gleichzeitigen Vermählung mit dem Juristen Johann Leon, Agenten am Hofe des Kaisers – welch letzterem ihre Gedichtsammlung gewidmet war, ihre zweifelhafte Lage ein Ende. Ihr Gatte, durch ihren „schönen Geist und die erhabenen Tugenden“ auf sie aufmerksam geworden, bereitete ihr ein angenehmes herzliches Eheleben, das freilich, nachdem sie vier, ihr im Tode vorangehende Söhne und drei Töchter geboren hatte, schon am 23. November 1612 mit ihrem frühen Hinscheiden jäh abbrach. Im Kreuzgange de Thomasklosters auf der Prager Kleinseite wurde die Leiche der Jungvollendeten beigesetzt.

Obzwar die durch buchhändlerischen Vertrieb in weiteren Umlauf gesetzten poetischen Erzeugnisse der W. in dem einen mäßig starken Bande „Parthenicôn ELISABETHÆ JOANNÆ WESTONIÆ, Virginis nobilissimae, poëtricae florentissimae, linguarum plurimarum peritissimae, opera ac studio G. Mart. à Baldhoven, Sil. collectus“ – so die Aufschrift der von W. selbst bewachten 1606er Ausgabe – enthalten sind, ist doch die litterarische und ästhetische Kritik dadurch zur Genüge ermöglicht. Es ist hier kein Anlaß, ausführlich zu begründen, weshalb der poetische Werth ihrer sammt und sonders lateinischen Dichtungen, die fast durchgängig in Distichen, und zwar theils im elegischen, theils im epigrammischen Tenor, einige wenige auch in antik-lyrischen Strophenformen abgefaßt sind, unsererseits bloß gering anzuschlagen ist: denn sie war weder nach Geburt noch nach Wahl Deutsche, bezeichnete sich und ihre Nächstverwandten vielmehr stets als Anglus, wie sie auch litterarisch angesprochen wurde, begrüßte 1603 Jakob’s I. von Großbritannien Regierungsantrit panegyrisch in gebundener und ungebundener Rede, um ihn zu der, auch erlangten Verwendung beim deutschen Kaiser für sein Landeskind zu bringen, ihre Bildung, wennschon in der nach bewährtem sächsischen Muster eingerichteten Brüxer Schule des Johann Hammon genossen, war ausschließlich international-humanistisch, und wenn W., gemäß ihrer Beherrschung der früh verlorenen englischen Muttersprache, des Französischen, Italienischen, Deutschen, Czechischen ein nicht alltägliches Sprachtalent, natürlich in Brüx und Prag vorzugsweise das Deutsche als mündliches Verständigungsmittel gebraucht hat, so galt ihr doch ganz im Einklange mit ihren schriftstellerisch thätigen Zeitgenossen das mittelalterliche Gelehrtenidiom als allein würdiges Gewand eigener Schöpfungen, in dessen Behandlung sie durch gründliches Studium der augusteischen Poesie eine vielbewunderte und allseits überschwänglich gefeierte Fertigkeit sich erobert hatte. Was die Stoffe betrifft, so sind zu erwähnen die Gedichte „Typogra[p]hia“ und „De et pro Typographis“, die „Meditatio cum gratiarum [195] actione in diem natalium (!) SALVATORIS nostri“ nebst dem „De nomine JESU“; auch mehrere äsopische Fabeln übernahm sie, das allermeiste aber sind Episteln und kürzere Zuschriften. Seit ihrer Hochzeit floß fast nichts umständlicheres mehr aus ihrer Feder, was den wesentlich vom Zwange der Noth- und Gelegenheitsversfabrikation dictirten Ursprung ihres Schaffens klar verdeutlicht. Dagegen dürfte eine peinliche Revision ihrer persönlichen Aeußerungen in Vers und Prosa, so auch ihres zum Theil noch unzugänglichen, wol auch noch ungedruckten, Briefwechsels für politische und Gelehrtengeschichte der Zeit, in ersterer Hinsicht namentlich die Böhmens, mannichfaches ergeben.

Der Sammelband, den Baldhoven 1602 auf den Markt gebracht, erschien ohne Jahr 1606 zu Prag bereichert, neue Ausgaben Leipzig 1609, Amsterdam 1712, Frankfurt a. M. 1724; bis auf die letzte lautet der Titel gleich, während er bei dieser jüngsten Erneuerung heißt: E. J. W. Opuscula, cum praefatione, succinctam … Auctoris memoriam … complexa, … edita opera ac studio J. L. Kalckhoff, dicti Daum. Dieser jüngste Abdruck ist außerordentlich selten: Th. Georgi, Allg. europ. Bücher-Lex., I. Suppl. (1750) S. 389, und Heinsius, Allg. Bücher-Lex. IV (1813) S. 386, Graeffe, Trésor de livres VI 2, 438, endlich den bisherigen Biographen blieb er unzugänglich. Andere Ausgaben als die von uns oben genannten, z. B. von 1601 und 1723, existiren nicht. Das British Museum (v. Catalogue-Band „Wes-Whi“ p. 39a) besitzt die editio princeps, die ultima, sowie ein Exemplar des 1606er Drucks mit einer vom 16. August 1610 datirten handschriftlichen Dedication und ein paar dem liber I beigefügten Versen im Manuscript.

Im folgenden seien die Stellen aufgezählt, wo der E. J. W. registrirend oder biographisch gedacht worden ist, wodurch alle bisherigen Lebensabrisse ergänzt und der Aufbau eines weiteren erspart wird: Draud’s Biblioth. Class. II 1605, Schultetus, Dissert. de foeminis prima aetate eruditione ac scriptis illustribus ac nobilibus, Joh. Sauerbrey, De eruditis foemin. diatr. I, § 50, Planer, Gynaeceum doct., S. 67, C. F. Paullini, Das Hoch- und Wohlgelehrte Teutsche Frauenzimmer (1705, S. 143; 1712, S. 159), Conring, De scritoribus XVI post Christi natum seculorum commentarius, S. 182, Feller, Monument. var. inedit. Trimestre IX, p. 504, Philipps, Biographie des femmes poëtes, John Evelyn, Numismata. A discourse of medals(1697), S. 264 (Mrs. Weston, who besides other things, writ a Latin Poem in praise of Typography), J. Cl. Eberti, Eröffnetes Cabinet Deß Gelehrten Frauen-Zimmers (1706), S. 375, Thomas Fuller, Worthies of Surrey in „The History of the Worthies of England“ (1666), A. Ballard, Memoirs of Several Ladies of Great Britain who have been celebrated for their writings or skill in the learned languages, arts and sciences (1752), Zedler, Universal-Lexikon, 55. Thl. (1748), 929 f., Jöcher, Allg. Gelehrten-Lex. IV (1751), 1914, Balbini, Bohem. Doct. II, p. 373, Pelzel, Abbildg. böhm. und mähr. Gelehrt. III, S. 71, Dobrowsky’s Journal „Neue Literatur“ (Prag 1772), S. 161 f., ders., „Literar. Magaz.“ I, S. 126 f., ders., Böhm. Liter. III, S. 126, Robert Watt, Bibliotheca Britannica II (1824), 958 w, Graeffe, Trésor de livres a. a. O., Kalckhoff in seiner Ausgabe Weston’s von 1724 (s. o.), P(aris)ot i. d. Biographie universelle 44. Bd. S. 512–514 (die erste wirkliche Biographie und Charakteristik), Allibone, Dictionary of Engl. literat. and Brit. and Amer. authors III (1871), 2656 b (noch arg fehlerhaft); Ant. Rebhann, „Elisabeth Johanna Weston. Eine vergessene Dichterin des 16. Jahrhunderts“, i. d. Mittheilgn. des Vereins f. Gesch. d. Dtschn. in Böhmen, XXXII (1894), S. 305–316 (fleißige, gründliche Arbeit, die in A. Sauer’s Votum „Euphorion“ I 194 „berichtigte Biographie. Eine eingehendere Würdigung ihrer Gedichte vermißt man“ zu kurz kommt). Das Prager Epitaphium, [196] für verschiedene biographische Daten wichtig, ist abgedruckt bei Schottky, Prag, wie es war und wie es ist, II. Bd., S. 76. J. D. Fuß, Réflexions sur l’usage du latin moderne en poésie et sur le mérite des poètes latins modernes (Liège 1829), erwähnt sie nicht, obwol er auf 16. und anhebendes 17. Jahrhundert das Schwergewicht legt.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 196. Z. 5 v. o. Weston: Sie ist kurz, aber doch nach den Hauptdaten ihres Lebens und Wirkens behandelt bei Heinr. Groß, Deutschlands Dichterinnen und Schriftstellerinnen2 (1882), S. 253. [Bd. 44, S. 574]

Anmerkungen (Wikisource)