ADB:Ulber, Christian Samuel
Melchior Gottlieb Minor (s. A. D. B. XXI, 768) auch Senior. Am 6. October 1752 ward er, als er zu einem Krankenbesuche fuhr, von scheu gewordenen Pferden mit dem Wagen umgeworfen; er brach nicht nur den linken Arm, sondern zog sich auch durch diesen Unfall eine heftige Krankheit zu, so daß er im Sommer der Jahre 1753 und 1754 nach Karlsbad zur Kur reisen mußte. Hier lernten ihn Kaufleute aus Hamburg kennen, die dann, als nach dem am 18. (nicht 28.) August 1756 erfolgten Tode des Hauptpastors zu St. Jacobi in Hamburg, des berühmten Erdmann Neumeister (s. A. D. B. XXIII, 543 ff.), der zunächst an dessen Stelle gewählte Professor Ernst August Bertling, damals in Danzig, die Wahl nicht annahm, die Aufmerksamkeit der Wähler in der St. Jacobi-Gemeinde auf U. richteten. U. ward am 5. Juni 1757 einstimmig gewählt und hielt am 28. October seine Antrittspredigt in Hamburg. Er verblieb in dieser Stellung bis zu seinem am 28. (nicht 20.) August 1776 im soeben begonnenen 63. Lebensjahre erfolgten Tode. Schon im J. 1754 war er zum Ehrenmitglied der Königlich Deutschen Gesellschaft zu Königsberg ernannt; am 30. April 1767 krönte ihn die Universität Wittenberg mit dem poetischen Lorbeer; als ihn der Senat zu Hamburg, nachdem Johann Melchior Goeze das Seniorat im J. 1770 niedergelegt hatte, zum Senior erwählte, lehnte er diese Wahl ab, da er seines Gesundheitszustandes wegen Bedenken hatte, die mit dem Seniorat verbundene Arbeit noch auf sich zu nehmen. – U. war einer der bedeutendsten Prediger seiner Zeit; die von ihm in Hamburg wöchentlich herausgegebenen sog. „erbaulichen Denkzettel“, d. h. Auszüge aus seinen Predigten, die zum Theil mehrfach aufgelegt wurden, sowie die ausgeführten Predigten, die er drucken ließ, zeichnen sich sowol durch die Themata und Dispositionen, als auch durch die Fülle fruchtbarer Gedanken und die für jene Zeit hervorragend edle und einfache Sprache aus; vgl. Herzog’s theologische [177] Realencyklopädie, 2. Aufl., XVIII, 568. – Außerdem kommt U. als Verfasser von berühmt gewordenen Erbauungsschriften in Betracht; besonders sind sein „christlicher Kreuzträger“ und sein „rechtschaffener Naturalist“ hervorzuheben. Der Kreuzträger erschien zuerst wie eine Art Wochenschrift; am 1., 10. und 20. Tage jedes Monates erschien ein Quartbogen mit einer in sich abgeschlossenen Betrachtung; 60 solcher Bogen erschienen im ganzen; Themata waren z. B. „Das beschwerliche Alter“, „Der Angefochtene“, „Der erlittene Diebstahl“, „Die unfruchtbare Ehe“, „Das geplagte Gesinde“, „Die Gespensterplage“, „Der Melancholische“ u. s. f. Das Ganze erschien dann zuerst unter dem angegebenen Titel gesammelt Hamburg 1760, bei Rudolf Beneke, 1 Band 4°, mit einem Porträt Ulber’s in Kupfer gestochen von Fritzsch. In demselben Jahre erschien eine Ausgabe Hamburg und Liegnitz, wahrscheinlich nur mit anderem Titel; ein neuer Abdruck erschien 1766 in 8°. – „Der rechtschaffene Naturalist mit seinem christlichen Auge und Herzen bei natürlichen und weltlichen Dingen“ enthält erbauliche Betrachtungen über allerlei Gegenstände und Beobachtungen aus der Natur und ihrem Leben; er erschien zuerst Hamburg 1765, im folgenden Jahre schon in neuer Auflage und 1770 zu Kopenhagen in einer dänischen Uebersetzung. – U. hat auch geistliche Lieder verfaßt; doch ist nicht immer deutlich, welche Lieder von ihm gedichtet sind. Die von ihm herausgegebene Sammlung geistlicher Lieder: „Die Gott bittenden und lobenden Stimmen der Andacht“ (Hamb. 1763, 2. Aufl. 1764) enthält nämlich nach dem Vorberichte zu einem großen Theile auch Lieder, die Ulber’s Freund, Ernst Leberecht Semper (s. A. D. B. XXXIII, 706), hinterlassen hat, und die dann von U. überarbeitet und mit seinen eigenen Liedern vermengt sind, ohne daß der Antheil jedes von ihnen an der Sammlung genau angegeben wäre. Jedenfalls sind Ulber’s Eigenthum zwei geistliche Lieder, die sich von ihm schon in dem Breslauer Gesangbuch von 1753 finden: „Auf, auf, mein Herze“ und „Komm, angenehmer Schlaf“. Ulber’s Lieder stehen (vgl. Bode) zwischen Rambach und Gellert. Vier von ihnen hat Diterich überarbeitet und in sein Gesangbuch für den öffentlichen Gottesdienst (1765) aufgenommen, von wo aus sie weitere Verbreitung fanden. Unter diesen ist wol das bekannteste das Himmelfahrtslied: „Erhöhter Jesu, Gottes Sohn, der du schon längst der Himmel Thron“ u. s. f.
Ulber: Christian Samuel U. wurde am 26. August 1714, einem Sonntage, in Landeshut in Schlesien geboren, wo sein Vater, Heinrich U., Prediger und später Senior war. Die ersten Jahre verlebte er im Hause seines mütterlichen Großvaters, Johann Christoph Bauch, welcher Prediger zu Kunitz im Fürstenthum Liegnitz war. Er besuchte dann die Schule in Landeshut und ging Ostern 1732 nach Jena zum Studium der Theologie; hier blieb er bis Michaelis 1735. Im Anfang des Jahres 1736 trat er als Hauslehrer in das Haus des Barons v. Richthofen zu Peterwitz, um einen jungen Herrn v. Stosch zu unterrichten. Am 30. October 1737 ward er zum Prediger zu Heinersdorf bei Liegnitz ernannt, welches Amt er im Sommer 1738 antrat. Am 22. August 1740 wurde er als Diakonus nach Landeshut berufen; doch sollte ihm die Freude, an der Seite seines Vaters und als dessen College wirken zu können, nur kurze Zeit zu theil werden. Am 12. Februar 1741 ward er in Landeshut eingeführt und schon am 23. Juli desselben Jahres starb sein Vater. Am 27. November 1742 verheirathete er sich mit Beata Rosina Liehr aus Landeshut. Nach dem Tode seines Vaters ward er Archidiakonus und sodann im J. 1748 nach dem Tode von- Nachrichten von Niedersächsischen berühmten Leuten u. Familien II, 21 ff. – Nachricht von dem Leben und Schriften des weiland … Herrn Christian Samuel Ulbers. Hamb. 1776. 4°. (Dieser jetzt sehr selten gewordene Druck ist nichts als ein Abdruck des Artikels über Ulber in dem vorigen Werke.) – Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart VII, 452 ff.; hier auch ein Verzeichniß v. Ulber’s Schriften. – Rambach, Anthologie V, 86 ff. – Koch, Geschichte des Kirchenlieds u. s. f., 3. Aufl., 6. Bd. S. 393. – Bode, Quellennachweis, S. 164. – Meusel XIV, 186. – Vgl. auch Thieß, Geschichte seines Lebens u. s. f., 1. Theil, S. 112–118 in der Anm. *).