ADB:Spiegel zum Desenberge, Ferdinand August Graf von

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Artikel „Spiegel zum Desenberg, Ferdinand August Graf“ von Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 149–155, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spiegel_zum_Desenberge,_Ferdinand_August_Graf_von&oldid=- (Version vom 16. Oktober 2024, 08:34 Uhr UTC)
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Spiegel: Ferdinand August Maria Joseph Anton Graf S. zum Desenberg, Erzbischof von Köln, geboren am 25. December 1764 auf [150] dem Schlosse Canstein in Westfalen, † am 2. August 1835 zu Köln. Er stammte aus der alten westfälischen Familie der Freiherren Spiegel zum Desenberg und Canstein. Sein Vater, Theodor Hermann, war kurkölnischer Geheimer Rath, seine Mutter, die zweite Frau des Vaters, eine Freiin von Landsberg. Er hatte sechs Brüder und zwei Schwestern; der älteste Bruder, Wilhelm, wurde kurkölnischer Kammerpräsident und Curator der kurfürstlichen Universität zu Bonn, der jüngste, Kaspar Philipp, war längere Zeit österreichischer Gesandter in München († am 29. März 1837; s. Wurzbach 36, 146). Ferdinand August kam, 13 Jahr alt, als Edelknabe des Fürstbischofs von Fulda in das dort zur Ausbildung junger Adeliger errichtete Convict. Am 9. Mai 1779 erhielt er von dem Weihbischof von Fulda die Tonsur, 1782 eine Präbende im Domstift zu Münster (1790 auch Präbenden zu Osnabrück und Hildesheim). Er siedelte nun nach Münster über, wohnte dort bei seinem Oheim Goswin Anton und studirte an der dortigen Universität Theologie und Jura. 1790 begleitete er den Kurfürsten Maximilian Franz, Erzbischof von Köln und Bischof von Münster, zur Kaiserkrönung nach Frankfurt. Am 17. November 1793 verlieh ihm der Kurfürst die durch den Tod seines eben genannten Oheims erledigte fünfte Prälatur, die Stelle des Vicedominus und Archidiakonus im Münster’schen Domcapitel. Einige Tage darauf, 25. November, ließ er sich von dem Weihbischof Wilhelm d’Alhaus die vier niederen Weihen und die Subdiakonatsweihe ertheilen. Am 18. Januar 1796 wurde er zum fürstbischöflichen Geheimen Rath ernannt, am 25. Juli von dem Weihbischof Caspar Max v. Droste zum Diakon geweiht. Am 29. Juli 1799 wurde er von dem Capitel einstimmig zum Domdechanten gewählt; der Kurfürst bestätigte die Wahl am 18. August. Am 6. Dec. 1799 wurde er von dem Weihbischof v. Droste zum Priester geweiht.

Nach dem Tode des Kurfürsten Maximilian Franz, 27. Juli 1801, suchte die preußische Regierung mit Rücksicht darauf, daß im Luneviller Frieden vom 9. Februar 1801 die Säcularisation der geistlichen Staaten in Aussicht genommen war, die Wahl eines neuen Fürstbischofs von Münster zu hintertreiben. Hauptsächlich durch Spiegel’s Einfluß wurde sie am 9. September doch vorgenommen und der Erzherzog Victor Anton gewählt, den das kölnische Domcapitel zu Arnsberg am 7. October auch zum Erzbischof von Köln wählte. Die Wahl hatte keine weiteren Folgen: durch den Reichs-Deputations-Hauptschluß vom 25. Februar 1803 fiel die Stadt Münster und ein Theil des Bisthums an Preußen; durch den Frieden von Tilsit vom 9. Juli 1807 wurde Münster dem Königreich Westfalen, am 1. März 1808 dem Großherzogthume Berg, am 10. December 1810 dem französischen Kaiserreiche einverleibt; im November 1813 wurde es definitiv ein Bestandtheil des preußischen Staates.

Der Freiherr vom Stein, der 1802 als höchster preußischer Beamter nach Münster kam, beantragte die Ernennung von S. zum Mitgliede der Commission für die Universität und das Gymnasium; er sagt in seinem Berichte vom 2. Dec. 1802: er kenne ihn seit zwölf Jahren als einen Mann von ausgezeichneten Geisteskräften, ausgebreiteten Kenntnissen, einer großen und sehr beharrlichen wissenschaftlichen und Geschäftsthätigkeit; seit seine Bemühungen, die alte selbstständige Verfassung des Münsterlandes aufrecht zu erhalten, durch die politischen Ereignisse vereitelt seien, habe er nicht einen Augenblick unterlassen, die Forderungen seiner neuen Verhältnisse mit Offenheit, Würde und unermüdeter Thätigkeit zu erfüllen. Als der Curator der Universität, Franz v. Fürstenberg (A. D. B. VIII, 232) 29. Juni 1805 aus diesem Amte entlassen war, wurde S. mit dem Oberpräsidenten L. v. Vincke an die Spitze einer Universitäts-Einrichtungs-Commission gestellt. Er correspondirte nun mit dem Professor Oberthür zu Würzburg (A. D. B. XXIV, 107), um Schüler desselben für die Universität, deren [151] Erweiterung geplant wurde, zu gewinnen. Es gelang aber Oberthür nur einen einzigen, Michael Wecklein, zur Annahme einer Berufung (als Professor der orientalischen Sprachen) zu bestimmen, und mit diesem legte S. nicht viel Ehre ein. Er gab bald solchen Anstoß, daß Fürstenberg als Generalvicar im Frühjahr 1806 den Theologiestudirenden den Besuch seiner Vorlesungen verbot. (Wecklein wurde später als Bibliothekar nach Bonn versetzt, 1829 von S. zum Canonicus in Aachen ernannt, † am 31. October 1849.) Unter der französischen Herrschaft wurden der Graf Merveldt und der Domherr v. Droste-Vischering S. in der Universitätscommission zur Seite gesetzt, mit denen er nicht harmonirte. Er zog sich in den ersten Jahren der Fremdherrschaft aus dem öffentlichen Leben zurück, bemühte sich aber mit Geschick und Erfolg, die finanzielle Bedrückung des Münsterlandes zu mildern und den Mitgliedern der aufgehobenen Stifter angemessene Pensionen zu erwirken.

Im September 1811 schlug Stein dem Staatskanzler Hardenberg vor, S., „einen geistvollen, kräftigen Mann“, als Coadjutor des Fürstbischofs Hohenlohe von Breslau zum „Chef der schlesischen Geistlichkeit“ zu ernennen. Es kam nicht dazu. S. mußte vielmehr zunächst eine ganz andere Stellung übernehmen. Am 15. Mai 1813 überraschte ihn der französische Präfect mit der Mittheilung, der Kaiser habe ihn am 14. April zum Bischof von Münster ernannt und er habe binnen vierzehn Tagen zu Paris den vorgeschriebenen Eid abzulegen. Auf seine ablehnende Antwort erwiderte der Präfect: wenn er nicht gutwillig reise, werde er mit Gewalt nach Paris gebracht werden. S. reiste also nach Paris; seine Bitte, man möge ihn wenigstens erst in Rom anfragen lassen, wurde mit der Versicherung abgelehnt, der Kaiser übernehme es, die Zustimmung des Papstes zu erwirken. So legte denn S. am 27. Juni vor der Kaiserin Marie Louise den Eid ab, und unter dem 15. August wurde dem Münsterschen Domcapitel seine Ernennung zum Bischof amtlich mitgetheilt und dasselbe zugleich angewiesen, ihm „nach dem Gebrauche aller Kirchen des Reiches“ bis zu seiner Consecration als Capitularvicar die Verwaltung der Diöcese zu übertragen. Die Ernennung Spiegel’s war, da das französische Concordat von 1801 für Münster keine Geltung hatte, unberechtigt und S. wurde denn auch vom Papste nicht bestätigt. Die Uebernahme der Verwaltung der Diöcese stieß aber noch auf besondere Schwierigkeiten. Auf den Wunsch des Generalvicars Fürstenberg hatte das alte Münstersche Capitel am 18. Januar 1807 den Domherrn Clemens August v. Droste-Vischering (A. D. B. V, 420) zu seinem Coadjutor gewählt und am 9. Juli hatte Fürstenberg diesen als seinen Nachfolger bezeichnet. Nachdem Münster 1810 dem französischen Reiche einverleibt worden war, wurden am 14. Nov. 1811 alle Capitel, Klöster und geistlichen Corporationen, auch das Domcapitel, supprimirt; in einem Decrete vom 24. August 1812 erklärte aber Napoleon: das Domstift solle als einfaches Domcapitel gleich den übrigen des Reiches bestehen bleiben, aber alle Mitglieder desselben, die sich außerhalb des Reiches aufhielten oder nicht Priester seien, seien als ausgeschieden anzusehen und die Zahl der Domherren solle auf elf reducirt werden. Von den 40 (sämmtlich adligen) Mitgliedern des Capitels lebten noch 31, vier außerhalb des Reiches, zwanzig, die nicht Priester waren. Von den sieben anderen trat S. in das neue Capitel nicht ein, so daß es nur sechs Mitglieder zählte. 1813 ernannte Napoleon noch fünf neue, die am 12. Mai von den älteren als Mitglieder des Capitels anerkannt wurden. Als nun S. von Napoleon zum Capitularvicar designirt war, weigerte sich Droste auf das Verlangen des Präfecten, sein Amt niederzulegen, einzugehen, verstand sich aber am 31. August 1813 dazu, S. als zweiten Capitularvicar anzuerkennen und ihm die Verwaltung der Diöcese ganz zu überlassen, wenn er einen Revers ausstelle, daß der Capitularvicar v. Droste ihn für sich substituirt [152] habe. Durch ein Circular vom 31. August zeigte er dann den Pfarrern an, S. habe die Verwaltung der Diöcese übernommen.

Als ernannter Bischof von Münster erließ S. nach der Schlacht bei Dresden (26. und 27. August 1813) einen im Napoleonischen Sinne gehaltenen Hirtenbrief. Im November 1813 kam Münster wieder unter preußische Herrschaft. Droste wollte nun die Verwaltung der Diöcese wieder selbst übernehmen; S. suchte sich im Einverständniß mit dem Oberpräsidenten v. Vincke als Capitularvicar zu behaupten. Droste reiste aber 1814 nach Rom; der Papst mißbilligte die von ihm dem ernannten Bischof S. ertheilte Substitution, und nach seiner Rückkehr widerrief er dieselbe (31. August 1815) und erklärte in einem Circular an die Geistlichkeit, er habe die Verwaltung der Diöcese wieder übernommen. Er behielt sie bis zur Ernennung des Bischofs Lüning im J. 1821.

Im J. 1814 wandte sich S. an Stein mit dem Wunsche, zur Bearbeitung der katholischen Dinge in Deutschland berufen zu werden. Stein antwortete: „Ich kann Ihnen nicht verhehlen, daß Ihre Annahme der bischöflichen Würde aus den unbefugten und blutigen Händen des Verfolgers des heiligen Mannes, der das Oberhaupt der katholischen Kirche ist, und Ihr Hirtenbrief, wo Sie zur Feier der Schlacht von Dresden auffordern, Ihnen bei Ihren Glaubensgenossen und bei allen redlichen Deutschen einen unberechenbaren Schaden gethan hat.“ Das freundschaftliche Verhältniß zwischen beiden Männern wurde aber wiederhergestellt und sie unterhielten bis zum Tode Stein’s (1831) einen lebhaften Briefwechsel nicht nur über kirchliche, sondern auch über politische, namentlich preußische und westfälische Angelegenheiten und über den Plan der Herausgabe der Monumenta Germaniae.

Im Sommer 1814 trat S. in Beziehungen zu dem Staatskanzler Hardenberg. Er übersandte ihm im August und September Denkschriften, „Grundzüge über das katholische Kirchenwesen“, „Ueber das Kirchenwesen zwischen Main und Mosel“, „Ueber die Lage und Bedrückung der katholischen Kirche in Deutschland“ (sie sind leider nicht mehr aufzufinden). Auch im J. 1815 arbeitete er im Auftrage Hardenberg’s Berichte und Denkschriften über katholisch-kirchliche Angelegenheiten aus. Eine Zeit lang war er auch auf dem Wiener Congreß dessen Berather. Am 17. Januar 1816 wurde er mit seinem Bruder Kaspar Philipp in den Grafenstand erhoben, 20. März 1817 zum Mitglied des Staatsrathes, 11. März 1819 zum Wirklichen Geheimen Rathe ernannt.

Im April 1817 wünschte Hardenberg, S., der eben zu den Sitzungen des Staatsrathes in Berlin war, möge zu den Conferenzen zugezogen werden, welche über die Instruirung Niebuhr’s für die Concordatsverhandlung mit Rom gehalten wurden. Aber der Minister des Innern, Schuckmann, sprach sich, wahrscheinlich unter dem Einflusse des Geheimen Rathes Schmedding (A. D. B. XXXI, 631), der schon in Münster mit S. nicht harmonirt hatte, dagegen aus. – In demselben Jahre wurde S. für das Bisthum Breslau in Aussicht genommen, lehnte aber ab. Im Juni 1821 genehmigte der König Altenstein’s Vorschlag, ihn für das Erzbisthum Köln vorzuschlagen. Niebuhr gelang es, sein Verhalten in der französischen Zeit in Rom so zu entschuldigen, daß von dort kein Widerspruch zu befürchten war. Aber S. selbst trug Bedenken, das Amt anzunehmen, hauptsächlich darum, weil er sich über die Rechte, die er als Erzbischof, auch der Regierung gegenüber, glaubte beanspruchen zu müssen, mit dem Ministerium nicht gleich verständigen konnte. Stein forderte ihn in mehreren Briefen dringend auf, anzunehmen; aber erst im Februar 1823 theilte ihm S. mit, er habe das Erzbisthum „unter gewissen, für den Erfolg seines Wirkens nothwendigen Bedingungen“ angenommen. In einem Breve vom 10. Juli 1823 erklärte sich Pius VII. mit der Ernennung einverstanden und beauftragte den Fürstbischof [153] von Ermland, den Informativproceß selbst oder durch einen Subdelegirten auszuführen. Das Breve wurde vorläufig in Berlin zurückgehalten, da S. noch immer Bedenken trug, was Stein und Niebuhr in ihren Briefen an ihn entschieden mißbilligten. Erst im Juni 1824 nahm er die Ernennung definitiv an, und auf seinem Wunsch wurde unter dem 14. Juli der Weihbischof v. Droste-Vischering zur Ausführung des Informativprocesses subdelegirt.

Im November 1821 war S. nach Berlin berufen worden, um bei den Berathungen über die Ausführung der Bulle De salute, als deren Executor der Fürstbischof von Ermland, Prinz Joseph von Hohenzollern (A. D. B. XII, 702) bestellt war, zugezogen zu werden. Auf den Vorschlag Schmedding’s, der dem Fürstbischof als Civilcommissar beigegeben war, wurde S. im August 1822 zum Vorsitzenden der Commission ernannt, die der Fürstbischof für die Organisation des Domcapitels in Münster subdelegirte. Nachdem er zum Erzbischof ernannt war, übertrug ihm der Fürstbischof am 4. August 1824 die Ausführung der Bulle im Erzbisthum Köln, insbesondere die Bildung des Domcapitels. – In den letzten Jahren, die S. in Münster verlebte, machte er sich besonders verdient um die Organisirung des Armenwesens.

Am 20. December 1824 wurde S. von Leo XII. als Erzbischof von Köln präconisirt. Nachdem die Bullen angekommen waren, ergriff er am 24. März 1825 durch den bisherigen Aachener Ehrendomherrn Joh. Hüsgen von dem erzbischöflichen Stuhle Besitz. Am 21. April hielt er seinen Einzug in Köln; am 26. Mai installirte er die Mitglieder des Domcapitels; am 11. Juni wurde er von dem Bischof v. Hommer von Trier unter Assistenz der früheren infulirten Aebte von Hamborn und Verden consecrirt. Unter dem 12. Juni erließ er seinen ersten Hirtenbrief (Tübinger Quartalschrift 1825, 541). Zu seinem Generalvicar ernannte er den eben erwähnten Hüsgen (A. D. B. XIII, 453), der dieses Amt bis zu Spiegel’s Tode behielt, zu seinem Geheimsecretär im J. 1826 Nicolaus München, der später Domcapitular und der einflußreichste Rathgeber Spiegel’s wurde (A. D. B. XXII, 726).

Stein hatte am 18. Juni 1824 an S. geschrieben: „Treten Sie also unter Leitung göttlicher Vorsehung den großen und edlen Beruf an, eine zerrüttete, verwaiste Kirche wieder aufzubauen und eine verwilderte oder vernachlässigte Geistlichkeit wieder zu bilden und zu heben. Mit Geduld, mit Beharrlichkeit, mit gänzlicher Verleugnung seiner selbst und demüthiger Hingebung wird ein Mann von Ihrem Geist, Geschäftserfahrung, Gelehrsamkeit und Thätigkeit die ihm zu theil gewordene Aufgabe mit segensreichem Erfolg lösen.“ Auch von ultramontaner Seite wird anerkannt, daß S. diese Aufgabe mit Erfolg zu lösen bemüht gewesen ist. „Er erwies sich, heißt es im Freiburger Kirchenlexicon VII, 891, als milden, verständigen Oberhirten, der die vielfachen, während der bischofslosen Zeit auf kirchlichem und socialem Gebiete eingerissenen Uebelstände wohl erkannte und abzustellen suchte, der unablässig darauf hinarbeitete, die Reste des französischen Radicalismus auszurotten, den kirchlichen Indifferentismus zu beseitigen, den Glauben zu befestigen, die Gottesfurcht zu fördern, den Clerus auf eine höhere Stufe der theologischen und allgemeinen Bildung zu erheben.“ Die Bildung des Clerus ließ er sich besonders angelegen sein: die theologische Facultät zu Bonn wurde vervollständigt (sie hatte 1825 neben Hermes nur noch zwei Professoren), das theologische Convict zu Bonn errichtet, das Priesterseminar zu Köln neu organisirt und die Prüfung der Candidaten des geistlichen Standes verschärft und von dem Erzbischof selbst beaufsichtigt. In einem Briefe an seinen Bruder spricht S. sehr befriedigt über die große Folgsamkeit des Clerus und über das Gelingen der sittlichen, religiösen und wissenschaftlichen Bildung des Nachwuchses der Clerisei, auch über die anhänglichkeitsvolle und ehrerbietige Aufnahme, die [154] er bei seinen Firmungs- und Visitationsreisen überall in der Diöcese bei dem Volke finde. Im J. 1826 erließ er eine Verordnung über Wallfahrten, wodurch Mißbräuchen bei denselben gesteuert wurde, in den folgenden Jahren mehrere andere auf die Seelsorge und die Geschäftsführung der Geistlichen bezügliche Verordnungen. 1829 nahm er eine neue Eintheilung der (689) Pfarreien in (44) Decanate vor und erließ eine Verordnung über die Wahl und die Obliegenheiten der Dechanten. In demselben Jahr publicirte er die auf einer Uebereinkunft der Regierung mit der Curie beruhende neue Festordnung (neben den Sonntagen 14 gebotene Feiertage). Auch um die Restauration des Kölner Domes erwarb sich S. große Verdienste (sie werden in einem Aufsatze von Blömer im Domblatte Nr. 88, abgedruckt in der Bonner Zeitschr. f. Phil. u. Theol. 1852, 2, 199 dargestellt); die Erhebung der Kathedralsteuer verordnete er aber 1825 auf Befehl der Regierung erst, nachdem er sich zwei Jahr dagegen bemüht hatte. Die Organisation der geistlichen Gerichtsbarkeit, für die er sich von 1825 an bemühte, kam wegen des Widerspruchs des Ministeriums während seiner Amtsführung nur sehr unvollkommen zu Stande. Ueberhaupt fanden seine Bemühungen in Berlin, namentlich bei dem Minister v. Altenstein und dem Geheimen Rathe Schmedding vielfach nur geringe Unterstützung, theilweise zähen Widerspruch. Dagegen bezeichnete er den Oberpräsidenten v. Ingersleben nachdem er am 13. Mai 1831 gestorben war, in einem vertraulichen Briefe an seinen Bruder als seinen zuverlässigsten Freund in der Rheinprovinz. – 1827 reiste S. nach Baden und consecrirte feierlich den ersten Erzbischof von Freiburg, Bernhard Boll. Sonst verließ er, abgesehen von einigen Reisen nach Berlin, seine Diöcese nur sehr selten, da er wußte, daß zu Reisen außerhalb Preußens die damals erforderliche ausdrückliche Erlaubniß des Königs nur ungern ertheilt wurde.

Bei dem weitaus größten Theile seiner Geistlichkeit war S. geachtet und beliebt; von einigen Ultramontanen wurde er in ausländischen Blättern mehrfach angegriffen. So schon 1825 wegen eines auf den Wunsch der Regierung erlassenen Rundschreibens, worin er den Geistlichen die directe Correspondenz mit auswärtigen Oberen (der römischen Curie, den Nuntien etc.) verbot. Dieses Rundschreiben wurde auch von dem Münchener Nuntius übel vermerkt. S. konnte aber darauf hinweisen, daß lange vorher der Aachener Generalvicar Fonck dasselbe Verbot erlassen. Gleichzeitig wurde getadelt, daß S. die Cabinetsordre vom 17. August 1825 über die gemischten Ehen publicirt habe; das hatten aber auch die drei anderen rheinisch-westfälischen Bischöfe gethan. Größeren Anstoß erregte sein späteres Verhalten in dieser Angelegenheit. Auf den Rath Bunsen’s wurden 1828 die vier Bischöfe veranlaßt, sich in dieser Sache an den Papst zu wenden. Die von Bunsen in Rom geführten Verhandlungen hatten zum Ergebnisse ein Breve Pius’ VIII. vom 25. März 1830 nebst einer Instruction des Cardinals Albani vom 27. März. Damit war die preußische Regierung nicht zufrieden, und da in Rom weitere Concessionen nicht zu erreichen waren, wurde am 8. September 1832 Schmedding auf seinen eigenen Vorschlag beauftragt, bei den Bischöfen anzufragen, ob sie nicht aus eigener Macht über das Breve hinausgehen könnten. Die Antworten fielen nicht befriedigend aus; S. aber sandte ein Gutachten des Domcapitulars München vom 17. Oct. 1832 nach Berlin, worin er nachzuweisen versuchte, das Breve könne so ausgelegt werden, daß es den Forderungen der Regierung nicht im Wege stehe. Auf Grund dieses Gutachtens verhandelten im Auftrag des Königs S. und Bunsen im Juni 1834 zu Berlin. Das Ergebniß war eine Convention vom 19. Juni 1834, die vom Könige genehmigt wurde, und S. bestimmte im Juli die drei anderen Bischöfe, derselben beizutreten. (S. erhielt darauf den Schwarzen Adler-Orden.) Als die Convention in Rom bekannt wurde, wurde sie entschieden verworfen. Das geschah [155] aber erst nach dem Tode von S., und die dadurch und durch die hermesische Angelegenheit (A. D. B. XII, 195) veranlaßten Wirren spielten sich unter seinem Nachfolger Clemens August von Droste-Vischering ab (A. D. B. V, 424).

S. war im August 1833 lebensgefährlich krank; nach seiner Genesung ließ das Domcapitel eine Denkmünze prägen. Am 21. Mai 1835 erkrankte er auf einer Firmungsreise zu Uerdingen bei Crefeld, nach Aussage der Aerzte an zurückgetretener Gicht. Er erholte sich soweit, daß er am 30. nach Köln gebracht werden konnte, wo sich sein Zustand aber bald wieder verschlimmerte. Am 2. Juni ließ er sich die Sterbesacramente spenden; er litt noch zwei Monate bis zum 2. August, den Tod vorhersehend, mit christlicher Ergebung. Am 7. August wurde er im Chore des Domes bestattet.

Vollständige Biographie des hochsel. Erzbischofs von Köln, Ferdinand August etc., Aachen 1835, (ein Heftchen von 16 Seiten, bis auf die letzten drei Seiten ein Auszug aus dem Aufsatze „Einiges aus den Lebens- und den Familienverhältnissen des Erzbischofs von Köln, Ferdinand August“, in der Bonner Zeitschr. f. Phil. und kath. Theol. II, 199). Nekrolog und lateinischer Todtenzettel ebd. XV, 215. – Fr. Nippold, Die vertrauten Briefe des Erzbischofs S., 1889. – Briefe Spiegel’s an seinen Bruder in den Hist.-pol. Bl. 89. Bd. – Pertz, Leben Stein’s. – O. Mejer, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage. – F. Nippold, Gesch. des Katholicismus, S. 622.