ADB:Seinsheim, August Graf von

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Artikel „Seinsheim, August Graf von“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 649–651, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seinsheim,_August_Graf_von&oldid=- (Version vom 27. Oktober 2024, 07:48 Uhr UTC)
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Seinsheim: August, Graf v. S., k. b. Kämmerer und Reichsrath, Kunstfreund, Historienmaler und Radirer. Geboren am 11. Februar 1789 zu München als der jüngste Sohn des kurpfalzbaierischen, wirklichen geheimen Rathes und Kirchen-Administrationsraths-Präsidenten Maximilian Grafen v. Seinsheim (gest. 1803) und der Gräfin Marianne v. Seinsheim (geb. Freie v. Frankenstein-Ulstadt), entwickelte sich bei dem Knaben frühe schon die Anlage und Lust zum Zeichnen, welche durch seinen trefflichen Erzieher, den Pfarrer Auranger v. Sünching weiter geweckt und gebildet wurde. So kam es, daß der kaum 16jährige Graf eines Tages im Schlosse zu Schönach, einzig nach der Anleitung eines alten Buches, auf selbst zubereiteter Leinwand und mit Farben, die sein treuer Diener James reiben mußte, nach der Natur zu malen begann. Ein Hirtenknabe saß beim ersten Versuche, es glückte leidlich und nun ging es trotz allen Hindernissen muthig weiter. Durch Vermittelung seines Mentors erhielt der angehende Maler einige Handgriffe durch den Galleriedirector Georg v. Dillis; auch war Graf S. in der Folge sogar so glücklich, einer Sitzung beiwohnen zu dürfen, in welcher der damals berühmte Johann Georg Edlinger (1741–1819) ein Porträt des mit dem Hofmeister Auranger befreundeten Landes-Directionssecretärs v. Schiesl malte. Die Bildnisse in Edlinger’s Werkstätte überraschten ihn außerordentlich, besonders ein paar uniformirte Soldatengesichter und noch mehr etliche „alte Köpfe“. Infolge dieser Eindrücke wurde nach eifrigen Besprechungen mit dem geistlichen Mentor die Resolution gefaßt, den greisen Maler zu einer kritischen Consultation der junggräflichen Malerversuche einzuladen und eventuell um weiteren Unterricht zu bitten. Der Meister kam, sah die primitiven Naturstudien durch, lobte den kühnen Anfänger, wies aber dessen demuthsvolles Ansuchen um weitere Förderung zurück mit den Worten: „Nein, das kann ich nicht; Sie sind ein Genie; ich würde Sie nur verderben. Ich weiß selbst nicht – fuhr er ächt Mozartisch fort – wie meine Gemälde entstehen; ich mach’ so lang daran fort, bis ich glaube, daß sie gut sind.“ Der gute Edlinger quälte aber seine Originale und ließ sie oft unter siebenzig Sitzungen gar nicht los und zwar zu einem Porträt, für welches er 18 Thaler erhielt! Und doch sind alle seine Bilder äußerst frei, breit und flott behandelt; man gewahrt an ihnen gar keine Aengstlichkeit oder Minutiosität. Aber 70 Sitzungen bei 18 Thaler Honorar!! Und dabei saß man in einer Kammer, deren Fenster auf der Südseite lagen, und Frau Edlinger kochte in demselben Raume und gab, wenn ihr Gemahl sich nicht weiter verwußte, durch Einrede und Beirath ihre kritische Stimme ab. Oh über diese alten Maler! Trotz dieser erfreulichen Diagnose widmete sich Graf S. doch auf der Universität zu Landshut (1809–11) der Rechtsgelehrsamkeit, setzte aber in den Mußestunden seine Kunstübungen fort und zwar unter der Leitung des verdienstvollen Simon Klotz (1777–1825), welcher kurz vorher (1808) als Professor der Theorie der bildenden Künste nach Landshut berufen wurde. Nachdem S. zu Landshut seine Studien vollendet, das Absolutorium erhalten, die gesetzlich vorgeschriebene Praxis bei dem Landgericht Au angetreten, im Sommer 1812 den allgemeinen Staatsconcurs mitgemacht [650] und so alle Bedingungen zum Anspruch eines Staatsdienstes erfüllt hatte, entsagte er der Jurisprudenz und ging ausschließlich zur Pflege der Kunst über, besuchte 1813 bis Anfang 1816 die Akademie, wo er unter der freundlichen Leitung der beiden Langer sich in Zeichnung, Composition und Oelmalerei weiter bildete. Im Frühling des Jahres 1816 reiste er mit seinem älteren Bruder, Grafen Karl v. S. nach Italien, wo er sich am längsten zu Rom aufhielt, fleißig studirte und mit den damals daselbst versammelten deutschen Künstlern Cornelius, Schadow, Overbeck, Veit und Anderen in freundliche Berührung kam. Daselbst entstand ein großer Carton zu einem Altarbilde, die Madonna in einer Gloriette von Engeln mit den 14 Nothhelfern, welches sodann zu München 1820–1822 in Oel ausgeführt und in der Kirche zu Grünbach (dem Landgute seines Bruders Karl) aufgestellt wurde. Das Colorit ist kräftig und satt, die Composition einfach und durchgebildet, sie hatte insbesondere Overbeck’s Billigung erfahren. Während seines römischen Aufenthaltes machte Graf S. auch einige Versuche in der damals wieder auflebenden Frescomalerei und ging dann über Florenz, Bologna, Perugia und Venedig nach München zurück; hier schloß er 1818 mit der Reichsgräfin Emilie Basselet v. La Rosée eine glückliche Ehe. Bei Gelegenheit der Jubelfeier König Max I. (1824) arbeitete auch Graf S. mit Hauber, Heideck, Rohmberg, Stieler, L. Quaglio und Peter Heß an den Transparentbildern, welche auf dem sog. Dultplatz in nächtlicher Illumination aufgestellt wurden. In demselben Jahre wählte ihn auch die Akademie unter ihre Ehrenmitglieder; S. vollendete beinahe gleichzeitig ein die Uebergabe der Schlüsselgewalt vorstellendes Bild; der Künstler stiftete dasselbe großmüthig in die Stadtpfarrkirche zu Vohburg. Ebenso malte Graf S. nach Kiefersfelden (bei Kufstein), wo König Otto im December 1832 bei seiner Abreise nach Griechenland, von seinen Eltern in der Heimath Abschied nahm und wo dann zur Erinnerung eine spitzbogige Kapelle erbaut wurde, in dieselbe ein schönes Altarbild mit dem Schutzheiligen des kgl. Hauses. So war alles, was der edle Künstler schuf, bedeutsam und sinnig. Graf S. malte viele kleinere Bilder, die er meist an arme Gemeinden verschenkte, manche kamen durch den Missionsverein nach Amerika. Ebenso entstanden viele Porträts von Angehörigen seiner Familie, von Gelehrten und Freunden, darunter das Bildniß des Bischofs Joh. Mich. Sailer (lithographirt von Hanfstängl), des Professor Benedict Patrik Zimmer (1811, gestochen 1821 von Schleich) und allerlei einfache Genrestücke aus dem italienischen und deutschen Volksleben. Außerdem griff er gerne zur Radirnadel und zeichnete 1806 ein Bild nach Salvator Rosa auf Stein – ein Blatt, welches zu den Incunabeln der Lithographie gezählt werden kann und Zeugniß gibt von dem allgemeinen Interesse, welches diese neue Kunsttechnik damals überall erweckte. – Der edle Graf betrachtete sich immerhin nur als einen Dilettanten, der zu seiner Freude die Kunst betrieb; er malte ruhig, zu seines Herzens Erheiterung, unbeirrt durch die Wandelungen der verschiedenen Richtungen und Parteien, auf deren Beifall verzichtend, und blieb so thätig bis in das letzte Jahr seines Lebens. Einem jüngeren Freunde, welchem er noch im letzten Sommer sein Atelier öffnete und der die gute Seite eines Bildes etwas zu bereitwillig hervorhob, antwortete er heiter lächelnd: „Sie brauchen sich keine Mühe zu geben, mich zu loben, ich weiß recht gut, was mir fehlt; ich bin eben stehen geblieben und über die Langer’sche Zeit nimmer hinausgekommen“. Das hinderte ihn aber nicht, alles wirklich Schöne und Gute bereitwillig überall anzuerkennen. Er hatte ein feingebildetes Auge und weitere Kenntnisse im Bereiche der Kunstgeschichte, als man sonst selbst bei berühmten Größen suchen darf. Sein Urtheil bewahrte immer das liebevolle Gepräge, wie er überhaupt ein Herr war [651] vom alten guten Ton, welchen die Gegenwart leider vorschnell als veraltet und abgenützt mit übel angebrachter Vornehmthuerei bei Seite setzt. König Ludwig hielt den Grafen hoch in Ehren und überraschte ihn noch im Herbste 1867 mit einem Besuche vor seiner letzten Reise nach Nizza, wo der königliche Maecen am 29. Februar 1868 aus dem Leben schied. Beide ahnten damals schon, daß ihr Leben nahe dem Ende sei. Der Maler starb am 18. December 1869. Er war ein Edelmann in des Wortes bester Bedeutung, ein frommer gläubiger Christ und warmer Patriot. Sein Porträt hat J. Fertig 1843 lithographirt.

Vgl. Nr. 89 Kunstblatt 1823 (Madonna); Nr. 92 ebendas. 1829 (Flucht nach Aegypten). – Raczynski 1840. II, 338. – Nagler 1846. XVI, und dessen Monogrammisten 1858. I, 544 (Nr. 1273). – Beil. 355 u. 363 „Allg. Ztg.“ vom 21. und 29. December 1869. – Beil. 61 „Augsburger Postztg.“ vom 22. Decbr. 1869. – Kunst-Vereins-Bericht für 1869. S. 58. – Andresen, Die deutschen Maler-Radirer des XIX. Jahrhunderts. Lpz. 1869. III, 333–344 (wo auch das Verzeichniß von Seinsheim’s sämmtlichen Radirungen). – Reber, Gesch. der neueren Kunst 1884.