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Artikel „Schütze, Stephan“ von Heinrich Pröhle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 146–147, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%BCtze,_Stephan&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 15:14 Uhr UTC)
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Schütze: Johann Stephan S., Almanachsredacteur, Zeitgenosse Goethe’s in Weimar. Er war geb. am 1. November 1771 zu Olvenstedt bei Magdeburg. S. gehörte einer seit längerer Zeit wohlhabenden Familie von Ackersleuten an, die, ursprünglich in Schnarsleben ansässig, durch einen unverheirathet gebliebenen Onkel Stephan’s in Magdeburg ein Handelshaus gegründet hatte, welches fast mit den andern dortigen großen Handelshäusern aus der Zeit Friedrich’s des Großen zu wetteifern im Stande war, aus deren einem die Herren v. Goßler hervorgingen, während in dem andern – dem Bachmann’schen Hause – Klopstock, Gleim und die Karschin oft zu Gaste waren. Am 21. April 1784 wurde Stephan auf die Domschule zu Magdeburg, am 30. Juli 1785 aber als Kaufmannslehrling zu dem Oheim ins Haus gebracht, worauf er vom 1. September an auch noch die Handelsschule besuchte. Da indessen noch ein oder zwei Brüder dem Geschäfte des Oheims übergeben waren, so setzte Stephan es durch, daß er zur Vorbereitung auf die Universität am 24. October 1789 zum Abte Resewitz nach Kloster Bergen gebracht wurde. Er kam unter die besondere Aufsicht Gurlitt’s. Am 3. Mai 1794 langte er in Erlangen an, um mit Erlaubniß des Oheims Theologie zu studiren. Er predigte schon damals öfters und ging Ostern 1795 nach Halle. Von Ostern 1797 an lebte Stephan wieder in Magdeburg. Er war verwachsen, in Erlangung einer Pfarre nicht glücklich und wurde Hauslehrer in der reichen Lamprecht’schen Oekonomenfamilie, die nicht mehr wie zu Winckelmann’s Zeiten in Hadmersleben, sondern in Sommerschenburg ihren Sitz hatte. Später wurde er Hofmeister beim jungen Herrn v. Putlitz und zog am 25. April 1800 mit ihm auf das Kloster Bergen, wie dies üblich war. 1801 lernte er Tiedge in Magdeburg kennen. Allmählich wurden verschiedene Gedichte von ihm gedruckt. Seine gelehrten Studien waren nun gar sehr erweitert und 1802 erschien seine „Theorie des Reimes“. Da die Schulzeit des jungen Putlitz zu Ende ging, ohne daß sich Stephan’s Aussichten auf eine Pfarre erfüllten, so bestimmte der Oheim 1804 ein Jahrgeld von 600 Thalern für den jungen Autor, damit dieser fortan bloß seinen Neigungen leben könne. Wie es scheint, war Schiller schon todt, als Stephan sich nach einigem Umherreisen in Weimar niederließ. Die von mir selbst früher getheilte Ansicht, daß er Goethe nur in Karlsbad näher getreten sei, ist jedoch ganz irrig. Allerdings fällt es auf, daß S. seine hübsche zweibändige Lebensgeschichte (Neuhaldensleben 1834) mit der Abreise aus Magdeburg schließt. Aber sein Aufsatz „Die Abendgesellschaften der Hofräthin Schopenhauer 1806–1830“ und die Vorlesung, die Fr. v. Müller über S. im litterarischen Abendkreise Maria Paulowna’s hielt, widerlegen jeden für S. ungünstigen Schluß, welchen man daraus ziehen könnte. Möglich ist es, daß S. durch Iffland verleitet war, sich als Dichter auf die Bühne Hoffnung zu machen, die in Weimar dann ebenso wenig hätte erfüllt werden können, als in Berlin und Dresden. Allein er trat als Journalist die Erbschaft Bertuch’s an und erregte dabei keineswegs wie der weniger gutmüthige Böttiger das Mißfallen der Heroen. Als Journalist gehörte er natürlich zu den regelmäßigen Theaterbesuchern. Goethe lernte er kennen am 12. November 1806. Am Abende dieses Tages holte ihn Fernow zu der Schopenhauer ab, wo er nur Goethe, Meyer und den Kammerrath Ridel fand. „Ich fühlte mich (sagt er) so mehr beglückt bei Goethe vorgestellt zu werden, da ich bisher vergebens danach gestrebt hatte, denn damals war er lange nicht so zugänglich wie in späterer Zeit, so wie denn überhaupt der spätere Goethe sich viel milder und [147] mittheilender bewies als der frühere.“ S. wußte Goethe durch ein Gespräch über das Erscheinen Klärchens am Schlusse des Egmont, welches Schiller hatte entfernen wollen, zu gewinnen. Diese Schopenhauerschen Abende fanden nun in jeder Woche zweimal statt. Als S. einmal fehlte, bekam er eine Menge von Krankensuppen, auch aus Goethe’s Hause, auf den Hals geschickt. Zu Goethe’s Geburtstage pflegte S. ein carmen zu machen und manche seiner Arbeiten hörte Goethe vor dem Drucke vorlesen. Das Goethe’sche Haus wollte S. nach Müller’s Angabe nicht besuchen. Einerseits nahm er als Vertreter der bloßen Unterhaltungslitteratur, welcher sich sein Taschenbuch der Liebe und Freundschaft widmete, an Goethe’s höherer Richtung wohl keinen sehr lebhaften Antheil. Andrerseits ging er aber nicht bloß als beschränkter Erzähler, sondern auch als gelehrter Aesthetiker seine eignen Wege, ohne auf dem letzteren Gebiete gerade in allzu großer Beschränkung zu verharren: denn auf seine „Theorie des Komischen“ (1817) ließ er in der Jen. Lit. Ztg. von 1838 No. 176 noch eine Kritik von Vischer’s Arbeit „Ueber das Erhabene und Komische“ folgen. Der Doctor S. war ein Original, der sich seine Theorie des Komischen immer an den Sonntagen nach dem Gesange des Hauptliedes ausdachte, in der Regel aber sich an jedem Sonntage allein in einer Kutsche zum Mittagessen in eine Nachbarstadt fahren ließ. Als Original war er für Weimar der Nachfolger von Musaeus. 1814 verheirathete er sich mit einer gebildeten und nicht armen Dame. Er war zuletzt Hofrath und bei Maria Paulowna ebenso geschätzt als bei der Schopenhauer. Er starb am 20. März 1839 im Alter von 68 Jahren und hinterließ auch einen Sohn.

Die im Texte erwähnten Aufsätze über die Schopenhauer und über S. stehen beide in Weimars Album zur Säcularfeier der Buchdruckerkunst 1840. – Familie v. Goßler, 1884. Als Manuscript gedruckt S. 5 und W. Schrader, K. G. v. Goßler (Berlin 1886) S. 10–12. – Ueber Bachmann H. Pröhle, Friedrich der Große und die deutsche Litter. S. 124. 144. – A. v. Sternberg’s Erinnerungen.