ADB:Fernow, Ludwig
Carstens, das sich bis zum Tode des letzteren bewährte. Carstens erschloß ihm die höhere Sphäre der Kunst und leitete seine Studien auf die edelsten Ziele. Als Carstens im Frühjahr 1788 nach Berlin ging, beschloß F. ganz mit seinem bisherigen Beruf zu brechen und nur der höheren Ausbildung seines Geistes und Talents zu leben. Es gelang ihm, sich einige Zeit in Ratzeburg über Wasser zu halten, und nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Schwerin und Ludwigslust kam er endlich, durch trügerische Hoffnung dazu verlockt, nach Weimar. Entscheidend für sein ferneres Schicksal wurde, daß er in Jena eine philosophische Vorlesung bei Reinhold hörte. Sofort entschloß er sich, in Jena zu bleiben und sich unter Reinhold’s Leitung dem Studium der Philosophie Kant’s zu widmen. Er erwarb sich Reinhold’s Freundschaft, und in dessen Hause lernte ihn Baggesen aus Kopenhagen kennen. Baggesen lud ihn zu sich nach Bern ein und nahm ihn dann als Begleiter auf einer Reise mit, die sich über München, Wien, Venedig, die Lombardei und Florenz erstreckte. Später nahmen sich zwei Edelleute, Baron Herbert und Graf Burgstall, des jungen Künstlers und Gelehrten an und gewährten ihm die Mittel zu einer Studienreise nach Rom, das F. 1794 betrat. Hier traf er Carstens wieder und lebte mit ihm bis zu dessen Tode 1798 in inniger Gemeinschaft. In Rom nahm das Streben Fernow’s eine andere Richtung an; die praktische Ausübung der Kunst trat mehr zurück und an deren Stelle trat die Beschäftigung mit der Kunstgeschichte und Aesthetik; in letzterer suchte er durch Anwendung der Kantischen Principien auf das reiche Gebiet realer Kunsterfahrung bahnbrechend zu wirken. In dieser Hinsicht sind die Vorlesungen erwähnenswerth, die er in Rom vor einem gewählten Kreise von Künstlern und Gelehrten gehalten hat. Zugleich studirte er italienische Sprache und Litteratur und sammelte eine reichhaltige Bibliothek. Nachdem er in Rom etwa 1800 durch Verheirathung mit einer Römerin seinen Hausstand begründet hatte, faßte er den Plan, die gewonnenen Einsichten und Kenntnisse als akademischer Docent zu verwerthen. Durch die Vermittelung Böttiger’s wurde er 1802 als außerordentlicher Professor nach Jena berufen. Bei der Rückreise nach Deutschland im Sommer 1803 legte F. durch Ueberanstrengung den Keim zu seinem Tode. Seine Lehrthätigkeit in Jena währte [717] nur ein Semester im Winter von 1803–4; Fernow’s Gesundheit war untergraben, seine Kraft gebrochen. Die edle Herzogin Amalie gab ihm im Frühjahr 1804 die Stelle ihres Bibliothekars und nahm sich seiner und seiner Familie auf das wärmste an. Freilich gab es für Fernow’s Leiden, eine Pulsadergeschwulst, keine Hülfe, wenn er auch noch vier Jahre im regen Verkehr mit allen hervorragenden Geistern der Gesellschaft in Weimar und in eifriger Thätigkeit als Schriftsteller lebte. Seine schriftstellerische Thätigkeit hatte er von Rom aus als Mitarbeiter des „Mercur“ eröffnet. Jetzt erschienen: „Ueber den Bildhauer Canova und dessen Werke“, 1806. „Leben des Künstlers Carstens“, 1806. „Ariosto’s Lebenslauf“, 1809. Sein bestes Werk sind seine „Römischen Studien“, 1803–6, 3 Bde. Außerdem hat F. eine „Italienische Grammatik“ geschrieben (1804, 2. Aufl. 1815) und den Ariosto (1805), Dante (1807) und Tasso (1809) herausgegeben. Er starb in ungestillter Sehnsucht, Italien wiederzusehen, das er nie hätte verlassen sollen. Seine Büste steht in der Bibliothek zu Weimar. Seine Biographie ist von Johanna Schopenhauer verfaßt: Fernow’s Leben 1810 (Sämmtl. Schriften Bd. I. u. Bd. II.); sie ist werthvoll durch Mittheilung der Tagebücher und Briefe. S. auch den Schiller-Cotta’schen Briefwechsel (herausg. v. Vollmer), S. 494 Anm. 4.
Fernow: Karl Ludwig F., Aesthetiker, geboren am 19. November 1763 in Blumenhagen bei Pasewalk in der Uckermark, gestorben in der Nacht vom 3. zum 4. December 1808 als Bibliothekar in Weimar, gehört zu jenen Naturen, die, alles andere für nichts achtend, ihre ganze Kraft an die Erreichung eines idealen Zieles setzen, bei diesem Streben aber im Kampf mit der Noth des Lebens frühzeitig die sterbliche Hülle zerbrechen, die ihren edlen Geist umfangen hält. Es war der Sohn eines Bauers, fand aber in erster Jugend Aufnahme und Pflege in der Familie der Frau v. Necker. Er besuchte die lateinische Schule zu Pasewalk, während er bei einem dortigen Notar durch Schreiberdienste seinen Unterhalt gewann. Zu arm, um zunächst an ein höheres Studium denken zu können, ergriff er den Beruf des Apothekers und trat bei einem Apotheker in Anklam sieben Jahre in die Lehre. Ein unersättlicher Lerneifer mußte dem strebsamen jungen Mann die fehlende Bildungsanstalt ersetzen; gleichzeitig brach sich sein dichterisches und künstlerisches Talent als Maler Bahn. Leider warf ein Unglücksfall einen tiefen Schatten in dieses Jugendleben, er erschoß durch unvorsichtigen Scherz mit einem Gewehr den Jäger, dem die Waffe gehörte. Nach beendeter Lehrzeit floh er vor den preußischen Werbern aus Anklam und fand 1786 in der Rathsapotheke in Lübeck eine geeignete Stellung, die ihm Muße zur Ausübung seiner Talente gewährte. In Lübeck trat F. in das innige Verhältniß zum Maler