ADB:Raban von Helmstatt
Ruprecht im Sprengel sowol wie auch am römischen Hofe einen fördernden Fürsprecher besaß, durfte seine Wahl im voraus als die erfolgreichere betrachtet werden. Dieser Lage der Dinge entsprechend gestaltete sich denn auch die päpstliche Entscheidung [75] der zwiespältigen Wahl: sie erfolgte zu Beginn des folgenden Jahres und zwar zu Gunsten Raban’s. Die Huldigung der Stadt Speier sowie die Belehnung mit den Besitzungen des Hochstifts durch den König Wenzel fanden in demselben Jahre statt, letztere im October zu Nürnberg. Die oberhirtlichen Maßnahmen des Bischofs, unter denen besonders seine Verordnungen zu erwähnen sind, welche auf die Herbeiführung eines würdigen Wandels seiner Geistlichkeit abzielten, treten im ersten Jahrzehnt seiner Regierung zurück gegen seine Thätigkeit am Hofe und im Interesse des Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz, des nachmaligen Königs. Mit demselben seit langer Zeit als treuer Berather, als kurpfälzischer Rath, vertraut, nahm er auch nach der Wahl desselben zum König eine hervorragende Stelle im Kreise seiner Getreuen ein. Unbeirrt in Glück und Unglück blieb der Bischof des Königs treuester Diener. Ruprecht erhob ihn alsbald nach seiner Krönung zum Hofkanzler. Dies Amt nahm R. derart in Anspruch, daß er fast stets im Gefolge des Königs sich befand und dem Aufenthalte in seinem Stift nur den kleineren Theil seiner Zeit zu widmen vermochte.
Raban, Bischof von Speier 1396–1438 und Erzbischof von Trier 1430–39. Aus dem badischen Rittergeschlechte der Freiherrn v. Helmstädt, als Sohn des markgräflichen Landvogtes in Emmendingen, Wipert von Helmstädt, entsprossen, wurde der reichbegabte Jüngling auf der neuen Hochschule zu Heidelberg gebildet. Er bekleidete die Würden eines Speierer und Wormser Domherrn, als im Juni 1396 der Bischof Nikolaus I. von Speier starb. Die in demselben Monat stattfindende Wahl des Domcapitels war zwiespältig: die Minderzahl wählte R. zum Bischof. Sein von der Mehrheit erwählter Gegner war Gottfried von Leiningen. Aber R. überragte ihn weitaus an Bildung und Begabung, und da er ferner in dem Pfälzer KurfürstenAls Rath und Hofkanzler des Königs nahm er an allen wichtigen Staatsverträgen und Verhandlungen nicht geringen Antheil. Als in Augsburg der unglückliche Römerzug des Königs ins Werk gesetzt wurde, war R. bei der Führung jener wichtigen, mit den florentinischen Abgesandten gepflogenen Verhandlungen betheiligt, welche dem geldbedürftigen König den abenteuerlichen Zug nach Italien ermöglichen sollten. Dorthin begleitete er seinen Herrn. Die päpstliche Bestätigung und die Erlangung der Kaiserkrone war das Endziel Ruprecht’s. Aber das Fehlschlagen seiner kriegerischen Unternehmungen in Italien, der leidige Geldmangel und die ungenügende Vorbereitung und Sicherstellung der diplomatischen Beziehungen ließ seine Absichten in Ansehung auf Rom und den Papst scheitern. So sollte die Geschäftsgewandtheit des Kanzlers beim Papste die Sache des Königs und die Unterhandlungen wegen der Bestätigung führen. Aber erst 1403 führten diese Verhandlungen, unterstützt überdies und vornehmlich durch äußere Veranlassungen, zu einem wenn auch nicht durchaus gedeihlichen, so doch für den König immerhin werthvollen Abschluß, insofern die erstrebte päpstliche Anerkennung erreicht wurde. Gemeinsam mit dem gelehrten Matthäus v. Krakau leistete R. in die Hände des Paptes einen Eid, demzufolge Ruprecht nach Rom kommen, seine Kräfte zur Erhebung des Papstes aufbieten und im übrigen die gewöhnlichen kaiserlichen Versprechungen leisten werde. Dasselbe Jahr beschäftigte den Bischofs auch in Deutschland: aber die Verhandlungen mit den Räthen des Königs Wenzel von Böhmen auf Ausgleich und Bündniß verliefen ergebnißlos. Als dann wenige Jahre darauf die einstigen Freunde des Königs, voran der Mainzer Erzbischof, in Erbitterung gegen den selbstständigen, eine ungehemmte Handhabung der Königsgewalt anstrebenden König eine Vereinigung von Fürsten und Städten im Marbacher Bunde zum Zusammenschluß brachten, die wenn auch nicht namentlich so doch thatsächlich gegen das Oberhaupt des Reiches gerichtet war, erwuchs dem Kanzler ein neues Feld seiner Thätigkeit. So glücklich auch diese Verhandlungen in Verhütung offener Widersetzlichkeit seitens des Bundes waren, so führten sie doch zu jenem für die Königsgewalt beklagenswerthen Vertrage von Umstedt am Ende des Jahres 1406, demzufolge den Reichsständen das freie, durch keine Erlaubniß bedingte Recht zugestanden wurde, Bündnisse unter einander um des Friedens Willen einzugehen. Auch die folgenden Jahre widmete der Bischof seine gesammte Thätigkeit seinem königlichen Herrn, der ihn und das Hochstift durch mannigfache Gnadenbeweise belohnte. Als das Ende des erkrankten Königs herannahte und die Entkräftung des Kranken derart plötzlich überhand nahm, daß er nicht im Stande war, die nöthigen Regelungen seines Erbes selbst zu bestellen, beauftragte er seinen treuen Kanzler unter Hinzuziehung von sechs Schiedsrichtern, eine Ordnung unter seinen Söhnen inbetreff seiner Hinterlassenschaft aufzurichten.
[76] Nach dem Hinscheiden des Königs konnte R. der Verwaltung seines Stifts die frei gewordenen Kräfte widmen. Hier waren es vor allem die Wirren mit der Stadt Speier, welche ihn auf eine lange Reihe von Jahren beschäftigten. Es war der alte und allgemeine Gegensatz der aufstrebenden Bürgerschaft gegen die bischöfliche Gewalt. Die Stadt will frei sein, sie will im Bischof nur ihren geistlichen Herrn anerkennen. Die Stadt hatte in Absicht dieses Zieles unter den früheren Bischöfen viel erreicht. Aber die zielbewußte Kraft Raban’s gedachte nichts von den bischöflichen Rechten zu vergeben, vielmehr die durch die Schwachheit seiner Vorgänger der Bischofsgewalt verlorenen Rechte wiederzugewinnen. In diesem Sinne ist der Streit der beiden Gewalten zu begreifen. Die äußeren Vorgänge glichen wie die Beweggründe denen mancher anderen Bischofsstadt. Vom neuen König Sigismund hatte die Stadt die Bestätigung ihrer Freiheiten und Rechte erlangt, der Bischof seinerseits schwächte dieses Privileg ab durch die vom König erbetene und erhaltene Erklärung, daß jene Bestätigung den Rechten des Bischofs und der Geistlichkeit keinen Nachtheil bringen solle, daß alle der Stadt ertheilten Privilegien machtlos sein sollten, falls sie denen des Bischofs zuwiderliefen. Zahlreiche Reibungen waren vorausgegangen: die beiderseitigen Klagepunkte wurden aufgestellt und dem Kurfürsten Ludwig von der Pfalz als vermittelndem Schiedsrichter unterbreitet. Aber die Vermittlung war von keiner Dauer. Bischöfliche Abgabenforderungen und die Anlegung einer Zwingburg in der Nähe der Stadt führten zu neuem und erbittertem Hader, der endlich vor den König nach Constanz gebracht wurde. Zwar beauftragte der König einen Ausschuß mit der Untersuchung der Klage, auch öffentliche Verhandlungen wurden über die Streitfragen geführt: da aber bald wichtigere Verhandlungen den Reichstag in hohem Maße beschäftigten, gediehen die Speierer Angelegenheiten zu keinem Ende. Die beiderseitigen Rechtsübergriffe währten fort, die Erbitterung wuchs, ein erneuter Schied des Pfälzer Kurfürsten, eine Rachtung des Mainzer Erzbischofs, dem der Papst, von der Stadt angerufen, die Entscheidung der Angelegenheiten übertragen hatte, führten ersterer gar nicht, letzterer nur für ganz kurze Zeit zu einem friedlichen Verhältniß. Der während dieser kurzen Zeit zurückgehaltene Bürgergroll trieb die Stadt dazu, sich offen gegen die Rachtung aufzulehnen. Nachdem mehrere schriftliche Verhandlungen die Erfolglosigkeit solcher Bemühungen dargethan, beschloß R. die Stadt zu züchtigen. Die Speierer verjagten die Geistlichkeit und erwarteten kampfbereit ihren heranziehenden Bischof. Ende Juni 1422 erschien derselbe mit einem starken Heere vor den Thoren der Stadt und schloß dieselbe von allen Seiten ein. Aber die Belagerung zog sich in die Länge und mußte zum Glück für die Stadt auf Gebot des Königs aufgehoben werden, welcher die Entzweiten vor den Reichstag nach Nürnberg lud. Des Königs Spruch verwies die Parteien auf die Mainzer Rachtung von 1420 und legte der Stadt Kriegskosten und Schadenersatz auf. So endete der Kampf zwar nicht zu Gunsten der Stadt, aber die auf eine gänzliche Unterwerfung derselben gerichteten Bestrebungen Raban’s waren doch für immer gescheitert.
Im J. 1430, am 22. Mai wurde R. vom Papst Martin V. zum Erzbischof von Trier ernannt. Dort war Erzbischof Otto von Ziegenhain im Februar 1430 gestorben. Ein Theil der Trierer Domherren wählte den Trierer Domscholaster Jacob v. Sirk, ein anderer den Kölner Domdechanten Ulrich v. Manderscheid. Der Papst, bei welchem die beiden Erwählten zur Geltendmachung ihrer Ansprüche persönlich sich einstellten, wies beide zurück und ernannte den Speierer Bischof zum Erzbischof von Trier. Dem alternden R. sollte diese Ernennung bis zur Behauptung der erzbischöflichen Würde viele Opfer und viele Kämpfe kosten, beides zum schweren Nachtheil der erzstiftischen Lande. Ulrich v. [77] Manderscheid war nicht gewillt, dem Spruche des Papstes sich zu fügen. Nachdem Jacob v. Sirk verzichtet, behauptete sich Ulrich sechs Jahre lang ohne die Weihe und die päpstliche Bestätigung erhalten zu haben. Von reichen Freunden und Anhängern unterstützt besetzte er Burgen und Städte des Landes. Es waren schwere, fehdereiche Jahre für das Land, die erst 1436 ein Ende erreichten, als R. zu allgemeiner Anerkennung gelangte. Die Zeit seiner Regierung war nur kurz. Der mühevollen und stürmischen Tage seines Lebens müde, suchte der Greis die ersehnte Ruhe in stiller Zurückgezogenheit. Nachdem er bereits 1438 den Bischof Johann von Lüttich vorbehaltlich der päpstlichen Genehmigung zu seinem Coadjutor erwählt hatte, verhandelte er 1439 mit dem Domcapitel wegen seiner Abdankung und ersah nunmehr Jacob v. Sirk, denselben der bereits nach Otto’s v. Ziegenhain Tode gewählt worden war, zu seinem Nachfolger. Die geschäftlichen Abmachungen, welche R. mit diesem wie mit dem Lütticher Bischof traf, waren weder dem Lande zu Nutzen noch gereichten sie der Würde und dem Andenken des begabten Mannes zur Ehre. Auch auf das Speierer Bisthum leistete er Verzicht, welches er mit päpstlicher Genehmigung zur Unterstützung seines Aufwandes gegen den Manderscheider hatte beibehalten dürfen. Doch sollte er die Ruhe eines friedlichen Lebensabends nicht lange genießen: wenig später, am 4. November 1439 starb er zu Speier.