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Artikel „Poliander, Johann“ von Karl Alfred von Hase in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 388–389, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Poliander,_Johann&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 08:49 Uhr UTC)
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Poliander: Johann P. (gräc. Graumann, eigentl. Gramann), evangelischer Pfarrer zu Königsberg i. Pr., Dichter geistlicher Lieder, geb. 1487 zu Neustadt in der Oberpfalz, studirte in Leipzig Theologie, wurde Magister, später Baccalaureus und Doctor der Theologie. In den Jahren 1516–1522 war er zuerst Lehrer, dann Rector der Thomasschule in Leipzig, welche unter ihm einen neuen Aufschwung nahm. Petrus Mosellanus widmete ihm seine damals berühmte und zur Bildung eleganter Latinität in Schulen vielgebrauchte Paedologia. In diese Zeit seines Rectorats der Thomasschule fällt sein Bruch mit der römischen Kirche. Als er 1519 der Leipziger Disputation als Eck’s Amanuensis beiwohnte, machte die Ueberzeugung Luther’s einen tiefen Eindruck auf ihn und gewann ihn für die Reformation. Er legte sein Amt an der Thomasschule nieder und ging nach Wittenberg. Zahlreiche Nachschriften Luther’scher Predigten und Wittenberger theologischer Vorlesungen, sowie eine Harmonie der Passionsgeschichte finden sich in seinem handschriftlichen Nachlaß. In den Jahren 1523 und 1524 wirkte P. als Prediger in Würzburg, wo er entschieden und doch maßvoll der abergläubischen Heiligenverehrung entgegentrat. Der Bauernaufstand vertrieb ihn. Wie er über die Wirren und Gräuel desselben urtheilte, zeigt sein Brief an den ihm befreundeten Mansfeldischen Kanzler Kaspar Müller, welcher von ihm ein Urtheil über Luther’s heftig angefochtene Schrift wider die aufrührerischen Bauern (Mai 1525) gefordert hatte, in welchem er Luther in Schutz nimmt gegen den Vorwurf unchristlicher Härte. Während der Fastenzeit 1525 predigte P. in Nürnberg. Hier kam ihm das Anerbieten nach Preußen zu ziehen, um dort die bisher von Amandus verwaltete Pfarrstelle an der altstädtischen Kirche zu Königsberg zu übernehmen. Im August war er auf der Reise, predigte in Eisleben und besuchte Luther und Melanchthon in Wittenberg. In Königsberg gewann er bald die besondere Gunst des Herzogs Albrecht, dessen fränkischer Landsmann er war. Wiederholt ließ sich der Herzog auf Reisen von P. begleiten. Als Schwenkfeld 1526 mit einer Schrift für seine schwarmgeistige Richtung sich an den Herzog wandte, übergab dieser die Schrift den drei Predigern Briesmann, Poliander und Speratus zur Begutachtung. Aus der Zeit des englischen Schweißes 1529 sind eine Reihe Predigten Poliander’s erhalten; [389] sie sind gehalten, ehe er selbst von der Krankheit befallen wurde. An den Verhandlungen mit den von Friedrich von Heydeck begünstigten Sectirern, welche in Schwenkfelds Sinne das Aeußere der kirchlichen Handlungen verachteten, auch die Kindertaufe verwarfen, hat P. nächst dem Bischof Speratus hervorragenden Antheil gehabt. Auch zu der „freundlichen stillen brüderlichen Unterredung“, welche der Herzog 1531 in Rastenburg selbst eröffnete, ist er hinzugezogen worden. Freybergk in seiner Chronik sagt: „unser treuer Poliander, der einige Mann widerlegte dieselbigen Schwärmer, wie klug Ding sie vorgaben, Alles mit Gottes Wort und Hülfe. Wenn Gott und der einige Mann Poliander solches nicht gethan, dies Preußen wär ganz und gar mit der Schwärmer Lehr vergiftet und verführt worden; der andern Prediger halber wär es wohl geschehn“. Einen Haufen Wiedertäufer, der 1535 in das Land kam, hat er mit Briesmann verhört und zu einem, wol nur simulirten, Widerruf bewogen. In einer ähnlichen Controverse befand er sich 1539 mit dem herzogl. Bibliothekar Felix Rex Polyphemus, obwol damals tiefgebeugt durch den Tod seiner Frau. Nicht lange hat er dieselbe überlebt; im Alter von 54 Jahren ist er am 29. April 1541 in Königsberg gestorben. – Von seinen Kirchenliedern, um deren willen er „der preußische Orpheus“ genannt worden ist, sind nur zwei auf die Gegenwart gekommen (Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied III, 821). Das eine Lied: „Fröhlich will ich sing’n, keiner Traurigkeit mehr pfleg’n; Zeit thut Rosen bring’n, die Sonne kommt nach dem Reg’n“ ist zuerst gedruckt in „News Gesang – durch Joh. Kugelmann gesetzt“ Augsburg 1540; das andere Lied ist eine Bearbeitung des 103. Psalms auf Anregung des Herzogs Albrechts 1530 gedichtet, dazu Kugelmann, der Herzogl. Kapellmeister, die Melodie gemacht hat unter einem freudigen Tenor, welcher, eben wie die Worte lauten, auch durch den Gesang das Herz erwecken und aufmuntern mag. Während einer Reise, welche der Herzog 1549 an den polnischen Hof machte, hat sein neuer Günstling Joh. Funck diesen Psalm nach dem Lied Polianders in einer Reihe von Predigten ausgelegt, welche für das rechte Verständniß mehrerer dunkler Stellen in dem Liede von Wichtigkeit sind. (Hase, Herzog Albrecht und sein Hofprediger, S. 125.) Noch auf dem Sterbebett war dies Lied Herzog Albrechts Trostpsalm. Auch der Friedensschluß des dreißigjährigen Krieges ist unter den Klängen des Liedes: „Nun lob mein Seel den Herren“ verkündet worden.

Polianders Predigtmanuscripte in zwei starken Quartanten (S. 21 und 22) auf der Königsberger Stadtbibliothek. – Das erleuterte Preußen, Königsberg 1724. – Preuß. Archiv 1790. – W. E. Rost, Memoria J. Poliandri repraesentata. Lips. 1808. – Rhesa, vita Poliandri (Akad. Osterprogramm) Regiom. 1824. – Koch, Kirchenlied S. 73, 1847. – Cosack, Paulus Speratus, 1861.