ADB:Briesmann, Johannes
Luther’s. In Wittenberg wurde er 1521 zum Doctor der Theologie promovirt, nachdem er in 11 Thesen seine evangelische Ueberzeugung dargelegt hatte. („Theses theologicae pro circulari disputatione“. 1521). Von seiner Vaterstadt Cottbus, wo er ein Jahr lang das Evangelium unter [330] vielen Anfeindungen seitens der Priester und Mönche gepredigt hatte, wurde er von Luther nach Wittenberg zurückgerufen. (De Wette, Luth. Briefe II. 186 f.) Hier verfaßte er sein Sendschreiben: „Unterricht und Ermahnung an die christliche Gemeinde zu Cottbus“, ein Meisterstück evangelischer Tröstung und Belehrung (s. Niedner, Zeitschr. f. histor. Theol. 1850. S. 502 f.), um sich und die evangelische Wahrheit gegen die Feinde zu vertheidigen und die Gemeinde im evangelischen Glauben zu befestigen. Im Jahre 1523 schrieb er in Luther’s Auftrag gegen den Franciscanermönch Caspar Schatzgeyer und dessen Schrift: „De vita christiana et monastici instituti ad eam optima quadratura“, zur Vertheidigung der Schrift Luther’s „De missis et votis monasticis“, 1523, eine Streitschrift „Ad Gasp. Schatzgeyeri minoritae plicas responsio“, die von Luther bevorwortet und G. Spalatin gewidmet war. – Auf Luther’s Empfehlung wurde er vom Hochmeister Albrecht als evangelischer Prediger nach Königsberg berufen, wo er im Dom am 27. September 1523 seine erste Predigt hielt, und unter Beschwichtigung der im niederen Volk durch den fanatischen Amadeus[1], Prediger in der Altstadt, heraufbeschworenen revolutionären Bewegung mit Besonnenheit und Festigkeit die Reformation einführte. Der zum evangelischen Bekenntniß übergetretene Bischof von Samland, Georg von Polenz, der sich von ihm in die evangelische Wahrheit tiefer einführen und in den Grundsprachen der heiligen Schrift unterrichten ließ, übertrug ihm als seinem Stellvertreter bis auf drei Predigten an den Hauptfesten die gesammte Verwaltung des Dompfarramts, in der er mit besonnenem Eifer unter fortgesetztem Kampf mit den Widersachern des Evangeliums die Erneuerung des christlichen und kirchlichen Lebens von Innen heraus durch nichts anderes als durch die Macht des göttlichen Wortes sich angelegen sein ließ. Zur Förderung tieferer Erkenntniß der Schrift hielt er exegetische Vorlesungen, unter denen besonders die über den Römerbrief von Bedeutung gewesen sind. Mit Luther, der wiederholt seine große Freude über die Erfolge der Reformation in Königsberg und in Preußen aussprach, stand er in fortdauerndem Briefwechsel. (S. De Wette a. a. O. Bd. VI. S. 480 f. das Verzeichniß der Briefe.) Nach vierjähriger Wirksamkeit folgte B. 1527 einem bereits wiederholt von Seiten des Rathes zu Riga an ihn ergangenen Ruf nach Livland, wo schon durch mehrere Sendschreiben Luther’s das Evangelium festen Boden gewonnen hatte (s. De Wette a. a. O. S. 537), um den Coadjutor des der Reformation feindlichen Erzbischofs, den Markgrafen Wilhelm von Brandenburg, der durch seinen Bruder, den Herzog Albrecht von Preußen, für dieselbe bereits gewonnen war, in die Erkenntniß der evangelischen Wahrheit einzuführen, dem Evangelium[2] weitere Bahn zu machen. Vgl. die Reformation in Livland von Dr. W. Brachmann in den „Mittheilungen aus dem Gebiet der Geschichte Livlands“ etc. V. 1. Riga 1849. SS. 204 ff. – In Verbindung mit seinem Amtsgenossen, Andreas Knöpken aus Cüstrin, der seit 1522 in Riga als Prediger an der Petrikirche durch seine ruhige und besonnene Wirksamkeit die Reformation begründet hatte und deshalb der „religiöse[3] Apostel“ genannt wurde, verfaßte er behufs Einführung einer festen kirchlichen Ordnung unter Verwerthung der in Preußen bereits eingeführten kirchlichen Formen eine „Kurze Ordnung des Kirchendienstes, sammt einer Vorrede von Ceremonien an den ehrbaren Rath der löblichen Stadt Riga in Livland, mit etlichen Psalmen und göttlichen Lobgesängen, die in christlicher Versammlung zu Riga abgesungen werden“. Rostock 1530. In diese am 19. Juli[4] in Rostock vollendete erste Ausgabe konnte B. von Luther’s Liedern mit Einschluß der „deutschen Litanei“ bereits 24, darunter auch „Ein’ feste Burg“, aufnehmen. Diese „Ordnung des Kirchendienstes“ wurde in die Stadtkirchen zu Riga eingeführt und gab dem gottesdienstlichen Leben eine dauernde Grundlage und Gestalt. Sie ist kritisch bearbeitet und mit einer historischen [331] Einleitung versehen, nach dem einzig bekannten Exemplar in Upsala von Dr. Joh. Geffken unter dem Titel: „Kirchendienstordnung und Gesangbuch der Stadt Riga“, 1862, neu herausgegeben worden. – Ebenso organisirte B. auch in anderen Städten Livlands, wie in Pernau und Reval, das neu begründete evangelische Kirchenwesen, und seine Kirchenagenda galt längere Zeit in ganz Livland als Norm der gottesdienstlichen Ordnungen. Wegen der Rauhheit des Klimas kehrte B. im Jahre 1531 nach Königsberg zurück, wo er in Gemeinschaft mit seinen Mitreformatoren Joh. Poliander und Paul Sperat (Bischof von Pomesanien) die weitere Befestigung der evangelischen Kirche in Lehre und Verfassung und die Förderung des evangelischen Schulwesens sich angelegen sein ließ. Er hatte wesentlichen Antheil an der Ueberwindung der das ganze Reformationswerk in Preußen gefährdenden wiedertäuferischen Bewegung, die von Deutschland und von Holland aus eingedrungen war. Er zog mit Herzog Albrecht durch das ganze Land, um auf einer allgemeinen Kirchenvisitation das evangelische Gottesdienst- und Gemeindewesen ordnen zu helfen. Auf Luther’s Rath: „Trage Sorge für Errichtung von Schulen, denn hier merket Satan, daß es auf ihn losgeht“, bestimmte er den Herzog Albrecht, eine Cathedralschule und ein Archipädagogium zu stiften; auf seine Veranlassung entstand das sogenannte Particulare, aus welchem 1544 die Universität zu Königsberg sich entwickelte, als deren erster Rector auf seinen Rath Sabinus, Melanchthon’s Schwiegersohn, berufen wurde, und als deren Vicekanzler er selbst bis zu seinem Tode fungirte. Wegen seines Verwaltungstalents adjungirte ihn sich der Bischof G. von Polenz als Vicar für die Regierung des samländischen Bisthums. Als Polenz 1546 sein bischöfliches Amt niederlegte, wurde B. vom Herzog unter dem Titel eines Präses des samländischen Bisthums mit der selbständigen Verwaltung desselben betraut. Er bekleidete dieses Amt bis zu seinem Tode. – Außer den angeführten Schriften Briesmann’s sind noch folgende zu nennen: „Sermon über das Evangelium vom cananäischen Weiblein“, 1524. – „Ein Sermon von dreierlei heilsamer Beichte“,1524. – „Etliche Trostgespräche[5] für die blöden und schwachen Gewissen und von Anfechtung des Glaubens und der Hoffnung“, Königsberg 1525. – „Annotationes in apocalypsin“, Wittenb. 1527; vgl. Luther an B. 6. Mai 1527 bei De Wette III. 175 f. – „Zwei Predigten aus dem 4. Capitel der Genesis, sammt einem Trostbrief wider allerlei Aergerniß und Trübsal der Christenheit an die christliche Gemeinde zu Rostock“, 1542. – Auszug aus seinen Predigten bei Seckendorf, Historia Lutheranismi I. 272.
Briesmann: Johannes B., einer der hervorragendsten unter den Männern, welche im Herzogthum Preußen und in Livland der Reformation die Wege bahnten; geb. 31. Dec. 1488 zu Cottbus in der Lausitz, † 10. Oct. 1549. Er widmete sich den scholastisch-theologischen Studien in Frankfurt und Wittenberg und wurde seit der Leipziger Disputation (1519), der er beiwohnte, ein begeisterter Anhänger- Rhesa, De primis quos dicunt sacrorum reformatoribus in Prussia I. 1823. – Gebser und Hagen, Der Dom zu Königsberg i. Pr. I. 1835. S. 267 ff. – Epistolae Brismanni Regiom.. 1837. – Vgl. Ranke, Deutsche Geschichte. 3. Aufl. II. 54 f.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 330. Z. 15 v. o. l.: Amandus. [Bd. 4, S. 794]
- ↑ Z. 16 v. u. l.: einzuführen und dem Evangelium. [Bd. 4, S. 794]
- ↑ Z. 11 v. u. l.: rigaische (statt religiöse). [Bd. 4, S. 794]
- ↑ Z. 5 v. u. l.: 19. Juli 1530 in Rostock. [Bd. 4, S. 794]
- ↑ S. 331. Z. 23 v. u. l.: Etliche Trostsprüche für etc. [Bd. 4, S. 795]