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Artikel „Neumark, Georg“ von l. u. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 539–541, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neumark,_Georg&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 20:13 Uhr UTC)
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Band 23 (1886), S. 539–541 (Quelle).
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Neumark: Georg N., der bekannte Dichter, wurde am 7. März alten Stils 1621 zu Langensalza getauft, ist also wahrscheinlich am Tage zuvor geboren. Seine Eltern waren der Tuchmacher Michael N., und Martha, geb. Plattner, Tochter von Samuel Plattner in Mühlhausen (aus einer bekannten und auch bis in unsere Zeit in Mühlhausen ansässigen Familie dieses Namens). Michael N. siedelte im J. 1623 mit seiner Familie nach Mühlhausen über, wahrscheinlich weil die befestigte Stadt in jenen unruhigen Zeiten größere Sicherheit bot; unser Georg N. giebt deshalb oft selbst Mühlhausen als seine Heimath an und Spätere nennen dann auch Mühlhausen fälschlich seinen Geburtsort. Er ward (etwa 1632) Schüler des Henneberger Gymnasiums in Schleusingen und kam darauf (1636 oder später) auf das Gymnasium in Gotha; an beiden Orten war Andreas Reyher, der im J. 1640 von Schleusingen als Rector nach Gotha kam, sein Lehrer. N. beschäftigte sich schon um diese Zeit mit Musik; auf dem Gymnasium in Gotha hat er auch im J. 1639 das Morgengebet gedichtet: „Es hat uns heißen treten, o Gott, dein lieber Sohn mit herzlichen Gebeten u. s. f.“ Um Michaelis 1640 verließ er Gotha, um eine Universität zu besuchen; und zwar wollte er nach Königsberg gehen, um dort Jurisprudenz zu studiren und zugleich von Simon Dach (s. A. D. B. IV, 685) in der Dichtkunst gefördert zu werden. Der öffentlichen Unsicherheit wegen schloß er sich zunächst einigen Kaufleuten an, die zur Messe nach Leipzig zogen. Nach der Messe reiste er wieder mit einem großen Zuge von Kaufleuten weiter, wurde aber mit ihnen auf der Haide bei Gardelegen völlig ausgeplündert. Er rettete außer dem, was er auf dem Leibe trug, nur sein Stammbuch, ein Gebetbuch und ein wenig Geld. So kam er nach Magdeburg, wo der Domprediger Reinhard Back (vgl. Jöcher I, Sp. 693), ein Freund der Brüder seiner Mutter, sich seiner annahm und ihn, als sich in Magdeburg keine Beschäftigung für ihn finden wollte, mit einem Viaticum an den Syndikus Wilhelm Wulkow in Lüneburg sandte. Dieser glaubte ihn wegen seiner musikalischen Fertigkeit als Hauslehrer beim Amtmann in Winsen unterbringen zu können; aber als N. dorthin kam, war die Stelle seit zwei Tagen besetzt; der Amtmann sandte ihn mit einer Empfehlung an den Pastor D. Johann Müller in Hamburg, den bekannten Gegner von Schuppius. Auch dieser versuchte N. dazu behülflich zu sein, durch Unterricht in der Musik sich zunächst sein Brot verdienen zu können; aber es wollte sich auch hier nichts Passendes finden. Auch der Buchhändler Johann Naumann[WS 1] nahm sich seiner an; N. übergab ihm sein Schäferspiel „Belliflora“, das er in Hamburg ausgearbeitet hatte und das dann von Naumann in Verlag genommen ward. Als sich bis in die vierte Woche in Hamburg nichts für ihn finden wollte, zog er nach Kiel, wo sich Pastor Nic. Becker, ein Thüringer, und der Physikus Paul Moth seiner annahmen. Diesen gelang es, ihm nach einigen Wochen eine Hauslehrerstelle beim Amtmann Stephan Hennings daselbst zu verschaffen, und dieses unverhoffte Glück war es, was nach seinem eigenen Zeugnisse N. veranlaßte, in seinem Liede „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ „der göttlichen Barmherzigkeit für solche Gnade zu danken“. Im December 1640 oder im Januar 1641 erhielt er diese Stellung, die er sogleich antrat; und in dieser Zeit ist demnach auch dieses sein Hauptlied [540] gedichtet. Er blieb hier bis ins dritte Jahr, und trat dann im Frühjahr 1643 mit Vorräthen und Geld genügend ausgestattet, die so unfreiwillig unterbrochene Reise nach Königsberg wieder an. Am 12. April 1643 begab er sich in Lübeck zu Schiff; am 21. Juni 1643 ward er in Königsberg inscribirt. Ueber seinen Aufenthalt hier, der ungefähr sechs Jahre dauerte, wissen wir wenig; daß er außer seinem Fachstudium der Dichtkunst und der Musik fleißig obgelegen und es in ihnen und namentlich in der letzteren zu großer Fertigkeit gebracht, ist fast Alles, was wir sagen können. Daß er mit Dach, aber auch wohl mit Heinrich Alberti (s. A. D. B. I, 210), Robert Roberthin † 1648) und anderen minder berühmten Genossen der „Ostpreußischen Dichter- und Tonschule“ in Verbindung gestanden, ist mehr als wahrscheinlich; mehrere seiner gedruckten Gelegenheitsgedichte sind an preußische Freunde gerichtet. Seine Fertigkeit im Spiel, namentlich der Viola di Gamba, schaffte ihm auch Zutritt zu Familienfesten in adeligen Familien; er trug dann wohl von ihm selbst gedichtete und componirte Lieder vor. Aus einem „Trostliede“, das er für sich selbst dichtete, erfahren wir, daß er im J. 1646 in Königsberg bei einer Feuersbrunst bis auf den letzten Heller um das Seinige kam. Als im J. 1649 die Pest in Königsberg heftig wüthete, begab er sich nach Thorn; hier gab er seine „Poetischen Tafeln oder gründliche Unterrichtung zur Vers- und Redekunst“ heraus (2. Aufl. Jena 1667). In Thorn war er noch im Juli 1650; von hier ging er nach Danzig, wo er mit Johann Peter Titz und Jeremias Gerlach, den bekannten Opitzianern, verkehrte. Auch in Danzig gab er einige Dichtungen heraus, u. a. mit einer Widmung vom 3. Mai 1651 die „Verhochdeutschte Kleopatra“. Er unterschrieb sich um diese Zeit „der Rechten Beflissener“; eine feste Anstellung scheint er aber noch nicht erlangt zu haben. Vielmehr wird es das Verlangen nach einer solchen gewesen sein, was ihn, den nun Dreißigjährigen, in die Heimath zurücktrieb. Er reiste wieder über Hamburg, wo er in der letzten Hälfte des Jahres 1651 und in den ersten Monaten des Jahres 1652 sich aufhielt. Er soll hier in großer Noth gelebt haben; unter Denen, die sich seiner annahmen, ist wohl vor allem der pommersche Staatspräsident und Geheimrath Alexander Erskein zu nennen, dem N. sein „Poetisches musikalisches Lustwäldchen“, das im J. 1652 in Hamburg erschien, widmete; die Widmung ist vom 14. December 1651. (In zweiter vermehrter Auflage wurde dieses Buch unter dem Titel „Fortgepflanzter musikalisch-poetischer Lustwald“, Jena 1657, von N. herausgegeben; in dieser zweiten Auflage befindet sich S. 26–30 sein Lied „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ mit der Melodie und zwar, so weit bis jetzt bekannt ist, zum ersten Mal gedruckt.) Im Anfang des Jahres 1652 besuchte N. von Hamburg aus noch Johann Rist in dem benachbarten Wedel und reiste dann nach Weimar. Hier lebte ein Bruder seiner Mutter, der Consistorialrath Günther Heinrich Plattner; durch die Vermittlung dieses Onkels wird es geschehen sein, daß N. vom Herzog Wilhelm III. nunmehr in Weimar als fürstlicher Bibliothekarius und Registrator angestellt ward, eine Stellung, aus der er später in die eines herzoglichen Archivsecretärs vorrückte, falls dieses nicht etwa nur ein anderer Titel war. In Weimar blieb N. nun bis zu seinem Tode. Er verheirathete sich hier bald nach seiner Anstellung und hat, wie es scheint, fortan in glücklichen äußeren Umständen gelebt. Sein Amt ließ ihm für dichterische Beschäftigungen die nöthige Zeit; er hat denn auch eine große Anzahl für uns meistentheils ungenießbarer Dichtungen nach dem spielenden und im Grunde geistlosen Geschmacke jener Zeit verfaßt; ja, er „erfand einen neuen poetischen Stil, den architektonisch-lapidarischen, in welchem er Triumphbogen und Pyramiden in Reimen erbaute“, wie Barthold (vgl. unten, S. 280) sich ausdrückt und erlangte dadurch denn auch, daß der Herzog Wilhelm, wenn [541] auch nach einigem Zögern, ihn im J. 1653 in die „Fruchtbringende Gesellschaft“ aufnahm; in dem von ihm in der sogleich zu nennenden Geschichte dieser Gesellschaft herausgegebenen Mitgliederverzeichniß derselben konnte er sich selbst unter Nr. 605 mit dem Beinamen „Der Sprossende“ aufführen. Drei Jahre nach seinem Eintritt ward er „Erzschreinhalter“ (Secretär) der Gesellschaft; und nun widmete er „die ganze Kraft seiner Muse dem edlen Berufe“ und dichtete zur „Verherrlichung des ernestinischen Hauses bei allen erfreulichen und trüben Vorkommnissen“ (Barthold a. a. O.). In seiner Eigenschaft als Secretär der Gesellschaft gab er später eine Geschichte derselben unter dem Titel „Der Neu-Sprossende teutsche Palmbaum“ heraus; die Vorrede ist vom 13. August 1668; das Werk erschien jedoch erst mehrere Jahre hernach. Gegen das Ende seines Lebens (1679) ward er dann noch in den „Pegnesischen Blumenorden“ aufgenommen, freilich sechs Jahre später, als er es gewünscht hatte. Er starb, auch mit der Würde eines kaiserlichen Pfalzgrafen geziert, am 8. Juli 1681. Von seinen vielen Dichtungen, die jetzt recht selten geworden sind, haben ihn, wie so manchen Poeten jener Zeit, nur seine geistlichen Lieder überlebt; in diesen ist er einfach und wahr; namentlich den Ton kindlichen Gottvertrauens weiß er meisterhaft zu treffen. Außer seinem erwähnten Hauptliede und dem auch schon genannten Morgenliede hat er noch 32 geistliche Lieder drucken lassen; unter ihnen sind hervorzuheben: „Ermuntre dich, o frommer Christ“, „Ich bin müde mehr zu leben“, „Ich lasse Gott in allem walten“, „Wie mein gerechter Gott nur will“ u. a. – Auch Neumark’s Schicksale sind wie diejenigen Paulus Gerhardt’s und Joachim Neander’s, seiner Zeitgenossen, später durch die dichtende Sage entstellt worden. Dreiundsechzig Jahre nach seinem Tode erzählt Joh. Herdegen (Amarantes) in der Geschichte des Blumenordens an der Pegnitz (Nürnberg 1744), N. habe im J. 1653 (sic!) in Hamburg in solcher Armuth gelebt, daß er seine Viola di Gamba habe versetzen müssen; in dieser äußersten Noth habe sich ein schwedischer Resident in Hamburg, welcher von Rosenkrantz geheißen haben soll (der Name ist demjenigen des schwedischen Reichsraths Schering von Rosenhan, den N. einmal in seinen Gedichten begrüßt, wenigstens ähnlich), seiner angenommen, und nach Auslösung seiner Geige habe N. nun sein „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ gedichtet. Diese Erzählung, die schon dadurch höchst zweifelhaft wird, daß N. sicher im J. 1653 nicht in Hamburg war, wird durch den oben mitgetheilten, von N. selbst herrührenden Bericht über die Entstehung dieses Liedes als ungeschichtlich dargethan; sie ist aber durch mehrere neuere Bearbeitungen, vor allem durch das bekannte Lied Friedrich Kind’s „Georg Neumark und die Gambe“ und durch ihre Bearbeitung für die Jugend von Gustav Nieritz sehr populär geworden und findet sich auch in neueren Darstellungen seines Lebens, wie z. B. noch im Hamburgischen Schriftstellerlexikon (1870).

Weimarisches Jahrbuch, 3. Band. Hannover 1855, S. 176 ff. – Monatsschrift für die evang. luth. Kirche im Hamb. Staate, 1. Jahrgang, 1881, S. 405 ff. (vom Verf. dieses Artikels). – Franz Knauth, Georg Neumark nach Leben und Dichten, Langensalza 1881. – F. W. Barthold, Geschichte der Fruchtbringenden Gesellschaft. Berlin 1848, S. 277 – Koch, Geschichte des Kirchenliedes u. s. f., 3. Aufl., III, S. 410 ff. – Bode, Quellennachweis, S. 119 f. – Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, V. S. 493. – Goedeke, Grundriß, 1. Aufl., ll, S. 452. – Jöcher III. Sp. 885. – Rotermund zum Jöcher V, Sp. 582 f.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. s. Artikel Liebezeit