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Artikel „Dach, Simon“ von Hermann Oesterley in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 685–688, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dach,_Simon&oldid=- (Version vom 12. Dezember 2024, 09:54 Uhr UTC)
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Band 4 (1876), S. 685–688 (Quelle).
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Dach: Simon D., geb. in Memel am 29. Juli 1605, † 15. April 1659. Sein Vater war Gerichtsdolmetscher der litauischen Sprache. Er besuchte zunächst die Schule seiner Vaterstadt, dann die Domschule in Königsberg, bis er im J. 1620 einen Verwandten als Famulus nach Wittenberg begleitete. Nach dreijährigem Besuche der dortigen Stadtschule begab er sich zur Vollendung seiner Gymnasialstudien nach Magdeburg und kehrte nach Veröffentlichung und Vertheidigung einer in griechischer Sprache abgefaßten Abhandlung im J. 1625 nach Königsberg zurück. Im folgenden Jahre als akademischer Bürger der Albertina inscribirt, widmete er sich zunächst dem Studium der Theologie und Philosophie, gab aber bald jedes eigentliche Fachstudium auf und beschäftigte sich nur mit den allgemeinen humanistischen Wissenschaften, namentlich mit der Dichtkunst, für welche er, neben der Musik, schon in früher Jugend Neigung und Talent gezeigt hatte. Bei äußerst beschränkten Mitteln war er schon als Student auf die Ertheilung von Privatunterricht angewiesen, und lebte auch nach Beendigung seiner Studien noch längere Zeit als Privatlehrer, bis er im J. 1633 eine Anstellung als vierter Collaborator an der Domschule fand.

Er gab sich den mühevollen Pflichten seines Amtes mit so erfolgreichem Eifer hin, daß er innerhalb dreier Jahre bis zum Conrector aufstieg; aber sein schwächlicher, zur Schwindsucht geneigter Körper war der aufreibenden Schulthätigkeit nicht gewachsen, er siechte hin und wurde endlich von einer gefährlichen Brustkrankheit befallen, die den Keim zu seinem Tode legte. In diesen Prüfungsjahren war sein Trost die Freundschaft und die Dichtkunst. Schon während seiner Studienzeit hatte er mit einer Reihe von später berühmt gewordenen Männern enge Freundschaftsbündnisse geschlossen, so mit dem jüngeren Thilo, Calovius, Linemann, Mylius und v. Sanden; seine poetischen und musikalischen Talente erwarben ihm weitere Freunde, und bei seinem Eintritte in das Schulamt stand [686] er bereits in der Mitte eines ausgedehnten Freundeskreises. Die bedeutendsten Mitglieder desselben waren Heinrich Albert (s. d.), Johann Stobäus und Robert Robertin und namentlich der letzte gab die Veranlassung, daß der Freundeskreis allmählich zu einem förmlichen Dichterbunde zusammenwuchs. Den Anregungen dieses Bundes sind die wenig zahlreichen Lieder zu verdanken, die D. frei aus sich heraus, ohne bestimmte äußere Veranlassung gedichtet hat, während die bloßen Gelegenheitsgedichte, hauptsächlich Hochzeits- und Begräbnißlieder, die ungeheuer überwiegende Mehrzahl bilden. Die ältesten Producte dieser Gattung stammen aus dem J. 1630, und ihnen schließen sich von Jahr zu Jahr längere Reihen, sowol in deutscher, wie in lateinischer Sprache an, sodaß D. schon bei seinem Eintritte in das Schulamt ein beliebter Gelegenheitsdichter gewesen sein muß. Im J. 1635 hatte sein Name bereits einen so guten Klang, daß er dazu ausersehen wurde, ein Festspiel „Cleomedes“ zu dichten, welches, von Albert in Musik gesetzt, zu Ehren Königs Wladislaw IV. von Polen, der im Juni genannten Jahres mehrere Wochen lang zu Königsberg verweilte, in Gegenwart des ganzen Hofes und Adels zur Aufführung kam.

Nachdem D. die Last seines Schulamtes unter den drückendsten Verhältnissen sechs Jahre lang getragen hatte, ernannte ihn Kurfürst Georg Wilhelm, der ihm schon im J. 1638 eine Exspectanz auf demnächstige Beförderung ertheilt hatte, zum Professor der Poesie an der Universität Königsberg und er begann seine Vorlesungen am 1. Nov. 1639, obwol er erst am 12. April des folgenden Jahres zum Magister promovirt wurde. Seine äußeren Verhältnisse, obwol sie noch kümmerlich genug waren, hatten sich nun so weit gebessert, daß er daran denken konnte, einen eigenen Hausstand zu begründen und er heirathete am 29. Juli 1641 Regina Pohl, die Tochter eines Königsberger Hofgerichtsadvocaten. Die Ehe war äußerst glücklich und mit sieben Kindern gesegnet, von denen zwei Knaben allerdings schon in frühester Jugend starben. Von den überlebenden drei Söhnen hat keiner männliche Erben hinterlassen, so daß Dach’s Name mit seinen Kindern ausgestorben ist; die beiden Töchter haben sich nach ihres Vaters Tode glücklich verheirathet. Ein anderes vorgebliches Liebesverhältniß unseres Dichters, das zu Anna, der Tochter des Pfarrers Neander in Tharau bei Königsberg, dem das allbekannte Lied „Aennchen von Tharau“ seinen Ursprung zu verdanken haben soll, ist in das Reich der Sage zu verweisen. D. hat dieses Lied allerdings zu Anna’s Verheirathung mit dem Pfarrer Portatius (1637) gedichtet, nicht aber aus verschmähter Liebe, wie die Sage berichtet, sondern im Namen des glücklichen Bräutigams, mit dem er seit langer Zeit befreundet war.

Am 30. Novbr. 1641, ein Jahr nach dem Tode seines erlauchten Vaters, hielt der junge Kurfürst Friedrich Wilhelm seinen feierlichen Einzug in Königsberg, um dort längere Zeit zu residiren. D. betheiligte sich bei den Empfangsfeierlichkeiten seines neuen Landesherrn mit mehreren Gedichten, hatte auch später, namentlich bei der Beisetzung Georg Wilhelms im März 1642, mehrfach Gelegenheit, seine treue Unterthanenliebe zu bezeugen, und so entwickelte sich zwischen dem großen Kurfürsten und D. ein Verhältniß, wie es unter Fürst und Unterthan nicht schöner gedacht werden kann. Der Kurfürst fühlte für D. und seine Gedichte eine warme persönliche Zuneigung, D. erwiederte die ihm erwiesenen Gnadenbezeugungen durch die hingebendste Liebe für das ganze kurfürstliche Haus, und die Gedichte, in denen er seiner Freude oder seiner Theilnahme über die Familienereignisse des Herrscherhauses Ausdruck leiht, bleiben trotz ihrer vielfach schwülstigen Form, die ihren dichterischen Werth für die Gegenwart allerdings herabmindert, doch ein schönes Denkmal für beide Theile.

Dach’s Verbindungen mit dem Hofe brachten ihn auch in ein erwünschtes [687] Verhältniß zu den preußischen und polnischen Adelsfamilien, und seit den vierziger Jahren konnte in den höheren Gesellschaftskreisen kaum eine Hochzeit oder ein Begräbniß gefeiert werden, ohne daß er ein Lied dazu gedichtet hätte. Im übrigen lebte er ruhig und friedlich im Kreise seiner Familie und seiner Freunde, ohne sich von den tiefeingreifenden politischen und kirchlichen Wirren seiner Zeit berühren zu lassen, und es bleibt nur noch wenig von seinem ferneren Leben zu berichten. Er war fast immer leidend, mehrfach sogar schwer krank, aber sein Zustand besserte sich oft überraschend schnell und er fühlte sich dann zeitweilig ganz wohl und lebensmuthig. Im J. 1644 dichtete er zur 100jährigen Jubelfeier der Universität das Singspiel „Prussiarchus“, welches am 21. Sept. mit H. Albert’s Musik von Studenten aufgeführt und am 9. Mai 1645 vor dem kurfürstl. Hofe wiederholt wurde; seitdem hat er kaum etwas anderes, als bestellte oder ihm amtlich obliegende Gelegenheitsgedichte geschaffen.

Im J. 1646 begann der Tod unter dem Freundeskreise aufzuräumen; am 14. Sept. genannten Jahres starb J. Stobäus, am 16. Nov. 1647 Chr. Wilkau, am 18. April 1648 G. Blum; aber der härteste Schlag traf D., als er am 7. April 1648 auch seinen geliebten Robertin verlieren mußte; er verfiel in Folge davon in eine schwere Krankheit, die ihn selbst dem Tode nahe brachte. Im J. 1649 verheerte eine Pest das Land, an welcher er im folgenden Jahre selbst erkrankte, und der viele seiner Freunde unterlagen; am 10. Octbr. 1651 verlor er H. Albert, am 4. Febr. 1652 Ambrosius Scala, und seitdem scheint der engere Freundschaftsbund gelöst zu sein, wenigstens begegnen wir später in Dach’s Gedichten nur noch schmerzlichen Erinnerungen an die vergangenen schönen Zeiten.

Im J. 1654 war D. so krank, daß er sich dem Tode nahe glaubte, und richtete in der Sorge um Weib und Kinder eine Bittschrift an den Kurfürsten, in welcher er bat, das ihm seit mehreren Jahren bewilligte Gnadengehalt von 100 Thlrn. nebst einem Deputat an Holz und Getreide seiner Wittwe auf Lebenszeit zu belassen. Der Kurfürst war nicht abgeneigt, der Wittwe eintretenden Falles eine Gnade zu erweisen, hielt aber den vorgeschlagenen Weg für bedenklich, und D. suchte es in Folge dessen zu erreichen, daß ihm noch bei seinen Lebzeiten für sich und seine Erben ein kleiner Landbesitz angewiesen werde. Nach langen Verhandlungen wurde Dach’s Wunsch erfüllt und er erhielt im Jahre 1658 ein kleines Gut von 10½ Hufen Landes geschenkt. Aber er sollte sich des seit Jahren ersehnten Besitzes nicht lange erfreuen; seine Krankheit, wahrscheinlich die Schwindsucht, nahm mehr und mehr zu und er starb schon im folgenden Jahre in der ersten Morgenstunde des 15. April.

Dach’s Gedichte, zusammen 1360 Nummern umfassend, sind zum größten Theile in den Originaldrucken erhalten, in denen sie der Dichter oder der Componist den gefeierten Personen oder deren Hinterbliebenen zu überreichen pflegte. Wo diese Quelle versiegte, wo der Einzeldruck untergegangen oder gar nicht veranstaltet war, bieten theils die zuerst 1638–50 in acht Theilen veröffentlichten „Arien“ von H. Albert, theils eine von Dach’s Erben veranstaltete Sammlung der an den Kurfürsten und die kurfürstl. Familie gerichteten Gedichte, die zuerst unter dem Titel „Churbrandenburgische Rose“ erschien und 1696 als Dach’s „Poetische Werke“ mit einem Anhange versehen wiederholt wurde, den ältesten Text dar; eine beschränkte Anzahl von Liedern endlich ist nur in den älteren preußischen Gesangbüchern oder in Abschriften des vorigen Jahrhunderts erhalten. Erst durch die Zusammenstellung des ganzen erhaltenen Materials, das in den verschiedensten Bibliotheken und Privatsammlungen verstreut liegt, ist es möglich geworden, ein erschöpfendes und gerechtes Urtheil über unsern Dichter zu fällen; sie ist enthalten in: Simon Dach’s Werke, gesammelt und herausgegeben von [688] Hermann Oesterley, Tübingen 1876 (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart).