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Artikel „Mylius, Christian Otto“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 139–142, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mylius,_Christian_Otto&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 09:42 Uhr UTC)
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Mylius: Christian Otto M., preußischer Generalauditeur und Herausgeber von Verordnungen-Sammlungen, geb. am 21. September 1678 zu Halle (wo sein Vater Heinrich Otto M. vor seiner Versetzung nach Weißenfels fürstlich sächsischer Kammermeister und Salzgraf war), † am 11. Januar 1760 in Berlin. Nachdem M. einige Semester an der Hochschule seiner Vaterstadt Philosophie und Jurisprudenz gehört hatte, ging er zur Fortsetzung seiner rechtswissenschaftlichen Studien 1698 nach Leipzig, wo er 1701 das Baccalaureat erwarb. Im nächsten Jahre erlangte er zu Halle unter Stryk’s Vorsitz die höchste akademische Würde; er heirathete daselbst am 22. Mai 1703 Elisabeth Charlotte, eine Tochter des preußischen Kriegscommissärs und Rathsmeisters Bastineller, und vermählte sich nach deren kinderlosem Ableben mit der jüngeren Schwester. Seit 1703 hielt er an der Hochschule juristische Vorträge und trat bei der damals noch in Halle befindlichen Regierung und dem Consistorium als Sachwalter auf, bis er 1706 vom Hallenser Magistrate zum Syndicus und Scholarchen erwählt wurde. Vermöge dieser amtlichen Stellung hatte er Zutritt zu dem auf dem Rathhause befindlichen Archive und benutzte diese Gelegenheit, seine schon früher begonnene Sammlung der seit Vereinigung des Herzogthums Magdeburg mit Kurbrandenburg erlassenen Edicte zu vervollständigen, welche Sammlung er 1714 veröffentlichte. 1716 wurde er zum Rathsmeister (Bürgermeister) und Beisitzer zum Schöppenstuhle in Halle erwählt; doch schon im folgenden Jahre (1717) als Kriegsrath bei dem Militärdepartement, sowie als Criminalrath bei dem Criminalcollegium in Berlin ernannt, und ihm überdies dort die Stelle eines Auditeurs bei den Gensd’armen übertragen. Auch diese Aemter bekleidete er nur kurze Zeit, da er nach Ablauf eines Jahres (1718) zum Vicedirector des Kriegs-, Hof- und Criminalgerichts befördert und 1720 in den geheimen Justizrath und das Oberappellationsgericht gerufen wurde. 1723 finden wir ihn als Generalauditeur-Lieutenant und 1739 auf dem hohen und wichtigen Posten eines Generalauditeurs, nachdem er im vorangegangenen Jahre (1738) die Stelle eines Kammergerichtsdirectors ausgeschlagen hatte. Trotz hoher Jahre geistig wie körperlich [140] rüstig, bekleidete er allseits hochgeachtet jenen Posten bis in sein 82. Lebensjahr, in dem er am 11. Januar 1760 nach 57jähriger Dienstleistung ohne Hinterlassung von Leibeserben starb. Zum ehrenden Andenken des Dahingeschiedenen erschienen einige Epicedien, welche in Weidlich’s Zuverlässigen Nachrichten jetztlebender Rechtsgelehrter, Thl. IV, abgedruckt sind. – M. war ein erfahrener, einsichtsvoller Geschäftsmann und gründlicher Systematiker, wovon seine beiden Hauptwerke – zwei umfassende Verordnungensammlungen – Zeugniß geben. Die eine begann er, wie erwähnt, alsbald nach seiner Niederlassung in Halle (1703) und vollendete sie (1714) als städtischer Syndicus. Das mit ausdauerndem Fleiße und großer Genauigkeit zusammengestellte Werk trägt den Titel „Corpus Constitutionum Magdeburgicarum novissimarum, oder königlich preußische und kurfürstlich brandenburgische Landesordnungen, Edicta und Mandata im Herzogthume Magdeburg und der Grafschaft Mannsfeld von 1680–1714“ (6 Thle., 1714, 4°). Der Verfasser gibt darin eine nach Gegenständen und Zeit genau geordnete Sammlung der landesherrlichen Erlasse für Magdeburg von dessen Vereinigung mit Kurbrandenburg (1680) bis auf seine Tage (1714). Wenige Jahre später (1717) reihte sich hieran eine, die Periode 1714–1717 umfassende Fortsetzung. Die Anerkennung, welche die sorgfältig gearbeitete Sammlung in Fachkreisen erntete, ermunterte den Verfasser zu einer zweiten; zur Sammlung der kur- und markbrandenburgischen Erlasse. Die Regierung ertheilte ihm auch behufs Herausgabe dieses Werkes ein schützendes Privilegium und beauftragte sowol die Archive als die Registraturen, dem Herausgeber ein möglichst erschöpfendes Material in Abschrift zuzustellen. So entstand allmählich das „Corpus constitutionum Marchicarum, oder der in der Chur- und Mark-Brandenburg ergangenen Edicta, Ordnungen, Mandata, Rescripta etc. etc. von Friedrich I., Churfürsten von Brandenburg bis König Friedrich Wilhelm“ (1736, 1737 Fol.) nebst vier „Continuationes“ (1737–50), Fol. Das Hauptwerk ist dem Könige von Preußen gewidmet und enthält in sechs nach Hauptmaterien geordneten Theilen über 5000 Nummern, welche, in den einzelnen Theilen chronologisch vorgetragen, das gesammte Administrativ-, Justiz- und Militärwesen umfassen. M. hat mit seinen Sammelwerken der Praxis wesentliche Dienste geleistet, sie fanden deshalb auch große Verbreitung und die „Berlinische Bibliothek, worinnen von neu herausgekommenen Schriften etc. Nachrichten mitgetheilt werden“, – liefert in Stück 3 des 2. Bandes (1748 S. 331–351) eine anerkennende Besprechung der Sammlung mit näherer Inhaltsanzeige. 1755 ließ der Verfasser zum bequemeren Gebrauch des Corp. constit. Marchic. ein Repert. desselben in Fol. folgen, ein zweifaches Register, von denen das eine nach dem Zeitpunkte des Erlasses der Entschließungen, das andere nach dem Stoffe geordnet ist. –

Auch der ältere Bruder Christian Otto’s, der am 8. September 1659 zu Halle geborene Johann Heinrich M. war ein theoretisch gründlich gebildeter und praktisch wohlerfahrener Jurist. Erst 17 Jahre alt, wurde er 1676 von seinem gelehrten Vetter, dem vorgenannten Andreas M., zu Leipzig in die Rechtswissenschaft eingeführt, 1679 zu Erfurt Baccalaureus, 1682 zu Leipzig Doctor beider Rechte, wobei er „De anno juridico ejusque effectibus generalibus“ disputirte. Früher (1680) hatte er eine größere Reise nach Holland angetreten und widmete sich nach der Rückkehr 1681 der Anwaltspraxis. 1699 Assessor bei der Juristenfacultät in Leipzig, 1709 Aeltester am dortigen Schöppenstuhle, 1712 nach Niederlegung der Advocatur kurfürstlich sächsischer Appellationsgerichtsrath, starb er als solcher am 2. November 1722. Obwol sich unser Gelehrter vorwiegend der praktischen Jurisprudenz zuwandte, fand er doch Muße zu litterarischen Leistungen. Er schrieb mehrere Dissertationen und Reden und hinterließ [141] handschriftlich einen Band straf- und lehensrechtlicher Consilien des Leipziger Spruchcollegiums. Der bekannte Kupferstecher B. Beringrath fertigte ein wohlgetroffenes Porträt dieses M., welches mit dem Wappen des Eilenburger Zweiges geschmückt ist. Durch Verheirathung mit Maria Magdalena, der einzigen Tochter des Professors und sächsischen Leibarztes Dr. Horn, wurde M. Gerichts- und Lehensherr von Gohlis, Möckern und Groß-Lehna und Vater von 13 Kindern, darunter 9 Söhne, welche indeß großentheils in der Unmündigkeit starben.

Der älteste der Söhne, Gustav Heinrich M. (geb. zu Leipzig am 21. October 1684, † daselbst im Frühjahr 1765), begann die juristischen Studien unter Anleitung seines Vaters, Leonh. Schwendendörfer’s und Mencke’s in seiner Geburtsstadt, begab sich, vorwiegend durch Stryk’s Ruf angezogen, nach Halle, dann nach Utrecht, wo Cornelius v. Eck einen größeren Schülerkreis um sich sammelte. Nach einer gelehrten Reise durch Holland und England, von der er 1707 heimkehrte, arbeitete er die Dissertation „De conditione ex l. 4 C. fin. regund.“ aus, erwarb mittels derselben den akademischen Doctorgrad und trat 1712 gleich seinem Vater als Sachwalter auf, wie denn überhaupt sein äußerer Lebensgang mit dem seines Vaters große Aehnlichkeit hatte. 1722 wurde er Beisitzer, 1748 Senior der Juristenfacultät in Leipzig, 1725 Beisitzer bei dem sächsischen Oberhofgerichte und sächsisch-weißenfels’scher Hofrath, zuletzt 1744 (wie sein Vater) sächsischer Appellationsgerichtsrath. Da Gustav Heinrich M., welcher seine letzten Jahre im Ruhestande verlebte, ein hohes Alter erreichte (er starb im 82. Lebensjahre), wußte er bei weiser Benutzung der Zeit neben dem Lehr- und Richterberufe eine größere schriftstellerische Thätigkeit zu entwickeln. Er fertigte über 50 Dissertationen und Programme, welche theils dem Civilrechte, meist dem Strafrechte und Processe angehörten und wegen ihrer Brauchbarkeit in der Praxis auch bei Praktikern sehr geschätzt waren. (Ein erschöpfendes Verzeichniß bei Meusel IX, S. 490–93.) Außerdem besorgte er nach dem Tode des Wittenberger Professors Georg Beyer eine neue Auflage von dessen „Delineatio juris criminalis novis accessionibus et enuniatis criminalibus aucta“, 1727, 4° (mit neuem Titelbogen 1735). M. war zweimal verheirathet. Das erste Mal 1708 oder 1709 mit Maria Regina Küstner, der Tochter eines angesehenen Leipziger Kaufherrn; nach deren Tode (1749) schritt er am 12. Juli 1750 in sehr vorgerücktem Alter zu einem zweiten Ehebunde. Von seinen fünf erstehelichen Söhnen haben sich der älteste, Johann Heinrich (jun.) als theoretischer, der dritte Ernst Heinrich als praktischer Jurist besonders hervorgethan.

Johann Heinrich M. (jun.), geb. zu Leipzig am 21. März 1710, ein reichbegabter Jüngling, der schon mit 17 Jahren das akademische Bürgerrecht an der Hochschule seiner Vaterstadt erwarb, besuchte 1730 Wittenberg und Frankfurt, promovirte als magister philosophiae 1731 zu Halle, als doctur utriusque juris am 11. Mai desselben Jahres in Leipzig und wurde 1733 während eines Besuches bei seinem Großonkel Christian Otto M. (s. o.) in Berlin von einem hitzigen Fieber, das ihn ergriff, am 21. oder 29. Juni nach wenigen Tagen in dem Momente weggerafft, als dem 23jährigen Gelehrten von der Universität Halle eine ordentliche Professur der Philosophie und die außerordentliche der Rechtswissenschaft angeboten wurde. Trotz seiner Jugend leistete M. auch als Schriftsteller Tüchtiges. Unter seinen Arbeiten (6 Dissertationen) nimmt dessen Inauguralabhandlung „Vindiciarum Theophili praeparatio, qua historia ipsius et paraphraseos exponitur“ (Lips. 1730, 4°) den ersten Platz ein. Sie galt als vorzügliche Leistung und wurde kurz nach seinem Tode zu Leyden (1733) mit etwas verändertem Titel, dann von G. A. Jenichen in „J. H. Mylii Opuscula academica“ mit einer Vorrede „De vita et scriptis Mylianis academica“ neu herausgegeben (1733). Auch Wilh. Otfr. Reiz hat diese Abhandlung mit drei anderen auf [142] Theophilus bezüglichen Arbeiten des M. in den 2. Band seiner „Paraphrasis graeca Theophili“ (S. 1034 u. ff.) aufgenommen. Der junge Gelehrte trug sich nach seinem Biographen, G. A. Jenichen, mit dem Plane, die griechischen Institutionen des Theophilus (paraphrasis Th.), welche der berühmte Viglius ab Aytta zuerst 1533 bei Froben in Basel publicirt hatte, eingehend zu bearbeiten, und schrieb die mehrerwähnte, aus sechs Capiteln bestehende Dissertation als „Einleitung“. Das nach dieser Einleitung vielversprechende Hauptwerk kam jedoch wegen des frühen Todes Johann Heinrichs leider nicht zu Stande. Dessen vorzeitiges Hinscheiden wurde von den Fachgenossen als schwerer Verlust für die Rechtswissenschaft beklagt, da er zu den schönsten Hoffnungen berechtigte. (Seine Schriften sind in M. Lipenii biblioth. realis T. II vollständig aufgezählt.)

Auch der dritte Sohn Gustav Heinrichs, Ernst Heinrich M., Edler von Ehrengreif, hat sich in rühmlicher Weise hervorgethan. Geboren zu Leipzig am 14. October 1716, wurde er 1730 als Alumnus in die Fürstenschule zu Meißen aufgenommen, bezog 1734 als Rechtscandidat die Universität Leipzig, 1737 Wittenberg, wo er bei dem Appellationsgerichtsrath Professor Dr. Mencken wohnte und neben dessen Vorträgen namentlich jene Leyser’s hörte. Zu Ostern 1738 disputirte er in Leipzig als Baccalaureus, am 2. April 1739 als Doctor beider Rechte und hielt sodann an letzterer Hochschule juristische Vorlesungen, bis er 1741 als Untergouverneur und Professor der Rechts- und Staatswissenschaft nach Berlin zu drei württembergischen Prinzen berufen wurde, welche sich behufs höherer Ausbildung dort aufhielten. Als der älteste der Prinzen, der bisher unter Vormundschaft gestandene Herzog Karl Eugen (der nachmalige Gründer der Karlsschule) 1744 von Kaiser Karl VII. für volljährig erklärt, die väterliche Regierung antrat, ging M. mit ihm als Mitglied der herzoglichen Regierung nach Stuttgart, vermählte sich im Mai desselben Jahres mit einer Tochter des Hofkammer-Expeditionesrathes Aegid Böhm, wurde 1745 gelehrter Beisitzer des Hofgerichtes in Tübingen, weiter auch Kriegsrath, Regierungsdeputatus beim Oberhofmarschallamte und Wittumsrath der Herzogin Wittwe. Bei Hofe beliebt stieg er von Stufe zu Stufe, erhielt 1759 das angesehene Amt eines Kreisdirectorialgesandten. 1771 Titel und Rang eines wirklichen gelehrten Geheimrathes, nachdem er 1768 vom Kaiser Joseph mit dem Beinamen eines Edlen „von Ehrengreiff“ tax- und stempelfrei in den erblichen Reichsritter- und Adelsstand erhoben worden war. Hochgeschätzt in weiten Kreisen starb er am 25. Januar 1781. – Er verfaßte 11 Dissertationen meist lehenrechtlichen Inhaltes, welche bei Weidlich, Geschichte der jetzt lebenden Rechtsgelehrten Thl. II, S. 149 und 150 näher aufgezählt sind. Dieser Disciplin ist auch seine Promotionsschrift entnommen, welche den Titel führt: „De citatione Vasalli et simultanee investiti Saxonici, ejusque insinuatione“ (Lips. 1739, 4°).

Ueber sämmtliche hier genannte Mylius s.: Rotermund V, S. 294 u. ff.; Joh. Chr. Mylius, Historia Myliana, P. I, Tab. III. Dann insbesondere über Christian Otto: Weidlich, Gesch. d. jetzt lebenden Rechtsgelehrten, II, 142. Dessen zuverläss. Nachr. I. 141, Meusel IX. 485, woselbst auch eine Aufzähl. s. Arbeiten. – Johann Heinrich: Dreyhaupt, Beschrb. d. Saalkr., II. 276. – Gustav Heinrich: Weidlich, Zuverl. Nachr., I. 186; Meusel a. a. O. u. die dortselbst Genannten. – Johann Heinrich (jun.): Haubold, Praecognita.Opusc. Myliana ed. Jenichen. Prafatio (Lugd. Bat. 1738). – Ernst Heinrich: Weidlich, Gesch., I. 146 u. die dort Cit. – Haug’s schwäb. Magazin, 4. Jahrg., 287.