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Artikel „Maximilian II. Emanuel“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 22–27, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Maximilian_II._Emanuel&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 07:35 Uhr UTC)
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Maximilian II. Emanuel, Kurfürst von Baiern, geb. zu München am 11. Juli 1662, der älteste Sohn des Kurfürsten Ferdinand Maria und der Adelheid Henriette von Savoyen. Schon in jungen Jahren ließ er erkennen, daß sich nicht des Vaters Bedächtigkeit auf ihn vererbt hatte, sondern das sanguinische Temperament der Mutter, das sich in Energie und Thatkraft, aber auch in Hang zu Glanz und Prunk und in Unstetigkeit der Empfindungen und Anschauungen kundgab. In den höfischen Künsten des Siècle Luis XIV. wurde er von einem Franzosen, Marquis Beauveau, in Behandlung öffentlicher Geschäfte von einem trefflichen bairischen Beamten, dem geheimen Rath Corbinian Prielmayer, unterwiesen. Kaum zum Jüngling herangereift, verlor er den Vater (1679), und nur ein Jahr führte im Namen des Siebzehnjährigen der Oheim Herzog Max Philipp die Regentschaft; schon am 11. Juli 1680 übernahm M. E. selbst die Regierung und sah sich eine Laufbahn eröffnet, die auch ehrgeizigsten Plänen und kühnsten Begierden Befriedigung verhieß. Denn da der Ausbruch entscheidenden Kampfes zwischen den Häusern Habsburg und Bourbon unvermeidlich bevorstand, buhlte man förmlich auf beiden Seiten um die Neigung des jungen Fürsten, der, obwohl nur Regent eines kleinen Territoriums, über wohlgefüllte Zeughäuser und Schatzkammern verfügte. Ludwig XIV. erbat für seinen Dauphin die Hand Maria Annas, der Schwester des Kurfürsten; diesen selbst wünschte er mit der Tochter des Herzogs von Orleans zu vermählen. Allein bei einer Zusammenkunft mit Kaiser Leopold in Altötting verpflichtete sich M. E., seinen eigenen Degen und das bairische Contingent dem Erzhause zur Verfügung zu stellen; dagegen eröffnete ihm der Kaiser Aussicht auf die Hand seiner einzigen Tochter aus erster Ehe, Maria Antonia, und eine beträchtliche Subsidienzahlung zur Vermehrung der bairischen Streitkräfte. Bald bot sich Gelegenheit, die Bundestreue zu erproben. Mit 12,000 Mann zog M. E. 1683 zur Befreiung der von den Türken schwer bedrängten Kaiserstadt Wien; an der Entscheidungsschlacht vom 12. September nahmen die Baiern, die den Sturm auf Nußdorf und Heiligenstadt auszuführen hatten, ehrenvollen Antheil. Im Frühjahr 1685 wurde in Wien die Vermählung mit der Erzherzogin gefeiert. Die Braut mußte jedoch nicht nur auf die österreichischen, sondern für den Fall kinderlosen Ablebens Karls II. auch auf die spanischen Erblande Verzicht leisten, nur die spanischen Niederlande sollten ihr und ihrem Gemahl zufallen. Unmittelbar nach der Hochzeit eilte M. E. wieder ins Feld und erwarb sich in den nächsten Feldzügen gegen die Türken hohen Kriegsruhm. Im Treffen bei Gran, bei den Stürmen auf Neuhäusl und Ofen, in der großen Schlacht bei Mohacs, vor Allem bei Einnahme der Hauptfestung Belgrad zeichnete er sich durch eine an Waghalsigkeit streifende Kühnheit aus, auch von Geistesgegenwart und Scharfblick in der Schlacht legte er rühmliche Proben ab, an Ausdauer in Ertragung aller Strapazen wetteiferte er mit abgehärteten Veteranen. Auch als Ludwig XIV. 1688 das deutsche Reich angriff, trat M. E. mit Eifer und Thatkraft für die Sache des Kaisers und den Schutz des Reiches ein. Nach dem Tode des Herzogs von Lothringen wurde ihm sogar der Oberbefehl über die Reichsarmee übertragen, allein ebenso durch [23] die verrottete Heeresorganisation, wie durch eifersüchtige Umtriebe der deutschen Fürsten wurden alle Bewegungen gelähmt, so daß die trefflich geschulten und einheitlich geleiteten französischen Armeen die Oberhand behielten. Bis zum Frieden von Ryswick (1697) stritt M. E. jedes Jahr am Rhein oder in Italien oder in den Niederlanden; die Wintermonate verbrachte er entweder in Venedig, wo die Karnevalsfreuden für den genußsüchtigen Fürsten den Anziehungspunkt bildeten, oder in Brüssel, der Hauptstadt der spanischen Niederlande, zu deren Statthalter er durch ein Decret Karls II. vom 12. December 1691 ernannt worden war. Seine Verwaltung wurde von den Zeitgenossen nicht unrühmlich beurtheilt, wie es ihm überhaupt an Eigenschaften, die einen Fürsten zur Größe emporheben könnten, nicht gebrach. „Er war kein Feldherr, aber ein kriegstüchtiger General und der tapferste Soldat; er war vergnügungssüchtig, aber nicht in solchem Maße, daß er nicht für alle Zweige der Regierung ein lebhaftes Interesse gezeigt hätte; er war verschwenderisch, doch war er es vor Allem in der Belohnung fremder Dienste; er besaß, so kann man kurz den Heerführer, wie den Staatsmann charakterisiren, fast zu viel Eifer, aber zu wenig Ernst.“ Noch höhere Aufgaben schienen ihm beschieden zu sein. Trotz des Verzichtes stand seine Gemahlin, nach spanischen Rechtsbegriffen die rechtmäßige Erbin, dem spanischen Throne am nächsten und seit sie vollends am 28. October 1692 ihrem Gatten einen Sohn, Joseph Ferdinand, geschenkt hatte, befreundete man sich in Madrid immer allseitiger mit dem Gedanken, diesem bairischen Prinzen vor den übrigen Prätendenten den Vorzug einzuräumen. Je günstiger sich aber die Aussichten in Spanien gestalteten, desto mehr lockerte sich das Freundschaftsverhältniß Maximilian Emanuels zum kaiserlichen Hofe, zumal da seine Gemahlin († 12. December 1692 zu Wien) ein Testament hinterließ, das eine förmliche Ausschließung ihres Gemahls von ihrem Erbe anordnete. Zwei Jahre nach dem Tode der ersten Gattin schritt M. E. zur Vermählung mit einer Tochter des Polenkönigs Johannes Sobiesky, Therese Kunigunde. In Folge dieser Verbindung eröffnete sich für ihn nach dem Tode Sobieskys (1696) Aussicht, die polnische Krone zu erlangen; er war jedoch nicht zu bewegen, offen als Bewerber aufzutreten, hauptsächlich weil er nicht um des Principats in einem zerrütteten Wahlreich willen eine glorreichere Erhöhung seines Hauses in Frage stellen wollte. Denn die bairische Partei in Madrid war in steter Zunahme begriffen und endlich führte das Bekanntwerden des zwischen Frankreich und den Seemächten geschlossenen Vertrags, der für den Fall kinderlosen Ablebens des letzten Habsburgers in Spanien im Voraus eine Theilung seines Reiches festsetzte, die entscheidende Wendung zu Gunsten der bairischen Bewerbung herbei: ein am 28. November 1698 errichtetes Testament Karls II. ernannte den Kurprinzen Joseph Ferdinand zum Universalerben, zum Thronfolger der ganzen spanischen Monarchie. Allein gerade während die Uebersiedelung nach Spanien vorbereitet wurde, starb der Knabe zu Brüssel am 6. Februar 1699. Damit war das spanische Erbe in seiner Gesammtheit für M. E. verloren, denn nur der Sohn der Maria Antonia, nicht der Kurfürst, nicht die Söhne aus zweiter Ehe hatten darauf Anspruch. Um wenigstens einen Theil zu retten, schenkte M. E., der Aussicht auf eine Königskrone alle anderen Rücksichten opfernd, den mit Verheißungen freigebigen französischen Agenten Gehör. Zwar gab er, als der Enkel Ludwigs XIV., durch ein zweites Testament zum Erben Karls II. ernannt, den spanischen Thron bestieg und französische Truppen die Niederlande besetzten, seine Stellung auf und kehrte nach Baiern zurück, aber schon am 9. März 1701 gingen er und sein Bruder Josef Clemens, Kurfürst und Erzbischof von Köln, mit Frankreich einen geheimen Vertrag ein, der den Besitz Belgiens als erblichen Königreichs und für den Fall des Ablebens oder der [24] Entthronung Leopolds die Hilfe Frankreichs zur Erlangung der Kaiserkrone zusicherte. Die alte Reichsordnung zu zertrümmern und dem Wittelsbach’schen Hause die Stellung, welche bisher die Habsburger in Deuschland und in Europa eingenommen hatten, zu erkämpfen: dieses Ziel hoffte M. E. im Bunde mit Frankreich unschwer zu erreichen. Als schon der Krieg zwischen Frankreich und Oesterreich ausgebrochen war, wollte er, um für seine Rüstungen Zeit zu gewinnen, weder für, noch wider den Kaiser Partei ergreifen. Vielleicht hätte ihn – so versicherte er wenigstens selbst später – ein freigebigeres Entgegenkommen des Kaisers doch noch in zwölfter Stunde zur Neutralität bewogen, aber Leopold zeigte sich zu erheblichen Zugeständnissen an seinen Eidam wenig geneigt. Endlich lüftete M. E. die Maske, indem er die Reichsstadt Ulm durch bairische Truppen überrumpeln und besetzen ließ (am 9. September 1702). Im nächsten Jahre war seine Lage, da sich die französische Hilfe verzögerte, überaus kritisch. Ein rechtzeitiger Ueberfall Baierns durch die überlegenen kaiserlichen Truppen würde schon damals dem Kurfürsten sein Land gekostet haben, allein die Schwerfälligkeit des österreichischen Operationsplanes brachte ihm Rettung. Ungehindert vollzog sich die Vereinigung der kurfürstlichen Streitkräfte mit der von Villars durch den Schwarzwald geführten französischen Armee. Aber auch M. E. versäumte nunmehr, den entscheidenden Schlag gegen den Kaiser zu führen. Wahrscheinlich hätte ein rascher Vorstoß die Einnahme Wiens und damit ein siegreiches Ende des Feldzuges erzielt. Dagegen trennte sich M. E. wieder von Villars, dessen rechthaberischer Dünkel ihm unerträglich schien, und wandte sich einem Unternehmen zu, dessen Schwierigkeit er weit unterschätzte, der Eroberung Tirols. Nur mit 12,000 Mann zog er nach Einnahme der Grenzfestung Kufstein das Innthal hinauf, auf dem Brennerpaß wollte er sich mit der von Italien kommenden Armee Vendome’s vereinigen, aber diese verspätete sich, dadurch gewann der Tiroler Landsturm Zeit, auf den Südabhängen des Brenners die beabsichtigte Verbindung zu verlegen, und binnen Kurzem stand auch ganz Nordtirol in Waffen. Der Kurfürst war nicht im Stande, diese elementare Gewalt niederzukämpfen und mußte sich mit großen Verlusten aus dem Bergland zurückziehen. Durch solchen Mißerfolg war zwar viel werthvolle Zeit verloren gegangen, allein im eigenen Lande erlangte M. E. auch wieder die alte Kraft, am 20. September 1703 schlug er die Oesterreicher unter Styrum in der Donauebene bei Höchstädt. Jedoch auf der nämlichen Wahlstatt endete die Schlacht am 13. August 1704, in welcher sich die vereinigten französisch-bairischen und englisch-österreichischen Heere gegenüberstanden, mit glänzendem Sieg des Prinzen Eugen und des Herzogs von Marlborough. M. E. schlug zwar drei Angriffe der von Prinz Eugen selbst geführten kaiserlichen Kerntruppen ab und warf die Brandenburger nach heißem Ringkampf zurück, allein die Erstürmung Blindheims durch Marlborough entschied die Niederlage des französischen Centrums und damit das Schicksal des Tages: die Zukunft des deutschen Reichs, ja, Europa’s hing unzweifelhaft in jener Stunde von der Geistesgegenwart des englischen Feldherrn ab. Die wilde Flucht der Franzosen machte auch weiteren Widerstand des von den Baiern formirten linken Flügels unmöglich; nur der Besonnenheit des Kurfürsten war es zu danken, daß sich der weitere Rückzug der geschlagenen Armee in leidlicher Ordnung vollzog. „Nachdem seine einsichtige und feurige Leitung im Gewühle der Schlacht Außerordentliches geleistet“, urtheilt Noorden, der ebenso den Fähigkeiten und Vorzügen des Kurfürsten Gerechtigkeit widerfahren läßt, wie er die Schattenseiten des Charakterbildes nicht bemäntelt, „ragte er bei der Leitung des Rückzuges durch gelassene Ruhe und feste Selbstbeherrschung hervor; es bedurfte solcher erschütternder Krisen, um einen Mann von des Kurfürsten Art aus weichlicher und flatterhafter Lebensgewöhnung herauszureißen [25] und zu der ganzen Höhe geistiger Spannkraft emporzuschnellen, deren der Charakter Maximilian Emanuels von Jugend auf fähig gewesen war. In der Nacht vom 13. zum 14. August und in den Tagen, welche dem unseligen Kampfe bei Höchstätt folgten, offenbarte sich, daß, in größere Verhältnisse gestellt, dieser Wittelsbacher Großes gewirkt haben würde.“ Es gelang ihm, aus den weithin zerstreuten Ueberresten der Franko-Bavaren wieder ein schlagfertiges Heer zu bilden, die Schwarzwalddefiléen glücklich zu passiren und dadurch wenigstens zu verhindern, daß die Niederlage zur entscheidenden Katastrophe wurde. Immerhin sah er sich vor die bittere Alternative gestellt: entweder sich rückhaltlos dem Kaiser zu unterwerfen oder sich gegen Preisgebung Baierns vorerst freie Hand zu wahren, um auf anderem Kriegsschauplatz eine glücklichere Wendung zu erkämpfen. In der Hoffnung, Kaiser Leopold werde mit der Tochter Sobiesky’s glimpflicher verfahren, übertrug er seiner Gemahlin die Regentschaft. Vielleicht hätte sich noch, da die meisten festen Plätze in den Händen der Baiern waren, am Widerstand festhalten lassen, aber die Landstände drangen auf Kapitulation, die Kurfürstin gab nach und schloß den Vertrag zu Ilbesheim, wonach ihr das neutral erklärte Rentamt München verbleiben, das übrige Baiern von den Kaiserlichen besetzt werden sollte. Als schwersten Schlag empfand der Kurfürst, daß seine Gemahlin, um mit ihrer Mutter zusammenzutreffen, plötzlich Baiern verließ und sich nach Venedig begab. Wie er erwartet hatte, wurde ihr, als sie heimkehren wollte, der Eintritt ins Land verwehrt, München besetzt und eine kaiserliche Behörde eingesetzt, die im Lande schaltete wie in einer mit Oesterreich vereinigten Provinz. Unter Leopolds Nachfolger, Joseph I., einem leidenschaftlichen Gegner des Kurfürsten, wurde das trotz aller schmerzlichen Erfahrungen seinem Landesherrn treu ergebene Landvolk noch schroffer behandelt, und da die Opfer endlich unerträglich schienen, erhob sich die Bauernschaft in Ober- und Niederbaiern, die kaiserlichen Garnisonen wurden zurückgedrängt, die Bürger in den meisten Städten schlugen sich auf Seite der Aufständischen, die Hauptstadt sollte durch einen kühnen Handstreich genommen und der Kurfürst in das befreite Land zurückgerufen werden. Allein der von den Oberländern am 25. December 1705 gewagte Anschlag auf München schlug fehl, auch die niederbairischen Rotten wurden geschlagen und zerstreut, mit äußerster Strenge die letzten Regungen des Aufstandes unterdrückt. Der Kurfürst hatte wol einmal aus den Niederlanden, wo er mit französischen Streitkräften den Kampf gegen die Verbündeten fortsetzte, einen Vertrauten nach Baiern geschickt, um über Organisation und Aussichten der Bewegung Kunde einzuziehen, allein in Folge des entmuthigenden Berichtes sich jeder weiteren Einmischung enthalten. Dessenungeachtet war auch die Volkserhebung in Baiern eine Karte, die vom kaiserlichen Hofgericht zu Ungunsten des Kurfürsten ausgespielt werden konnte. Trotz offenen Protestes Karls XII. von Schweden als Herzogs von Zweibrücken und trotz der Einwendungen Preußens gegen so schroffe kaiserliche Reichspolitik wurde am 29. April 1706 über die beiden wittelsbachischen Brüder die Reichsacht verhängt, Maximilian Emanuels „unglücklicher Leib“ aus des Reiches Schutz verstoßen und dem Unfrieden preisgegeben, beiden Brüdern jegliches Reichslehen abgesprochen. Auch die Schlacht bei Ramillies (29. Mai 1706) ging für Villeroy und den Kurfürsten verloren, obwol M. E. wie bei Höchstädt den ihm gegenüberstehenden Feind geworfen und Frankreichs Heer vor Vernichtung gerettet hatte. Nach dieser Niederlage mußte auch Brüssel, wo er seither in den Wintermonaten im Namen Philipps V. als Statthalter residirt hatte, geräumt werden; wider den Rath Maximilian Emanuels wurde von Villeroy auch auf Vertheidigung der festen Städte Gent und Brügge verzichtet, des Kurfürsten berechtigte Klagen über die Kriegführung der französischen Marschälle konnten die Lage nicht mehr bessern. [26] Franz Rakoczy, der in Ungarn eine mächtige nationale Bewegung wachgerufen hatte und sich mit wechselndem Glück gegen die zur Unterwerfung der „conföderirten Stände des Königreichs Ungarn“ bestimmten kaiserlichen Truppen vertheidigte, bot dem Kurfürsten von Baiern wiederholt die ungarische Krone an, aber das Project fand in Versailles nur laue Zustimmung, so daß auch der Kurfürst Bedenken trug, der Einladung Folge zu leisten und an die Spitze der Insurgenten zu treten. Im Sommer 1708 leitete er mit leidlichem Erfolg die Operationen am Rhein, dagegen mißlang ein im November gegen Brüssel unternommener Handstreich. Nach der Niederlage der tüchtigsten französischen Armee unter Villars bei Malplaquet (11. September 1709) konnte sich der Statthalter nicht länger in den Niederlanden behaupten; er mußte zufrieden sein, daß ihm König Ludwig eins seiner Schlösser in Compiègne zum Aufenthalt anwies. Die ihm vertragsmäßig zugesicherten Renten flossen in Folge der traurigen Finanzlage Frankreichs so dürftig, daß es am Hofe des Verbannten nicht selten am Nöthigsten fehlte. Tage lang gab es, wie er seiner noch immer in Venedig weilenden Gemahlin klagte, weder Futter für die Pferde, noch Brot für die Dienerschaft, an Vergnügungen und Luxusausgaben war nicht mehr zu denken. Dessenungeachtet ließ er die Hoffnung auf Wiedereinsetzung, ja sogar auf reicheren Gewinn keineswegs sinken; in Versailles und im Haag, in Madrid und in London suchte er unermüdlich durch Briefe und Agenten das Interesse an seiner Sache wachzuhalten. Nach dem Tode Josephs I. begannen sich wirklich die Wolken zu lichten. Als König Ludwig mit England und Holland Friedensunterhandlungen anknüpfte, gab er seinem Bundesgenossen neuerdings das Versprechen, nicht eher die Waffen uiederzulegen, als bis er Wiedereinsetzung seiner Freunde in alle Würden und Rechte erwirkt hätte. Am 2. Januar 1712 trat König Philipp urkundlich den Anspruch Spaniens auf die Niederlande an M. E. ab, ja, es schien sich sogar eine freundschaftliche Annäherung des kaiserlichen Hofes vorzubereiten. Graf Löwenstein, der bisher im Namen des Kaisers die bairischen Lande administrirt hatte, sondirte bei einer Zusammenkunft mit M. E. zu Namur, ob nicht der Fürst geneigt wäre, gegen anderweitige Entschädigung, sei es durch die Niederlande, sei es durch Neapel und Sicilien, auf das Kurfürstenthum Baiern zu verzichten oder doch zu Vereinigung des östlichen Grenzgebietes mit Oesterreich seine Zustimmung zu geben. M. E. ließ sich zwar nicht auf bestimmte Zusage ein, wies aber immerhin einen Tauschhandel nicht von vorneherein zurück, sodaß Josef Clemens von Köln, von der Begierde seines Bruders nach königlichen Ehren das Schlimmste besorgend, durch Proteste in Paris und London der Preisgebung des Stammlandes vorzubeugen suchte. Die Eifersucht der Mächte ließ jedoch ohnehin Realisirung solcher Pläne nicht zu, auch die in Utrecht stipulirte Abtretung Sardiniens an M. E. zur Entschädigung für den Verzicht auf die Niederlande mußte im Friedensschluß zu Rastatt (7. März) fallen gelassen werden. „Nur aus Bewegnissen des allgemeinen Ruhestandes“ willigte der Kaiser ein, daß den geächteten Kurfürsten von Baiern und Köln die Länder und Würden, die sie vor dem Kriege innegehabt hatten, zurückerstattet würden. Im Frühjahr 1715 kehrte M. E. nach Baiern zurück, am 15. April hielt er in München Einzug. Unmittelbar bevor er Frankreich verlassen hatte, war zwischen ihm und seinem Gönner ein neuer Bundesvertrag aufgerichtet worden, demzufolge Frankreich für den Fall der Erledigung des Kaiserthrones dem Hause Baiern thatkräftige Unterstützung und vorläufig behufs Erhaltung einer stärkeren Truppenmacht beträchtliche Subsidien zuwenden sollte. Trotzdem mußte die Steuerkraft des ausgesogenen Landes aufs Aeußerste angestrengt werden, um die Kosten der luxuriösen Hofhaltung und die Verzinsung der auf 30 Millionen Gulden angewachsenen Schuldenlast zu bestreiten. Mit dem kaiserlichen Hofe wurden äußerlich [27] freundschaftliche Beziehungen wieder angeknüpft. 1717 sandte M. E. seine Söhne Karl Albert und Ferdinand mit einem wohlgerüsteten Armeecorps nach Ungarn, damit sie am Feldzug der kaiserlichen Truppen gegen die Türken Theil nehmen und in Prinz Eugens Feldherrnschule Strategie und Taktik erlernen sollten. Prinz Eugen selbst ließ sich eifrig angelegen sein, daß die Verhandlungen wegen Vermählung des Kurprinzen mit einer Erzherzogin zu günstigem Ergebniß führten: 1722 konnte Karl Albert mit Amalia, Kaiser Josephs I. Tochter, Hochzeit halten. Jedoch die alten hochfliegenden Pläne waren von M. E. keineswegs aufgegeben, und nur durch engste Verbindung Baierns mit Frankreich glaubte er sie durchsetzen zu können. Nicht nur ließ er seine vier Söhne der Einladung zur Hochzeit Ludwigs XV. mit Maria Lescinszka (September 1725) Folge leisten, sondern empfahl auch in Briefen an den Kurprinzen ausdrücklich die verhängnißvolle Politik, in deren Bahn dieser nach dem Erlöschen der männlichen Linie des habsburgischen Hauses wirklich einlenkte. Der unselige Rath kann als des Kurfürsten politisches Testament gelten; bald nach der Heimkehr der Söhne starb er am 26. Februar 1726.

Lipowsky, Kurfürst Maximilian Emanuels Statthalterschaft in den Niederlanden und Feldzüge (1820). – Noorden, Europ. Gesch. im 18. Jahrhundert (1870). – Froboese, Achterklärung der Kurfürsten von Baiern und Köln (1874). – Coremans, Miscellanées de l’épocque de Maximilien Emmanuel (1846). – Bormans, Maximilien Emmanuel de Bavarière, comte de Namur (1875). – Höfler, Abhandlungen zur Geschichte Oesterreichs unter den Kaisern Leopold I., Josef I. und Karl VI., 2. Thl., Habsburg und Wittelsbach; Archiv f. österr. Gesch„ 44. Bd., 279. – Heigel, verschiedene Abhandlungen in den Sitzungsberichten der bair. Akad. d. W.