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Artikel „Joseph Clemens“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 562–567, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Joseph_Clemens&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 10:46 Uhr UTC)
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Josef Clemens, Kurfürst und Erzbischof von Köln, Herzog von Baiern, Sohn des Kurfürsten Ferdinand Maria von Baiern, geb. am 5. December 1671 zu München, wurde für den geistlichen Stand bestimmt und schon am 13. März 1683 zum Coadjutor seines Vetters, des Fürstbischofs Albrecht Sigmund von Freising, gewählt. Als der Bischof am 27. November 1684 starb, erhielt der 13jährige Knabe die erledigte Würde, im nächsten Jahre auch das Bisthum Regensburg. Papst Innocenz XI. bestätigte beide Capitelwahlen, und Kaiser Leopold I. ertheilte die Reichslehen; die Verwaltung der beiden Fürstenthümer ward dem Freisinger Dompropst Johann Sigmund Zeller übertragen. Kurfürst Max Emanuel bot Alles auf, um seinen alten Oheim, den Kurfürsten und Erzbischof von Köln, Max Heinrich, zu bewegen, daß er die Wahl seines Neffen zum Coadjutor begünstige; der päpstlichen Unterstützung konnte er sicher sein, da ja der römische Stuhl seit der Reformation an der Politik festgehalten hatte, den Eifer der Wittelsbacher für die katholische Sache durch Verleihung geistlicher Pfründen an jüngere Prinzen des bairischen Hauses rege zu erhalten. Allein Max Heinrich schätzte höher als das Familieninteresse die Gunst des allerchristlichsten Königs, und dieser wünschte seinen Günstling, Wilhelm Egon von Fürstenberg, der ihm schon das Bisthum Straßburg und den Cardinalshut verdankte, auch in Besitz der kölnischen Kurwürde zu setzen. Max Heinrich erwiderte daher auf alle Vorstellungen des Münchener Hofes, sein Neffe sei zu jung und könne ihm nicht werden, was er nöthig habe, eine Stütze seines Alters. Vergeblich entfaltete der bairische Gesandte, Geheimrath und Domdechant Johann Friedrich Baron Karg v. Bebenburg, in Bonn die regste Thätigkeit zu Gunsten des bairischen Candidaten, den auch der Kaiser unterstützte. Mächtiger als diese Einflüsse wirkte das vom französischen Hofe mit vollen Händen gespendete Gold: am 7. Jänner 1688 wurde Fürstenberg zum Coadjutor gewählt. Von bairischer Seite wurden jedoch fort und fort in Köln und an allen Höfen Vorstellungen erhoben, welche Gefahr für Deutschland die Ueberlassung der einflußreichsten Stellung im niederrheinischen Kurstaat an einen Fürsten, der als Franzose naturalisirt [563] und ganz und gar Werkzeug der französischen Politik sei, unvermeidlich nach sich ziehen müsse. In diesem Sinne riefen denn auch wirklich das Wiener Cabinet und andere katholische Mächte die Hülfe des Papstes an, und dieser versagte die Bestätigung der Coadjutorwahl. Allein auch Ludwig XIV. war sich der Bedeutung des Kölner Postens für die französischen Interessen wohl bewußt und setzte für seinen Günstling alle Hebel in Bewegung. Am 3. Juni 1688 starb Max Heinrich. Nun war für Agitation und Intrigue ein weites Feld geöffnet. Obwol der Kaiser seinen ganzen Einfluß in die Wagschale warf und die Kölner Capitelherren warnte, einem Reichsfeind ihr Vertrauen zuzuwenden, fielen dennoch bei dem Wahlact am 19. Juli 1688 13 Stimmen auf Fürstenberg und nur neun auf J. C. Die Wahl war eigentlich ungiltig, da keiner der beiden Bewerber über die erforderlichen zwei Drittel der Stimmenzahl verfügte, Fürstenberg trat aber sofort als Kurfürst und Erzbischof auf und traf alle Vorkehrungen, um sich nöthigenfalls mit gewaffneter Hand im Besitz seiner Stellung zu behaupten. König Ludwig suchte durch Drohungen die Anerkennung seines Schützlings durch den Papst zu ertrotzen, allein Innocenz entschied sich für den bairischen Prinzen, das Kurfürstencollegium erklärte diesen als rechtskräftig gewählten Herrn von Köln, und solchen Schiedssprüchen fügte sich nun auch die Mehrheit des Domcapitels. Am 12. October 1688 wurde durch den Domherrn v. Croy im Namen des vom Papst bestätigten Erzbischofs von allen kirchlichen und weltlichen Würden und Rechten Besitz genommen. Die wirkliche Entscheidung aber hing vom Kriegsglück der Schutzherren der beiden Nebenbuhler ab, denn König Ludwig hatte bereits eine Kriegserklärung nach Wien gerichtet, worin außer anderen Klagen auch der Vorwurf erhoben wird, daß der Kaiser, nur um das baldige Erlöschen des bairischen Hauses zu befördern, einen bairischen Prinzen an Stelle des legitimen Nachfolgers des verstorbenen Kurfürsten von Köln setzen wolle. Der „Anwalt teutscher Libertät“ ließ rasch das Erzstift besetzen, konnte es aber gegen die kaiserlichen Truppen nicht lange behaupten, auch der letzte von den Franzosen vertheidigte Waffenplatz, Bonn, wo Fürstenberg residirte, mußte 1689 geräumt werden, – damit war die Frage, wer den kölnischen Kurhut tragen werde, zu Gunsten Josefs entschieden. Der neue Kurfürst übernahm jedoch ein von allen Gräueln des Krieges heimgesuchtes, gänzlich ausgesogenes Land. Sofort kam es zu Streitigkeiten mit den Ständen. Es erregte Unzufriedenheit, daß der Kurfürst noch immer in Baiern blieb und sich um sein Erzstift wenig zu kümmern schien. Die Fürstenbergische Partei ließ es an Pasquillen nicht fehlen, worin über das jugendliche Alter, sowie über die Putzsucht und Prunkliebe Josef Clemens’ gespottet und die höhnische Frage aufgeworfen wurde, wie viel denn von den Verheißungen der bairischen Herren bisher schon eingelöst worden sei. Auch über den zur Verwaltung des Erzstifts berufenen Plenipotentiarius, Obristkanzler Baron Karg, der bis zu seinem Tode der einflußreichste und vertrauteste Minister des Kurfürsten blieb, wurde von den Ständen Beschwerde geführt, ja sogar über Willkür und Strenge des Kurfürsten und seines Stellvertreters vor dem kaiserlichen Hofe Beschwerde erhoben. Die Stände verlangten vor Allem Demolirung der Festungen Bonn und Kaiserswerth und Minderung der Militärausgaben; dagegen suchte der Kurfürst, um den französischen Einfluß von seinem Hofe zu verbannen und zur Vertheidigung der Selbständigkeit des Kurstaats beitragen zu können, seine Streitkräfte noch zu vermehren, und nahm am Reichskrieg gegen Frankreich thatkräftig Antheil. Seine Machtstellung wurde noch wesentlich erhöht durch Uebertragung des Bisthums Lüttich 1694; der Papst gab zwar seine Genehmigung nur unter der Bedingung, daß J. C. auf Freising und Regensburg verzichte, allein durch kaiserlichen und [564] bairischen Einfluß gelang es ihm, sich thatsächlich im Besitz aller Würden zu behaupten. Man hätte erwarten sollen, daß der durch kaiserliche Waffen eingesetzte Kirchenfürst auch auf Seite des Kaisers ausharren und seine Interessen den kaiserlichen unterordnen werde. Allein bald nach dem Ryswicker Frieden 1697 ist eine Schwenkung in der Politik des Kurfürsten zu erkennen. Auch er strauchelte, als die Versuchung in der blendenden Gestalt reicher Subsidienzahlungen der Krone Frankreich an ihn herantrat. Die Einkünfte der finanziell zerrütteten Stifte boten nicht ausreichende Mittel für einen luxuriösen Hofhalt, und die den Landständen zugemutheten Leistungen wurden mit Spott und Hohn verweigert. Die Stände erbaten Hülfe vom Kaiser, und in der That erschien ein kaiserliches Mandat, das des Kurfürsten unberechtigte Ansprüche mißbilligte. Um so leichter gelang es französischen Einflüsterungen, den erbitterten Kirchenfürsten zu Gunsten seines ehemaligen Gegners umzustimmen; auch sein Mentor, der allmächtige Kanzler Baron Karg, wußte bei der wachsenden wirthschaftlichen Bedrängniß keinen anderen Ausweg zu finden, als die von Frankreich angebotene Hülfe anzunehmen. Als das Domcapitel eine Reform des Hofhalts und Erleichterung der Steuerlast mit drohenden Worten forderte und dem widerstrebenden Herren förmlich den Gehorsam aufkündigte, wandte sich J. nicht an den Kaiser, sondern an den französischen Hof mit der Bitte um Hülfe gegen die „fatalen Rebellen“. Auch am Hofe seines Bruders, des Kurfürsten von Baiern, war inzwischen ein ähnlicher Umschwung erfolgt. Max Emanuel hielt sich für berechtigt, über schlechten Dank vom Hause Oesterreich zu klagen, und war zur Ueberzeugung gekommen, daß die kaiserliche Politik nur auf Schwächung Baierns ausgehe, daß großmüthigere Unterstützung seiner Ansprüche auf einen Theil der spanischen Erbschaft nur von König Ludwig zu erwarten sei. Im Jänner 1701 konnte bereits der mit weitgehenden Vollmachten ausgestattete Marschall Boufflers nach Versailles berichten, daß die beiden Wittelsbacher allen Bedenken gegen eine engere Allianz mit Frankreich entsagt hätten. Es ist jetzt festgestellt, daß der Vertrag mit Köln schon am 13. Februar, mit Baiern erst am 9. März 1701 unterzeichnet wurde, so daß die bisherige Annahme, J. C. sei von seinem Bruder erst in das Bündniß hereingezogen worden, unberechtigt erscheint. Umsonst hatte Kaiser Leopold, um sich des Kölners im bevorstehenden Entscheidungskampf mit Frankreich zu versichern, durch den Grafen Schlick in Bonn Unterhandlungen anknüpfen lassen, – hier hatte der französische Gesandte des Alleurs günstigeren Boden gefunden. Die Betheuerung, daß der Besitz und die Integrität des Kurstaats für alle Eventualitäten von Frankreich garantirt sein sollten, überwand die letzten Zweifel. Zwar gibt sich im erwähnten Vertrag der Kurfürst noch den Anschein, als wolle er jedem Conflict mit seiner Stellung als Reichsfürst ausweichen; ausdrücklich wird betont, daß der König nichs gegen das Reich unternehmen dürfe, – allein mit solchen Phrasen war an der Thatsache, daß der schwächere Kurfürst ein willenloses Werkzeug des stärkeren Bundesgenossen wurde, nichts geändert. Als Graf Schlick sich nicht mehr verhehlen konnte, daß er nur mit nichtigen Worten abgespeist werde, sein französischer College aber sich eines vollen Triumphes zu erfreuen habe, und endlich bestimmte Erklärungen forderte, wurde ihm bedeutet, Ihro Kurfürstliche Gnaden tragen nicht Lust, „die Ruhe und das Glück seiner Unterthanen dem Interesse eines habsüchtigen Kaisers zu opfern, sich in eine Allianz gegen den Sohn seiner leiblichen Schwester (Maria Anna Christina, Gemahlin des Dauphin Ludwig, Mutter Philipps V. von Spanien) einzulassen und gegen ein Glied seines Hauses Partei zu ergreifen, das ebenso gutes Anrecht auf seine Freundschaft habe wie der Kaiser.“ Das Verhältniß des Kurfürsten zu seinem Domcapitel wurde in Folge der Annäherung des Ersteren an Frankreich noch gespannter und feindseliger; auch die Kölner Bürgerschaft verhehlte nicht ihr Mißvergnügen über die neue Bundesgenossenschaft. [565] Als J. C. am Peter und Paulstag 1701 nach Köln kam, blieben die üblichen Geschenke aus, und bei der Kirchenfeier im Dom fanden sich nur ein paar Capitelherren zur Begrüßung ihres Oberhaupts ein. Als bald darauf die Landstände einberufen wurden, um die zur Vertheidigung des Kurstaats unumgänglich nöthigen Mittel zu genehmigen, stieß die Versicherung des Kurfürsten, er werde sich von jeder Verwickelung in die schwierigen Kriegsläufe fern halten und strengste Neutralität wahren, auf Unglauben und Spott, und keinerlei außerordentlicher Credit wurde bewilligt. Aufs Höchste erbittert, befahl der Fürst, mit Gewalt die geforderten Abgaben einzutreiben, und warb auf eigene Faust Truppen, deren Bestimmung nicht mehr zweifelhaft sein konnte. Die Warnungen des Kaisers blieben unbeachtet; auch ein Anerbieten, dem Kurfürsten zur Succession auf dem bischöflichen Stuhl zu Hildesheim verhelfen zu wollen, wurde abgelehnt. Endlich warf J. C. die Maske der Neutralität ab und erklärte, er sehe sich genöthigt, auf Seite Frankreichs zu treten, da der Kaiser wider Fug und Recht das widerspenstige Capitel gegen den rechtmäßigen Landesherrn aufhetze und unterstütze. Daß der Kurfürst von der Pfalz zum Schutz seines Landes holländische Truppen aufnahm, gab dem Nachbar erwünschten Vorwand, kölnische Plätze durch Franzosen besetzen zu lassen, die, um noch einigermaßen den Schein zu retten, als „burgundische Kreysvölker“ figurirten. J. C. setzte auf die neugewonnenen Freunde das festeste Vertrauen und baute auf ihre Hülfe die kühnsten Luftschlösser. Er äußerte sich gar entrüstet, als ihm zu Ohren kam, daß sich sein Bruder mit dem Kaiser aussöhnen wolle; als der Handstreich gegen Ulm dieses Gerücht Lügen strafte, gab er ebenso seiner Freude und Kampflust überschwänglichen Ausdruck, wie seinem Aerger über das „outragante und skandaleuse“ Auftreten des Kaisers, der die vornehmsten Reichsfürsten „wie Fußhadern behandle“, und über die lächerliche Anmaßung der „Regensburger Schulfüchse“. Wenn er sich später als den vom Bruder Verführten darstellte, so entsprach dies nicht durchaus der Wahrheit. Ehrgeizig und prunkliebend war er selbst rasch bereit, sich in gewagte Unternehmungen einzulassen, wenn sie nur Glanz und Gewinn verhießen, und trug in den Tagen des Glücks das stolzeste Selbstbewußtsein zur Schau. In seinen Briefen an Karg spricht er mit schonungslosem Sarkasmus vom Oberhaupt des Reichs und vom eigenen Bruder, wie von den Capitularen, die ihm das Leben „in Bitternuß verwandeln“. Im Mißgeschick ist er aber wie umgewandelt; er besitzt nicht so viel Besonnenheit und Energie, um dem Glückswechsel würdevoll die Stirne zu bieten, verliert sich in kleinliche Bitten und Klagen und ist ebenso rasch bereit, Alles verloren zu geben, wie er früher jedes Hinderniß mißachtet hatte. Gegen den Willen des Papstes und des Bruders übernahm er selbst das Commando über seine Truppen, allein auf die ersten glücklichen Erfolge folgten bald schwere Unglücksfälle, welche ihn zwangen, als Flüchtling Frankreichs Schutz und Gastfreundschaft zu erbitten. Fast aller Einkünfte beraubt, sah er sich auf die Gnade seines Bundesgenossen angewiesen; da man aber in Versailles besiegte Bundesgenossen nichts weniger als großmüthig respectirte, flossen auch nur spärliche Summen für den Unterhalt des an Prunk und Luxus gewöhnten Kurfürsten. Er hielt sich abwechselnd in verschiedenen kleinen Städten Frankreichs, am häufigsten in Valenciennes auf. Nach der Niederlage Max Emanuels bei Höchstädt wollte er sich mit dem Kaiser aussöhnen, allein es blieb bei Unterhandlungen, denn J. C. konnte sich nicht zu festem Entschluß aufraffen. Heute schreibt er an Max Emanuel voll guten Muths und Humors, morgen schon will er auf alle Würden und Länder verzichten, da ja doch Alles unwiederbringlich verloren sei. Vielleicht würde er den Vorsatz, ins Privatleben zurückzutreten, ausgeführt haben, wenn nicht König Ludwig gedroht hätte, gänzlich die Hand von ihm abzuziehen. Um für die Zukunft solchen Wünschen, auf welche ein vertrauliches Verhältniß mit einer Frau v. Rugsbeck [566] nicht ohne Einfluß war, vorzubeugen, drang Max Emanuel darauf, daß der Bruder endlich die heiligen Weihen empfange. Am Neujahrstag 1707 las J. C. zum ersten Mal die Messe in der Jesuitenkirche zu Lille und widmete fortan der Seelsorge aufrichtigen Eifer, insbesondere liebte er als Kanzelredner aufzutreten. Inzwischen hatte der Aufstand in Baiern dem neuen Kaiser Joseph I. erwünschten Anlaß geboten, noch strenger gegen die besiegten Wittelsbacher aufzutreten. Am 29. April 1706 wurde ein vom Kurfürstencollegium, nicht aber von der Fürstenbank gutgeheißenes Achturtheil öffentlich verkündigt. Max Emanuel wurde gänzlich aus des Reiches Schutz gestoßen, J. C. als geistlicher Fürst nur seines reichsfürstlichen Charakters verlustig erklärt. Die Rechtmäßigkeit der Achterklärung war kaum zu bestreiten, aber das strenge Verfahren rief in vielen Kreisen Widerspruch und Unwillen wach; insbesondere das brandenburgische Cabinet trat zu Gunsten der Geächteten den Uebergriffen der kaiserlichen Politik entgegen. Zur Verwaltung der kölnischen Lande wurde dem Capitel ein kaiserlicher Minister beigesellt; dagegen widersetzte sich der Papst aufs Entschiedenste der Entfernung der Vertreter des Kurfürsten in geistlichen Angelegenheiten. J. C. ließ alle Hoffnung auf bessere Zeiten schwinden. „Oh pour cela, das ist zu viel“, schreibt er an Karg. „und will ich’s nun machen wie der Carolus V.: Fortuna, tu me deseris et ego te! und mich in ein Kloster retiriren, dort gleichwol in Ruhe den Frieden oder den Tod erwarten!“ Unerwartet zog jedoch der Tod Josephs I. für Ludwig XIV. und seine Verbündeten eine glücklichere Wendung nach sich. Die Bereitwilligkeit des Cabinets von St. James, in Friedensunterhandlungen einzutreten, ließ auch den geächteten Kurfürsten neue Hoffnung schöpfen. Er begab sich 1711 selbst nach Versailles, wurde aber hier wie ein lästiger Bettler mit kühler Nonchalance aufgenommen und mit einem Stück Geld und neuen Versprechungen abgespeist. Indessen wurde durch die Beharrlichkcit seines in Paris zurückgebliebenen Kanzlers Karg und durch Verwendung der Frau v. Maintenon soviel erreicht, daß die französische Regierung in den Friedensunterhandlungen auf der Restitution ihrer Bundesgenossen mit Nachdruck bestand. Als der letzte Versuch, Frankreich zur Herabminderung seiner Forderungen zu nöthigen, in Folge der mangelhaften Unterstützung Prinz Eugens mißlungen war, gab auch der Kaiser nach. Um eine günstigere Stimmung am Wiener Hofe anzubahnen, ließ J. C. durch einen Agenten Gerhardini dem Kaiser betheuern, daß er sich „tamquam derelictus der Gnade des Kaisers übergebe und in seine Arme werfe“. Er bestand jedoch für sich und seinen Bruder auf völliger Restitution und wies alle Entschädigungsprojecte zurück; auf des Bruders „große Lieb vor ausländische Provinzen“ war er übel zu sprechen. Endlich erhielt der zu Rastatt zwischen Frankreich und dem Kaiser abgeschlossene Separatvertrag im September 1714 den Charakter eines allgemeinen Reichsfriedens. Jetzt erst konnte J. C. in sein Erzstift zurückkehren. Am 25. Februar 1717 hielt er in der von den fremden Truppen geräumten Residenzstadt Bonn festlichen Einzug. Von der Kanzel herab gab er seiner Freude über die Wiedervereinigung mit seinen Unterthanen Ausdruck und beklagte die Fehler und Mißgriffe, deren man mit Recht ihn zeihen könne; nichts Anderes wolle er fürderhin suchen und anstreben als das Glück seiner Unterthanen. Bald aber sah er sich wieder in die alten Verlegenheiten und Kämpfe zurückgeworfen. Das Domcapitel, das schon beim Einzug des wiederkehrenden Erzbischofes nur spärlich vertreten war, verharrte in der Opposition, zumal in den Finanzfragen stieß J. C. auf hartnäckigsten Widerstand. Die Stände drangen auf Sparsamkeit, auf Einschränkung der kostspieligen Festlichkeiten, wodurch die erzbischöfliche Residenz mit den glänzendsten weltlichen Höfen wetteiferte. Ja, die Capitelherren griffen sogar das Privatleben Josef Clemens’ an und verlangten, er möge mehr den Erzbischof als den bairischen Prinzen hervortreten lassen. Trotz aller Vorstellungen und Drohungen war jedoch J. C. [567] nicht zu bewegen, den Umgang mit Frau v. Rugsbeck abzubrechen, dessen Sträflichkeit er in heftigster Entrüstung bestritt. Aus der Fortdauer des ärgerlichen Verhältnisses konnten die Landstände Capital schlagen, um vor Kaiser und Papst ihre Opposition zu rechtfertigen, und unausbleibliche Folge des Zwistes war bedrohliches Anwachsen der Schuldenlast des Kurfürsten. Das peinliche Gefühl, seinen Verpflichtungen nicht mehr ehrenhaft nachkommen zu können, belastete seine letzten Lebenstage so schwer, daß er jederzeit und mit Jedermann davon sprach und noch auf dem Sterbelager unter Thränen von den Anwesenden Verzeihung erbat. Am 12. November 1723 verschied er; seine Leiche wurde nach Köln geführt und vor der Capelle der heil. drei Könige bestattet. Die Stadt Bonn verdankte dem Fürsten manche Verschönerung; alle Künste, die einen Hof heller schimmern machen und behagliche Lebensfreude zu steigern vermögen, hatten an ihm den freigebigsten Beschützer. Er selbst schrieb mehrere Dramen in französischer Sprache; auch versuchte er sich in geistlichen und profanen Compositionen, nicht ohne das drollige Zugeständniß zu machen: „Der Methodus, so ich mir hierin vorgeschrieben habe, ist allein jener, so die Imben zu thun pflegen, welche aus denen schönsten Blumen das Honig herausziehen und solches zusammentragen; also auch ich alles, was ich componiert habe, allein genommen von gueten Meistern, deren Musicalien mir gefallen.“

Ennen, Der spanische Erbfolgekrieg und der Kurfürst Joseph Clemens von Köln (1851). – Ennen, Frankreich und der Niederrhein (1855). – Rheinischer Antiquarius, Mittelrhein, III. Serie, 13. Bd. 403 ff., 14. Bd. 206 ff. (1866). – Froboese, Die Achtserklärung der Kurfürsten von Baiern und Köln 1706 und ihre reichsrechtliche Begründung (1874). – Von J. Freiherrn v. Karg-Bebenburg gütig zur Verfügung gestelltes handschriftliches Material.