ADB:Krummacher, Friedrich Adolph

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Artikel „Krummacher, Friedrich Adolf“ von Otto von Ranke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 240–243, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krummacher,_Friedrich_Adolph&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 17:11 Uhr UTC)
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Krummacher: Friedrich Adolf K. ist im Juli 1767 geboren (der 13. Juli, der gewöhnlich als Geburtstag angegeben wird, ist der Tag seiner Taufe) zu Tecklenburg. Schon die Großeltern (Adolf Heinrich K., † 1769, Schloßwachtmeister, und Catharina Margaretha geborene Schallenberg, † 1790), genossen das größte Vertrauen der reformirten Gemeinde Tecklenburgs. Ihre an die hohe Ringmauer der alten Burg dicht angelehnte Wohnung diente den [241] Freunden aus der Stadt als Stätte reicher häuslicher Erbauung. Der Vater, Friedrich Jacob K. († am 30. Januar 1791), Hoffiskal, Justizcommissär und Bürgermeister zu Tecklenburg, war als Rechtsconsulent um seiner Uneigennützigkeit hochgeachtet. Fleißig las er die hl. Schrift; er fühlte sich sogar gedrungen, die Glückseligkeitslehre eines Steinbeck zu widerlegen, ihre Schriftwidrigkeit seiner Familie aufzudecken. An der Mutter Maria Dorothea geb. Strücker rühmte Rector Hasencamp in einem Schreiben an Lavater „die friedensreiche Klarheit evangelisch-kindlichen Sinnes“. „Wenn ich je meine Knie beugen könnte vor einem Menschen, so bekennt derselbe Hasencamp dem Sohn Friedrich Adolf, dann vor Ihrer Mutter“. Den Gymnasialunterricht erhielt K. auf der lateinischen Schule seiner Vaterstadt. An das eiserne Regiment des Rector Meese, welcher in seinen Strafen alles Maß überschritt, mochte sich K. in späteren Jahren nur mit Grauen erinnern. Mit tüchtigen philologischen Kenntnissen ausgestattet, bezog K. 1786 die kleine reformirte Universität Lingen. Dort von den bejahrteren Professoren, meist Holländern, wenig befriedigt, siedelte K. schon im folgenden Jahre nach Halle über. Hier hörte er Bahrdt und Knapp. Vor Bahrdt, welcher K. zu seinem Amanuensis machen wollte, innerlich zusammenschaudernd, hat K. von Knapp unvergängliche Eindrücke empfangen. Nach Vollendung seiner Studienzeit finden wir K. kurze Zeit als Informator in Bremen 1789; von dort geht er an das Gymnasium zu Hamm, der damaligen Hauptstadt der Grafschaft Mark. Mit dem Rector Snethlage, dem späteren Director am Joachimsthalischen Gymnasium in Berlin und dem Pastor loci Eylert, dem späteren Hofprediger und Bischof in Potsdam in vertrautem geistreichen Umgang lebend, brachte K. hier drei glückliche Jahre seines Lebens zu. In Hamm fand K. auch in Eleonore (meist Laura genannt), der einzigen Tochter des Bürgermeisters von Hamm, Commissionsrath Joh. Ant. Arnold Moeller, seine Lebensgefährtin, mit der er in fast 50jähriger Ehe verbunden blieb. Um sich zu verheirathen, wagte K. 1793 das Rectorat der gelehrten Stadtschule zu Mörs zu übernehmen, wiewol es mit dem Gehalt von nur 300 Thlr. dotirt war und trotz der am linken Rheinufer immer wieder drohenden Kriegsunruhen. Die stille, beschränkte Häuslichkeit, in welche er 1794 seine Laura heimgeführt hatte, wurde bald durch das neue siegreiche Vordringen der Franzosen auch in vielfach materielle Bedrängniß gebracht. Der Friede von Basel brachte wol erwünschte Ruhe; überließ aber unerwünschter Weise die Grafschaft Mörs mit dem ganzen linken Rheinufer den Franzosen. Doch blühte das Gymnasium unter Krummacher’s Leitung empor; es erhielt viele Schüler von auswärts, welche K. zum Theil als Pensionäre in sein Haus nahm. In besonders innigem Freundschaftsverkehr stand K. mit seinem Schwager A. W. P. Moeller (gestorben als Oberconsistorialrath in Münster 1846), damals Professor an der nur zwei Stunden entfernten (wenn auch durch den Rhein getrennten) Universität Duisburg. Auch mit den Collegen Moeller’s, Plessing, Carstanjen, Grimm, Leidenfrost trat K. in nähere Beziehung, bis nach dem Tod des Senior der theologischen Facultät Berg, K., als Professor der Theologie und der Beredsamkeit nach Duisburg berufen, nun in den ihm bereits so werth gewordenen Kreis selbst eintrat. K. erwarb alsbald die theologische Doctorwürde. Er las nicht nur theologische Collegien, sondern hatte als Professor eloquentiae auch über die griechischen Tragiker und andere Classiker, über den deutschen Stil Vorlesungen zu halten. Auch hatte er die Oster- und Michaelisprogramme zu schreiben, welche sich durch elegante Latinität auszeichnen. – Im Gegensatz zu dem die Zeit beherrschenden Rationalismus, welchen in Duisburg besonders Grimm vertrat, folgte K. mit seinem Schwager Moeller mehr der kritisch-ästhetischen Art eines Herder. Bald trat K. auch litterarisch hervor. Schon 1801 veröffentlichte er den „Hymnus an die Liebe“, [242] 1805 folgten die Parabeln. Diese, oft wieder herausgegeben und in viele fremde Sprachen übersetzt, haben Krummacher’s Namen eine Stelle in der deutschen Litteratur für alle Zeiten gegeben. In demselben Jahr erschien die seiner Zeit Sensation erweckende theologische Schrift: „Ueber den Geist und die Form der evangelischen Geschichte“. Die erste Auflage auch dieses Werkes war bald vergriffen, wiewol aber der Verleger zur zweiten Auflage drängte, so konnte K. sich nicht entschließen, das Werk unverändert noch einmal herauszugeben. Er hatte inzwischen ein tieferes Verständniß der hl. Urkunden erlangt. Auf Grund dieser Forschungen suchte K. das Werk umzuarbeiten. Doch blieb die Arbeit unvollendet und ungedruckt. Die Napoleonische Gewaltherrschaft wirkte bald auf die an sich schon kleinste Universität Duisburg (mit nur 12 Professoren) lähmend ein. Seit Duisburg 1806 an das neuerrichtete Großherzogthum Berg übergegangen war, kam die Universität völlig herunter. K. hielt zuletzt seine Collegien vor einem Zuhörer. Dazu zahlte die französische Regierung den Professoren die Gehälter nicht aus. Moeller war 1805 einem Ruf ins Pfarramt nach Münster gefolgt; so kann es nicht Wunder nehmen, wenn auch K. die Duisburger Professur (den Mäusesitz, wie er den Musensitz wiederholt nennt) mit einer westfälischen Landpredigerstelle Kettwig vertauschte. Anfangs in Kettwig von den Bauern als Professor mißtrauisch angesehen, gelang es K., sich bald das Vertrauen seiner Gemeinde in hohem Grade zu erwerben. Unter den westfälischen Bauern fühlte er sich bald selbst sehr wohl. Auch fehlte es ihm nun an Zeit nicht, seine so erfolgreich begonnenen litterarischen Arbeiten eifrig fortzusetzen. Außer einer Reihe von Aufsätzen und Recensionen, welche er für mancherlei Zeitschriften lieferte, erschien 1809 „Die Kinderwelt. Ein Gedicht in vier Gesängen“ (ein Lieblingsbuch der Königin Luise), „Festbüchlein. Eine Schrift für das Volk: 1) Der Sonntag“ (5. Aufl. 1828), 1810. 2) „Das Christfest“ (4. Aufl. 1846), 1818. 3) „Das Neujahrsfest“ (2. Aufl. 1833). 1809: „Apologen und Paramythien“, 1810 „Bibelkatechismus“ (12. Aufl. 1843), 1811 die originelle Gelegenheitsschrift: „Das Wörtlein UND. Eine Geburtstagsfeier“. 1812 berief Herzog Alexius Friedrich Christian von Anhalt-Bernburg den westfälischen Landprediger zum Generalsuperintendenten, Consistorialrath und Oberprediger nach Bernburg. Hier stand K. auf dem Höhepunkt seiner pastoralen Wirksamkeit. Unter den Eindrücken der Befreiungskriege, vom Geist der Erweckung nicht unberührt, zu fester positiver Glaubensstellung, zum Dringen auf das einfache Evangelium mit entschiedener Frontstellung gegen den damals noch dominirenden Rationalismus, hochgeschätzt von seinem Herzog, in einer hochbeglückten, sorgenfreien Häuslichkeit lebend, darf Krummacher’s Wirksamkeit in Bernburg von tiefeingreifender Bedeutung für die kleine Landeskirche bezeichnet werden. Auch in Bernburg ruhte Krummacher’s litterarische Feder nicht. 1814 erschien die patriotische Dichtung: „Der Eroberer. Eine Verwandlung“; 1815 „Apostolisches Sendschreiben an die Christgemeinden von dem, was Noth thut zur Kirchenverbesserung“; 1815 das biblische Drama: „Johannes“; 1818 „Leiden, Sterben und Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi, 12 Bilder nach H. Goltzius mit Vorrede und Text“; Paragraphen zur heiligen Geschichte. 1820 „Fürst Wolfgang zu Anhalt. Eine Reformationspredigt“; „Briefwechsel zwischen Asmus und seinem Vetter, bei Gelegenheit des Buches: Wie ward Fritz Stollberg ein Unfreier?“ 1820 „Die freie evangelische Kirche, ein Friedensgruß“; 1822 „Calvin’s christliche Lehre“; in demselben Jahre begann er eine Uebersetzung von Calvin’s Institutionen herauszugeben, welche leider unvollendet geblieben ist. 1823 „Bilder und Bildchen“; „Der Katechismus der christlichen Lehre“; „Die christliche Volksschule im Bund mit der Kirche“. – Einen Ruf an die Universität Bonn lehnte K., wiewol die Aussicht auf eine neue akademische [243] Wirksamkeit für ihn viel Verlockendes hatte, 1820 ab; dadurch sich mit Eylert, welcher diese Berufung bei Altenstein sehr warm befürwortet hatte, entzweiend. Um so mehr überraschte, als K. 1824 einem Rufe als Prediger an die Ansgarikirche in Bremen Folge leistete. Konnte K. auch hier nicht gerade eine besonders hervorragende Kanzelwirksamkeit ausüben, so hat er doch in den kirchlichen Kreisen Bremens wohlthuend als Jugendlehrer und Seelsorger treu das Seine gethan, in vertrautem Umgang mit Mallet, Pauli, Treviranus, in den weitesten Kreisen als „Väterchen“ hochgeachtet. Auch die Muse ruhte in Bremen nicht. Außer einem Katechismus der christlichen Lehre nach dem Bekenntniß der evangelischen Kirche erschien 1826 „St. Ansgar, die alte und die neue Zeit“; 1828 „Das Täubchen“; 1829 „Der Hauptmann Cornelius, Betrachtungen über das 10. Kapitel der Apostelgeschichte“; 1831–45 „Die Geschichte des Reiches Gottes nach der hl. Schrift. Andeutender Text zu v. Kügelgen’s Bildern“. 1833 „Leben des hl. Johannes. Eine Schrift für junge Christen“; 1846 „Die Krankenheilungen Jesu“. – Zunehmende Schwäche nöthigte K. 1843 aus seiner bisherigen Amtswirksamkeit zu scheiden, nachdem er sein 50jähriges Amtsjubiläum gefeiert. Nachdem am 17. März 1844 seine Eleonore ihm im Tode voraufgegangen, entschlief K. am 4. April 1845. Mit vorzüglichen philologischen und theologischen Kenntnissen ausgestattet, wirkte K. in den verschiedenen Stellungen, die er eingenommen, ganz besonders durch die gewinnende Kraft seiner Persönlichkeit. Sinnig und innig angelegt rühmen die Zeitgenossen an ihm die wahrhaft christliche Heiterkeit und kindliche Frömmigkeit seines Wesens.

A. W. Moeller, Friedrich Adolph Krummacher und seine Freunde, 1849, 2 Bde. H. Mallet, Aufsatz in Herzog’s Realencyklopädie, 2. Aufl. Bd. VIII.