ADB:Wolfgang (Fürst zu Anhalt)

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Artikel „Wolfgang, Fürst zu Anhalt“ von Franz Kindscher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 68–72, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolfgang_(F%C3%BCrst_zu_Anhalt)&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 20:11 Uhr UTC)
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Wolfgang, Fürst zu Anhalt, geboren zu Köthen am 1. August 1492, † zu Zerbst am 23. März 1566. Für ihn paßt trefflich Grimm’s Namensdeutung auf einen Helden, dem der Wolf des Siegs den Gang bahnt. Als Sohn Fürst Woldemar’s VI. und der F. Margarete, geb. Gräfin von Schwarzburg, geboren zwei Tage vor Columbus’ Abfahrt nach Amerika, wo der Papst Aussicht hatte auf schnelle Erweiterung seiner Herrschaft, wuchs er in 25 Jahren mit Tausenden heran zu einem erbitterten Gegner Roms und bezeugte sein Bekenntniß heldenmüthig. An ritterliche Künste von früh auf gewöhnt und wohl [69] vorbereitet studirte er in Leipzig von 1500 ab (vgl. Matrikel von Erler 1, 435; 2, 20) und fand an seinem Oheim F. Adolf, dem spätern Bischof von Merseburg, wie an dessen Brüdern Wilhelm und Magnus gewissenhafteste Führer. Früh verlor er um Weihnachten 1508 seinen treuen Vater und erbte ganz Köthen, Harzgerode, Ballenstedt, Sandersleben, Freckleben, Mehringen, Gänsefurt, Hecklingen, halb Bernburg, Dornburg, Koswick und halb Zerbst. Wolfgang’s Zerbster und Bernburger Besitz ward für die Sache der Reformation so wichtig, wie die Vermählung seiner Schwestern für sein Schicksal seit 1547 und für seine religiöse Entwicklung seit 1513: die Barbara’s 1503 mit Heinrich Reuß III., Burggraf zu Meißen, Herrn von Plauen und die Margareta’s 1513 mit dem spätern Kurfürsten Johann dem Beständigen von Sachsen, an dessen Hof er mitten in der geistigen Bewegung stand. Barbara’s Ehe ward ihrem Bruder eine unversiegbare Quelle häßlichster Verdrießlichkeiten durch Erbstreitigkeiten mit dem unechten Heinrich. Verwittwet 1519 heirathete sie den Wüstling Johann von Kolowrat zu unglücklichster Ehe, aus der sie der Tod 1533 erlöste. W. nahm sich der verwaisten Kinder an; Benisch v. Kolowrat ließ er in Köthen von Schlaginhaufen unterrichten und in Gernrode bei seiner Schwestertochter Aebtissin Anna von Plauen. Deren Bruder Heinrich IV. half ihm 1547 (vgl. B. Schmidt, Burggraf Heinrich IV. 1888, S. 28 ff.). Wie W. am Magdeburger Hofe unter Ernst und Albrecht als Truchseß gedient hatte, schloß er mit Kursachsen eine Einung wegen Stellung von Reisigen und ward dort Geheimrath. Trotzdem er oft die Kurfürsten, denen er bis zum Tode treu blieb, z. B. 1520 bei der Krönung, 1521 in Worms u. s. w. zu vertreten und zu begleiten hatte, litt darunter die Regierung seines Ländchens nicht, da ihn seine sparsame und umsichtige Mutter fest vertrat. Sie that es schon 1510, wo er mit F. Adolf Rom kennen lernte, ebenso vielfach enttäuscht wie Luther, von dessen Bestrebungen er persönlich in Wittenberg Kenntniß erhielt. Er entschied sich für ihn, wahrte aber wie Friedrich der Weise seine fürstliche Stellung der Bewegung gegenüber. Ein Bedürfniß der Zeit waren Einungen von Fürstengruppen. In der Einung zur Lippe am 12. Mai 1519 vertrugen sich Bischof Erich II. von Osnabrück und Paderborn, Herzog von Braunschweig, W. und viele andere Herren aus dem Harzkreise, aus Westfalen u. s. w. zu friedlicher und kriegerischer Hülfe. In Nordhausen am 28. Mai 1519 wurden die Verhandlungen fortgesetzt. Wie sonst schon früher (1528 in Mecklenburg) betheiligte sich W. als Einigungsverwandter in Alfeld am 23. März 1534 an Schlichtung des Streits Graf Enno’s von Ostfriesland mit dem Herzogthum Geldern. Die Bedeutung dieser Bündnisse trat stark zurück hinter der des Schmalkaldischen Bundes vom 27. Februar 1531, dem W. sofort beitrat (vgl. G. Kawerau, Kirchengesch. 1894, S. 105 ff.). Die Zeit war schnell herangerückt, wo W. daheim seine mit dem Wittenberger Hofe getheilte Ueberzeugung (vgl. Th. Kolde, Friedrich der Weise, 1881. H. Lorenz, Fürst W. Neue Forschungen 1892. G. Kawerau, Landesherrliches Kirchenregiment, 1887) vertreten mußte, daß Luther „auf dem rechten Wege“ sei. In Zerbst waren Aschermittwoch 1522 Ausschreitungen gegen Caplan Johannes Wilbolt passirt und wurden die hölzernen Oelgötzen vor den Thoren gestürmt. Die Excesse fanden ihre Ahndung. Im Franciscanerkloster war Johann Luckow evangelisch, er rettete sein Leben durch Flucht vor seinen Brüdern Ostern 1523 und ging als Prediger nach Herzberg bis Ostern 1527. Luther hatte schon am 18. Mai 1522 hier gepredigt und durch Verkehr mit den Schützen für sich eingenommen (vgl. E. Neubauer, Zerbster Schützengesellschaft, 1897), die in der Augustiner Brüderschaft seit 1397 waren. Caplan Cyriacus Gerike (s. A. D. B. VIII, 784), einst Kistenmacher, Luther’s Schüler, ward durch den Brandenburger Bischof Michael 1523 aus der Zerbster Nicolaikirche vertrieben: er ging nach [70] Greußen in Sondershausen, dann nach Köthen und Bernburg. Ihm folgte in Zerbst Paul vom Rode (s. A. D. B. XXIX, 7), der auch bald weichen mußte. Weihnachten 1524 ward Johannes Groniger (Groner), früher in Leisnig und Oschatz, an St. Nicolai zu Zerbst Pfarrer. Bis 1527 im Amt erfuhr er an seiner Kirche die Rohheiten von Bilderstürmern: Zinse, Zehnten und Opfer wurden an Geistliche oft nicht entrichtet. Auf Groner folgten Nicolaus Pinzelt, Conradus Feigenbutz, Johann Rosenberg, Theodor Schmidt (Fabricius) bis 1570 (vgl. M. Reichmann, St. Nicolaikirche, 1894). An St. Bartholomäi in Zerbst stand seit 1525 Paulus (Grunart), seit Ostern bis Michael 1527 Johannes Luckow, Heinrich Kessinger (Gessinger, Hessinger) aus Oesterreich, Ulrich Bullinger, Johannes Muhme aus Zerbst, Lazarus Eisenburg aus Halle, gestorben als Pastor in Querfurt, seit 1558 Abraham Ulrich aus Kronach in Franken, 1570 nach Fabricius Superintendent. In Köthen wirkte Martin Kaufmann, Cyriacus Gerike, seit 1533 Johann Schlaginhaufen (s. A. D. B. XXXI, 329 ff.), Albertus Christianus. In Bernburg fand Ostern 1526 die Reformation Eingang, ward aber von W. im Sommer für gefährdet durch seine Vettern erachtet, so daß er nicht mit nach Speier zog und daheim blieb. Die Aebtissin Elisabeth von Weida zu Gernrode setzte schon im November 1525 im nahen Waldau Johann Goth als Pfarrer ein (vgl. F. Kindscher im Anhaltischen Staatsanzeiger 1892, Nr. 172), der bald als Diakon an St. Marien in Bernburg mit Pfarrer Peter Schulze stand. In Dessau herrschte bis zur Berufung Nicolaus Hausmann’s 1532 nach Begrenzung der Reformen durch die Augsburger Confession gegentheilige aggressive Strömung, wie das Bündniß vom 19. Juli 1525 zeigt (vgl. W. Friedensburg, Gotha-Torgauisches Bündniß. 1884, S. 12, 113 und Reichstag zu Speier. 1887, S. 290. Kawerau, Kirchengesch. S. 64). W. trat am 12. Juni 1526 dem Torgauer Bündniß bei. Neben der Berufung evangelischer Geistlicher in ganz Anhalt nach Stadt und Land, an der W. eifrig theilnahm, betrieb er vorzüglich seit 1525 die Aufhebung der Klöster in Frose und Gernrode, Münchennienburg, Kölbigk, Mehringens Koswick, Bernburg, Ballenstedt, Hecklingen, in Zerbst des Frauenklosters, den Augustinerklosters und des Franciscanerklosters sowie der sonstigen katholischen[WS 1] Stiftungen, Widmungen an Privataltäre, Brüderschaften u. s. w. (vgl. E. Kühn und Th. Stenzel in den Anhalt. Geschichtsmittheilungen III. IV. VI). Die großen Einkünfte aller dieser Anstalten ließ er zur Begründung und Förderung von Kirchen und Schulen, Aufbesserung der Pfarrgehälter und der Lehrerbesoldungen[WS 2], Errichtung von Stipendien für Schüler und Studirende, Unterstützung von Armen und Siechen, zu Gründungen für alte bedürftige Leute-Wittwen und Waisen u. s. w. verwenden, wozu er zugleich sein eigenes beträchtliches Vermögen opferte, so daß sein Name noch heute, da die Nutznießung in seinem Sinne noch jetzt so erfolgt, von Unzähligen dankerfüllt gefeiert wird. So schwer die Maßregeln hier und da durchzuführen waren, so glückten sie doch meist schnell oder bald: in Zerbst erstand 1531 schon aus dem Brüderkloster eine Schule, die im jetzigen Francisceum fortblüht. Gernrode freilich und Nienburg nahmen Wolfgang’s ganze Lebenszeit in Anspruch.

Wie W. in Speier sich am 19. April 1529 als erster Protestant aus Anhalt der Rechtsverwahrung seiner Freunde anschloß und in Augsburg das Bekenntniß am 25. Juni 1530 mit unterzeichnete, nahm er im Februar 1537 mit seinen Vettern Johann und Joachim in der Glanzzeit des schmalkaldischen Bundes an den obschwebenden Verhandlungen theil (s. A. D. B. XXXI, 334) wie mit F. Johann und Georg im April und Mai 1541 am Regensburger Tage, 1542 an der Befehdung und Verhaftung des Herzogs Heinrich d. J. von Braunschweig (vgl. O. v. Heinemann, Geschichte v. Braunschweig, 1886. II, 358 ff.), [71] welcher 1548 vergeblich an W. Schadenersatzansprüche richtete, da Kurfürst August für W. eintrat.

Zu Gunsten seiner Vettern ging W. 1544 in eine kleine Besitzänderung ein: er überließ ganz Zerbst an F. Johann und nahm dafür ganz Bernburg mit Ausnahme der Aemter Plötzkau und Warmsdorf, die F. Georg übernahm (vgl. F. Siebigk, Anhalt. 1867, S. 152). 1562 trat er all sein Land ab außer Koswick und behielt 1564 auch dieses nicht mehr, da er sich bis zu seinem Tod mit seinem eigenen Zerbster Schlosse begnügte.

In Eisleben stand er wenige Stunden nach Luther’s Tod am 18. Februar 1546 an dessen Sterbelager und berichtete über dessen seliges Ende. Der Gewittersturm brach schon im Sommer 1546 über die Schmalkaldener los. W. nahm in Oberdeutschland am Krieg theil wie an der Fortsetzung in Niederdeutschland. Er eroberte das Anhalt seit dem 14. Jahrhundert vorenthaltene Aschersleben mit kursächsischer Hülfe am 5. Januar 1547 und ließ sich am 6. huldigen. Die Antwort darauf war die kaiserliche Acht am 12. und der Verlust seines Landes nach der Mühlberger Schlacht am 24. April (vgl. M. Philippson, Geschichte der neuern Zeit. 1886, S. 193). Karl V. belieh mit diesem Land den Grafen Siegmund von Lodron, Oberstallmeister der Kinder Ferdinand’s (vgl. B. Schmidt, Heinrich IV., S. 158–270). Dieser besetzte auch wirklich im Mai das Land, ward aber sofort zurückgerufen, nachdem durch W. und seine Vettern Verhandlungen darüber angeknüpft worden waren, daß Wolfgang’s Neffe, der böhmische Oberstkanzler Burggraf Heinrich dem neuen Besitzer die verwirkte Herrschaft abkaufen und nach Begnadigung Wolf’s sie an diesen wieder abtreten sollte. Lodron erhielt für die Auflassung von den Vettern 32 000 Thlr., der Bischof von Arras für seine Verwendung als Oberstkanzler beim Kaiser 13 000 Thaler am 23. Mai. Heinrich ließ das Land durch drei Räthe Wolfgang’s als Befehlshaber verwalten und überwies seinem Oheim die Nutznießung, auch nachdem er 1549 den kaiserlichen Lehnbrief erhalten hatte. W. war selten außerhalb Landes während seiner Aechtung, sondern hielt sich meist im Harz, besonders in Gernrode bei seiner Nichte, oft auch in und bei Köthen auf, bis er durch den Passauer Vertrag vom 31. Juli 1552 wieder zu Gnaden kam. Im Feldlager vor Magdeburg bei Kurfürst Moriz unterstützte er dessen Verhandlungen mit der Stadt im October 1550, die nach einer Belagerung von dreizehn Monaten 1551 fiel (vgl. G. Hertel und Fr. Hülße, Geschichte Magdeburgs I, 536). Auffällig weigerte sich Heinrich seinen Lehnbrief auszuantworten. Er starb 1554 darüber hin. Erst 1568 haben seine Söhne sich dazu bequemt gegen Ersatz der Kanzleigebühren, die der Vater für die Urkunde entrichtet hatte. Ein Proceß, den bis 1553 Heinrich’s Schwester Margarete, Gemahlin des Bohuslav Felix von Hassenstein, erhob wegen ihrer Ansprüche als Enkelin nach Barbara’s Tode auf ihr Erbtheil aus dem Nachlaß von Wolfgang’s Mutter Margarete, ihrer 1539 entschlafenen Großmutter, blieb für W. belanglos.

Je mehr W. nach 1552 das Bedürfniß fühlte sich von persönlicher Theilnahme an den Welthändeln auf die treue Regierung seines Landes zu beschränken, um so mehr erfreute es ihn, die Segnungen zu sehn, die sein Streben seit Jahrzehnten ermöglicht hatte. Schon 1527 hatte er der Stadt Köthen eine Willkür verliehn, Hoym erhielt Stadtrecht, er vereinte Altstadt und Neustadt Bernburg, Schlaginhaufen hatte seit 1536 in Köthen die Kirchenvisitation durchgeführt, der Augsburger Religionsfriede vom 25. September 1555 war Wolfgang’s Freude. Nur am Naumburger Fürstentage 1561 nahm er noch theil. Im Bernburger Schloß baute er das lange Gebäude, das Koswicker Schloß und die Kirche St. Nicolai führte er nach den Verwüstungen von 1547 neu auf, ebenso Kirche und Rathhaus zu Sandersleben, in der Bernburger Saale erstand eine [72] Schleuse, den Bürgern erließ er den Frohnpfennig. In den letzten Lebensjahren erneute er die Zerbster Bartholomäikirche, in der er seine Grabstätte sich baute. Er war von je einfach zu leben gewohnt. Das übliche Zutrinken haßte er und verbot es seinen Begleitern zur hellen Freude seiner zärtlich um ihn besorgten Mutter. Das Zipperlein plagte ihn sehr. Von jeher liebte er geistliche Anregung. Er zog daher gern Prediger in seinen Verkehr. Schlaginhaufen saß oft an seiner Tafel und der seiner Mutter. Zuletzt ging er täglich mit Abraham Ulrich um. „Hilf, du heilige Dreifaltigkeit!“ war oft sein Wort. Er entschloß sich nicht zum Ehestand. Repräsentantin seines Hauses war seit 1539 Fräulein v. Schaderitz aus der Gröbziger Adelsfamilie. Sein Bildniß von L. Cranach d. Jüngeren aus der Bartholomäikirche ist aus Beckmann’s Historie Theil V, S. 138 bekannt. Denkmünzen auf ihn verzeichnet Th. Stenzel im Anhaltischen Staatsanzeiger 1892, Nr. 160. Durch Standbilder ist er in Bernburg ausgezeichnet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: katholischee
  2. Vorlage: Lehrer, besoldungen