ADB:Wolfgang (Herzog von Bayern)

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Artikel „Wolfgang, Herzog von Baiern“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 72–75, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolfgang_(Herzog_von_Bayern)&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 03:38 Uhr UTC)
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Wolfgang, Herzog von Baiern, geboren als neuntes Kind Herzog Albrecht’s III. von Baiern-München und der Anna von Braunschweig am 1. November 1451, † am 24. Mai 1514 in Landsberg. Wie vielen anderen wittelsbachischen Prinzen ward auch ihm das Unvermögen, in die bescheidene Rolle und Zurücksetzung jüngerer Fürstensöhne sich zu finden, zum entscheidendsten und verhängnißvollen Zuge seines Lebens. Gleich seinem Bruder Albrecht war er anfangs zum geistlichen Stande bestimmt. Eine bairische Gesandtschaft ging 1458 nach Rom, um für die beiden Prinzen Pfründen zu erwirken, und 1460 reisten diese mit ihrem älteren Bruder Johann selbst nach Rom, um mit Papst Pius, Cusa und anderen Cardinälen bekannt zu werden und ihre geistliche Zukunft zu fördern. W. weilte damals länger als die Brüder in Italien oder ist doch bald wieder dorthin zurückgekehrt: 1464 wohnte er in Perugia; in dem Münchener Kaspar Schmidhauser, den ein Italiener Guido dort in schmeichlerischen Versen besang (clm. 19 652), ist wol sein Erzieher zu suchen. Von tieferen Spuren der humanistischen Ausbildung, die dem Prinzen damals zu theil geworden zu sein scheint, ist jedoch nichts zu bemerken. Nach der Heimath zurückgekehrt, unterstützte W. seinen Bruder Albrecht in dem Anspruch auf Mitregierung, den dieser seit Johann’s Tode gegenüber Sigmund erhob, und einigte sich mit dem ersteren (4. Sept. 1465) zu Regensburg dahin, daß sie beide ihr väterliches Erbtheil als gemeinsames Gut genießen wollten. Ein Vorschlag zur Ordnung des Hofhalts, der damals entweder vom fürstlichen Rath oder vom Landschaftsausschuß ausging, scheint vorauszusetzen, daß W. wieder in die Fremde geschickt werde. Nachdem der energische Albrecht (IV.) durch Sigmund’s Verzicht (3. Sept. 1467) die angestrebte Alleinregierung erlangt hatte, erklärte W. am 28. März 1468 zu dessen Gunsten in Erwägung „seiner löblichen, guten Regierung“ seinen zwölfjährigen Verzicht auf die Herrschaft und ward dafür mit dem Schlosse Greifenberg und einer Jahresrente von 2400 fl., die nach sechs Jahren auf 3000 fl. erhöht werden sollte. ausgestattet. Daß er sich bei dieser mageren Entschädigung nicht lange beruhigen würde, mochte Albrecht, wiewol W. in dem nun vom Bruder Christoph gegen ihn erhobenen Erbstreit anfänglich noch zu ihm hielt, wol voraussehen. Mit Wolfgang’s Zustimmung griff er deshalb den vorher gescheiterten Plan einer geistlichen Versorgung für den jüngsten Bruder wieder auf. Der Kaiser und andere fürstliche Fürsprecher verwandten sich beim Papste um einen Cardinalshut für W. und Albrecht reiste zu diesem Zwecke selbst nach Rom, doch ward das Ziel nicht erreicht. W. hatte Albrecht bis Mantua begleitet und war dort bei seinem Schwager und seiner Schwester zurückgeblieben.

Seit diesem wiederholten Scheitern des geistlichen Planes, das ungefähr [73] mit seiner Mündigkeit zusammenfiel, regte sich auch bei W. die Unzufriedenheit mit seiner bescheidenen Stellung und Eifersucht gegen den glücklichen älteren Bruder. Das Zerwürfniß zwischen diesem und Christoph gedieh 1470 so weit, daß der letztere auf Befehl Albrecht’s verhaftet wurde. Auf die Kunde dieser Gewaltthat entfloh W. aus München und setzte nun alle Hebel in Bewegung, dem gefangenen Bruder hülfreiche Freunde und Albrecht Gegner zu gewinnen. Seine klagenden Briefe gingen an den Kaiser, an den päpstlichen Legaten, an verschiedene Fürsten, an die Stadt München und die oberbairische Landschaft. Dem Landshuter Rathe Martin Maier maß er eine Hauptschuld an Albrecht’s Erbitterung gegen Christoph bei. Auf dem großen Regensburger Reichstage von 1470 erschien der jugendliche Prinz, geleitet von Rittern des von Albrecht aufgelösten Böcklerbundes, und verfocht mit Beredsamkeit Christoph’s Sache. Erst nach dessen Aussöhnung mit dem Bruder ließ sich (21. Mai 1477) auch W. zu neuem Regierungsverzicht bestimmen. Er erhielt jetzt eine Jahresrente von 4000 fl., worunter die Einkünfte der Schlösser Greifenberg und Hegnenberg inbegriffen waren. Dazu erwarb er nach einem Schiedspruch der Herzoge Ludwig und Albrecht von den Brüdern von Riedheim die von den Herzogen Johann und Sigmund verpfändete Herrschaft Schwabeck zurück. Deren Besitzergreifung gelang jedoch erst nach blutiger Fehde mit den Riedheimern, zu deren Durchfechtung sich W. eidgenössischer Söldner bediente und in deren Verlauf er das Schloß Riedheim eroberte. Seinen gewöhnlichen Wohnsitz nahm W. auf dem Schlosse Liechtenberg am Lech. 1486 treffen wir ihn bei der Augsburger Bischofswahl, die er und die anderen bairischen Herzoge vergebens auf Johann von der Pfalz zu lenken suchten. Um diese Zeit erscheint er auch als Pfleger von Weissenhorn im Dienste des Landshuter Vetters Georg d. Reichen. Als K. Maximilian von seinen aufständischen Unterthanen in Brügge gefangen genommen ward und der Kaiser die Reichsfürsten zu seiner Befreiung aufrief, folgten W. und Christoph diesem Rufe und thaten sich in dem flandrischen Feldzuge rühmlich hervor. 1488 ward W. von K. Max mit einem Jahressolde von 800 fl. als Rath und Diener, im selben Jahre auch vom alten Kaiser Friedrich als Diener aufgenommen.

Mit dem regierenden Bruder Albrecht IV. gerieth W. neuerdings in heftigen Zwist, als dieser 1487 zwei Beamte Wolfgang’s zu Greifenberg, seinen Jägermeister und den Pfleger Erhard v. Perfall ins Gefängniß werfen, den Ersteren sogar foltern ließ. So blies auch W. ins Horn, als sich Albrecht’s unterländische Ritterschaft in dem Löwenbunde zur Wahrung ihrer verbrieften Rechte gegen den Herzog zusammenschloß. Im November 1489 erklärten W. und Christoph ihren Beitritt zu diesem Bündniß, beide erneuerten ihre Ansprüche auf Landestheilung und fanden beim Kaiser ein geneigtes Ohr für ihre Hülfsgesuche. Friedrich ergriff gern die Gelegenheit, W. und Christoph für ihre Kriegsdienste in den Niederlanden und in Ungarn sich dankbar zu erweisen und dem aufgedrungenen Schwiegersohn Albrecht neue Schwierigkeiten zu bereiten. Auf Wolfgang’s Vorschlag ernannte er (13. Januar 1490) den Pfalzgrafen Philipp zu seinem Commissär und Schiedsrichter in dem brüderlichen Erbstreit und auf dem Nürnberger Reichstage erhob W. vor dem Könige und dem kaiserlichen Anwalt Klage gegen Albrecht, worin ihm Christoph bald folgte. Konnte Albrecht auf manche Beschwerden der Brüder mit Recht erwidern, es zieme ihm nicht ihretwillen „gemeinen Landes Nutz und Nothdurft zu unterlassen“, so waren doch andere Klagen, besonders daß Albrecht ohne der Brüder Zustimmung dem Erzherzoge Sigmund eine Million auf Baiern verschrieben hatte, nicht so leicht zu entkräften. Am 15. September 1490 schlossen W. und der Löwenbund ein Bündniß zu gegenseitiger Hülfe mit dem Schwäbischen Bund. Maximilian [74] bestätigte (6. Juli 1491) diese Verbindung und versprach dem Schwäbischen Bunde, wenn er darum angegriffen werden sollte, seinen Beistand. Hierdurch ermuntert, ließ W. am 6. August 1491 einen gedruckten Aufruf an die Landstände ausgehen, worin er auf Abtretung seines ihm rechtlich zustehenden Landesviertels drang. Vom Kaiser erhielten dann (1. Octbr.) W. und Christoph die Weisung, als Hauptleute des Schwäbischen Bundes die gegen die Reichsstadt Regensburg wegen ihrer Unterwerfung unter Albrecht’s Herrschaft ausgesprochene Acht zu vollziehen. Um Einfluß auf den Böhmen- und Ungarnkönig Wladislaus zu gewinnen, ließ sich W. (3. Dec.) auch unter dessen „Diener von Haus aus“ aufnehmen. Der Schwäbische Bund aber war nicht rechtzeitig gerüstet und die Löwenritter, die mit kurzsichtiger Uebereilung trotzdem losschlugen, wurden von Albrecht mit leichter Mühe niedergeworfen. W. hatte erst Ende Januar 1492 seine Rüstungen vollendet, überschritt mit den in seiner Herrschaft Türkheim gesammelten Truppen den Lech, ließ von Liechtenberg aus die benachbarten Dörfer plündern und die Unterthanen zur Huldigung zwingen. Mit Christoph vereint, drang er bis Tölz vor, das gleichfalls der Plünderung preisgegeben wurde. Als aber Albrecht heranrückte und die Landwehr der bedrohten Bezirke aufbot, wurde W., dem der Schwäbische Bund nur eine kleine Reiterschar zu Hülfe gesandt hatte, rasch in die Vertheidigung zurückgedrängt, seine Schlösser Greifenberg und Hegnenberg (13. und 15. Februar) von Albrecht’s Truppen erobert. Ende April aber sammelte sich auf dem Lechfeld eine gewaltige Heeresmacht des Reichs und des Schwäbischen Bundes und am 10. Mai vereinigten sich mit ihr die 200 Reiter und das ansehnliche Fußvolk der Herzoge W. und Christoph, die erst zwei Tage darauf an Albrecht ihre Fehdebriefe schickten. Dieser, von seinem Verbündeten, H. Georg, im Stiche gelassen, sah sich gezwungen. Regensburg dem Reiche und seinen Brüdern alles, was er ihnen im Kriege abgenommen hatte, zurückzustellen. Die Unterhandlungen, die Albrecht mit den Brüdern einleitete, versprachen jedoch wenig Erfolg, so lange der Kaiser die Ansprüche der letzteren auf Mitregierung unterstützte. Noch am 22. Septbr. 1492 erließ Friedrich an die bairischen Landstände den Befehl, den Herzogen Christoph und W. zu huldigen. Die Stände aber wollten weder von Mitregierung der immer in Schulden steckenden Brüder noch von einer neuen Landestheilung etwas wissen, zwei Landtage, welche Christoph und W. nach Freising ausschrieben, wurden durch Albrecht’s Verbot und Mangel an Besuch vereitelt. So haben die bairischen Stände damals durch ihr Verhalten der Primogeniturordnung Albrecht’s vorgearbeitet. Unter Albrecht’s persönlicher Einwirkung verstand sich dann auch der Kaiser zum Einlenken und empfahl den Brüdern in einem Mandat vom 31. December gütliche Auseinandersetzung. Diese herbeizuführen halfen die Landstände mit und bewogen auf einem Landtage zu München (20. März 1493) Christoph und W. zu der Erklärung, daß sie ihren Bruder nicht widerrechtlich der Regierung entsetzen, sondern ihrer früheren Verschreibung getreu bleiben wollten. Als aber W. um Ostern 1494 mit K. Maximilian bei Hohenschwangau und am Plansee auf Bären jagte, erhob er doch wieder Klagen gegen Albrecht und nach Christoph’s Tode verlangte er Antheil an dessen Erbe. Er wandte sich mit seinen Forderungen an den Landschaftsausschuß und sogar an den Schwäbischen Bund, ohne jedoch Albrecht noch ernstliche Verlegenheiten bereiten zu können.

In dem Landshuter Erbfolgestreit fielen Wolfgang’s und Albrecht’s Interessen zusammen. Am 23. April 1504 erhielten auf dem Rathhause zu Augsburg die beiden Fürsten als nächste Agnaten die Belehnung mit allen Reichslehen Georg’s, freilich unter Vorbehalt des königlichen „Interesse“. Mit Maximilian und Albrecht hat W. den großen Reiterangriff in der Böhmenschlacht [75] bei Wenzenbach (11. Septbr. 1504) mitgemacht. Auf dem Schlachtfelde empfing er nach errungenem Siege den Ritterschlag von der Hand des Königs. Als Albrecht am 8. Juli 1506 die hochwichtige Primogeniturordnung erließ, zeigte W. durch sein Verhalten, daß die Jahre seinen Egoismus wohlthätig gemildert hatten. Daß er unvermählt geblieben war, erleichterte ihm das Entgegenkommen gegen den Bruder und das Interesse des Landes. „Aus brüderlicher Liebe und Treue“ verzichtete damals W. auf seinen Erbtheil, doch ward ihm nun die Entschädigung weit reichlicher als vordem bemessen. Im Westen des Landes, wo er auch bisher gehaust hatte, wurden ihm auf Lebenszeit außer seinen alten Schlössern die Schlösser, Städte und Gerichte Aichach, Friedberg, Mering, Landsberg, Schongau, Rauhenlechsberg, Weilheim und Pähl und im ganzen eine Jahreseinnahme von 12 000 fl. zugesprochen. Wolfgang’s Unterthanen sollten gleich den anderen Landsassen an den bairischen Landtagen theilnehmen und „in Krieg und Befriedung des Landes“ gleich diesen sich halten, Irrungen zwischen den Brüdern vor die Landschaft gebracht werden.

Nach Albrecht’s des Weisen Tode (18. März 1508) übernahm nach dessen Anordnung W. neben sechs Landständen die vormundschaftliche Regierung an Stelle des minderjährigen Wilhelm IV. Diese währte bis zum 13. November 1511, doch trug der ohnedies nicht staatsmännisch angelegte Fürst in höheren Jahren um so weniger Verlangen, die Bequemlichkeit eines ungezwungenen Landlebens mit mühsamen Regierungsgeschäften zu vertauschen und ließ sich unter Berufung auf Alter und Gesundheit von seinen Mitvormündern einräumen, daß er sich durch Räthe in den Sitzungen des Regiments vertreten lassen durfte. W. erlebte noch den Anfang der neuen Erbstreitigkeiten zwischen seinen Neffen Wilhelm und Ludwig und den schlimmen Conflict des ersteren mit der Landschaft. Als sich dann die Brüder im Widerspruch mit der väterlichen Erbordnung auf gemeinsame Regierung einigten, erklärte er, daß er dieses Abkommen nicht anerkenne und seine fürstlichen Rechte sich vorbehalte. Den Beschwerden der Stände, die damals über die Verwaltung seines eigenen Landestheiles laut wurden, gab er wenigstens theilweise Folge, indem er insbesondere in die Absetzung des als schwelgerischer Verschwender verhaßten Rentmeisters Paßweiler willigte. Ein langwieriger Streit mit Wolf von Freiberg, dessen Vater Paul von einem Jäger Wolfgang’s erschossen worden war, zwang den Fürsten seine Stände um Hülfe zu der befürchteten Fehde anzugehen, doch kam dann (22. Aug. 1511) unter Vermittlung des jungen Wilhelm IV. ein gütlicher Vergleich zu Stande. W. starb am 24. Mai 1514 in Landsberg und ward in Andechs begraben. Er wird als der stärkste unter den Brüdern bezeichnet, unter denen sich doch der athletische Christoph befand. Nach Füetrer’s Fortsetzung (Oberbayer. Archiv V, 81), mit deren Schilderung andere Chroniken (so cgm.. 5422, f. 86, 87 und die Chronik bei Lipowsky, H. Christoph, S. 160) wohl übereinstimmen, war er ein langer Herr, großen Leibs, aber faul, „keines sondern Wesens“, lebte gern allein auf seinen Schlössern, hielt ruhig Hof, hatte aber den Brauch: wer wider ihn handelte, dem vergab er nicht. Für seine Ehelosigkeit entschädigte er sich durch den Umgang mit schönen Bauerndirnen. Hervorgehoben wird seine Freude an Rennpferden, an der Jagd, am Trinken und daß er gern aufs Feld zu den Bauern ging. Von den politischen Fähigkeiten seines Bruders Albrecht hat er nichts besessen und das im Hause Wittelsbach bereits eingebürgerte Mäcenatenthum zu entfalten war ihm schon durch die Kargheit seiner Mittel verwehrt.

Häutle, Genealogie des Hauses Wittelsbach. – Riezler, Gesch. Baierns III u. IV (Mscr.)