Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kohl, Ludwig“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 428–430, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kohl,_Ludwig&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 05:53 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Kohl, Johann Georg
Nächster>>>
Kohl, Paul
Band 16 (1882), S. 428–430 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Oktober 2015, suchen)
Ludwig Kohl in Wikidata
GND-Nummer 143980823
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|16|428|430|Kohl, Ludwig|Rudolf Müller|ADB:Kohl, Ludwig}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=143980823}}    

Kohl: Ludwig K., Maler, Radirer und Modellschnitzer, geb. zu Prag am 14. April 1746, gest. daselbst am 18. Juni 1821. – Die entschiedene Kunstbegabung, die K. schon in früher Jugend durch sinnvolle Zeichnungen und zierliche Schnitzereien kund gab, lenkte bald die Aufmerksamkeit des zur Zeit in der Blüthe seines Wirkens stehenden Malers Norbert Grund auf ihn, der es auch gerne zugab, daß ihm der lernbegierige Jüngling bei der Arbeit zusah und so am gründlichsten über die technischen Vorbedingungen fürs Malen belehrt wurde. Die Frucht solchen Anschauungsunterrichtes ließ nicht lange auf sich warten, denn K. benutzte alsbald einige Leinwandstücke zu Pinselversuchen und befriedigte damit den Meister derart, daß dieser ihn aufforderte, sich nach beendigtem Gymnasium dauernd der Kunst zuzuwenden. Inzwischen noch ein höheres Urtheil zu provociren, veranlaßte der bescheidene Grund die Einschickung mehrerer Zeichnungen und Malereien Kohl’s an die Akademie der bildenden Künste in Wien, erreichte damit auch das Erwünschte in der von dort ergangenen Entscheidung: der junge hoffnungsvolle Mann sei vollkommen würdig in die Akademie aufgenommen zu werden. K. bezog also 1769 die Akademie. Aus der nächsten Folgezeit ist nur bekannt, daß sich von den mit der Heranbildung von Künstlern betrauten Lehrern der Wiener Kunstschule ganz besonders der geniale Zeichner und Kupferstecher Jakob Schmutzer für K. interessirte und auch zu erwirken wußte, daß die Kaiserin Maria Theresia 1773 ein von ihm gemaltes großes (16 Schuh hohes, 8 Schuh breites) Bild, die Geburt Christi vorstellend, für die Schloßkirche zu Laxenburg ankaufte und ihm bleibend ihre Huld zuwandte. Die große Monarchin wußte namentlich dann, als sie in Consequenz ihrer angestrebten Verwaltungsreformen 1775 für Böhmen die Umgestaltung der Volks- und Mittelschulen anordnete, K. in eine ihren Wünschen wie seinen Kräften entsprechende Stellung zu bringen, und zwar in die eines „öffentlichen Lehrers der Zeichnungskunde“ an der neuerrichteten k. k. Prager Musterschule. In Betracht zu ziehen ist dabei, daß damals in Prag trotz Existenz einzelner tüchtiger Maler, doch die Potenz abging für Weckung des Gemeinsinnes zu Gunsten der bildenden Kunst. Als solche zu wirken war nun Aufgabe Kohl’s. Auf der Höhe der Zeit als Maler historischer Darstellungen, von Architektur- und Landschaftsbildern, hatte er unter dem Einfluß Schmutzer’s auch die Radirnadel und den Stichel handhaben gelernt, ferner die ursprüngliche Anlage für das Modelliren und Schnitzen zur künstlerischen Fertigkeit durchgebildet. Mit diesen Eigenschaften trat in das ihm anvertraute Amt und wirkte thatsächlich befruchtend auf allen seiner Vielseitigkeit entsprechenden Gebieten. Vor allem leitete er den Zeichnenunterricht von den Irrwegen einer Mode gewordenen, sogenannten „genialen Composition“ wieder zurück auf die stetig sichere Grundstufe der Objectanschauung. Er schuf in dieser Absicht die große, sein Schulvermächtniß bildende Zahl stilistischer Vorlagen und Modelle für die Musterschule; erweiterte im Erkennen [429] der Wichtigkeit der Fortbildung des Kunstgewerbes seinen Wirkungskreis durch eine „Sonntagsschule für Gewerbsleute“, sorgte aber auch für die Förderung jener, welche der höheren Kunst zustrebten, durch Errichtung eines Studio für das Modellzeichnen während der Wintermonate, und legte besonders durch sein erfolgreiches Wirken nach dieser Richtung, den Kunstfreunden im Adel die Errichtung einer selbständigen Kunstschule nahe, die bekanntlich auch 1800 unter Leitung Joh. Bergler’s zu Stande kam. Ein wahrheitsgetreues Zeugniß über die weitgreifende Thätigkeit Kohl’s giebt zudem der Zeitgenosse und Chronist Gottfr. Jos. Dlabacz mit der Bekanntgebung: „Unter die sehr zahlreichen von ihm gebildeten Schüler gehören so viele geschickte Maler, Zeichnungslehrer, Künstler und Professionisten, die sich heut zu Tage in ihrem Fache öffentlichen Ruhm und Kredit erworben haben …“ Angeführt sind dabei mit Namen mehrere Tischler- und Hafnermeister, die Kupferstecher Koch und Gregory, die Maler und Zeichenmeister Vietz und Haas etc. Zu erinnern bleibt noch an den von K. auf Horcicka geübten Einfluß (vgl. d. Artikel Horcicka). – Rüstig in seinem Berufe bis zum 66. Jahre, trat K. erst 1815 in den Ruhestand, unter Zuerkennung der großen goldenen Civilverdienstmedaille und einer lebenslänglich zu beziehenden Gehaltszulage von 300 fl. – Vervollständigt wird diese kurzgefaßte Lebensskizze am geeignetsten durch ein beiläufiges Verzeichniß der bekannt gewordenen Arbeiten Kohl’s. – Nebst den schon erwähnten zahlreichen Schulzeichnungen ergab das Inventar über hundert Darstellungen zum Theil zur Weltgeschichte, theils zu der des Vaterlandes, außerdem für Lösung mechanischer und architektonischer Probleme, Grund- und Aufrisse von Gebäuden etc. Gleich mannigfach war die Hinterlassenschaft an eigenhändig gefertigten Modellen; so ein herrschaftliches Schloß mit Kuppeldach über dem Saalraume; ein Theil eines modernen zweistöckigen Wohnhauses im Durchschnitte; das Presbyterium einer gothischen Kirche mit allem Detail; eine Schneidemühle mit einem das Räderwerk vertretenden Perpendikel für den Fall des Wassermangels; verschiedene Theile einer gewöhnlichen Mahlmühle, zur Erklärung ihres Mechanismus; diverse Dachstühle und Oefen verschiedener Stilart – sämmtlich auf das Correcteste, entweder aus Papierdeckeln oder aus Holz geschnitten. In Stich oder Radirung kamen zur Publication: „Zwölf historische Darstellungen zur Geschichte Böhmens von Herzog Przemysl bis zu Wenzel III.“ – Radirungen aus 1789; ein „Cyclus zur Legende St. Johann von Nepomuk“ (1790); „Sieben Ansichten der Stadt Prag“, nach der Natur aufgenommen von 1792–93; vier ebenfalls nach der Natur aufgenommene alte Schlösser Böhmens – Karlstein (in zwei Ansichten), Friedland und Liebstein, Radirungen aus 1793–94. – Von den Oelgemälden gilt es die noch in der vorakademischen Periode: „Dido“ und „Cleopatra“, für den Baron Jos. Brettfeld, und „St. Aretius“, für die Cajetanerkirche in Prag, und „Lucius Virginius ersticht seine Tochter“, behufs seiner Aufnahme in die Akademie gemalten Bilder, von den, unter Einfluß der Wiener Akademie – 1769–1775 – entstandenen zu unterscheiden. Nach der Jahresfolge zählen dahin: „Die Anbetung des Kreuzes von den verschiedenen Nationen“ (kam in die Gallerie patr. Kunstfreunde in Prag); „Der Traum des hl. Joseph“, „Die Marter des hl. Laurentius“ (für die Kirche in Doxan); die schon erwähnte „Geburt Christi“ in Laxenburg; „Madonna, zu ihren Füßen der Sturz des Satans“ (Prager Gallerie). – Aus der Zeit seiner Lehrthätigkeit in Prag von 1775–1819 datiren, wieder nach der Folgereihe angeführt: „St. Jakob min.“, für den Benedictinerstiftsabt Rautenstrauch; „St. Barbara“, für die Kirche St. Nikolaus auf der Prager Kleinseite; „Tarquinius und Lucretia“, „Tod der Lucretia“, „Salomon der Abgötterei verfallen“, „Heilige Dreieinigkeit“, „Schwur des Hannibal am Opferaltar“, „Amor und Psyche“, „Der [430] Tempel der Hygea“, „Die drei Grazien“ – letztere drei Gemälde im Besitze des Grafen Hartig. „Sokrates im Kerker“ für Christ. Graf Clam-Gallas; „Die Enthaltsamkeit des Scipio“, „Gothische Kirche“, „Ein Rittersaal“ für den Gubernialrath v. Herget; „Gothische Gruft“; „Die Prager Domkirche“, in der gräfl. Colloredo’schen Gallerie; „Im Prager Krönungssaal“, „Das Innere des St. Veitsdomes“, für den Grafen Salm – (kam nebst „Sokrates im Kerker“ in die Prager Gallerie); „St. Bartholomäus“ für den Grafen Hartig. – Mehrere Gemälde, darunter „Die hl. Cäcilie“, „Magdalena“, „Katharina“, „Johannes der Täufer“, „Die hl. 2 Könige“, „Susanna“, „Der ägyptische Joseph“, „Königin Zenobia“, „Die Kreuzigung“ und „Grablegung Christi“, „Die Enthaltsamkeit“ kamen aus seinem Nachlasse an unbekannte Besitzer. Die letzte Arbeit Kohl’s war die Darstellung einer Ständeversammlung im Krönungs- und Huldigungssaale des Prager Schlosses, welches der Künstler dem Kaiser Franz darbrachte, als derselbe 1820 die Hauptstadt Böhmens besuchte, und dafür einen kostbaren Brillantring erhielt. – Die Bilder Kohl’s waren ihrer Zeit gewissermaßen Mode geworden wie die Norbert Grund’s, und gewiß nur Wenige, die auf den Namen eines Kunstfreundes Anspruch machten, dürfte es in Prag gegeben haben, welche auf den Besitz eines Werkes seiner Hand verzichtet hätten, besonders auf den eines „Architekturstückes“, die in der That den vorzüglicheren Theil seiner Leistungen ausmachten, darum auch zahlreicher sein mögen, als sie zur Aufzeichnung kamen. Diese Architekturbilder charakterisirt durchweg eine ebenso verständnißvolle Perspective wie durchdachte Licht- und Schattenwirkung bei möglichst strengem Festhalten an der Stilform, namentlich der gothischen. In seiner historischen Darstellung allerdings Kind seiner Zeit, mit verzopfter Renaissance und ziemlich süßlichem Colorit, erhebt er sich über die meisten der Zeitgenossen dennoch durch die ihm Bedürfniß gewordene Naturanschauung, die wenn gleich nicht durch klassische Vorstudien geläutert, doch im allgemeinen zur Zeichnung lebenskräftiger Typen führte, ihm also auch nach dieser Richtung einen Ehrenplatz in der Kunstgeschichte des Landes sicherte.

Dlabacz, Künstler-Lexikon; Wilfling, Nekrolog L. Kohl’s; Oesterr. National-Encyklopädie von Gräffer und Czikan; eigene Reisenotizen.