ADB:Klüpfel, Emanuel Christoph

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Klüpfel, Emanuel Christoph“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 255–257, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kl%C3%BCpfel,_Emanuel_Christoph&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 22:23 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 16 (1882), S. 255–257 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Emanuel Christoph Klüpfel in der Wikipedia
Emanuel Christoph Klüpfel in Wikidata
GND-Nummer 102494290
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|16|255|257|Klüpfel, Emanuel Christoph|Albert Schumann|ADB:Klüpfel, Emanuel Christoph}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=102494290}}    

Klüpfel: Emanuel Christoph K., Begründer des „Gothaischen Hofkalenders“ und anderer litterarischer Unternehmungen, geb. den 29. Jan. 1712 zu Hattenhofen in Württemberg, besuchte mehrere Klosterschulen und studirte seit 1731 Theologie in Tübingen, wo er sich auch 1733 den Magistertitel erwarb. 1735 wurde er ordinirt und 1741 von dem Vorstande der deutsch-lutherischen Kirche in Genf als erster Pfarrer berufen. Hier lernte ihn einige Jahre später der Baron v. Thun kennen, welcher den Erbprinzen Friedrich zu Sachsen-Gotha († 1756) als Oberhofmeister nach dieser Stadt begleitet hatte. Durch die einnehmende Persönlichkeit des jungen Theologen gewonnen, vermittelte er dessen Anstellung als Instruktor des Prinzen mit dem Titel eines Reisepredigers, und in dieser Eigenschaft folgte K. 1747 seinem fürstlichen Zöglinge nach Paris, wo er durch eifriges Studium und den Verkehr mit bedeutenden Männern eine ungewöhnliche Kenntniß der französischen Sprache und Litteratur gewann und sich zugleich mit den Umgangsformen der gebildeten Gesellschaft vertraut machte. Als er dann 1750 den Erbprinzen nach Gotha begleitete, erregten diese Vorzüge sehr bald die Aufmerksamkeit der Herzogin Luise Dorothea (s. d.) und ihrer Freundin Juliane Franziska v. Buchwald (Bd. III. S. 494). Beide geistreiche Frauen würdigten ihn der Aufnahme in ihren engeren Zirkel, und ihrer Gunst verdankte er noch im gleichen Jahre die Ernennung zum Sousgouverneur des Erbprinzen mit dem Titel eines Kirchenrathes. Zwei Jahre darauf zum Oberkonsistorialrath befördert, vermählte er sich 1753 mit einem adelichen Fräulein. So glücklich diese Ehe auch viele Jahre hindurch war, so bereitete sie ihm doch in seiner letzten Lebenszeit bitteren Kummer, da seine Gattin nach einer Krankheit von einer unheilbaren Geisteszerrüttung befallen wurde. 1775 stieg er zur Würde eines Vicepräsidenten und Vorsitzenden des Oberconsistoriums empor, starb aber schon den 21. Nov. 1776 nach einem schmerzlosen Leiden, das in wenigen Wochen seine körperlichen Kräfte verzehrte, während sein Geist bis zuletzt ungeschwächt blieb. – Zu dem als „Gothaischer genealogischer Hofkalender“ bisher fortdauernden im J. 1763 ins Leben gerufenen Unternehmen wurde K. durch zwei inländische Vorbilder angeregt: durch den von Wilhelm v. Rotberg († 1795 als gothaischer Minister, Oberhofmeister und Kammerpräsident) nach dem Muster der französischen Etrennes herausgegebenen „Almanac nécessaire“, ein Büchlein von 20 Blättern, welches außer dem astronomischen Kalender allerlei in Kupfer gestochene Tabellen enthielt, und durch den „Gothaischen Genealogischen und Schreib-Calender“, in welchem neben einem Calendarium und vielerlei gemeinnützigen Angaben auch eine Uebersicht der fürstlichen Häuser zu finden war. Indem nun K. hinsichtlich der französischen Sprache und der Ausstattung sich an das erste, in der Mannichfaltigkeit des Inhaltes aber an das zweite Werkchen anlehnte, veröffentlichte er dann mit Beihilfe von Rotberg’s seinen neuen „Almanac de Gotha, contenant diverses connoissances curieuses et utiles pour l’Année bisextile M.DCC.LIV“ (Gotha, Reyher). Derselbe enthält ein Calendarium, die Geburtstage des Hauses Sachsen-Gotha, ein genealogisches Verzeichniß der regierenden Fürsten Europas, eine chronologische Tabelle der römischen Kaiser von Karl dem Großen bis auf Franz I., Beiträge über astronomische und physikalische Merkwürdigkeiten, über die Kenntniß der Edelsteine, über das Verhältniß des Goldes zum Silber etc. [256] Der glückliche Erfolg dieses ersten Versuches ermuthigte zur Fortsetzung, und schon für das nächste Jahr ließ K. neben der französischen Ausgabe auch eine deutsche erscheinen: „Gothaischer Kalender, zum Nutzen und Vergnügen eingericht auf das Jahr 1765“, wofür dann 1766 „Gothaischer Hof-Kalender“ etc. gesetzt wurde. Bereits im zweiten Jahrgange hat sich die Seitenzahl nahezu verdoppelt, und neben den aus dem ersten herübergenommenen Abschnitten ist hier namentlich ein vollständiges „Genealogisches Verzeichniß der jetztlebenden vornehmsten hohen Personen in Europa“, also nicht blos der regierenden, mitgetheilt. Seit 1768 wurden dann auch zwischen den Blättern des Calendariums Kupfer beigefügt, zuerst aus dem allegorischen und mythologischen Gebiete, seit 1774 aber meist nach beliebten Theaterstücken und Romanen. Am Verlage des Kalenders hatte seit 1765 Joh. Christian Dieterich (Bd. V, S. 156) Antheil; 1766 übernahm er denselben allein und führte ihn bis 1776 fort. Als er in diesem Jahre mit seiner Buchhandlung ganz nach Göttingen übersiedelte, gab er dort nach dem Muster des Hofkalenders einen „Göttinger Almanach“ heraus, während jener in den Verlag von C. W. Ettinger überging. – Außerdem entstanden durch Klüpfel’s Anregung und Mithülfe noch zwei andere periodische Werke, welche ebenfalls nach seinem Tode ihren Fortgang nahmen. Das eine sind die seit Februar 1774 von Ludw. Chr. Lichtenberg (s. d.), Schack Herm. Ewald (s. Bd. VI, S. 446 u. Bd. XIII, S. 792), H. A. O. Reichard (s. d.) und dem Pagenhofmeister Joh. Wilh. Dumpf redigierten „Gothaischen gelehrten Zeitungen“, welche die behandelten Schriften nicht sowol kritisch besprachen, als vielmehr durch zweckmäßige Auszüge dem Leser ein eigenes Urtheil zu ermöglichen suchten. Das Blatt erwarb sich bald einen geachteten Namen und hat, besonders durch das Verdienst seines Verlegers Ettinger, bis 1804 fortgedauert. Die andere Zeitschrift, welche seit 1775 unter Klüpfel’s Aegide von Reichard besorgt wurde, war eine französische und führte in den zwei ersten Bänden (Jahrgängen) den Titel „Nouveau Mercure de France“. Nach dem beigegebenen Prospekte sollte sie „außer ungedruckten Stücken das Beste aus französischen Journalen und anderen litterarischen Blättern“ enthalten. Jede der sechs jährlichen Nummern brachte neben poetischen Beiträgen: Biographien, Reisebeschreibungen, Naturgeschichtliches, neue Entdeckungen in den Künsten, Anekdoten, Pariser Theaterstücke mit ihrer Analyse, hübsche Singweisen der komischen Oper u. A. Nach Klüpfel’s Tode setzte Reichard den Mercure unter thätiger Mitwirkung des Barons v. Grimm (Bd. IX, S. 676) noch bis 1796 fort, zuerst als Journal de Lecture, dann als Cahiers de Lecture und im letzten Jahre seines Bestehens als Nouveaux Cahiers de Lecture. – K. war, wie schon aus dem bisher Mitgetheilten hervorgeht, ein Mann von vielseitigen Kenntnissen. Das Lateinische, Französische, Italienische und Englische kannte er genau und übersetzte aus diesen Sprachen mit Leichtigkeit und Verständniß. Nach außen und in seiner engeren Heimath suchte er Wissenschaft und Bildung möglichst zu fördern, und es ist nicht zum wenigsten sein Verdienst, daß in dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts das kleine Gotha eines ansehnlichen litterarischen Rufes genoß. Im Auftrage des vortrefflichen Herzogs Ernst II. (Bd. VI, S. 308) wirkte er in seinen letzten Lebensjahren bei der Neugestaltung und Verbesserung des gothaischen Gymnasiums mit, das sich seitdem zu neuer Blüthe erhob, und obwol von Hause aus Theolog, war er doch so vorurtheilsfrei, daß er sogar bei der Umwandlung der Seyler’schen Truppe in eine Hoftheatergesellschaft seinen gewichtigen Einfluß geltend machte. Im Verkehre mit Anderen zuvorkommend und wahrhaft human, ohne Neid und Pedanterie, dabei ein Meister des feinen gesellschaftlichen Tones, war er ein ebenso gern gesehener Gast bei Hofe, wie in bürgerlichen Kreisen.

[257] Gothaische gelehrte Zeitungen auf das Jahr 1776. Gotha, Ettinger. 98. Stück vom 7. Decbr., S. 801–804. (Der ungenannte Verfasser dieses Nekrologs ist Hans Wilh. v. Thümmel, Bruder des Humoristen.) – Fr. C. G. Hirsching, Histor.-litterarisches Handbuch, 3. Bd., 2. Abth., Leipzig 1797, S. 301–303. – Meusel, Lexikon, VI. 101–102. – Rotermund, Fortsetzung zu Jöcher III. 527. – A. Beck, Ernst der Zweite, Herzog zu Sachsen-Gotha und Altenburg, Gotha 1854, S. 130. – H. A. O. Reichard (1751 bis 1828). Seine Selbstbiographie überarbeitet u. herausgegeben von Herm. Uhde, Stuttg. 1877, S. 36–42, 129, 130, 151. – Ueber die Entstehung des Hofkalenders vgl.: Gothaischer genealogischer Kalender auf das J. 1816, 53. Jahrgang, Gotha, Just. Perthes, S. 2–4 (Verfasser: Karl Adolf v. Hoff) und Gothaischer genealogischer Hofkalender auf das J. 1863, 100. Jahrg., ebenda, S. V–VIII u. XVIII. (Unrichtig ist die Annahme von E. Kelchner in Bd. V, S. 156 der A. D. B., daß der Buchhändler Joh. Chr. Dieterich 1766 den Almanac de Gotha begründet habe.)