ADB:Hohenzollern-Sigmaringen, Karl Anton Fürst von

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Artikel „Hohenzollern-Sigmaringen, Karl Anton Fürst von“ von Herman Granier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 44–52, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hohenzollern-Sigmaringen,_Karl_Anton_F%C3%BCrst_von&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 01:27 Uhr UTC)
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Karl Anton Joachim Zephyrin Friedrich Mainrad, Fürst von Hohenzollern, geboren am 7. September 1811 zu Schloß Krauchenwies bei Sigmaringen, † am 2. Juni 1885 zu Sigmaringen, Sohn des Erbprinzen, dann Fürsten Karl von Hohenzollern-Sigmaringen aus seiner 1808 zu Paris [45] geschlossenen Ehe mit der Antonia Maria, Prinzessin Murat, einer Nichte Joachim Murat’s, der außerdem drei Töchter entsprossen. Eine sehr sorgfältige Erziehung ward ihm zu Theil: unter seinen häuslichen Lehrern wird der Geistliche Rath Emele hervorgehoben; im Jahre 1823 kam er auf das Gymnasium zu Regensburg, wo er den Religionsunterricht des Generalvicars Heinrich Friedrich Sailer (s. A. D. B. XXX, 177 ff.), des späteren Bischofs, genoß und im Hause der Fürstin Therese von Thurn und Taxis, der Schwester der Königin Luise von Preußen, Aufnahme fand. Das Jahr 1826 verbrachte er auf dem Lyceum zu Rastatt, und studirte dann drei Jahre lang auf der Akademie zu Genf, wo er den Griechen Kapo d’Istrias, den Schweizer General Dufour kennen lernte. Im Sommersemester 1829 bezog er die Universität Tübingen und ging dann nach Göttingen, wo er nach Schluß der Universität infolge des revolutionären Putsches vom Januar 1831 noch Privatvorlesungen hörte; hier traf er mit dem Kronprinzen Maximilian von Baiern zusammen. Bei einem sich anschließenden Aufenthalte in Berlin wurde er von dem Oberst Wagner, dem bekannten Ingenieur, Mitgliede der Militär-Studiencommission, in den Militärwissenschaften und im Staatsrechte unterrichtet; hier kam er zuerst mit dem Prinzen Wilhelm von Preußen in freundschaftliche Berührung. So vielseitig ausgebildet kehrte er nach Sigmaringen zurück, wo ihm sein Vater den lebhaften Antheil an seinem Bildungsgange durch die Schrift bekundete: „Ansichten und Anleitung über das Leben mit besonderer Berücksichtigung auf Stand und Beruf. Von Karl zu Hohenzollern-Sigmaringen seinem einzigen Sohn gewidmet an dessen zwanzigstem Geburtstage 1831“, die Erfahrungen und Erinnerungen des eignen Lebens in belehrender Form dem Sohne übermittelte.

In Sigmaringen widmete sich der nunmehrige Erbprinz – im October 1831 folgte sein Vater dem Fürsten Anton Aloys in der Regierung – den Verwaltungsgeschäften, namentlich der kleinen Militärmacht: die beiden Fürstenthümer Hohenzollern stellten mit dem Fürstenthum Lichtenstein zusammen ein Bataillon Infanterie.

Am 21. October 1834 vermählte sich K. A. – zum badischen Generalmajor ernannt – zu Karlsruhe mit der Prinzessin Josephine Friederike Luise von Baden, der zweiten Tochter des Großherzogs Karl Ludwig und der Stephanie Beauharnais, der Adoptivtochter Napoleon’s I. Vier Söhne und zwei Töchter entsprossen dieser glücklichen Ehe; nach einigen Jahren trat die Erbprinzessin zum katholischen Glauben ihres Gatten über.

Die im Juli 1833 verkündete „Verfassung“ des Fürstenthums hatte K. A. zum Mitarbeiter. Diese Verfassung aber und die wohlwollende Verwaltung hinderten nicht, daß im März 1848 auch hier die Staatsgewalt der revolutionären Bewegung erlag. Fürst Karl übergab bereits im März beim ersten Aufflackern der Empörung dem Sohne als „Vollmachthaber“ die Leitung der Geschäfte, und trat ihm am 27. August 1848 die Regierung förmlich ab. Aber auch die liberalen Maßnahmen, die der neue Fürst aus voller Ueberzeugung traf, hinderten nicht den Fortgang der Bewegung, die in der Bildung eines revolutionären „Sicherheitsausschusses“ unter Führung eines Advocaten gipfelte, worauf K. A. am 27. September sein Fürstenthum verließ, bis er am 10. October 1848 mit Hülfe bairischer Truppen die Ordnung wieder herstellen konnte.

Diese Erfahrungen, dieser Undank, der seine besten Absichten gelohnt, reiften in K. A. den Entschluß, der Regierung des Fürstenthums, der Souveränität, zu entsagen, ein Entschluß, den bereits sein Vater im April 1848 ernstlich ins Auge gefaßt hatte. K. A. ging selbst nach Frankfurt a. M., um [46] mit der, mit den Rechten und Pflichten der ehemaligen Bundesversammlung bekleideten, deutschen provisorischen Centralgewalt – die von sich aus schon die Mediatisirung der Fürstenthümer Hohenzollern erwogen hatte – über die Bedingungen der Abtretung zu verhandeln. Im December 1848 richtete er direct an die preußische Regierung die Aufforderung, Hohenzollern in den Besitz der Krone Preußen zu übernehmen, wie es die trotz sechshundertjähriger Trennung nicht vergessene Stammesverwandtschaft und wiederholte Erbeinigungsverträge geboten, und reiste am 20. December selbst nach Berlin zur Förderung seines Antrages. Zwingend erschienen die anarchischen Bestrebungen, die in Hohenzollern dauernd zu bleiben drohten, ohne daß die eigene Macht zu ihrer Niederdrückung ausreichte, während zu einer wahrhaft constitutionellen Regierung, wie sie K. A. aufrichtig erstrebte, die absolut nöthige Summe von Intelligenz für die Ständekammer in dem Ländchen nicht zu finden war; ferner die Finanzzustände, die bei der geringen, fast nur feldbauenden Bevölkerung, trotz mäßiger Steuern und unbedeutender Schuldenlast eine gedeihliche Entwicklung nicht versprachen, zumal wenn die von der Reichsverfassung geforderten organischen Einrichtungen, Trennung der Justiz von der Verwaltung, Erhöhung des Militärcontingents von 360 auf 920 Mann, durchgeführt werden sollten; besonders aber die Unsicherheit über die fürstlichen Domänen, welche die Verfassung von 1833 zwar als Fideicommiß anerkannt hatte, ohne aber festzusetzen, was als Bestandtheil des Domanialvermögens anzusehen sei, sodaß der Fürst die trostlose Alternative hatte: entweder beständige Fehde mit den Ständen um seinen Besitz, oder Verzicht auf die Domänen gegen eine Civilliste, die vielleicht von Anfang an ungenügend blieb.

So fest entschlossen war K. A., die Regierung für sich und seine Nachkommen niederzulegen, daß er im Falle der Ablehnung Preußens vom Könige Friedrich Wilhelm IV. die agnatische Zustimmung erbat zur Fortsetzung der Verhandlungen mit der Centralgewalt zum Behufe der Einverleibung des Fürstenthums in einen der Nachbarstaaten.

Noch ehe die Verhandlungen mit Preußen abgeschlossen waren, zog der badische Aufstand von 1849 die Hohenzollernschen Lande von neuem in die revolutionären Kreise, und zum zweiten Male verließ K. A. sein Land, das Ende Juli 1849 von Truppen des Prinzen von Preußen, der vor Rastatt stand, besetzt wurde, bereits im Bewußtsein der nun eintretenden Souveränität Preußens in „jenem interessanten und wichtigen Ländchen“, dieses „so wichtigen politischen Actes“, wie der Prinz schreibt. Der Abtretungsvertrag selbst wurde zu Berlin am 7. December 1849 abgeschlossen, und von K. A. am 5. Februar 1850 ratificirt. Sein Verzicht hatte auch die gleichzeitige Abtretung des Fürstenthums Hohenzollern-Hechingen an Preußen durch dessen kinderlosen Fürsten Friedrich Wilhelm Konstantin, dessen Erbe K. A. gewesen wäre, zur Folge. Die Hauptbedingung der Abtretung war die Sicherung der von der Fürstlichen Hofkammer verwalteten Güter etc. „als wahres Fürstlich Hohenzollernsches Stamm- und Fidei-Commiß-Vermögen“, das, ebenso wie das fürstliche Allodialvermögen, im Besitze des regierenden Fürsten bleiben sollte. Auch wurde K. A. eine Jahresrente von 75 000 Thalern „als Entschädigung“ zugebilligt. Sein Titel, bisher „Durchlaucht“, war „Hoheit“, den König Wilhelm bei der Krönungsfeier am 18. October 1861 in „Königliche Hoheit“ verwandelte. Nach dem Tode des Fürsten von Hechingen am 3. September 1869 nannte sich K. A. „Fürst von Hohenzollern“ ohne den Zusatz „Sigmaringen“.

Ueber die Misère der revolutionären Zustände durfte K. A. das Bewußtsein erheben, daß er mit diesem Auslöschen seines Minimalstaates einen Schritt vorwärts that auf der Bahn zu Deutschlands Einheit, seiner Größe, seiner [47] Macht; diesem Gedanken gab er bei der feierlichen Uebergabe des Landes am 6. April 1850 mit schönen Worten Ausdruck: „Soll der heißeste Wunsch meines Herzens, soll das Verlangen aller wahren Vaterlandsfreunde erfüllt werden, soll die Einheit Deutschlands aus dem Reiche der Träume in Wirklichkeit treten, so darf kein Opfer zu groß sein; ich lege hiermit das größte, welches ich bringen kann, auf dem Altare des Vaterlandes nieder“.

Auch mit seiner Person stellte sich K. A. in den Dienst des neuen Vaterlandes, seinen soldatischen Neigungen gemäß. Bereits im November 1849 zum preußischen Generalmajor und zum Chef des 26. Infanterieregiments, das im Juli Hohenzollern besetzt hatte, ernannt, wurde er im Mai 1850 der 12. Division zu Neisse in Schlesien beigeordnet, wo er in der alten Fürstbischöflichen Residenz seine Hofhaltung aufschlug, hier, wie auch späterhin überall, eine weitgehende Gastlichkeit als echter Grand Seigneur entfaltend. Am 17. April 1851 erhielt er ebendort das Commando der 12. Infanteriebrigade, am 15. April 1852 das der 14. Division in Düsseldorf; am 22. März 1853 wurde er Generallieutenant. Schloß „Jägerhof“ bei Düsseldorf wurde nun für viele Jahre der eigentliche Wohnsitz der fürstlichen Familie, die dort in weiten Kreisen der Bevölkerung große Beliebtheit gewann, wozu Karl Anton’s mit Liebe und Verständniß gepflegten künstlerischen Bestrebungen wesentlichen Antheil hatten. Im Sommer siedelte K. A. gewöhnlich nach seiner schönen Schweizer Besitzung, der Weinburg bei Rheineck am Bodensee, über. Neben seinen militärischen Pflichten – über deren Erfüllung der Prinz von Preußen 1857 urtheilt: „Fürst Hohenzollern hat im Ganzen sehr gut manoeverirt“ – wurden K. A. mehrfach diplomatische Aufträge zu Theil, wiederholte Sendungen nach Paris zu Napoleon III., der dem Fürsten bei ihren verwandtschaftlichen Verbindungen – auch eine Schwester Karl Anton’s, Friederike, war dem italienischen Staatsmanne Joachim Napoleon Pepoli, einem Enkel Joachim Murat’s, vermählt – wohlgeneigt war.

Von besonderem Werthe wurde dieser Aufenthalt am Rheine für K. A. durch vielfachen Verkehr mit dem Prinzen von Preußen, der als Militärgouverneur der Provinzen Rheinland und Westfalen in Koblenz residirte. In wesentlichen Anschauungen übereinstimmend flößte K. A. dem Prinzen eine so hohe Werthschätzung und solches Vertrauen ein, daß er dazu berufen ward, in der mit dem Antritte der Regentschaft durch den Prinzen von Preußen anhebenden „Neuen Aera“ eine hervorragende Rolle zu übernehmen: am 5. November 1858 berief ihn der Prinz-Regent an Stelle des Frhrn. v. Manteuffel zum Präsidenten des Staatsministeriums.

Wie das ganze „Ministerium der Neuen Aera“, so wurde K. A., „der ehrenwerthe, patriotische und wahrhaft gebildete Fürst“, ausgestattet mit „Weite und Unbefangenheit des Blicks“, dabei „eine ehrliche Soldaten-Seele wie Wenige“, mit großen Erwartungen willkommen geheißen, namentlich auch für die deutsche Politik Preußens. Aber bereits in der äußeren Politik gegenüber dem italienischen Kriege von 1859 vermochte K. A. nicht die Dinge nach seinem Willen zu zwingen, und in der großen Frage der inneren Politik, der Armeereorganisation, bei der er Roon „eine treue Stütze“ war, versagten bei dem „politischen Unverstande“ seiner Partei, der Liberalen, den „großen Kindern“, seine politischen Mittel. Daß K. A. persönlich „über die neue Armeeorganisation fiel“, läßt sich doch nicht sagen, so pikant die „Vorbedeutung“ auch ist: „er werde von den Fahnen gestürzt werden“, die daran anknüpfte, daß ihn bei der Krönungsfeier zu Königsberg die mit ihrem Stockständer umkippenden Fahnen der Armee unter ihrem Gewichte begruben. Niemand hat besser erkannt, woran sein bestes Streben scheitern mußte, als K. A. selber: „Um auf der politischen [48] Schaubühne wirksam auftreten zu können, muß zunächst das Gefühl der Sicherheit, der Gewißheit und der Erkenntniß der eigenen Kraft und Tüchtigkeit vorherrschen. Dieses Gefühl mangelt mir gänzlich, und die Ueberzeugung, die ich von meiner Unzulänglichkeit habe, ist das Bleigewicht, welches ununterbrochen bis heute (1861) auf meiner Stellung gelastet hat. Ich werde also weder wirken noch nützen können, und zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil mein Bischen Verstand meinem Herzen ganz unterthan ist. Herz und Gemüth treiben mich zum Könige, weil vielleicht Niemand mehr als ich die unerschöpfliche Fundgrube des edlen und wahren königlichen Herzens zu würdigen vermag. In ihm wohnen nur Weisheit und Güte, und diese Eigenschaften lähmen vollständig die geringe Thatkraft, über welche ich gebieten kann. Um gründlich zu helfen, gehört aber dem Könige gegenüber ein eiserner Charakter, der, rücksichtslos die edlen Seiten desselben ignorirend oder ihnen Schach bietend, auf das Ziel hinarbeitet, welches als das dem Staatswohle entsprechende anerkannt wird“.

Nicht ohne Einfluß war auch der wankende Gesundheitszustand des Fürsten: nach dem jähen Tode seiner ältesten Tochter Stephanie im Juli 1859, die erst im Mai 1858 dem Könige Dom Pedro von Portugal vermählt worden war – seine zweite Tochter Marie Louise heirathete 1867 den Grafen Philipp von Flandern – trat ein gichtisches Fußleiden hervor, dessen Grund eine Erkältung bei einem französischen Seemanöver gelegt hatte. Nach mehrfachen längeren Beurlaubungen, u. a. nach Hyères am Mittelmeer, wo er im Winter 1861/62 schwer erkrankte, trat er im März 1862 von den Ministerpräsidiumsgeschäften zurück; am 22. September 1862 enthob ihn König Wilhelm in einem überaus warmen, anerkennenden Schreiben definitiv seiner Stellung. Dies Schreiben trägt die Gegenzeichnung Bismarck’s: die „Neue Aera“ war vorüber, das Zeitalter Bismarck’s stieg herauf. Es ist ein Ehrentitel für K. A., daß auch er, trotz anfänglichen Zögerns „den Bock zum Gärtner zu setzen“, schließlich doch dem Könige den Namen Bismarck’s – den er zuerst bei der Warschauer Entrevue vom October 1860 eingehend kennen gelernt hatte – als Minister des Aeußeren nannte: „wenn es auf Talent, Muth und Kenntniß ankäme“; er hätte noch hinzusetzen können, daß Bismarck das besaß, was ihm fehlte: die leidenschaftliche Lust, die Dinge zu beherrschen, staatsmännischen Ehrgeiz in höchster Potenz, während K. A. nicht so sehr aus Neigung, als viemehr aus Pflichtgefühl in die politische Arena trat. Freilich theilte K. A. in der Conflictszeit die ablehnende Haltung des Kronprinzen gegen Bismarck, um doch schließlich zu dem Endurtheile zu kommen: „Ich bin kein unbedingter Lobredner Bismarck’s, allein er ist für Deutschland und Preußen unentbehrlich und geht nur nach großen Zielen und Zwecken“.

So kehrte K. A. in seinen militärischen Wirkungskreis nach Düsseldorf zurück, wo seine Familie überhaupt verblieben war. Bereits am 22. November 1858 war er zum commandirenden General des VII. Armeecorps ernannt, am 31. Mai 1859 zum General der Infanterie befördert worden; am 14. Juli 1859 wurde er Militärgouverneur von Westfalen. Von dem Commando des Armeecorps wurde er auf seinen Antrag am 28. Juni 1860 wieder entbunden, doch wurde er am 17. März 1863 zum Militärgouverneur auch der Rheinlande, am 7. April 1863 zum Mitgliede der Ingenieurcommission ernannt, so daß er wohl Gelegenheit hatte, seiner ausgesprochenen Vorliebe für militärische Thätigkeit zu leben, soweit ihm sein immer steigendes Fußleiden das gestattete, das ihn bei regster geistiger Frische vorzeitig zum „Invaliden“ zu machen drohte. Doch besuchte er im Herbst 1863 das Lager von Châlons und konnte im Feldzuge von 1864 immerhin noch im Hauptquartiere Wrangel’s [49] „zeitweise anwesend“ sein, wo er u. a. mit dem Kronprinzen zusammen vor Fredericia recognoscirte. Auch sein Sohn Karl befand sich beim Obercommando als Ordonnanzofficier des Kronprinzen. Nach dem Wiener Frieden ward er mit der Vertretung des Königs beim Einzuge der österreichischen Truppen in Wien betraut.

Während des Feldzuges von 1866 hatte K. A. die nicht leichte Aufgabe, mit sehr geringer Truppenzahl von seinem Hauptquartiere Koblenz aus die Operationen der Mainarmee im Rücken zu sichern; der König lohnte seine Verdienste mit dem pour le mérite: nur als Sterbenden schmückte die gleiche Auszeichnung seinen dritten Sohn Anton, der als Lieutenant im 1. Garderegiment zu Fuß auf dem Schlachtfelde von Königgrätz tödtlich verwundet worden war; „er soll enorm brav gewesen sein“ schrieb der König an die Königin. Der Erbprinz Leopold, als Oberstlieutenant im Hauptquartiere des Kronprinzen, erwarb sich das Ritterkreuz mit Schwertern des Königlichen Hausordens von Hohenzollern.

War K. A. bisher bei den großen deutschen Fragen der Revolution und der inneren Politik Preußens in erster Linie betheiligt gewesen, so trat er jetzt auch mit den großen europäischen Fragen in engste Berührung: mit der Orientfrages und mit der Vorgeschichte des deutsch-französischen Krieges.

Kurz vor Ausbruch des Krieges von 1866 wurde Karl Anton’s zweiter Sohn Karl, Premierlieutenant im preußischen 2. Garde-Dragonerregiment, zum Fürsten von Rumänien gewählt, und gestützt und geleitet vom Rathe des Vaters, der bei aller Unsicherheit der Verhältnisse doch die Möglichkeit einer großen Zukunft für sein Haus in diesem Rufe erkannte, war er dorthin gegangen. Als der Sohn kraft seiner inneren Tüchtigkeit in mühevoller Arbeit sein Fürstenthum erst selbst zum Staate geschaffen und dann auf dem blutigen Felde vor Plewna die Königskrone errungen, hatte K. A. die stolze Freude, daß sein Geschlecht, dessen Stammsitz die junge Donau umspüle, nun auch die Mündungen des gewaltigen Stromes beherrsche. Die Sorge für diesen Sohn beanspruchte dauernd Karl Anton’s Gedanken, und mit kluger Umsicht wußte er seine weitreichenden Verbindungen – von König Wilhelm und Napoleon bis zum „Publicisten“ Geffcken und Bankier Bleichroeder – zum Vortheile Rumäniens einzusetzen. Je mehr ihn das Fortschreiten seines Leidens an äußerer Bewegung hinderte, desto intensiver hielt er an geistigem Zusammenhange durch regen Briefwechsel fest, der freilich vorzugsweise auf Conjecturalpolitik angewiesen war, aus dem aber durchweg ein klares, gesundes und unbefangenes Urtheil hervorleuchtet, das sein stark ausgeprägter Familiensinn keineswegs trübte.

Die rumänische Sache war den Hohenzollern nicht zum letzten durch das stillschweigende Einverständniß mit dem Kaiser Napoleon geglückt. Bei der zweiten, ungleich wichtigeren Exspectanz, die sich Karl Anton’s Familie zeigte, der spanischen Throncandidatur, war diese Prämisse nicht zu gewinnen. K. A. sah nach 1866 „die Décadence der Napoleoniden nicht in zu weiter Ferne“; er hielt Frankreich einem geeinten Deutschland für nicht gewachsen und glaubte daher an Erhaltung des Friedens. Immerhin war er, als zuerst die spanische Krone seinem ältesten Sohne, dem mit der portugiesischen Infantin Antonia Maria vermählten Erbprinzen Leopold, angetragen wurde, doch dafür, Napoleon zu sondiren, was aber wegen der Sorge der Spanier vor vorzeitiger Bekanntwerdung und wol auch auf Bismarck’s Abrathen unterblieb. Ganz klar liegt dieser Punkt heute noch nicht; Bismarck war wol der Ansicht, daß eine Abweisung durch Napoleon die an sich so gute Sache von vorn herein [50] unmöglich mache, während sich Napoleon bei seinen nahen Beziehungen zu den Hohenzollern dem fait accompli der Wahl gegenüber möglicherweise zu einem Geschehenlassen verstehen werde.

Während nun der Erbprinz bei den vor Augen liegenden Schwierigkeiten sehr wenig für die Candidatur gestimmt, und König Wilhelm – der als Chef des Gesammthauses Hohenzollern wol befragt werden mußte, wenn auch die Entscheidung bei K. A. stand, dem Familienoberhaupte der fürstlichen Linie – der Candidatur abhold, sie höchstens nicht zu verbieten, keineswegs sie zu fördern gewillt war, traten K. A. nach leichtem Schwanken, und Bismarck von Anfang an fördernd und treibend auf den Plan, jener zunächst aus dynastischen, dieser aus politischen Gründen. Und hätte K. A. nicht den hohen Einsatz, den eigenen Sohn – nahe genug lag doch der Gedanke an das Schicksal Maximilian’s von Mexiko – wagen, den „großen historischen Moment für das Haus Hohenzollern, wie er noch niemals dagewesen, wohl niemals wiederkehren wird“ ungenutzt vorüber lassen sollen? Nicht Eitelkeit war es, die ihn blendete: „es sind nicht die Vorzüge unsrer Dynastie – zu solcher Ueberhebung sind wir nicht berechtigt – sondern bloß die Abwesenheit gewisser Mängel, die uns eine historische Stellung zuweist“. Und hoch über den dynastischen Interessen stand auch ihm das Wohl des Vaterlandes. Als des Sohnes Widerstreben zu des Vaters Genugthuung überwunden schien, da war doch K. A. der erste, auf diese große Aussicht zu verzichten, sowie er erfuhr, daß sein ursprüngliches Bedenken wegen ungünstiger Aufnahme in Frankreich nur zu berechtigt war; grade diesen raschen Entschluß rechnete er sich zu wahrem Verdienste an: „Dadurch daß ich im richtigen Augenblick den französischen Kriegsvorwand durch die Veröffentlichung der Entsagung neutralisirt habe, ist vielleicht der preußisch-französische Krieg populär, d. h. ein deutscher Krieg geworden. Durch einige Verzögerung meinerseits hätte der Krieg eine dynastische Färbung bekommen, und ganz Süddeutschland hätte Preußen in Stich gelassen“. Der correcten und patriotischen Haltung Karl Anton’s auch hierbei wird volle Anerkennung gezollt werden dürfen, ohne doch diesem Schlusse beizutreten: es wird dabei bleiben, daß Bismarck’s Emser Depesche dem Kriege den nationalen Stempel aufgeprägt hat.

Karl Anton’s körperliches Leiden verbot ihm jede active Betheiligung an diesem Kriege; auch der Erfüllung seiner heißesten Wünsche, der Kaiserproclamation zu Versailles, mußte er fern bleiben. Zwei seiner Söhne aber zogen mit ins Feld, der Erbprinz Leopold im Hauptquartiere der Armee des Kronprinzen, und der vierte Sohn Friedrich als Rittmeister im 2. Gardedragonerregiment. Schmerzlich lastete dieses erzwungene Stillsitzen auf K. A.: „Mein militärisches Wissen und Können ist durch meine Invalidität auf die härteste Probe gestellt – ich muß zurückbleiben, wo alle Geschlechter Deutschlands ihren höchsten Ehrgeiz darin finden, Blut und Leben für Deutschlands Ehre einzusetzen. Ich höre bloß von Lazaretten, Johannitern und Charpie sprechen – alles schöne Dinge, aber für mich eine entsetzliche Qual. Sowie die Campagne aus ist, reiche ich meinen Abschied ein – es ist nicht möglich, der Armee anzugehören, ohne Lorbeer und Gefahr mit ihr getheilt zu haben“.

Diesen Entschluß führte er auch aus: am 15. April 1871 wurde er von dem Posten als Militärgouverneur entbunden, nur das Amt als stellvertretender Präses der Landesvertheidigungscommission, zu dem er am 9. Januar 1868 berufen worden war, behielt er fortan noch bei. Am 15. September 1877 wurde er zum Chef des Hohenzollernschen Füsilierregiments Nr. 40 ernannt, das jetzt seit dem 27. Januar 1889 seinen Namen: „Fürst Karl Anton von Hohenzollern“ trägt.

[51] Im Juli 1871 verließ K. A. Düsseldorf, um seinen ständigen Aufenthalt auf dem Residenzschlosse zu Sigmaringen zu nehmen. Anschaulich schildert er sein Leben dort: „Bei meiner sonstigen Invalidität ist es für mich eine Genugthuung, daß ich geistig stets jung und frisch bleibe. Der große Umfang meiner Geschäfte gibt mir neben der Korrespondenz nach auswärts den Tag über viel zu thun. Auch mein sehr gut assortirter Stall macht mir viel Freude, und anstatt zu reiten, was ich nicht mehr kann, kutschire ich selber meine Pferde. Noch keinen Moment habe ich es bereut, in meine alte Heimath zurückgekehrt zu sein. Das Eigenthum hat doch seinen großen Reiz und das Gefühl unabhängiger Existenz läßt sich durch nichts anderes ersetzen, namentlich, wenn man unfähig zur Erfüllung anderer Pflichten geworden ist“.

Als guter Hauswirth hatte K. A. seinen Besitz sehr ansehnlich vermehrt: über Baden, Baiern, Böhmen, Holland, Württemberg, die Schweiz, Brandenburg, Pommern, Posen und Schlesien waren seine Liegenschaften zerstreut. Die Pflege dieser Besitzungen war ihm eine Freude, namentlich der Ausbau des Sigmaringer Residenzschlosses, wie er vordem die mit Preußen gemeinsam im J. 1842 unternommene Wiederherstellung der Stammburg Hohenzollern mit besonderem Interesse gefördert hatte. Die feierliche Einweihung dieses „gemeinschaftlichen Haus- und Familien-Eigenthums“ fand am 3. October 1867 statt. Ueber die von K. A. im Residenzschlosse eingerichtete „Kunsthalle“ für alte Gemälde und alte kunstgewerbliche Gegenstände, urtheilte der Kronprinz: „Selten sah ich etwas so künstlerisch angeordnet“; auch Waffensammlung, Münzcabinet und Hofbibliothek entstanden unter Karl Anton’s sachkundiger Fürsorge – „unschuldige Zerstreuungen, die ich mir bei meiner sonstigen Bewegungsunfähigkeit gönne“. Aber auch als wirklicher Mäcenas förderte er die Kunst, indem er manchem aufstrebenden Talente die Mittel zu seiner Ausbildung darbot, wie denn überhaupt vornehme Wohlthätigkeit als wesentlicher Zug zu seinem Charakterbilde gehört.

K. A. war ein Katholik mit ausgesprochen kirchlicher Richtung, wie er auch seinen Kindern einprägte: „die kirchlichen Pflichten streng zu erfüllen, aber so, daß die todte Form niemals die innere Wesenheit überwuchere“. Als ihm von Verheirathung seiner Tochter mit dem Prinzen von Wales gesprochen wurde, erklärte er: „er könne sie nicht protestantisch werden lassen“ – ein schöner Zug confessionellen Ehrgefühls. Ebenso wich er einem von der Kaiserin Eugenie angeregten Heirathsprojecte seiner Tochter mit dem italienischen Kronprinzen aus, um seine guten Beziehungen zum Papste nicht zu stören. Aber er war ein entschiedener und bewußter Gegner ultramontaner politischer Machtbestrebungen; wie er in Frankreich das Schüren der Clerikalen zum Kriege mit Preußen seit 1866 mit Besorgniß verfolgte, so erkannte er auch nach 1871 die Gefahr, daß die ultramontane Partei gegen das neue deutsche Reich und den evangelischen Kaiser mit Erfolg intriguiren würde. Im Culturkampfe erklärte er dem Kaiser, daß er selbst auf dem Boden der Maigesetze stehe, wenn er auch den kleinlichen Ausführungsmodus nicht gutheiße; Vermeidung theoretisch-dogmatischer Streitigkeiten, aber „die konkreten Fälle jedesmal mit größter Energie zur Lösung zu bringen“ rieth er dem Kaiser an, und erblickte das Heilmittel in „kühnen, heilenden Schnitten“, in der Einführung der Civilehe, der Loslösung der Kirche von der Schule, der Einführung von Staatssexamina für die Geistlichen.

Im Staatsleben sah K. A., auch hierin dem Kronprinzen besonders nahe stehend, „von jeher in einem gesunden Konstitutionalismus das Korrektiv für Willkür und die Stütze für ein kräftiges Regiment“; „freisinnig seinen ganzen politischen Ueberzeugungen nach“ erkannte er doch in dem durch Geld und [52] Presse herrschenden Einflusse des internationalen Judenthums „eine Krankheitserscheinung Europas“.

Im Familienleben war er „das ideale Vorbild eines Vaters“, bei strengster Familiendisciplin seinen Kindern „der beste Freund“.

Noch war ihm vergönnt am 17. März 1881 sein fünfzigjähriges Militärjubiläum, und am 21. October 1884 mit der Fürstin Josephine – einer „deutschen Mutter, mild und weich, immer voller Sorge um jeden einzelnen ihrer Lieblinge“, ihrer Kinder, – die goldene Hochzeitsfeier zu Sigmaringen zu begehen, die glänzend und würdig verlief, in Anwesenheit des Kaisers und des Kronprinzen und vieler anderer Fürstlichkeiten, von Deputationen der Stadt Düsseldorf und der dortigen Künstler, unter lebhafter Theilnahme der hohenzollernschen Bevölkerung.

Seit Jahren an den Rollstuhl gefesselt, in dessen Handhabung er eine große Gewandtheit erlangt, von Schmerzen gequält, die er heroisch ertrug, schienen die Jahre ohne merkliche Veränderung „mit leisem Hauche über ihn hinzuziehen“; aber seine Körperkräfte waren verzehrt: seit Mitte Mai 1885 ernstlich erkrankt, starb er am 2. Juni um 10 Uhr Vormittags im Residenzschlosse zu Sigmaringen, umgeben von seiner Familie, im 74. Lebensjahre. Am 6. Juni 1885 wurde er in der Familiengruft in der Klosterkirche zu Hedingen beigesetzt; der deutsche Kronprinz schritt hinter seinem Sarge. „Im Leben treu seinem Kaiser und dem Vaterlande, im Tode treu seinem Gotte, so schied Fürst Karl Anton aus dem Leben, ein echter deutscher Mann, ein echter Hohenzoller.“

Als „Quelle“ ist von Druckwerken eigentlich nur die Veröffentlichung: „Aus dem Leben König Karls von Rumänien. Aufzeichnungen eines Augenzeugen“, 4 Bände, Stuttgart 1894–1900, zu bezeichnen, die eine Auswahl von Briefen Karl Anton’s an seinen Sohn Karl, gelegentlich auch andere werthvolle Notizen über ihn bringt; sie erweckt den lebhaften Wunsch nach möglichst weitgehenden Mittheilungen aus dem zweifellos höchst reichhaltigen Schatze der Registratur Karl Anton’s, die nicht nur für seine eigne Biographie, sondern auch für die allgemeine Zeitgeschichte von erheblichem Interesse sein werden. – Herzog Ernst von Coburg-Gotha, Aus meinem Leben und aus meiner Zeit. Berlin 1889. – R. Haym, Das Leben Max Dunckers. Berlin 1891. – M. Duncker, Zum Jubelfeste des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern. 1884 (in: Abhandlungen aus der Neueren Geschichte. Leipzig 1887). – Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten. Berlin 1891. – K. Th. Zingeler, Karl Anton von Hohenzollern und die Beziehungen des Fürstlichen Hauses Hohenzollern zu dem Hause Zähringen-Baden. Sigmaringen 1884. – M. Schmitz, Fürst Karl Anton von Hohenzollern und die Bedeutung seiner Familie für die Zeitgeschichte. Berlin und Leipzig 1890.