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Artikel „Hofmann, Johann Christian Konrad von“ von Karl Buchrucker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 631–634, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hofmann,_Johann_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:37 Uhr UTC)
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Band 12 (1880), S. 631–634 (Quelle).
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Hofmann: Johann Christian Konrad v. H., berühmter Theologe, war am 21. December 1810 zu Nürnberg geboren als der Sohn geringer, auf ihren kärglichen Verdienst angewiesener Gewerbsleute und wuchs deshalb in sehr beschränkten Verhältnissen auf, zugleich aber auch in strenger Zucht und engstem Zusammenhange mit der Kirche. Er besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt, welches unter dem Rectorate des berühmten Schulmannes K. L. Roth seine Blüthe erreicht hatte, und bezog 1827 die Universität Erlangen, um Theologie und vor allem Geschichte zu studiren, wo er sich der Burschenschaft anschloß. Hier wurden ihm, wie so vielen Jünglingen, zwei Männer zum Segen, welche im Gegensatze zu dem noch herrschenden Rationalismus mit Entschiedenheit das positive Christenthum vertraten: der reformirte Pfarrer und Professor Krafft und Karl v. Raumer. Führte ihn jener in die hl. Schrift, so dieser in die Tiefe bußfertiger Selbsterkenntniß ein. 1829 siedelte er nach Berlin über, wo ihm eine Hauslehrerstelle im gräfl. Bülow-Dennewitz’schen Hause ermöglichte, seinen Aufenthalt bis zum J. 1832 auszudehnen. Als Lehrer glänzten dort Hegel in der Philosophie, Neander und Hengstenberg in der Theologie, in beiden Schleiermacher: aber H., von Hengstenberg durch die Ungeschichtlichkeit seiner exegetischen Methode, von Schleiermacher durch die „Leichtfertigkeit“ seiner neutestamentlichen Kritik abgestoßen, ging frühzeitig seine eigenen Wege. Leopold v. Ranke zog ihn in einer Weise an, daß er den Entschluß faßte, sich ausschließlich dem Studium der Geschichte hinzugeben. Er beschäftigte [632] sich eingehend mit den Quellen für eine Darstellung des Sevennenkriegs und vertiefte sich gleichzeitig in unsere größten Dichter, vorab in Shakespeare. – Nachdem er sich 1832 in Ansbach der theologischen Aufnahmsprüfung für die Candidaten des Predigtamtes unterzogen hatte, wurde er sofort Lehrer für Religion, Geschichte und hebräische Sprache am Gymnasium zu Erlangen, 1835 Doctor der Philosophie und Repetent der Theologie. Als Frucht seiner historischen Studien veröffentlichte er 1837 die Erstlingsschrift, eine „Geschichte des Aufruhrs in den Sevennen unter Ludwig XIV“; zwei Jahre darauf sein „Lehrbuch der Weltgeschichte für Gymnasien“, welches 1842 eine zweite Auflage erlebte, aber um seiner pragmatischen Prägnanz willen ohne lebensvolle eingehende Ergänzungen im mündlichen Vortrag nicht zum Ziele führte und deshalb außer Gebrauch gesetzt wurde. Für die Kenner der Geschichte bleibt es ein höchst werthvoller Führer durch ihr reiches Gebiet. Erst 1838 habilitirte sich H. als Privatdocent an der theologischen Facultät und warf sich nun mit der ganzen Energie seines Denkens und Wollens auf die Erforschung der hl. Schrift nach Entstehungsgeschichte und Inhalt. Im Gegensatze zu Hengstenberg, welcher die alttestamentliche Weissagung lediglich als Vorhersagung und ohne nächsten Zusammenhang mit dem geschichtlichen Verlaufe auffaßte, führte er, 1841 zum außerordentlichen Professor ernannt, in seinem grundlegenden theologischen Werke „Weissagung und Erfüllung“ die organische Verbindung zwischen jener und diesem durch, indem er die Prophetie als inspirirtes Schauen der innersten Bedeutung der heilsgeschichtlichen Vorgänge darstellte, welche im neuen Testamente selber in geschichtlichen Vorgängen zu Tage tritt und so die Deutung des Vorausgegangenen gibt. Somit stellt er sich in Behandlung der hl. Schrift entschieden auf den Boden der Geschichte, auf welche ihm das Wort der Weissagung das rechte Licht wirft, in welchem sie selbst wieder zur Weissagung wird. So wird die ganze Heilsgeschichte im organischen Fortschreiten ein der Vollendung entgegengehendes Ganzes, dessen Mittelpunkt die Erscheinung und Verklärung Christi, dessen Anfang die Vorausdarstellung Christi im Leben unserer Natur und dessen Ende die Verklärung seiner Gemeinde ist. Damit folgt er der exegetischen Richtung, welche Bengel und Crusius angebahnt haben. Den zweiten Theil dieses Werkes schrieb er in Rostock, wohin er 1842 berufen worden war.

Im J. 1845 wurde Harleß, welcher bis dahin in Erlangen als Professor der Theologie eine glänzende Wirksamkeit entfaltet hatte, weil er durch sein freimüthiges Auftreten im Landtage dem Abel’schen Ministerium mißliebig geworden war, als Consistorialrath nach Bayreuth versetzt; H. wurde in die Lücke gerufen: er blieb bis zu seinem Tode dem heimathlichen Lehrstuhle treu, so ehrenvolle Berufungen auch an ihn ergangen sind. Mit ihm begann ein neuer Aufschwung der Facultät: seiner Zuhörer waren oft so viele, daß die gewöhnlichen Hörsäle nicht ausreichten, sondern ein Raum in dem alten markgräflichen Schlosse adaptirt werden mußte; seine exegetischen Vorlesungen, seine Hermeneutik, seine Ethik, seine Encyklopädie zogen Zuhörer aus der weitesten Ferne an. „Wegen Thomasius kommen wir, wegen H. bleiben wir“, pflegten die Norddeutschen zu sagen. In den Jahren 1852–56 erschien sein zweites, drei Bände umfassendes Werk „Der Schriftbeweis“, mit welchem er in Gegensatz trat gegen die bisherige Art, aus der hl. Schrift den Beweis für die Glaubenswahrheiten zu führen, indem man immer nur Einzelnes mit Einzelnem zu beweisen suchte, während er die Aufgabe so stellte und zu lösen suchte, daß das Ganze des Systems mit dem Ganzen der Schrift sich decke. Er schickte deswegen dem eigentlichen Beweise ein geschlossenes Lehrsystem voraus, welches bewiesen werden sollte und welches ihm nichts anderes war, als Entfaltung des einfachen Thatbestandes, welcher den Christen zum Christen macht. Dieser einfache, gegenwärtige Thatbestand aber ist die in [633] Christo Jesu vermittelte persönliche Gemeinschaft Gottes und der Menschheit, welche einerseits Vollzug eines ewigen Verhältnisses, andererseits Anfang und Weissagung einer schließlichen Vollendung ist. So ist ihm das Ewige (Trinität, Prädestination) Voraussetzung des Geschichtlichen, das Geschichtliche aber zerfällt in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Vollzugs jenes ewigen Liebenswillens des Dreieinigen. Man hat ihn vielfach mit Schleiermacher zusammengestellt: es erhellt, wie er ihm nur in der Methode ähnlich war. Schleiermacher ging von der inneren Thatsache des subjectiven Frömmigkeitsgefühls, H. von dem objectiven Thatbestande der Gottesgemeinschaft aus; Schleiermacher legte als Maßstab die philosophische Kritik an, für H. war das Prinzip zugleich Maßstab der Kritik. Das hervorragende, in sich geschlossene Werk erregte allenthalben Aufsehen, in vielen Kreisen aber Anstoß und heftigen Widerspruch; einerseits nämlich hatte er einen streng kyriologischen und knappen Stil, andererseits vermied er die termini technici, endlich wich er in der Versöhnungslehre wirklich von der herkömmlichen Dogmatik ab, indem er das stellvertretende Strafleiden Christi leugnete. Philippi, Ebrard, selbst seine nächsten Collegen Thomasius und Harnack schrieben gegen ihn, aber er blieb bei seiner Darlegung und verlangte nach derselben Methode den Gegenbeweis aus der Schrift, wie er den Beweis geliefert hatte. Allein auf den Hauptzweck seines Buches, auf Wesen und Gesetz des Schriftbeweises, ging man überhaupt nicht ein. Während er nun 1856–59 vier „Schutzschriften für eine neue Weise, alte Wahrheit zu lehren“, ausgehen ließ, besorgte er (1857–60) eine zweite Auflage seines Werkes, in welcher er sich auch mit seinen Gegnern auseinandersetzte. Statt aber den Streit weiter zu verfolgen, wendete er sich einer neuen Aufgabe zu, wie sie ihm als Schlußstein aus seiner heilsgeschichtlichen Gesammtanschauung erwuchs: einer Untersuchung der ganzen hl. Schrift neuen Testamentes in Bezug auf den Inhalt und die Entstehungsgeschichte der einzelnen Bücher desselben zum Zweck des Beweises ihrer Inspiration, welcher gleichfalls geschichtlich zu liefern sei; als Ausgangspunkt nahm er die Uebereinstimmung der Stelle Gal. 1, 11 – 2, 14, mit den betreffenden Stellen der Apostelgeschichte und bearbeitete mit einer seltenen Sorgfalt und einer staunenswerthen Energie einheitlichen Denkens die sämmtlichen paulinischen Briefe, zu welchen er auch den Hebräerbrief rechnete, die Briefe des Petrus, Judas und Jacobus; von da ging er zu dem zweitheiligen Werke des Lucas über; aber als er in dessen Evangelium zu 22, 66 gekommen war, nahm ihm der Tod die Feder aus der Hand.

So wissenschaftlich H. in der Methode war, so entschieden stand er auf der alten Anschauung: theologia est scientia eminens practica. Mit allem, was er schrieb, wollte er lediglich der Kirche dienen. „Ich kenne“, äußert er sich in einem Briefe, „das Abstractum Wissenschaft nicht; ich kenne nur Bemühungen, welche der Ehre Gottes, und andere, welche der eigenen Ehre gewidmet sind.“ Die größte Freude machte es ihm, wenn seine Resultate von praktischen Geistlichen verwendet wurden; „glauben Sie“, schrieb er an einen solchen, „daß ich es für etwas größeres achten würde, wenn ich einen Katechismus, als wenn ich eine Dogmatik verfassen könnte.“ Er betheiligte sich deshalb auch in Mecklenburg wie in Bayern an den Vereinen und Anstalten für äußere und innere Mission, ja er war sogar im Ausschuß für das Rettungshaus in Puckenhof. Ein wahrer Schatz sind seine zahlreichen Aufsätze in der Erlanger „Zeitschrift für Prot. und Kirche“ (wie schon 1845 im Mecklenburger Kirchenblatt) historischen, polemischen, isagogischen, exegetischen, praktischen Inhalts, von welchen einen großen Theil Schmid gesammelt und unter dem Titel „Vermischte Aufsätze von Prof. v. Hofmann“, Erl. 1878 herausgegeben hat. Bei seiner weit und reich angelegten Natur war er frei von aller pietistischen Einseitigkeit und Engherzigkeit und [634] hatte er Sinn für alles Schöne und natürlich Berechtigte. Vor allem beseelte ihn eine innige Vaterlandsliebe, welche namentlich durch den Umgang mit K. v. Raumer, dem ehemaligen Adjutanten Gneisenau’s in den Freiheitskriegen, Nahrung gefunden hatte. So nahm er denn an den politischen Bewegungen der Zeit den regsten Antheil, acceptirte sogar das Mandat eines Landtagsabgeordneten des Wahlkreises Erlangen-Fürth und trat, da es nur zwei Parteien gab, auf die Seite derjenigen, welche die Einheit Deutschlands auf ihr Programm geschrieben hatte, auf die Seite der Fortschrittspartei. Daß er dadurch in Collisionen kam, konnte nicht ausbleiben, auch hatte seine längere Entfernung von Erlangen und die monatelange Unterbrechung seiner Lehrthätigkeit nachtheilige Folgen für die Frequenz der Universität; daß man ihn jedoch gegnerischerseits als einen auf der Bahn der Abtrünnigen befindlichen hinstellte, war ein großes Unrecht. Allein er war nicht von der Art, welche sich von dem, was er als Pflicht ansah, durch die Kritik abwendig machen ließ. „Sie wird vorübergehen“, schrieb er an einen jüngeren Freund, „wie so vieles Andere. Mag man aus meiner Person machen was man will, wenn nur meine Arbeit nicht vergeblich ist.“ H. war ein lauterer, unbestechlicher Charakter, wie sie immer seltener werden; wo er Einem persönlich nahe trat, ging eine versöhnende, Vertrauen erweckende Wirkung auch auf diejenigen aus, welche seine besonderen Anschauungen nicht theilten. Das zeigte sich besonders in der Stellung, welche er auf den Generalsynoden 1873 und 1877 als Abgeordneter der Universität einnahm. Fast einzig steht er da in der Liberalität, mit welcher er die Resultate seiner Forschungen jedem bot, der ihn, sei es zu wissenschaftlichen, sei es zu praktischen Zwecken darum anging, auch wenn er nicht auf dankbare Angabe der Quelle von Seite des Belehrten rechnen konnte: ihm war es durchweg nur um die Sache, nie um den eigenen Ruhm zu thun. Am 20. December 1877 raffte ihn der Tod in Folge einer Lungenentzündung nach kurzem Krankenlager hinweg; seinen 67. Geburtstag, welcher am andern Morgen anbrach, feierte er inmitten der vollendeten Gerechten. Er war vermählt mit Charlotte geb. Lamayer, hinterließ aber keine Kinder. Von seinen Vorlesungen wurden herausgegeben „Theologische Ethik“, Nördl. 1878; nach seinem Tode „Encyklopädie der Theologie“, 1879 von Bestmann; „Biblische Hermeneutik“, 1880 von Volck.

Biographische Notizen und Ausführungen: Schmid, Vermischte Aufsätze von Prof. v. Hofmann, Erl. 1878. S. V–XXIII; Hannöversche Zeitschrift Volkskirche, 1878; Volck, Zur Erinnerung an Hofmann, Erl. 1878. Grau, Desgl. 1878; Hauck in Herzog’s und Plitt’s Realencyklopädie unt. d. Art. Hofmann.