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Artikel „Krafft, Johann Christian Gottlob Leberecht“ von Philipp Emil Haenchen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 16–18, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krafft,_Christian&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 02:04 Uhr UTC)
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Krafft: Johann Christian[WS 1] Gottlob Leberecht K., Pfarrer der deutsch-reformirten Gemeinde und Professor der reformirten Theologie an der Universität Erlangen, war der Mann, von welchem eine tiefer eingreifende und nachhaltige Auffassung der Gemüther in specifisch-christlichem Sinne ausging und der dadurch der eigentliche Regenerator der lutherischen Landeskirche Baierns in dem 2. und 3. Decennium dieses Jahrhunderts in biblisch-christlicher Weise wurde. Seinen bedeutenden Einfluß hatte K., obwol weder seine Begabung im Allgemeinen, noch seine Rednergabe eine glänzende genannt werden konnte, abgesehen von der Gunst der Zeit, wesentlich zwei Momenten zu verdanken: dem Eindruck seiner lauteren Persönlichkeit und den lediglich in der heil. Schrift gegründeten Anschauungen. Was Professor Dr. Stahl auf der Generalsynode in Berlin sagte, daß K. der apostolischste Mann gewesen sei, dem er je in seinem Leben begegnet, bestätigen alle, welche ihn gekannt haben. Wie er auf der Kanzel zugleich Lehrer war, so war er auf dem Katheder zugleich Seelsorger und Prediger. An seinen Namen knüpft sich zugleich die Belebung des Sinnes für die Heidenmission und der Dinge, welche heute zum Gebiete der innern Mission gerechnet werden. Er ist ein Mitbegründer des bairischen Bibelvereins, der eigentliche Vater des noch bestehenden Reckenhofer Rettungshauses; er war der Mittelpunkt eines christlichen Kreises, durch den weithin biblische Anschauungen verbreitet wurden. Erst in späterer Zeit, als das kirchlich-confessionelle Element das christliche bei mehreren seiner Schüler überwucherte, worüber er sich selbst noch kurz vor seinem Tode tief und schmerzlich berührt äußerte, und er die rabies theologorum durch mehrere seiner eigenen Schüler kennen lernte, betonte er das reformirte Element mehr. Niemals jedoch wurde er, wie ihm nachgesagt wurde, ein Prädestinatianer im Sinne Calvin’s. – K. war am 12. Septbr. 1784 in Duisburg geboren. Seine Eltern waren der Pastor Elias Christian Krafft in Duisburg und Johanna Ulrike, geb. Leidenfrost. Als er 13 Jahre alt war, starb sein Vater; der Wittwe fiel die Erziehung der 8 Waisen um so schwerer, als die damalige Kriegszeit viel Noth und Entbehrung in jene Gegenden brachte. Dadurch hatte K. eine sehr schwere Jugend. Nach Absolvirung des Gymnasiums seiner Vaterstadt besuchte er drei Jahre lang die daselbst in dürftigster Weise noch bestehende Universität, an welcher er nur mit der armseligen [17] Nahrung des Vulgär-Rationalismus gespeist wurde. Seine Candidatenjahre brachte er von 1806–1808 als Hauslehrer in Frankfurt a. M. zu, kam daselbst mit den Kreisen in Berührung, welche sich um den Arzt de Neufville und Fr. von Meyer gebildet hatten. Dann wurde er als Pastor nach Weeze, einem kleinen Dorfe zwischen Cleve und der holländischen Grenze berufen und durch kaiserl. französisches Decret, d. d. St. Cloud 16. Septbr. 1808 bestätigt. Hier verheirathete er sich am 26. Febr. 1811 mit Kathar. Wilhelm., Tochter des Pastors Neumann in Cleve, aus welcher Ehe 5 Kinder entsprossen sind, von denen 3 den Vater überlebt haben, 2 verheirathete Töchter und ein nach dem Tode des Vaters zum Katholicismus convertirter, noch als Beneficiat lebender Sohn. Im Frühjahre 1817 als Pfarrer an die deutsch-reformirte Gemeinde Erlangen berufen, wurde er am 3. August desselben Jahres als solcher eingesetzt. Bei der 300jährigen Gedächtnißfeier der Reformation wurde er von der theologischen Fakultät Erlangen zum Doctor philos. creirt und am 6. Decbr. 1818 auf Antrag des Senates zum außerordentlichen Professor der reformirten Theologie ernannt. In dieser Stellung blieb er bis zu seinem Tode trotz sehr bescheidenen Gehaltes. Er hatte nämlich als Pfarrer 1000 fl. und als Professor 300 fl. jährliches Einkommen. Trotzdem nahm er nie, auch als seine Vorlesungen sehr stark von reichen und armen Studenten besucht wurden, einen Pfennig Collegiengeld, streng nach dem Ausspruche: „Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch“, so sehr ihm dies auch von Amtsgenossen verübelt wurde. Von 1818–1824 hatte K. nur wenige Zuhörer, mehrmals hatte er ein Colleg über Pastoraltheologie angekündigt, ohne daß er dasselbe lesen konnte. Seine exegetischen Vorlesungen waren sehr schwach besucht, weil er damals unter den Studenten für einen „Mystiker“ galt. Mit dem Wintersemester 1824 wurde es jedoch anders; von da an wuchs sein Einfluß von Jahr zu Jahr unter den Studenten wie unter der Bürgerschaft. Freilich ging dies nicht ohne Kampf vorwärts. Einer seiner geistlichen Vorgesetzten stand an der Spitze seiner Gegner, mit welchen K. bis Mitte der dreißiger Jahre zu kämpfen hatte; dann aber war der Sieg seiner Sache entschieden. Von da an jedoch regten sich die confessionellen Streitigkeiten, in Folge deren die Reformirten aus dem Missionsvereine und aus den Synoden der Lutherischen ausgeschieden wurden. Mit tiefem Weh wurde Krafft’s Herz darüber erfüllt, das ihn bis an sein Lebensende nicht mehr verließ.

In wissenschaftlicher Beziehung hielt es K. für seine Lebensaufgabe, seine biblische Dogmatik auszuarbeiten und in immer vollendeterer Weise vorzutragen, was auch in den späteren Jahren geschehen ist. Im Druck ist jedoch wenig von ihm erschienen, er hatte keine rechte Freudigkeit dazu. Nach der im Jahre 1818 in Nürnberg erschienenen kleinen Abhandlung „De servo et libero arbitrio“, welche durchaus nicht prädestinatianischen Inhaltes ist, hat er „Sieben Predigten über Jesaja 53“ ; „Vier Predigten über 1. Korinther 1, 30“ herausgegeben, in welchen die biblisch-reformirte Rechtfertigungslehre im Gegensatze zur rationalistischen Auffassung eingehend und klar behandelt ist. Dann gab er auf vielseitiges Verlangen einen Band Predigten auf alle Sonn- und Festtage des Jahres heraus, welcher in 3. Auflage zuletzt im J. 1845 erschienen ist. Sein Schwiegersohn Oberconsistorialrath Dr. von Burger gab nach Krafft’s Tode dessen „Chronologie und Harmonie der vier Evangelien“ nach Collegienheften heraus, ein treffliches Büchlein, dem man die nüchterne und gewissenhafte Arbeit ansieht. Derselbe Herausgeber versprach auch 1848 die „Dogmatik“ Krafft’s erscheinen zu lassen, ohne jedoch bis zur Stunde dieses Versprechen gelöst zu haben. Eine Eigenthümlichkeit hatte noch K., die nicht übergangen werden soll. Er konnte sich nie dazu entschließen, sich abbilden zu lassen, weshalb kein Bild von ihm vorhanden ist. Wahrscheinlich hing dies damit zusammen, daß er, der vielgesuchte Mann, [18] nie persönliche Anhänger gesucht, noch auch nur geduldet hat, daß sich solche um ihn zu schaaren versuchten oder sich gar nach seinem Namen nennen wollten. Mit großer Geschicklichkeit und geflissentlichem Ernste wußte er jegliche Art von persönlichen Huldigungen von sich ferne zu halten. Er hätte gefürchtet, sich dadurch schwer an der Ehre seines Gottes zu versündigen. In seinem Familienleben fehlte es an Kreuz nicht. Am 12. Novbr. 1833 starb seine Lebensgefährtin; ein halbes Jahr später ein 19jähriger Sohn als Student. Endlich kam auch für ihn, den durch seine Einfachheit in der Lebensweise und Hauseinrichtung sich auszeichnenden Mann, die Stunde des Heimgangs. Nach 12jährigem Wittwenstande erlag er einer dreimonatlichen Krankheit am 15. Mai 1845 im 61. Lebensjahre.

Herzog, Realencyklopädie, Bd. VIII. Das Wiedererwachen des evangelischen Lebens in der lutherischen Kirche Baierns. Von Dr. G. Thomasius, Erlangen 1867. Evangelisch reformirte Kirchenzeitung von O. Thelemann und E. Stähelin, 18. Jahrgang, 1868. Heft Juli und August.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Christan