Wirzburgische Verordnung für Pfarrer und Beamten, über ihre Pflichten in Rücksicht des Schulwesens

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Autor: Franz Ludwig von Erthal
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Titel: Wirzburgische Verordnung für Pfarrer und Beamten, über ihre Pflichten in Rücksicht des Schulwesens
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 6, S. 233–239
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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XII.
Wirzburgische Verordnung für Pfarrer und Beamten, über ihre Pflichten in Rücksicht des Schulwesens.
Von Gottes Gnaden Franz Ludwig etc. etc.

Wir haben schon mehrmahl die Bemerkung gemacht, daß manche Seelsorger und Beamten über ihre Pflichten in dem Schulwesen nicht gehörig aufgeklärt seyn. Mancher Beamte hielt seine Pflichten in Rücksicht auf das Schulwesen für bloße Nebenpflichten, mit deren Erfüllung man sich in einigen müßigen Stunden beschäftigen könnte – und stand daher in dem Wahne, als sey das Schulwesen eine Sache, welche man der Geistlichkeit überlassen müsse. Dagegen glaubte mancher Seelsorger, ihm gebühre die Direction des Schulwesens allein, und der Beamte sey nur da, um der Vollstrecker derjenigen Befehle zu seyn, welche das Seelsorgeramt zu erlassen für gut finde, aber selbst in Vollzug zu setzen, aus Abgang äusserer Zwangsmittel, nicht vermöge.

 Endlich gab es auch Beyspiele, daß Beamte mit Ausschließung der Seelsorger, hauptsächlich das Industrie-Schulwesen einzuführen, und zu begründen gesucht haben.

 Nun ist aber Alles daran gelegen, daß die genaue Erkenntniß und Erfüllung der Pflichten im| Betreffe des Schulwesens, hauptsächlich aber die wechselseitige, und wenn sie in ihren Gränzen bleibt, ungemein nützliche, ja selbst nothwendige Zusammensicht der Seelsorger und Beamten nicht jedesmahl von der individuellen, folglich nicht immer in gleicher Maße zu erwartenden Aufklärung, den Temperamenten, der guten Lebensart, und der Verträglichkeit der Seelsorger und Beamten abhänge.

 Schon unsere Herrn Vorfahrer mildesten Andenkens haben daher, voll der Überzeugung, daß das pfarrliche und weltliche Amt zusammen wirken müßte, in den hauptsächlich die Sommerschulen betreffenden Verordnungen vom 6ten December 1701, 5ten Junius 1741, §. §. 3. und 4. vom 7ten Julius 1752, und andern, diese Zusammenwirkung gesetzlich vorgeschrieben. – Nachdem aber die beyderseitigen Pflichten und Rechte in denselben nicht bestimmt genug angegeben, und die Gränzen nicht scharf genug bezeichnet sind, so haben Wir Uns entschlossen, die Pflichten und Rechte der Seelsorger und Beamten in Beziehung auf das Schulwesen, und die Gränzen der beyderseitigen Gewalt durch folgende Verordnung zu bestimmen.

 I. Eine gute Erziehung ist eben so nothwendig zur Begründung des zeitlichen Wohlstands der Unterthanen, als zur Begründung des geistlichen Wohles. Es ist also Hauptpflicht des Beamten sowohl, als des Seelsorgers, auf eine gute Erziehung, sofort auf gute Schulanstalten zu halten.

|  II. Entziehet man dem Schulwesen die Aufsicht und Unterstützung des Beamten, so wird der Seelsorger eben darum, weil geistliche Ermahnungen nicht immer und nicht überall eindringend genug sind, eine gute Schuleinrichtung kaum zu Stande bringen, wenigstens nicht zu erhalten vermögen. – Entziehet man dagegen dem Schulwesen die Aufsicht und Unterstützung des Seelsorgers, so kann dasselbe nicht gedeihen, theils, weil der Amtszwang nicht alles vermag, theils weil der Beamte sich mit dem Detail des Schulwesens nicht abgeben kann, wohl aber der Seelsorger: da nur ein Beamter im Amte ist; dagegen aber mehrere Seelsorger im Amte der Regel nach vorhanden sind. –

 Beamte und Seelsorger müssen daher zusammen wirken. Gleichwie aber

 III. der Schulunterricht in den Industrie- und Litterar-Unterricht zerfällt, und jener mehr Einfluß auf das zeitliche, dieser, weil der Religionsunterricht die Hauptsache ist, mehr Einfluß auf das geistliche Wohl hat: dann der Seelsorger seiner Erziehung und Bildung nach mehr Kenntniß und Uebung in dem Litterarunterrichte haben soll, als der Beamte: auch das Lehramt selbst einen Haupttheil seines Berufes ausmachet: so gebühret die Direktion des Litterar-Unterrichtes in einem vorzüglichen Verstande dem Seelsorger, die Direction des Industrie-Unterrichts aber dem Beamten.

 IV. Da diese Direction, so bald sie in eine Herrschaft ausartet, zum Nachtheile der guten Sache| gehäßig wird: so darf dieselbe nie einen Bezug auf die Person des Pfarrers oder des Beamten haben sondern nur auf die Sache.

 V. Was also den Litterar-Unterricht angeht: so hat

 A) der Pfarrer folgende Rechten und Pflichten:

1) Er soll und darf die ganze Einrichtung desselben der Schulordnung gemäß treffen, wo sie noch nicht getroffen ist. Dann
2) in dem Verfolge darauf sehen, daß alle zum Unterrichte verordnete Gegenstände jederzeit, und zwar in der gehörigen Lehr-Methode zum Vortrage gebracht werden.
3) Die Schul-Disciplin soll, und darf der Pfarrer durch stete Aufsicht und Leitung des ganzen Schulgeschäftes gehörig handhaben, mithin daran seyn, daß die Schulen von allen schulmäßigen Kindern fleißig besucht, und in den Schulen Ordnung und Sittlichkeit durch Liebe und Ernst stets aufrecht erhalten werden.
4) Endlich darf er nach vorhergegangener Rücksprache mit dem Beamten und mit Einverständnisse desselben zwar neue, aber in dem Geiste der Verordnungen schon liegende, oder demselben doch nicht widerstrebende Anstalten und Vorkehrungen in dem Litterar-Unterrichte treffen.

 B) Die Rechte und Pflichten des Beamten sind:

1) darf und soll er den Prüfungen fleißig beywohnen,|
2) die Disciplin, mithin insonderheit das Ansehen der Lehrer, wo es erforderlich ist, mit seiner Amtsgewalt unterstützen,
3) und insbesondere den emsigen Schulenbesuch betreiben, zu diesem Ende die Absenten-Liste, wie der Pfarrer, monathlich einfordern, und wo sich eine Saumseeligkeit vorfindet, solche gehörig ahnden. Damit aber die Einforderung der Absenten-Listen keine bloße Formalität werde, wenn alle jene, welche von dem Pfarrer, oder wie es Uns einigemahl angezeigt worden ist, sogar von dem Kapellane willkührlich von dem Schulbesuche dispensirt werden oder die Aeltern derselben der Untersuchung und Ahndung des Beamten entzogen werden sollten, so untersagen wir nicht nur alle willkührliche Dispensation, sondern räumen auch dem Beamten das Recht ein, willkührliche Dispensation ungeachtet, gegen saumselige Kinder, oder ihre Aeltern mit angemessenen Strafen fürzufahren. Was

 VI. den Industrie-Unterricht angehet, so darf und soll

 A) der Beamte, als welchem die Aufsicht darüber vorzüglich obliegt,

1) wo es nöthig ist, die erste Einrichtung mit demselben und der Anstellung der Lehrer oder Lehrerinnen mit Anlegung eines Industrie-Gartens und Eröfnung der Quellen zur Anschaffung der Materialien machen. Sodann darf und soll er
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2) darauf sehen, ob auch die jedesmahlige Ortsarmen-Policeykommission, die ihr deßfals obliegenden Pflichten gehörig erfülle und ob
3) auch die Kinder in den Industrie-Schulen gebührend erscheinen, weswegen er auch hier, wie oben bey der Litterar-Schule, die Absenten-Liste von Zeit zu Zeit abzuverlangen, die Abwesenden aber durch zweckmäßige Vorkehrungen zum fleißigen Schulenbesuche anzuhalten hat. Überhaupt hat der Beamte
4) die bereits hierüber ergangenen und etwa noch ferner ergehenden Verordnungen in Gang zu bringen, und solche darin zu erhalten.

 B.) Die Pflichten und Rechte des Pfarrers sind:

1) Soll und darf er über die allenfalls zu machenden Vorkehrungen seine Vorschläge bey den Sitzungen der Armen-Commission vortragen, und sich daher zur Beförderung der guten Sache bey diesen Versammlungen einen um so grössern Wirkungskreis bahnen; als schon die ganze Gemeinde der Regel nach belehrt, aufgeklärt und für das Industrie-Schulwesen empfänglich gemacht ist, wenn die Ueberredungskraft des Pfarrers die Orts-Commission, als den gewöhnlichen Ausstich der Gemeinde, gewonnen hat.
2) Um die guten Vorschläge der Orts-Commission desto leichter in Ausübung zu bringen, muß dem Beamten hievon Nachricht gegeben werden. Gleichwie aber auch hier die bestmöglichste Zusammensicht| der geistlich- und weltlichen Vorsteher Unser angelegentlichster und theuerster Wunsch ist, so würde Unsere Absicht vollkommen erreicht werden, wenn sich der Pfarrer und Beamte vor der Hand jederzeit besprechen, und sohin dem Pfarrer überlassen würde, die Orts-Commission zur Ausführung einer gemeinschaftlich gut befundenen Anstalt zu bewegen.
3) Soll und darf der Pfarrer mit den Deputierten der Commission, die Absenten-Listen, wie der Beamte, einfordern; und zu Betreibung eines fleissigen Besuches der Industrie-Schulen, die angemessenen Verfügungen, jedoch mit Zuziehung und Begnehmigung des Beamten treffen.

 So sehr Wir übrigens wünschen, daß unsere sämmtliche Seelsorger und Beamten von selbst ihren in dieser Unserer Verordnung vorgeschriebenen Pflichten nachkommen möchten; so ernstlich befehlen Wir denjenigen, welche bisher diese ihre Pflichten und Rechte nicht kannten, oder nicht erfüllten, diese Vorschriften zum Maaßstabe ihres Benehmens in den Schulverrichtungen zu machen.

 Gegeben unter Unserer eigenen Handunterschrift und beygedruckten geheimen Kanzley-Sigill. Wirzburg am 5ten Dec. 1792.

 Franz Ludwig
Bischoff und Fürst zu Bamberg etc. etc.