Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stutzer, Geck, berufsmäßiger Witzbold, Spaßmacher
Band II A,1 (1921) S. 911912
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Scurra. Die Etymologie des Wortes ist unsicher. Verrius Flaccus bei Fest. p. 294 leitet es von sequi ab, ebenso Isid. X 255. Ribbeck Agroikos 65 vom dorischen σκύδρα. Wahrscheinlich ist es mit ahd. scern scherzen, griech. σκαίρω, σκιρτάω ,springen, tanzen‘, verwandt. Walde Etymol. Wörterb. d. lat. Spr. Plautus, der zuerst von s. spricht, bezeichnet sie mit urbani assidui cives als eine besondere städtische Menschenklasse, die sich mit der Jagd auf Neuigkeiten abgibt, alles zu wissen vorgibt und Wahres und Falsches durcheinander vorbringt, Trin. 202ff. Als feine Städter verachten sie die groben Leute vom Lande (Most. 15), als eitle Schwätzer und geckenhafte Nichtstuer (Cornit. rhet. IV 14) stehen sie im Gegensatz zu den tatkräftigen Soldaten (Epid. 15; Truc. 491). Sie stehen auch in einem üblen sittlichen Rufe, Cic. Sest. 39; de harusp. resp. 42; Quinct. 55. Schon zur Zeit Ciceros sind die s. übrigens berufsmäßige Witzbolde und Spaßmacher, Cic. Verr. III 146; Quinct. 11. Cicero (de orat. II 244ff.) stellt ihre dreiste unaufhörliche witzelnde Geschwätzigkeit in Gegensatz zur ernsten Beredsamkeit und zu dem zur rechten Zeit angebrachten Witz; vgl. Tac. dial. 22. Die scurrilitas, die witzige Geschwätzigkeit, kam besonders den praecones zu statten, Cic. ebd. 244. Dem s. ist es besonders eigen sine causa lacessere und über körperliche Mängel sich lustig zu machen, Cic. ebd 246. Hor. sat. I 5, 56. So bekommt s. die Bedeutung von γελωτοποιός (s. o. Bd. VII S. 1021), so daß Sokrates wohl wegen seiner ironischen Reden s. Atticus genannt wird, Cic. nat. deor. I 93. Lact. III 19. Solche Witzbolde wurden von den Vornehmen zu Tische geladen, um durch ihre meist recht faden Witze die Gäste zu unterhalten. Der s. wird zum lustigen Gesellschafter und Schmarotzer, der bisweilen seinen Gönner auch auf der Reise begleiten muß, und kommt in der Kaiserzeit dem Parasiten gleich, Hor. sat. I 5, 52ff. 7, 36. II 7, 15ff. 3, 229; ep. I 15, 28. Da er sich durch allerlei Schmeicheleien in Gunst setzt, ist er von einem wahren Freund ebenso verschieden wie die Matrone von der meretrix, Hor. ep. I 18, 2ff. Diese einschmeichelnde Geschwätzigkeit ist dem s. so eigen, daß Horaz ep. I 17, 19. 18, 2 diese Eigenschaft mit scurrari bezeichnet. [912] Wie ein s. in geschmackloser Weise die Worte seines Patrons wiederholt, damit alle Anwesenden sie bewundern möchten, zeigt Horaz ep. I 18, 10ff. Plinius (ep. IX 17, 1) stellt scurrae, cinaedi und moriones auf eine Stufe, nur mit folgendem Unterschiede: molle a cinaedo, petulans a scurra, stultum a morione profertur. Er wie andere ernste Männer verachteten dergleichen Leute und schloßen sie von ihrer Gesellschaft aus. In der späteren Kaiserzeit wird s. auch gleichbedeutend mit mimus, da wohl mancher durch Grimassen und mimenhaftes Benehmen den ihm abgehenden Witz ersetzen mußte, Hist. Aug. V 8, 11. – Von den römischen Schrifststellern, besonders den Satirikern, werden folgende s. namhaft gemacht: Sextus Naevius Cic. Quinct. 11, Aemilius Alba Cic. Verr. III 146 potius gladiator quam s. Asilius Sabinus Sen. suas. II 12 venustissimus inter rhetores s.; vgl. o. Bd. III S. 169. Barrus, Possenreißer zur Zeit des Augustus, Sen. contr. I 7, 18. Horat. sat. I 7, 8; vgl. o. Suppl.-Bd. III S. 197. Maenias, scurrilitate et nepotatu in Rom eine typische Figur, Horat. sat. I 1, 101. 3, 21ff.; ep. I 15, 16. Pseudasc. divin. in Caec. 50. Mallivus Verna, von seinem beständigen Borgen Pantolabos genannt, Horat. sat. I 8, 11. II 22. Porph. sat. I 8, 11. Mulvius Horat. sat. I 7, 36. Sarmentus im Gefolge des Maecenas (Horat. sat. I 5, 52ff.) und des Octavian, Plut. Ant. 69. Schol. Iuven. V 4, ebd. Appicius Galba scurra nobilis unter Tiberius. Volanerius Horat. sat. II 7, 15, vielleicht identisch mit CIL XI 5913[1] aus Iguvium, Schulze Lat. Eigennamen 148, 1.

In der spätern Kaiserzeit bezeichnet s. auch einen Gardisten, Hist. aug. XVII 33, 7. XVIII 61, 3. 62, 5. XXIV 30, 26. 33, 2. Salmasius zu Hist. aug. Alex. Sex. 62 gibt als Grund an, quod non magis ab latere domini discederent quam scurrae et parasiti ab iis quorum mensas sectabantur.

Jahn Proleg. ad Pers. p. LXXXIVf. Ribbeck Agroikos, Sächs. Ges. d. W. phil.-hist Kl. X 55. 66. Daremberg-Saglio Dict. d. ant. IV 1156. Kiessling-Heinze Horat. Sat. und Ep.

[Hug. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 5913.