Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Cursor, L. cos. V 313 v. Chr.
Band XVIII,3 (1949) S. 10391051
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52) L. Papirius Cursor ist der Ausgezeichnetste des ganzen Geschlechts, homo valde honoratus nach Ciceros berechtigtem Ausdruck (fam. IX 21, 2); denn wenige Namen kehren in den Fasten so oft wieder wie der seinige: Fünfmal als Consul, zweimal als Dictator, dreimal als Magister equitum, dreimal als Triumphator. Im allgemeinen sind die Ehren bei Persönlichkeiten der älteren römischen Geschichte besser bezeugt als die Taten, weil die Fasten höher hinaufreichen und weniger verfälscht sind als die Annalen, und von den Ehren sind wiederum die ordentlichen Jahrämter sicherer bekannt als die außerordentlichen Ämter, mit deren Erwähnung sich die von zweifelhaften Ruhmestaten leichter verbinden ließ. So müssen die 5 Consulate, die P. von 428 = 326 bis 441 = 313 bekleidete - 2 davon mit demselben Amtsgenossen -, als der feste Kern seiner Lebensgeschichte angesehen werden. Noch Plin. Paneg. 57, 4f. stellte ihn deswegen mit den einer früheren Zeit angehörigen Quinctiern - Capitolinus und Cincinnatus - zusammen; passender wird man ihn mit Männern seiner eigenen und der unmittelbar vorhergehenden Generation vergleichen, zumal solchen patricischen Standes: C. Sulpicius Peticus, fünfmal Consul 390 = 364 bis 403 = 351 (u. Bd. IV A S. 818f.), M. Valerius Maximus Corvus, viermal Consul 406 = 348 bis 419 = 335 und angeblich noch ein fünftes und sechstes Mal 454f. = 300f., Q. Fabius Maximus Rullianus, fünfmal Consul 432 = 322 bis 459 = 295 (o. Bd. VI S. 1800ff.). Daß sich die fünf Consulate des P. in den kurzen Zeitraum von dreizehn Jahren während des schwersten bis dahin geführten Krieges zusammendrängen, ist ein hinreichender Beweis für das ihm von seinem Volke geschenkte Vertrauen und für die Berechtigung des hohen Ansehens, das er bei der Mitwelt [1040] und bei der Nachwelt genoß. Aber weil die Nachwelt in der dürftigen Überlieferung keine genügenden Grundlagen für die auf sie gekommene hohe Schätzung des P. fand, suchte sie solche zu schaffen und kam dadurch zu schlimmer Verwirrung und Verfälschung seiner Geschichte. Die allgemeine Vorstellung von seinen Kriegstaten erhielt sich noch bis in die Zeit des Theodosius, der nach Ammian. XXVIII 3, 9 ut Furius Camillus vel Cursor Papirius victoriis crebris et salutaribus erat insignis. Mit der Erinnerung an ihn verknüpft sich die an seinen Sohn Nr. 53 (Liv. X 38, 1f. 39, 13f. 46, 7), so daß man sagen durfte (Flor. I 11, 8): Populus Romanus Samnitas … per Fabios ac Papirios patres eorumque liberos (von den Fabii Maximi der Vater Rullianus und der Sohn Gurges) ita subegit ac domuit, ita ruinas ipsas urbium diruit, ut hodie Samnium in ipso Samnio requiratur nec facile appareat materia … triumphorum. Aber die Erinnerungen an Vater und Sohn flossen auch ineinander, und in den geschichtlichen Darstellungen wurde manches von dem Jüngeren auf den Älteren übertragen und im Leben des Einzelnen manches aus späteren in frühere Zeiten. Neben den Ausschmückungen und Aufbauschungen haben solche Verschiebungen und Vertauschungen der Ereignisse die Wahrheit stark verdunkelt und sind öfter zu vermuten, als sicher festzustellen, weil unter den erhaltenen Quellen Livius die ausführlichste oder gar einzige ist und um einer einheitlichen Auffassung und fesselnden Darstellung willen es an Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit gegenüber seinen Vorgängern fehlen läßt. Die neuere Forschung hat seit Niebuhr die Kritik an der Überlieferung über P. und seine Zeit nachgeholt; es ist aber hier kaum möglich, sich mit allem auseinanderzusetzen, was für die Geschichte des zweiten Samniterkrieges in neueren Spezialuntersuchungen, wie denen von Binnebössel und Burger, und Gesamtbearbeitungen, wie denen von Pais und De Sanctis, geleistet worden ist; es wird hoffentlich genügen als einen der angesehensten Vertreter kritischer Forschung aus letzter Zeit statt Anderer Beloch heranzuziehen und anzuführen.

Die Namen des Vaters des P., Sp., und des Großvaters, L., sind erhalten Fasti Cap. 439. 441. 445 und Acta triumph. 430. 435. 445, der erstere auch bei Solin. app. 33, 42 p. 220, 11 f. Mms.² Der Vater Sp. ist unbekannt; sein Praenomen kehrt bei einem Enkel des P. wieder (Nr. 26). Der Großvater L. ist Nr. 51, in den Fasten der J. 362 = 392 bis 369 = 385 bereits mit dem Beinamen Cursor bezeichnet, während dieser nach einer verbreiteten Ansicht des Altertums erst von P. selbst erworben sein soll: Praecipua pedum pernicitas inerat, quae cognomen etiam dedit, victoremque cursu omnium aetatis suae fuisse ferunt, seu crurum vi seu exercitatione multa (Liv. IX 16, 13. Auct. de vir. ill. 31, 1. Ampel. 18, 7. Zonar. VII 26). Vielleicht hat bei dieser Auffassung des in seiner Bedeutung so durchsichtigen Cognomens schon der Vergleich mit dem als ποδώκης berühmten Alexander (Plut. Alex. 4, 10; noch mehr anklingend fort. Alex. I 9: ποδωκέστατος τῶν ἐφ’ ἡλικίας γενόμενος νέων) eingewirkt (s. u.) und ist es richtiger als ein ererbtes anzusehen. [1041] Die Fasti Cap. und die Acta triumph. haben es dem P. durchweg als einziges beigelegt, aber andere Quellen scheinen es gelegentlich als ein neues und persönliches mit dem älteren und erblichen Mugillanus verbunden zu haben. Denn beim J. 428 = 326 sagt Liv. VIII 23, 17: interrex … consules creat C. Poetelium L. Papirium Mugillanum. Cursorem in aliis annalibus invenio, und beim J. 435 = 319 IX 15, 11: sequitur … alius error, Cursorne Papirius proximis comitiis … continuato magistratu consul tertium creatus sit, an L. Papirius Mugillanus, et in cognomine erratum sit, und hier gibt auch Chronogr.: Murillano III, obgleich Fasti Cap. nach Ausweis des 1904 gefundenen Bruchstücks nicht mehr als das eine Cognomen Cursor boten (s. u.). Offenbar haben ältere Fasten, darunter die gemeinsame Vorlage der Capitolinischen und des Chronogr. die Beinamen Mugillanus und Cursor nebeneinander gegeben, aber durch die Iterationsziffern bei den Consulaten die Identität der Persönlichkeiten erkennen lassen; spätere haben mitunter nur eines der zwei Cognomina ausgewählt und dadurch unnötige Zweifel erregt (s. Hülsen Röm. Mitt. XIX 120–122).

414 = 340 wird P. zum ersten Male als Magister equitum verzeichnet und zwar als solcher seines Verwandten L. Papirius Crassus Nr. 45, der damals als Praetor zum Dictator ernannt wurde (Cic. fam. IX 21, 2. Liv. VIII 12, 2f.). Der beträchtliche Abstand von seinem ersten Consulat im J. 428 = 326 macht gegen die Überlieferung bedenklich (s. Beloch RG 480); wird die ganze Dictatur verworfen (ebd. 68), so fällt das Reiterführeramt des P. von selbst dahin; wird die bei Nr. 45 erwogene Möglichkeit zugestanden, daß der Praetor Crassus durch die Ernennung zum Dictator nur zur Führung eines auswärtigen Krieges neben den zwei Consuln ermächtigt werden sollte, so könnte das Reiterführeramt überhaupt unbesetzt geblieben sein, was sonst freilich nur einmal vorgekommen ist (o. Bd. VI S. 1760, 39f. Suppl.-Bd. V S. 643, 10ff.), und könnte daher P. als Magister equitum immerhin preisgegeben werden. 422 = 332 ist ein L. Papirius Praetor gewesen (Liv. VIII 17, 12. Nr. 16); er kann mit diesem gleichgesetzt, aber mit ebensoviel Recht auch von ihm unterschieden werden. Jedenfalls zu unterscheiden ist von ihm der in seinem ersten Consulatsjahr 428 = 326 von Liv. VIII 28, 2 schimpflich erwähnte L. Papirius, der seine Existenz vielleicht nur irgend einer Verwechslung verdankt (Nr. 17).


428 = 326 war P. zum ersten Male Consul (Chronogr. [irrig Cursore II]. Hydat. Chron. Pasch. Liv. VIII 23, 17 [s. o.] daraus Cassiod. Diod. XVII 113, 1. Solin. app. 33, 42) mit C. Poetelius Libo Visolus III im ersten Jahre des großen Samniterkrieges. Der Livianische Jahresbericht erwähnt die beiden Consuln zusammen bei der Erklärung des Krieges, bei dem Abschluß des Bündnisses mit den Lucanern und wiederum bei dessen baldigem Bruche, bei den ersten Unternehmungen in Samnium (VIII 25, 2–4. 27, 7), ferner als die Antragsteller des Gesetzes über die Aufhebung der Schuldknechtschaft (28, 7f.), zu dem das Benehmen jenes andern L. Papirius den Anlaß gegeben haben soll. Aber das Gesetz trug [1042] anscheinend nur den Namen des Poetelius und stemmte aus einem späteren Jahr, so daß P. daran keinen Anteil hatte. Über seine Taten im Felde ist offenbar aus diesem ersten Kriegsjahr nichts Näheres bekannt gewesen. Aber schon beim folgenden führt ihn Liv. VIII 29, 9 ein als longe clarissimum bello ea tempestate, und wiederholt das bei jeder neuen Erwähnung: IX 7, 15: haud dubio consensu … nulli ea tempestate duces clariores … 16, 12: vir haud dubie dignus omni bellica laude. 16, 19: haud dubie illa aetate … nemo unus erat vir, quo magis innixa res Romana staret. 38, 9: in quo tum summa rei bellicae ponebatur. X 38,1 (s. Nr. 53).

429 = 325. Erste Dictatur des P., rei gerundae causa bestellt und berühmt durch seinen Streit mit dem Magister equitum Q. Fabius Maximus Rullianus. Fabius soll in Abwesenheit des P. und gegen dessen Verbot den Samniten eine Schlacht geliefert und den Sieg gewonnen haben, wurde aber von dem Dictator wegen seines Ungehorsams zur Verantwortung gezogen und wäre der Todesstrafe anheimgefallen, wenn P. nicht schließlich nach vielem Bemühen den Bitten des ganzen Volkes nachgegeben und Gnade für Recht hätte ergehen lassen. Der ausführlichste Bericht ist der des Liv. VIII 29, 9f. 30, 1–37 (vgl. IX 38, 10–14. X 3, 8) mit dem Hinweis auf Abweichungen der Quellen 30, 7–9 und namentlich das Zeugnis des Fabius Pictor (frg. 18 Peter); davon abhängig oder damit übereinstimmend Val. Max. II 7, 8. III 2, 9. Frontin. strat. IV 1, 39. Eutrop. II 8, 1–3. Auct. de vir. ill. 31, 1–3. 32, 1. Dio frg. 36, 1–7 (vgl. 26) und das Fragment des Elogiums des P. (CIL I² p. 192 el. VIII = Dess. 53). Wie schon o. Bd.VI S. 1800f. ausgeführt worden ist, muß die Erzählung trotz ihres Alters als ungeschichtlich aufgegeben werden. Die seitdem erschienenen Untersuchungen von Bandel (Die röm. Diktaturen [Diss. Bresl. 1910] 90f. 92) und Beloch (RG 396) gehen wie manche der früheren bis zur Streichung des Fabius als Magister equitum; Westermayer (Suppl.-Bd. V S. 637f. 643. 646f.) geht nicht so weit, sondern legt Wert auf Liv. VIII 36, 1: dictator praeposito in urbe L. Papirio Crasso (Nr. 45), magistro equitum Q. Fabio vetito quicquam pro magistratu agere, in castra rediit. Da es sich an dieser Stelle um P. und nicht um Fabius handelt, so möge eine Entscheidung zwischen den verschiedenen Meinungen über dessen Reiterführeramt in der Schwebe bleiben; an der Dictatur des P. und an einem von ihm errungenen Erfolge über die Samniten ist nicht zu zweifeln. Von den Historikern berichtet Liv. VIII 36, 1–37, 2 nach jener Amtsenthebung des Fabius einen Sieg des Dictators P., einen Vertrag mit den Feinden und einen Triumph, und Zonar. VII 26, der den Reiterobersten Fabius erwähnt, aber seine Geschichte übergeht, den Sieg und den Vertrag des P., und Auct. de vir. ill. 31, 4 den Triumph; diesen verzeichnen Acta triumph. zum folgenden J. 430 = 324: L. Papirius Sp. f. L. n. Cursor dict. ann. CDXXIX de Samnitibus III non. Mart. Dasselbe J. 430 = 324 wird bezeichnet Hydat.: His conss. tum dictator creatus Papinius Cursor et magister equitum Drusus, und Chron. Pasch.: Παπίνιος Κούρσωρ ἀντιγραφεὺς [1043] κατέστη, Δροῦσος στρατηγὸς ἱππέων (vgl. Chronogr.: Hoc anno dictatores [so!] non fuerunt). Es ist das zweite der von Liv. und Diod. übergangenen sog. Dictatorenjahre; der Gentilname des Dictators ist leicht entstellt und von dem Reiterführeramt eines (Livius) Drusus ist auch bei Suet. Tib. 3, 1 eine deutliche Erinnerung erhalten (o. Bd. XIII S. 353). Unabhängig von der Frage nach dem oder den Reiterobersten des P. darf die nach der Geschichtlichkeit seiner Dictatur und seines Triumphes über die Samniten 429/430 = 325/324 bejaht werden. Er hat damals seinen Feldherrnruhm in der Tat begründet, und er ist deswegen nach der Caudinischen Niederlage für das darauf folgende J. 434 = 320 mit dem schon in zwei Consulaten bewährten Q. Publilius Philo zum zweiten Consulat berufen worden (Liv. IX 7, 15 s. o.) und hat an das zweite sogleich im J. 435 = 319 das dritte anreihen dürfen.

Von den Fasti Cap. für diese Jahre ist 1904 zu dem CIL I² p. 21 gedruckten Stück mit den Anfängen der Zeilen ein anderes mit den mittleren Teilen derselben Zeilen hinzugetreten (Not. d. scavi 1904, 10 = Röm. Mitt. XIX 119); da der Name des P. darin viermal erscheint, sei das Ganze hier wiedergegeben: 434 = 320: L. Pa[pirius Sp. f. L. n. Curs]or II Q. Pobli[lius Q. f. Q. n. Philo III] | C. Mai[nius P. f. P. nepos dict. quaest. exerc. caussa?] (s. o. Bd. XIV S. 250, 9ff.) | M. Fos[lius C. f. M. n. Flac]cinator ma[g. eq.] | L. Corn[elius .. f. .. n. Len]tulus [dict. rei ger. caussa] | L. Papiriu[s Sp. f. C. n. Curs]or II mag. [eq.] | T. Manli[us L. f. A. n. Imperio]ss. Torquatos III di[ct. comit. habend. caussa] | L. Papiriu[s Sp. f. L. n. Curso]r III mag. eq. | 435 = 319: L. Papirius [Sp. f. L. n. Curs]or III Q. Aulius Q. f. Q. [n. Cerretanus II]. Dazu kommen Acta triumph. 435 = 319: L. Papirius Sp. f. L. n. Cursor II cos. III an. CDXXXIV | de Samnitibus X k. Septembr., und die teilweise entstellten literarischen Zeugnisse für das zweite und dritte Consulat des P. 434 = 320: Liv. IX 7, 15: Q. Publilius Philo tertium et L. Papirius Cursor iterum (daraus Cassiod. mit vertauschten Praenomina: Q. Papirius et L. Publilius. Diod. XVIII 44, 1: Κόϊντος Ποπίλλιος καὶ Κόϊντος Πόπλιος (!). Chronogr. Hydat.: Cursore II. Chron. Pasch.: Κούρσορος τὸ γ’ (!). 435 = 319: Liv. IX 15, 11: L. Papirius, entweder Cursor III oder Mugillanus (s. o. daraus Cassiod.: L. Papirius). Diod. XVIII 58, 1: Λεύκιος Παπίριος. Chronogr.: Murillano III (s. o.). Hydat.: Papino und Chron. Pasch. Παπηνίου mit ähnlicher Entstellung des Gentilnamens P. wie 430 = 324. An den zwei Consulaten des P. ist nicht zu zweifeln, aber daß 434 = 320 nicht weniger als drei Dictatoren im Amte gewesen sein sollen, steht einzig da und erregt schon deshalb Verdacht. Von den zwei Dictaturen, in denen P. Magister equitum war, ist die des Manlius nur in den Fasti Cap. überliefert und gilt als noch bedenklicher wie die des Lentulus, aber hauptsächlich eben wegen des Reiterführeramtes des P. (s. Bandel 98. Beloch 65. Westermayer 641, 31). Indes die Einwendungen gegen die Dictatur des Manlius sind nicht durchschlagend (s. o. Bd. XIV S. 1189, 41 ff.), und wenn gerade bei gutbezeugten Dictaturen [1044] für die Abhaltung der Comitien die Ernennung zum Magister equitum die wirksamste Wahlempfehlung für das Consulat war (s. Mommsen St.-R. II 174), so ist es doch möglich, daß die Wiederwahl des zweimaligen Consuls P. zum dritten Consulat für 435 = 319 auf diesem Umwege sicherer erzielt wurde, als wenn er selbst oder sein Mitconsul von 434 = 320 diese Wahlen geleitet und den entsprechenden Vorschlag gemacht hätte. (Mit dieser Annahme erledigen sich auch die Bedenken Belochs 67.) Die Dictatur des Lentulus und das zu ihr gehörige Reiterführeramt des P. war zweifellos in den Fasti Cap. als rei gerundae causa bezeichnet und ist auch durch Livius bezeugt und in die angebliche Kriegsgeschichte von 434 = 320 verflochten. Nach seiner ausführlichen Darstellung haben die Consuln nach Verwerfung des Caudinischen Vertrages ihrer Amtsvorgänger (IX 8, 1ff.) den Krieg gegen die Samniten wieder eröffnet, Publilius bei Caudium (12, 9ff.), P. in Apulien gegen Luceria (13, 6ff.), wo sich nach kurzer Zeit Publilius mit ihm vereinigte (13, 9ff.). Sie führten nun den Krieg in Apulien, wenn auch jeder für sich, so doch in stetem Einvernehmen miteinander so erfolgreich, daß P. Luceria vollkommen einschloß, Publilius jeden Ersatz vereitelte, und infolgedessen jener die Stadt durch Hunger zur Übergabe zwang (14, 1–15, 6), wobei er 7000 Samniten unter das Joch schickte, die gesamte Caudinische Beute der Feinde zurückgewann und die 600 Geiseln des Caudinischen Friedens befreite (15, 7). Dazu fügt Livius die Variante, daß auch Pontius, der Sieger von Caudium, unter das Joch geschickt worden sei (15, 8: quod quibusdam in annalibus invenio) und zweitens die ihm selbst weit befremdlicher dünkende: ambigi, Luciusne Cornelius dictator cum L. Papirio Cursore magistro equitum eas res ad Caudium atque inde Luceriam gesserit ultorque unicus Romanae ignominiae … triumphaverit, an consulum Papirique praecipuum id decus sit (15, 9f. s. o. Bd. IV S. 1366. Westermayer 641, 20ff.). Es folgt die Kriegsgeschichte von 435 = 319, eingeleitet mit einem Hinweis auf Übereinstimmung der Quellen (16, 1: convenit iam inde per consules reliqua belli perfecta), fast ganz ausgefüllt mit der Wiedergewinnung des abgefallenen Satricum durch P. (16, 2–9) und mit dem von ihm über die Abgefallenen verhängten Strafgericht (16, 10), und schließend (16, 11): inde ad triumphum decessisse Romam Papirium Cursorem scribunt, qui eo duce Luceriam receptam Samnitesque sub iugum missos auctores sunt. Mit den von Livius bevorzugten Berichten gehen die Acta triumph. zusammen, die den Triumph des P. als Consul III 435 = 319 verzeichnen und von einem solchen des Dictators Lentulus oder irgendeinem andern seit 432 = 322 nichts wissen. Insofern steht ihnen auch die Zeittafel aus Oxyrynchos nahe, daß sie die Vergeltung für die Caudinische Niederlage ohne Nennung bestimmter Feldherren in das zweite, nicht das erste darauf folgende Jahr setzt (Pap. Oxy. I nr. XII = FGrH 255 Col. VI 20–25 s. schon o. Bd. IV a. O.). Die Livianische Nebenquelle fand in den Fasten von 434 = 320 den P. nicht bloß als Consul II, sondern auch als Magister equitum genannt und konnte nicht [1045] glauben, daß ein Mann von diesem kriegerischen Ruhme einem nicht für den Krieg bestimmten Dictator beigesellt worden sei. So wird er als Reiterführer aus der Dictatur für die Wahlen in die für den Krieg versetzt worden sein, woraus sich dann weiter die Zuweisung der angeblich von ihm errungenen Erfolge an den ihm übergeordneten Dictator ergab. Die Fasti Cap. haben in dem auch sonst (z. B. beim J. 374 = 380 s. Nr. 66) zu beobachtenden Bestreben, alle überlieferten Beamtennamen zu verwenden, beide Dictatoren aufgenommen, denen P. als Magister equitum zur Seite stand, aber mit verschiedener Zweckbestimmung; in Wahrheit können wie im J. 433 = 421 (Liv. IX 7, 12–14) sehr wohl beide nacheinander comitiorum causa ernannt worden sein und kann, als der erste, etwa vitio factus, abdankte, der zweite nichtsdestoweniger denselben Magister equitum P., wie der erste, von neuem erkoren haben, weil es eben das Ziel war, diesem Manne die Kontinuation des Consulats zu verschaffen. So ist das Ergebnis der Untersuchung, daß von den Ämtern des P. in dem Biennium 434f. = 320f. außer dem zweiten und dritten Consulat auch ein Reiterführeramt geschichtlich sein dürfte, und zwar das ihm von dem Dictator für die Wahlleitung übertragene. Dagegen ist der Triumph über die Samniten zu streichen und mit ihm der ganze Tatenbericht. Die von Livius abhängigen Autoren haben allerdings, unbekümmert um seine kritischen Anmerkungen, die für Rom und für P. ehrenvollste Darstellung wiederholt, den Sieg bei Luceria und die Entlassung der Besiegten, mit Einschluß ihres Feldherrn (Flor. Oros.), unter dem Joch (Liv. XXII 14, 12 in einer Rede. Flor. I 11, 12. Eutrop. II 9, 2. Oros. III 15, 8f. Ampel. 18, 7; vgl. noch Dio frg. 36, 23), auch die Einnahme von Satricum (Oros. III 15, 10) und den Triumph des P. (Eutrop. Auct. de vir. ill. 31, 4), und die Zeittafel von Oxyrynchos sagt, daß die Römer durch den im zweiten Jahre auf ihre Niederlage folgenden Sieg über alle Samniten τοὺς αἰχμαλωτισθέντας αὐτῶν ἐν τῆι προτέραι μάχηι ἀπέλαβον, was mit der Livianischen Erzählung über die Befreiung der 600 Geiseln (IX 15, 7 vgl. 14, 13–16) übereinstimmt. Aber den richtigen Standpunkt gegenüber den Kriegsberichten aus dem zweiten und dritten Consulat des P. gibt namentlich der Vergleich mit dem vierten und fünften.

439 = 315 wurde P. zum vierten Male Consul zusammen mit Q. Publilius Philo, der im zweiten Consulat, 434 = 320, sein Kollege gewesen war, damals als Consul III ihm voranstehend, jetzt als Consul IV ihm gleichstehend (Fasti Cap. Chronogr. Hydat. Chron. Pasch. Diod. XIX 66, 1, alle mit Iterationsziffer, Hydat. hier mit III und 441 = 313 mit IV. Cassiod.: L. Papirius iun̄. [? vermutlich IV n̄. = numero]). Liv. IX 22, 1 geht vom J. 438 = 316 zu 439 = 315 mit den Worten über: bellum deinceps ab dictatore Q. Fabio gestum est; consules novi, sicut superiores Romae manserunt. Er nennt nicht einmal die Namen der zum vierten Consulat beförderten Männer, deren gemeinsame Wahl zum dritten des Publilius und zum zweiten des P. er statfinden ließ haud dubio consensu civitatis, quod nulli ea tempestate duces clariores erant [1046] (IX 7, 15 s. o.), und er läßt sie jetzt überhaupt nicht ins Feld rücken. Sein Kriegsbericht bringt hier im ersten Teile die Kämpfe des Dictators Fabius um Saticula, den Tod seines Magister equitum Q. Aulius Cerretanus, des Kollegen des P. im dritten Consulat von 435 = 319, die Einnahme von Saticula durch die Römer und die von Plistica durch die Samniten (22, 1–11) und im zweiten Teil die Verlegung des Kriegsschauplatzes von Samnium und Apulien nach Sora, eine erste Schlacht bei Lautulae, die unentschieden bleibt (23, 1–4), und eine zweite, die mit dem Sieg der Römer endet (23, 6–17), wobei hinter der ersten eingeschoben wird (23, 5): invenio apud quosdam adversam eam pugnam Romanis fuisse atque in ea cecidisse Q. Aulium magistrum equitum. Hier steht aber dem Livianischen Jahresbericht der bei Diod. XIX 72, 3–9 gegenüber, der gerade mit dieser abweichenden Angabe vereinbar ist: Die Samniten nahmen Plistica und brachten Sora auf ihre Seite, suchten das von den Römern belagerte Saticula mit starker Macht zu entsetzen, wurden aber in einer schweren, für beide Teile verlustreichen Schlacht geschlagen. Die Römer nahmen die Stadt und gewannen andere Orte in der Nachbarschaft; der Krieg kam in Apulien zum Stehen. Die Samniten wollten einen entscheidenden Schlag führen, und die Römer schickten gegen sie den Dictator Q. Fabius und den Magister equitum Q. Aulius; es folgte die große Schlacht bei Lautulae mit der Niederlage der Römer und dem Heldentode des Aulius. Als römischer Stützpunkt in Apulien wurde die Kolonie Luceria angelegt. Die Überlegenheit des Diodorischen über den Livianischen Feldzugsbericht ist seit Niebuhr (III 264ff.) allgemein anerkannt und ist daher auch o. Bd. VI S. 1802 für die Geschichte des Dictators Fabius zur Geltung gebracht worden. Für die Consuln P. und Publilius ergibt sich daraus, daß sie durchaus nicht untätig in Rom gesessen, sondern den Oberbefehl in Samnium und Apulien geführt und alle Operationen allein und selbständig geleitet haben, bis das überraschende Vordringen der Samniten gegen Tarracina hin die Ernennung eines Dictators zur Abwehr an dieser gefährlichen Stelle veranlaßte. Gewiß haben die Consuln nach der Niederlage des Dictators bei Lautulae wieder die volle und alleinige Leitung des Krieges gehabt. Der Vergleich der Jahresberichte von 434 = 320, wo P. und Publilius zum ersten Male zusammen Consuln waren, und von 439 = 315, wo sie es zum zweiten Male waren, zeigt ihre merkwürdigen Verschiedenheiten: Der erste ist voll von Taten der Consuln, zumal des P., gegen die sich aus den eigenen Angaben des Livius starke Bedenken erheben lassen, und der zweite ist bei Livius, soweit die Consuln in Frage kommen, gänzlich inhaltslos, ganz anders als der Parallelbericht Diodors. Gegen die Richtigkeit und auch nur die Möglichkeit der unter dem zweiten und dritten Consulat des P. erzählten Ereignisse erheben sich aber in noch größerer Menge und Stärke als quellenkritische Bedenken solche von sachlicher Art, aus den geographischen, militärischen, politischen Verhältnissen abgeleitet; sie sind im Wesentlichen schon von Niebuhr (III 260ff., besonders auch 262, 390) erkannt und von [1047] den Späteren eingehender begründet und vertieft worden (z. B. Beloch 3995.), so daß sie auch in neueren zusammenfassenden Darstellungen berücksichtigt wurden (s. z. B. Philipp u. Bd. I A S. 2146. Adcock Cambridge Anc. Hist. VII 600. Vogt Röm. Republik 59f). Dem Caudinischen Vertrage ist nicht die Verwerfung und die Vergeltung auf dem Fuße gefolgt, wie die patriotische spätere Geschichtschreibung es darstellte, sondern es herrschte danach zwischen Römern und Samniten etwa fünf Jahre lang wirklicher Friede. In dieser Zeit wurden in Rom umfassende Rüstungen betrieben, kleinere Kriege geführt und Bündnisse geschlossen, um die Samniten einzukreisen und den Kampf mit verstärkten Kräften, auf neuen Schauplätzen, in größerem Maßstabe wieder aufnehmen zu können. An diesen Vorbereitungen hat P. in seinem zweiten Consulat mit Publilius und in seinem dritten großen Anteil gehabt und bald nach dem Wiederausbruch des Krieges hat er im vierten Consulat mit Publilius die Führung übernommen. Es ist beinahe eine Vertauschung dessen, was sie bei ihrem ersten und was sie bei ihrem zweiten Zusammenwirken geleistet haben, wenn die Annalen das eine Mal den Mund so voll nehmen und das andere Mal schweigen, weil sie ihren Stoff schon aufgebraucht haben und Wiederholungen sowie Widersprüche vermeiden wollen. So sind sie, worauf Beloch (396. 480) mit Recht aufmerksam macht, stillschweigend darüber weggeglitten, daß die Ernennung des Fabius zum Dictator im J. 439 = 315 durch P. oder seinen ihm offenbar nahestehenden Kollegen Publilius erfolgt sein muß, und daß diese Tatsache sich schlecht mit der später beim J. 444 = 310 wieder vorgetragenen Annahme verträgt, daß zwischen P. und Fabius von ihrer gemeinsamen Amtsführung im J. 429 = 325 her Abneigung und Feindschaft bestand. Die Verschiebung von Ereignissen aus späteren in frühere Amtsjahre des P. beschränkt sich nicht auf die Jahre, in denen Publilius sein Kollege war. Ähnlich wie er an sein zweites Consulat unmittelbar sein drittes angereiht hatte, so durfte er auf das vierte nach nur einjähriger Zwischenzeit das fünfte folgen lassen.

441 = 313 war er Consul V (Fasti Cap. Chronogr. Hydat. [s. o.] Chron. Pasch. Liv. IX 28, 2. Diod. XIX 77, 1, alle mit Iterationsziffer; ohne diese Cassiod. und Fest. 340, dieser auch mit falschem Praenomen P.) und wurde dazu mit C. Iunius Bubulcus Brutus II gewiß aus dem Grunde gewählt, weil ähnlich wie die Caudinische Niederlage, so auch die bei Lautulae erlittene den Römern großen, selbst von Liv. (25, 2ff. 26, 1ff. 5ff. beim J. 440 = 314) nicht zu leugnenden Schaden zugefügt hatte. Aber wiederum weist der Jahresbericht des Liv. 28, 2–8 alle Kriegstaten einem Dictator zu und in einem abweichenden Nebenbericht einen großen Teil davon dem andern Consul (28, 5f.), gedenkt aber des P. mit keinem Worte, während Diod. XIX 101, 1–3 von den beiden Consuln eine gemeinsame Kriegführung erzählt und von dem Dictator ganz anders berichtet (s. o. Bd. X S. 1028. Beloch 407ff.). Auch von dem fünften Consulat des P. weiß Livius so wenig wie von dem vierten irgend etwas zu melden, weil er eben den Höhepunkt [1048] seiner Wirksamkeit in den ordentlichen Jahresämtern 428 = 326 bis 441 = 313 in die Mitte des Zeitraums, in das zweite und dritte Consulat des P. hinaufgerückt hat.

Deswegen hat er, vermutlich nach dem Vorbilde Anderer, an jener Stelle, hinter dem Bericht über das zweite und dritte Consulat, einen Exkurs zur Charakterisierung des für den ersten römischen Feldherrn seiner Zeit erklärten P. eingelegt (16, 12–19). Dabei hat er die Erwägung angestellt, daß P. vor allem, falls Alexander der Große sich noch nach Italien und gegen die Römer gewendet hätte, als ebenbürtiger Gegner dem Makedonenkönige entgegengetreten wäre (16, 19 vgl. 17, 8. 13. Oros. III 15, 10. Ammian. XXX 8,6. Io. Lyd. de mag. I 38 p. 40, 5 W.), und hat daran einen weiteren Exkurs angehängt, die berühmte Vergleichung Alexanders und seiner Macht mit der damaligen römischen und ihren Führern (17, 1–19, 7; nach Plut. Pyrrh. 19, 2 schon in der Senatsrede des Ap. Claudius Caecus von 474 = 280 erwähnt als ὑμῶν ὁ πρὸς ἅπαντας ἀνθρώπους θρυλούμενος ἀεὶ λόγος). Hier kommt nur der erste Exkurs, die Charakteristik des P., in Betracht, und dafür ist von Livius oder vielmehr schon von seinem Vorgänger eine Quelle ausgebeutet worden, die neben den Fasten und den Annalen als eine dritte, andersartige steht, die volkstümliche Erzählung, die Anekdote, das Apophthegma. Es ist eine Gattung geschichtlicher Tradition, die Wert hat für Zeiten, in denen geschichtlicher Sinn sich regt, aber noch nicht zur Abfassung von Geschichtswerken gelangt. Eine solche Zeit ist das Jahrhundert, in dem Rom die Herrschaft über die Halbinsel Italien errang, qua nulla virtutum feracior fuit (Liv. 16, 19); mit anderen Zeitgenossen (s. etwa o. Bd. VI S. 1931, 40ff.) gehörten P. und sein Sohn Nr. 53 zu den Helden, von denen manche kleinen Geschichten in Umlauf waren, die spät oder gar nicht einen festen Platz in den Geschichtsbüchern erhielten und in alter und neuer Zeit (neben Liv. s. z. B. Niebuhr III 293) zur Schilderung der Persönlichkeit benutzt wurden. Sie lautet bei Liv. 16, 12: fuit vir …… non animi solum vigore, sed etiam corporis viribus excellens (vgl. 17, 13: illo corporis robore, illo animi; ebenso X 42, 7 robor animi des Sohnes). Die körperliche Leistungsfähigkeit (vgl 16, 14: invicti ad laborem corporis) wird nach zwei Seiten belegt: Die eine ist die Schnelligkeit im Laufen (s. als Gegenstück Romulus bei Plut. Rom. 25, 4), die lediglich aus dem Cognomen Cursor erschlossen ist, und zwar mit Unrecht, falls dieses schon vorher in der Familie gebräuchlich war (s. o.). Der andere Zug ist (16, 14): fuisse ferunt …… cibi vinique eundem capacissimum; für diese Seite ist glücklicherweise bei Dio frg. 36, 23 die Grundlage erhalten, die treffende und treffliche Antwort des P. auf den ihm von irgendwem (τινός!) gemachten Vorwurf der Trunksucht. Die allgemeine Behauptung, die wohl die Speise zum Trank von sich aus ergänzte, ist Schlußfolgerung aus dem Apophthegma, und wenn die Gegenüberstellung Alexanders bei dem Sieger im Laufen hineinspielt (s. o.), so vielleicht noch mehr bei dem auch den scharfen Trunk zum Besten wendenden P., da die Römer an Alexander gern [1049] diese Neigung tadelten (Liv. 18, 4. Bezeichnend Vell. II 41, 1: Caesar … Alexandro sed sobrio simillimus). Vielleicht wurde im Zusammenhang damit ursprünglich von P. die Anekdote erzählt, die Liv. X 42, 7 (noch nicht die Quelle von Plin. n. h. XIV 91?) von seinem Sohne Nr. 53 erzählt, um dessen robor animi zu beweisen: voverat Iovi Victori, si legiones hostium fudisset, pocillum mulsi, priusquam temetum biberet, sese facturum; der ursprüngliche Sinn mag ganz anders gewesen sein, als die Verwertung in den vorliegenden Quellen. Für die Geistesart des P. hebt Livius hervor (16, 14): nev cum ullo asperiorem … fuisse militiam pediti pariter equitique, und (16, 16): vis erat in eo viro imperii ingens pariter in socios civesque, und belegt die Sätze mit weiteren Anekdoten. Die Strenge im Dienst gegenüber den Reitern kennzeichnet die nur hier (16, 15f.) erhaltene, zeitlos gegebene (aliquando!) Antwort des P. auf eine Bitte um Erleichterung ihres Dienstes; pediti equitique kann wie vorher cibi vinique beurteilt werden. Auch für das Verhalten in socios civesque wird nur ein den socii geltender Beleg beigebracht, die wiederum zeitlose Erzählung von dem furchterregenden Scherz des P. mit dem Praenestinischen Befehlshaber; sie ist nach Liv. 16, 17f. auch von Späteren mit geringfügigen Abweichungen wiedergegeben worden (Auct. de vir. ill. 31, 5. Ammian. XXX 8, 6: P. dictator! Dio frg. 36, 24: ποτέ). Bei der Geltendmachung des Imperiums gegen die Bürger dachte sicherlich Livius und jeder seiner Leser an den Zusammenstoß des P. als Dictator mit dem Magister equitum Fabius, ohne daß ausdrücklich daran erinnert zu werden brauchte (wie es X 3, 8 geschieht). Auch diese Erzählung steht dem Anekdotenmaterial nicht fern, ebensowenig die über die Zurückweisung der Friedensvermittlung Tarents durch P. 14, 1–8, wo zwei ursprünglich selbständige Apophthegmen miteinander verbunden zu sein scheinen, das bei seinem Sohne Nr. 53 ausführlicher wiederholte von dem durch den Pullarius gemeldeten Auspicium (14, 4; vgl. X 40, 4f. 9–14) und das Urteil über die Griechen (14, 5), das ungefähr auf derselben Stufe steht, wie die angebliche Äußerung des C. Fabricius und ihre Quellenangabe bei Cic. Cato 43. Für die Entstehung der antiken Überlieferung über diese Zeiten der römischen Geschichte verdient neben dem echten Kern der Fasten und der Annalen auch der Grundbestand an vorliterarischen Volkserzählungen größere Beachtung und schärfere Prüfung, auch wenn der Ertrag für die Geschichte selbst gering sein sollte.

Die Krönung des Lebens des P. nach seinen fünf Consulaten wird von Livius in seiner zweiten Dictatur und seinem damals errungenen dritten Triumph dargestellt. Im J. 444 = 310 waren Consuln Fabius Rullianus II und C. Marcius Rutilus, jener mit dem Oberbefehl gegen die Etrusker betraut (o. Bd. VI S. 1803f.) und dieser mit dem gegen die Samniten (o. Bd. XIV S. 1589f.); er nahm Allifae mit Gewalt und befreite belagerte Städte römischer Bundesgenossen. An diese von Liv. IX 38, 1 und Diod. XX 35, 2 übereinstimmend berichteten Tatsachen hängt Livius eine bei Diodor vollständig fehlende ausführliche [1050] Erzählung: Marcius habe in einer schweren unentschiedenen Schlacht mehrere Offiziere verloren und selbst eine Wunde empfangen; der Senat habe auf die Kunde davon, die das Gerücht noch verschlimmerte, die Ernennung eines Dictators beschlossen, und dafür sei unzweifelhaft (nec dubium cuiquam s. o. zu 428) nur P. in Frage gekommen (38, 8f.). Die Ernennung habe nur der in erreichbarer Nähe befindliche Consul Fabius vornehmen können, und da dieser mit P. von dessen erster Dictatur her als sein damaliger Reiteroberst verfeindet war, so wurde nun mit wirkungsvollen Farben ausgemalt, wie Fabius sich selbst überwunden und den Auftrag des Senats vollzogen habe (38, 10–14. Dio frg. 36, 26), wogegen es ganz unbeachtet blieb, daß die Bestellung des Fabius selbst zum Dictator im vierten Consulat des P. 439 = 315 vorausgegangen war (s. o.). P. als Dictator II nahm nun seinen Kollegen im fünften Consulat, den C. Iunius Bubulcus Brutus zum Magister equitum (38, 14f. mit Hinweis auf Licinius Macer 38, 16 [frg. 17 Peter]). Fasti Cap. verzeichnen beide zum folgenden J. 445 = 309, dem dritten Dictatorenjahr (s. o. bei 429f.): L. Papirius Sp. f. L. n. Cursor II dict. rei gerund. caussa. C. Iunius C. f. C. n. Bubulcus Brutus II mag. eq. hoc anno dictator et magister eq. sine cos. fuerunt (vgl. Hydat: Ilis conss. tum dictator Cursor et magister aequitum Bubulcus, auch Chron. Pasch.: ἐπὶ τῶν προκειμένων ὑπάτων γέγονε μάγιστρος Βούβουλκος und Chronogr. wie beim J. 430). Demgemäß wird auch der von Liv. 38, 15. 20f. im J. 444 = 310 erzählte Triumph des Dictators P. in den Acta triumph. erst 445 = 309 gemeldet: L. Papirius Sp. f. L. n. Cursor III ann. CDXLIV dict. II de Samnītibus īdibus Oct. Sogar Livius selbst hat seinen, durch eine größere Lücke unterbrochenen, breit ausgeführten Bericht über den Feldzug des P. gegen die Samniten und seinen großen irgendwo erfochtenen Sieg (39, 1–3. 40, 1–14) als Gegenstück zu dem Siege seines Sohnes Nr. 53 bei Aquilonia 461 = 293 erkannt (X 38, lf. 39, 13f.) und hat dem so hochgepriesenen Dictator und Triumphator seinen Ruhm durch die Bemerkung (40, 21) verkürzt, das Verdienst gebühre großenteils seinen Legaten, die den Lohn dafür bei den nächsten Wahlen empfingen, was natürlich besagt, daß aus den Fasten von 446 = 308 die Namen in den Schlachtbericht (40, 12) gelangt sind. Die einzige mit Namen genannte Örtlichkeit ist Longula, wo P. das Heer des Consuls Marcius übernommen haben soll (39, 1); sie ist auch als die Gegend des Schlachtfeldes gedacht, aber sonst völlig unbekannt. Von einer Wirkung des Sieges wird nichts gesagt. Daß P. für den Fall eines Sieges dem Quirinus einen Tempel gelobt habe, wird ebensowenig berichtet und war überhaupt nicht überliefert, sondern ist nur eine Folgerung aus der Tatsache, daß sein Sohn nach dem Siege von Aquilonia diesen Tempel geweiht hat, und aus der Anekdote, daß dieser Sohn damals ein anderes Gelübde getan habe (Liv. X 42, 7. Plin. n. h. XIV 91. s. Nr. 53); von wem und in welchem Jahre das Heiligtum oder vielmehr dessen Erneuerung und Ausbau (s. Wissowa Rel.² 154f.) dem Gotte wirklich versprochen worden war, hat [1051] man gar nicht gewußt. Die handgreiflichen Erfindungen und Entlehnungen in dem Livianischen Bericht und das völlige Schweigen Diodors haben schon früher dazu geführt, die Dictatur und den Triumph des P. von 444f. = 310f. als ungeschichtlich zu verwerfen (s. z. B. Bandel 107f.); indes brauchte es keinen Anstoß zu erregen, daß ,nun der alte P. noch einmal heran muß‘ (Beloch 412 vgl. 66. 480), weil er doch nur um drei Jahre älter war als in seinem letzten Consulat. Zwischen diesem seinem letzten Consulat und dem ersten seines Sohnes liegen 20 Jahre, dagegen bei den gleichzeitigen Fabiern, Rullianus und Gurges, zwischen dem letzten Consulat des Vaters und dem ersten des Sohnes nicht mehr als zwei; es ist daraus zu schließen, daß P. kein sehr hohes Alter erreicht hat, als er vom Schauplatz abtrat. Sieht man von den Verfälschungen seiner Geschichte ab und berücksichtigt man seine wirklich geführten Ämter und die Kollegen, mit denen er sie führte, so kann man dem Urteil Belochs (480) zustimmen: ,Offenbar war er kein schroffer Parteimann, mehr Soldat als Politiker.‘