Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sternbild des Hasen
Band XII,1 (1924) S. 458461
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Lagoos.

1. Sternbild des Hasen. Die übliche Bezeichnung ist λαγωός, gelegentlich findet sich auch λαγώς, z. B. Cat. codd. astr. V 1. 188, 14. Die Römer nennen das Gestirn durchweg lepus, sie übernehmen den griechischen Namen mit der Konstellation, eine speziell römische Bezeichnung dieser Sterne läßt sich nicht nachweisen. Von den Babyloniern scheint der Hase und überhaupt diese Sterne nicht besonders beachtet und benannt worden zu sein, wenigstens ist bis jetzt keinerlei Handhabe dafür da, daß die Griechen dieses Bild von den Babyloniern übernommen hätten; in den bis jetzt bekannten babylonischen Sternkatalogen fehlt der Hase: vgl. Jastrow Rel. Babyl. u. Assyr. II 679ff. Kugler Sternk. u. Sterndienst in Babel II 313ff. Ergänz.-Bd. I 63. II 176. 221. Bezold-Kopff-Boll Zenit- und Aequatorialgestirne am babylon. Fixsternhimmel = S.-Ber. Akad. Heidelb. 1913, 11. Abh. 11ff. Jeremias s. Sterne Roscher Myth. Lex. IV 1491. 1499. Bezold bei Boll Antike Beob. farb. Sterne = Abh. Akad. München XXX (1918) 1. Abh. 137; zur ägyptischen Auffassung dieses Sternbildes als eines Vogels vgl. Boll Sphaera 238, 13 und als Anubis ebd. 180. Ob der Hase die Schöpfung eines griechischen Dichters ist, also ein rein poetisches Sternbild, oder der Laune eines Astronomen des 5. oder 4. Jhdts. seine Entstehung verdankt, bleibt wohl unentschieden. Eudoxus hat es in seinen beiden Abhandlungen als eine bekannte Größe verwertet (Hipparch. p. 76, 14ff. Man.), er kann also nicht als Erfinder desselben in Betracht kommen. Allerdings wird es in der Literatur vor Eudoxus nicht erwähnt; die in älteren Untersuchungen angezogene Stelle aus Eurip. Iph. 7 (so etwa Schaubach Gesch. d. griech. Astron. 1802, 112) beruht auf einer willkürlichen Textveränderung von Musgrave, vgl. O. Müller Proleg. 202. Vielleicht ist es in dem Parapegma Euktemons genannt gewesen, doch bleibt die Ergänzung in dem milesischen Fragment 84 ungewiß, Rehm S.-Ber. Akad. Berl. 1904, 754. Nach den Katasterismen wäre der Hase eine ‚Erfindung‘ aus der sogenannten Jagd, welche dem Jäger Orion ein Jagdwild und einen Hund beigab, Cat. XXXIV p. 172 Rob. p. 40 Ol. Schol. Arat. 338 p. 409 M. Hygin. astr. II 33 p. 71. l4 Bu. Arat. lat. v. 338 p. 254 M., etwas Positives läßt sich aus dieser Angabe kaum gewinnen, da wir über die Zeit und den Verfasser dieser κυνηγία nichts Näheres wissen.

In den Sternkatalogen wird er gewöhnlich unter den südlichen Sternbildern aufgezählt. Die übliche Positionsangabe stellt ihn unter die beiden Füße des Orion, Sirius verfolgt ihn. Arat. 337ff. 383; unter ihm liegen eine Anzahl lichtschwacher namenloser Sterne, die von Eudoxus besonders beachtet wurden. Arat. 367. Hipparch. p. 74. 20ff. Man. Nach Eudoxus liegt er ganz auf dem Wendekreis des Steinbocks. Arat. 503. Hipparch. p. 22. 4 Man; anders Hyg. astr. III 32, dazu Boll Sphaera 290. Hipparch erwähnt vier Sterne in den Ohren, zwei helle Sterne im Leibe, einen namenlosen hellen Stern (a columbae) unter dem Leibe, einen in den Vorderfüßen, den am Schwanzende und den südlichen von denen in den Hinterfüßen (Näheres im Index [459] der Ausgabe von Manitius s. Lepus p. 369). Ptolemaios notiert dazu noch den am Kinn, den am Ende der linken Vorderpfote und den an der Hüfte, im ganzen 12 Sterne. Dagegen nennen die Katasterismen nur 7 Sterne, sie zählen in den beiden Ohren je einen Stern, im Leibe drei und in jedem Hinterfuß je einen, Erat. p. 172, 18 Rob. p. 41, 4 Ol., dieselbe Zahl aber in anderer Verteilung: Hyg. astr. III 32 p. 95 Bu.‚ wo wohl mit Robert die Gesamtzahl der Sterne, die die Hs. mit VI geben, in 7 zu ändern ist, da hier der helle Stern im Rücken ausgefallen ist. vgl. auch Schol. Germ. B. P p. 97, 9 und S. G. p. 171, 16ff. Br. Als Besonderheiten wären die Angaben des Schol. Germ. B. P p. 97, 9, wo die beiden Sterne die Augen statt der Ohren markieren - vielleicht eine Anlehnung an den γλαυκὸς und χαροπὸς Λαγωός Arats (v. 369 und 594) — und die beiden Sterne in den Vorderläufen bei Hyg. a. O. hervorzuheben. Die verschiedenen Angaben über Sternzahl und -verteilung hängen mit den verschiedenen Bildtypen und den verschiedenen Astrothesien zusammen, vgl. Rehm Herm. XXXIV (1899) 271 und Boll Biblioth. Math. 3. Folge, II 191f. Auf dem sogenannten Globus des Hipparch ist er als nach links laufender Hase dargestellt, Thiele Antike Himmelsbilder 30. 39. 122, während er auf einem etruskischen Spiegel nach rechts läuft, Küentzle Roscher Myth. Lex. III 1027. dazu Baumgartner Zur Gesch. u. Lit. d. griech. Sternbilder, Basel 1904, 39. In mittelalterlichen Hss. erscheint er manchmal sitzend oder ein Männchen machend, Hauber Planeten-Kinderbilder und Sternbilder = Stud. z. deutsch. Kunstgesch. Heft 194, Straßb. 1916, 190, dazu Buttmann Abh. Akad. Berl. 1829, 31, der dieses Bild eines ‚mit zusammengezogenem Leib und aufrechten Ohren sitzenden Hasen, wozu auch an passender Stelle ein Auge sich findet‘ am Himmel wirklich gezeichnet findet. Es wäre denkbar, daß eine ähnliche Abbildung bereits Eratosthenes vorgelegen hat; über weitere Darstellungen in astrologischen und mythologischen illustrierten Handschriften des lateinischen Mittelalters Saxl S.-Ber. Akad. Heidelb. 1915, 6. u. 7. Abh. 139 s. lepus.

Das Sternbild enthält keine besonders glänzenden Sterne, daher parvus lepus Cic. Arat. 121, brevis lepus Avien. 981 und parvulus lepus Avien. 747, und Schol. Arat. 367 p. 414 M. nennt ihn οὐ πάνυ εὐάστερον ὄντα, χρῶμα δὲ καὶ μόνον οὐρανοῦ παρεχόμενον οἷον γλαυκίζον. Hipparch erwähnt drei helle Sterne, zwei im Körper und einen unter dem Körper (a calumbae). Ptolem. synt. math. VIII p. 140f. Heib. bezieht zwei Sterne III. 9 IV. und 4 V. Größe in das Sternbild. Es entspricht also nicht den astronomischen Gegebenheiten, wenn Cic. Arat. 276 ihn als fulgens lepus und Schol. Arat. 594 p. 456, 23 M. als λαμπρός bezeichnen. Zur Farbe der einzelnen Sterne Boll Abh. Akad. Münch. XXX (1918) 1. Abh. 45.

Arat kombiniert den Hasen mit Sirrus, dieser verfolgt ihn alle Tage, er läuft ihm nach, wenn er aufgeht, und äugt nach ihm, wenn er untergeht, 338ff. 384 u. 678. dazu Cic. Arat. 120. 158 Germ. 341. Avien. 747, vgl. auch Schol. Arat [460] 338 p. 409 M. Manil. V 233 und Nonn. XVI 205. XXXVIII 366. Ein anderer Dichter brachte ihn mit Orion in Beziehung und bezeichnete ihn als dessen Jagdwild, Erat. cat. p. 172 Rob. Hyg. astr. II 33 p. 71, 15ff. Bu. Schol. Arat. 338 p. 409, 7 M. Schol. Germ. S p. 109, 4 und G. p. 225, 13 Br. Vgl. auch Küentzle s. Orion in Roschers Myth. Lex. III 1026. Nach Eratosthenes hat ihn Hermes ob seiner Schnelligkeit und seiner Fruchtbarkeit unter die Sterne gestellt, Erat. cat. p. 172 Rob. mit den weiteren Belegen, dazu Windisch De Perseo eiusque familia inter astra collocatis, Diss. Leipz. 1902, 69; dasselbe Motiv wurde von Archelaus verwertet: Schol. in Arat. latin. p. 254, 17 M. Weiter brachte man das Sternbild mit einer Hasenplage auf der Insel Leros in inneren Zusammenhang. Danach gab es einst dort keine Hasen, da brachte ein Jüngling, studio generis inductus, ein trächtiges Weibchen dorthin und hütete sorgsam dessen ersten Wurf. Seine Liebhaberei findet großen Anklang, zahlreiche Einwohner erwerben sich von ihm junge Hasen und ziehen sie auf. Bald gibt es so viele Hasen auf der Insel, daß man nicht genügend Futter für sie hat; diese gehen nun an die Saaten und fressen alles kahl. So kommt es zu furchtbarer Hungersnot, und auf Volksbeschluß werden die Hasen endlich mit großer Mühe aus der Insel entfernt. Und sie stellten dann das Bild eines Hasen in die Sterne: ut homines meminissent nil esse tam exoptandum in vita, quin ex eo plus doloris quam laetitiae capere posterius cogerentur, lautete die Moral dieser Sternfabel: Hyg. astr. II 33 p. 71, 25ff. Bu. Schol. Germ. B p. 96 und S p. 171 Br. Zu dieser Kombination könnte die Hasenplage auf der Insel Astypalaia zur Zeit des Antigonos Gonatas der Anlaß gewesen sein, Athen. IX 400 D. F. Ähnliche Geschichten von Heimsuchungen verschiedener Inseln durch Kaninchenherden Gossen o. Bd. VII S. 2483.

Im Kalender spielt der Hase eine nebensächliche Rolle. Seinen Aufgang mit dem Krebs hatte Eudoxus und Arat nicht richtig bestimmt; vgl. die Kritik Hipparchs und dessen genaue astronomischen Angaben über den Aufgang p. 152, 15 und 228, 6 Man., den Untergang hatten sie dagegen richtig fixiert, vgl. Hipparch. p. 162, 27 und 240, 11 Man., dazu Boll Sphaera 60ff. 69. 138. 408. 525. Im Kalender des Columella wird sein Frühuntergang auf den 22. November gelegt mit dem Notat tempestatem significat, Col. r. r. XI 2. 89; Clodius verlegt den völligen Untergang auf den 20. und 22. November mit dem Hinweis auf Kälte, Bianchi S.-Ber. Akad. Heidelb. 1914, 3 Abh. 45.

Die astrologische Prognose lautet bei Asklepiades von Myrlea für den Hasen ebenso wie für Sirius und Orion: κυνηγοῖς, Boll Sphaera 543, 5. Cat. codd. astr, V 1. 188. Nach Man. V 158—173 bewirkt er im Horoskop windschnelle Kraft in den Gliedern. Sieger im Stadion, außerordentlich gewandte Ballspieler, fleißige Menschen, die ihre Sorgen durch gewissenhafte Arbeit besiegen, die selbst im Schlafe wach sind und ihre Mußestunden durch mannigfache Spiele auszufüllen wissen; dazu Firm. Mat. VIII 8, 1, ferner 8, 2, wo seine Bedeutung im Westen, und [461] VIII 30, 13, wo seine untere Kulmination bewertet wird, vgl. Boll 408f.

2. Dem Sternbild des Kentaur wird später als besonderes Attribut ein Hase als Jagdbeute in die linke Hand gegeben, Teukros erwähnt ihn unter den Paranatellonta. zum 3. Dekan des Skorpion, weiteres über seine Erwähnung in der astrologischen Literatur bei Boll Sphaera 19, 6. 48, 35. 58, 20f. 523, und über die bildliche Darstellung 144f.

3. Das vierte Tier der ostasiatischen Dodekaoros, das allein von den sämtlichen Tieren dieses Jahreszyklus noch nicht auf griechisch-ägyptischen Boden nachgewiesen werden konnte, Boll Sphaera 327 und Tʿoung-Pao XIII (1912) 704. 711, 13.

[Gundel. ]