Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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III. Tochter des Ptolemaios VI. Philometor und Nr. 15, nach 143/2 v. Chr.
Band XI,1 (1921) S. 744748
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16) Kleopatra III., Tochter des Ptolemaios VI. Philometor von Ägypten und der K. II. Ihr Geburtsjahr ist unbekannt, muß jedoch um 160 bis 155 fallen, da mit Strack Dyn. 198, 24 anzunehmen ist, daß sie das jüngste Kind ihrer Eltern war. Daß schon zur Zeit des kyprischen Krieges, d. h. wahrscheinlich 154 v. Chr. (Holleaux Arch. f. Pap. VI 17, 3), ihr Vater Philometor ihre Hand seinem jüngern Bruder (Euergetes II.) angeboten habe, wird gewöhnlich aus Polyb. XXXIX 18 H. = 7 B.-W., 6 gefolgert (so von Strack 42. Willrich Iudaica 10, 1), ist aber sehr zweifelhaft, da sich diese Angabe wahrscheinlich eher auf ihre ältere Schwester Kleopatra Thea (s. Nr. 24) bezieht, vgl. Bouché-Leclercq II 48, 2. Erst als Euergetes II. als König 143/2 seine Sehwestergemahlin verstoßen hatte, wurde K. von dem Oheim an Stelle ihrer Mutter zur Königin erhoben (über den mutmaßlichen Zeitpunkt vgl. Strack 198, 25); angeblich war sie von Euergetes vorher vergewaltigt worden, Iustin. XXXVIII 8, 5. Liv. per. 59. Val. Max. IX 1 ext. 5. Oros. V 10, 7. Nun folgte während einer Reihe von Jahren ein bunter Wechsel in den Beziehungen des Königs zu den beiden Gattinnen; in den Urkunden wird er bald mit der Schwester, bald mit der Nichte K. (Κλεοπάτρα ἡ γυνή), bald mit beiden zusammen genannt, vgl. das einzelne bei Strack 37ff. Ihrem Gatten Ptolemaios VII. Euergetes II. gebar K. zwei Söhne: Ptolemaios VIII. (Philometor) Soter II. und Ptolemaios IX. (Philometor) Alexandros I. (vgl. Porphyrios bei Euseb. chron. I 168f. Sch. 76 Karst = FHG III 721), und drei [745] Töchter: K. IV., Kleopatra Tryphaina und Kleopatra Selene. Ihre Reihenfolge ist nicht bekannt, doch waren sie im J. 116 oder spätestens 115 sämtlich heiratsfähig, vgl. Strack 199. 201. Von ihrem Gatten Euergetes II., der im J. 116 starb, wurde K. testamentarisch als Erbin des Thrones eingesetzt mit der Verpflichtung, einen der beiden Söhne nach freier Wahl zum König zu ernennen, Iustin. XXXIX 3, 1. Daß sie zunächst einige Monate allein regiert habe (wie Letronne Recueil d’inscriptions grecques et latines de l’Egypte I 59 und Strack 43. 50f. annehmen), ist ein ungerechtfertigter Schluß aus Strab. II 99, vgl. Bouché-Leclercq II 90, 3. Dagegen scheint K. es als Inbegriff der Regierungsweisheit betrachtet zu haben, zwischen ihren Söhnen Zwietracht zu stiften, um sich den maßgebenden Einfluß zu sichern, vgl. Bouché-Leclercq II 89f. III 97. Gegen ihren älteren Sohn Soter II. von heftiger Abneigung erfüllt (Paus. I 9, 1), beeilte sie sich, den jüngeren, Alexandros I., auf den Thron zu berufen. Aber die Alexandriner zwangen sie, diese Verfügung rückgängig zu machen und die Thronfolge zugunsten des älteren Sohnes Soter II. zu regeln, Iustin. XXXIX 3, 2. Paus. I 9, 2. Porphyr. bei Euseb. chron. I 163f. Sch. (76 Karst) = FHG III 721. Sie fügte sich, nötigte aber gleichzeitig Soter, seine Schwestergemahlin K. IV. zu verstoßen und die jüngere Schwester Selene zu heiraten, 115 v. Chr. Ihren Lieblingssohn Alexandros schickte sie 114 als στρατηγός nach Kypros, in der Hoffnung, durch ihn auf den ihr aufgedrungenen Mitkönig Soter einschüchternd wirken zu können, Paus. I 9, 2 (zur Chronologie Bouché-Leclercq II 92). Ihre verstoßene Tochter K. IV. fand eine Zuflucht bei dem Seleukiden Antiochos IX. Kyzikenos, der sie heiratete; daraus ergab sich ein feindseliges Verhältnis zwischen K. und Kyzikenos. Als nun dieser kurz vor 108/7 beim Ägypterkönig Soter II. um Unterstützung gegen den jüdischen Hohenpriester Hyrkanos I. nachsuchte und die Entsendung einer Hilfstruppe von 6000 Mann durchsetzte, warf sie sich zur Beschützerin der Juden auf und setzte so die antihellenische, judenfreundliche Politik ihres verstorbenen Gatten Euergetes fort, Joseph. ant. Iud. XIII 278, dazu Willrich Iudaica 13f.; Arch. f. Pap. I 48ff. Ferguson Klio VIII 343. In Ägypten benützte sie die Lage, um sich ihres Sohnes durch einen Staatsstreich zu entledigen. Sie ließ vertraute Eunuchen verwundet auftreten und das Volk von Alexandreia mit der verleumderischen Angabe aufhetzen, der König Soter habe einen Anschlag auf ihr Leben versucht. Voller Entrüstung erhoben sich die Alexandriner gegen ihren muttermörderischen König, doch gelang es ihm, sich auf ein Schiff zu retten, Paus. I 9, 2. Iustin. XXXIX 4, 1. Porphyr. bei Euseb. chron. I 163f. Sch. 76 Karst = FHG III 721. Soter flüchtete sich nach Kypros und herrschte dort (Euseb. chron. II 123f. Sch.), während von ebendaher sein Bruder Ptolemaios IX. Alexandros I., K's Lieblingssohn, nach Ägypten zurückberufen wurde und nun den Thron an der Seite seiner Mutter bestieg (nach Porphyr. a. O. im 10. Jahre Soters, also 108/7 v. Chr.). Die Vormundschaft, die sie ausübte, drückt sich in den doppelten Datierungen der paphischen Münzen aus, nach den [746] Jahren des Königs und der Königinmutter (Svoronos Die Münzen der Ptolem. nr. 1727–1731; vgl. Kahrstedt Klio X 275). Gegen Soter entsandte K. ein Geschwader nach Kypros; doch entzog sich der Gesuchte auch hier seinen Verfolgern durch die Flucht; den Feldherrn, der ihn hatte lebend entkommen lassen, bestrafte K. mit dem Tode, Iustin. XXXIX 4, 2. Trog. prol. 39, vgl. Bouché-Leclercq II 96f. Bald konnte Soter nach Kypros zurückkehren; es gelang K. nicht, ihn wieder zu vertreiben, da alle ihre Heerführer mit Ausnahme der beiden ihr persönlich ergebenen jüdischen Brüder Chelkias und Ananias zu Soter übergingen, Joseph. ant. Iud. XIII 287 nach Strab. frg. 3 (FHG III 491). In der Folge verlegte Soter den Kriegsschauplatz auf das syrische Festland, um sich hier eine Operationsbasis zur Rückeroberung Ägyptens zu schaffen. K. erwehrte sich seiner zunächst durch kräftige Unterstützung seines Feindes, des Seleukiden Antiochos VIII. Grypos: sie sandte ihm bedeutende Hilfstruppen und ihre Tochter Kleopatra Selene, Soters Gattin, die seit dessen Flucht in K.s Gewalt geblieben war und jetzt ihre Hand dem Grypos reichen mußte, Iustin. XXXIX 4, 4 (etwa 104 v. Chr.). Ihre Enkel, den größten Teil ihrer Schätze und ihr Testament ließ K. nach dem Asklepieion in Kos in Sicherheit bringen, Joseph. ant. Iud. XIII 349, vgl. XIV 112. Appian. Mithr. 23. 115. 117, dazu Paton-Hicks Inscr. of Cos XXXVIIf. Dann brach sie persönlich nach Syrien auf, an der Spitze ihrer Landarmee, deren Führer die Juden Chelkias und Ananias waren (Joseph. a. O. 348f., vgl. Willrich Iudaica 13. Wilcken Grundzüge der Papyruskunde I 25), und begann die Seestadt Ptolemais zu belagern (vgl. Joseph. ant. Iud. XIII 328); ihrem Sohn Alexandros gab sie die Weisung, mit der Flotte längs der syrischen Küste zu fahren. Soter wurde in die Enge getrieben, entkam aber nach dem Süden und machte sogar Miene (wohl von Gaza aus, das K. nicht hatte gewinnen können), in Ägypten einzudringen. Durch Truppen, die K. (wohl über die See nach Pelusion) entsandt hatte, wurde sein Versuch indes vereitelt, Joseph. ant. XIII 350ff.; vgl. Trog. pol. 39. Schließlich mußte auch Ptolemais die Tore öffnen (102 v. Chr.). Hieher begab sich nun der Judenkönig Alexandros Iannaios, um K. zu huldigen. Den Vorschlag einiger φίλοι, Iudäa als ägyptische Provinz einzuziehen, brachten die Vorstellungen ihres Feldherrn Ananias, der mit dem Haß der ganzen Judenheit drohte, zu Fall, Joseph. ant. XIII 353ff., vgl. Bouché-Leclercq II 101f. Schürer Gesch. des jüd. Volkes I4 278. Wellhausen Isr. u. jüd. Gesch.7 263. Mit Iannaios schloß K. in Skythopolis einen Vertrag, und nach einem mißlungenen Versuch, noch durch einen Vorstoß der Flotte nach Kypros Soter unschädlich zu machen, kehrte K. mit ihren Streitkräften nach Ägypten zurück. Wahrscheinlich erst jetzt (nicht schon vor dem syrischen Kriege, wie Iustin. XXXIX 4, 3 erzählt) raffte sich Alexandros zu dem Entschluß auf, sich der Bevormundung durch K. zu entziehen: er verließ Alexandreia (wohl um im ägyptischen Lande Anhang zu sammeln, Bouché-Leclercq II 104); die Mutter ließ ihn durch Gesandte zurückbitten. Er kam, machte aber der faktischen Herrschaft K.s ein Ende. Seit 102/1 [747] tragen die Münzen an Stelle des Doppeldatums nur noch die Jahre des Alexandros; aus den Aktpräskripten verschwindet der Name K., der bis jetzt dem des Sohnes vorangegangen war. Die letzte Urkunde mit dem Präskript βασιλευόντων Κλεοπάτρας και βασιλέως Πτολεμαίου (P. Grenf. II 32) datiert vom 1. Mai 101; am 17. Dezember 101 wird Alexandros allein genannt (BGU III 998). Allein es scheint, daß die herrschsüchtige Frau diese Demütigung nicht ertrug. Als sie zwischen 16. September und 31. Oktober 101 starb (P. Grenf. II 32. Teb. 106 = Mitteis Chrestom. II 134, vgl. P. M. Meyer Klio II 478. Bouché-Leclercq II 106, 1), blieb auf ihrem Sohn Alexandros der Verdacht sitzen, er habe die Mutter ermorden lassen, um einem Mordanschlag ihrerseits zuvorzukommen, Iustin. XXXIX 4, 4–6. Trog. prol. 39. Paus. I 9, 3. Athen. XII 550 a. Porphyr. bei Euseb. chron. I 163f. Sch. 76 Karst (FΗG III 721). Euseb. chron. II 133 Sch., vgl. Strack Dyn. d. Ptolem. 57ff. 203f. Bouché-Leclercq II 103ff. Moralistische Gesamtbeurteilung der K. bei Iustin. XXXIX 4, 6. In K.s Auftrage unternahm Eudoxos von Kyzikos im J. 116/5 seine zweite Expedition nach Indien, Poseidon, frg. 168 bei Strab. II 99 (FHG III 280). Bei den Alexandrinern wurde K. mit dem Spottnamen ,die Rote‘ (Κόκκη) bezeichnet, Strab. XVII 794. Chron. Pasch. 347, 13 Bonn., vgl. Strack 144f. Bouché-Leclercq II 95. Seit ihrer Ehe mit Euergetes II. hatte sie am Kult der θεοὶ Εὐεργέται teilgenommen, z. B. Dittenberger Or. 132. 137. 139. 141f. 152. 168, 53. Strack nr. 109. 103 C. 103 a. 104. 111. 116. 123. 140, 54. P. Grenf. II 15. Als Εὐεργέτις wird sie bezeichnet in der Inschrift Strack nr. 138 = Dittenberger Or. 144, als θεὰ Εὐεργέτις bei Strack nr. 141 = Dittenberger Or. 175. P. Giss. 36, 8. P. Amh. II 44. P. Fay. 12, 1 (= Miττeis Chrest. 15, 1). P. Lond. III p. 13 (= Mitteis Chrest. 154). P. Teb. I 105. Demotische Papyri zitiert als Belege für denselben Beinamen Strack 144, 24. Daß der Name Εὐεργέτις ausschließlich der K. zukomme, versichern Gerhard Arch. f. Rel. VII 523. Otto Priester und Tempel I 415, während Bouché-Leclercq III 81, 3 die Möglichkeit einräumt, daß unter diesem Namen zuweilen K. II. zu verstehen sei. Mit ihrem Sohne Ptolemaios VIII. Soter II. zusammen genoß K. dann Kult unter dem Namen der θεοὶ Φιλομήτορες (καὶ) Σωτῆρες: Dittenberger Or. 167. 168, 39. 738f. Strack nr. 131. 140, 40; Arch. f. Pap. III 130 nr. 7. P. Grenf. I 25. BGU III 994. P. Lond. III p. 8. 10 (= Mitteis Chrest. 152). 12 (= Mitteis Chrest. 153). P. Fay. 11, 2 (= Mitteis Chrest. 14, 2). P. Oxyr. XIV 1723 u. a. (daher in der Inschrift Dittenberger Or. 739, 7f. θεᾶς Εὐεργετιδὸς [τῆς] καὶ [Φιλ]ομή[τορος Σωτ]είρας, falls diese Worte richtig von Otto I 415 [zu 183, 2] und Bouché-Leclercq III 56 auf K. gedeutet werden und nicht mit Dittenberger und Laqueur Quaest. epigr. 44, 1 vielmehr auf K. II. zu beziehen sind). Dieser Name ist seit 108/7 auch auf K. und ihren jüngern Sohn Ptolemaios IX. Alexandros I. übergegangen (P. Teb. I 166. P. Leid. N, weiteres bei Dittenberger Or. 738 not. 2. Otto Priester und Tempel I 138, 6). Einen besonderen [748] Kult als Ἴσις μεγάλη μήτηρ θεῶν mit einem eigenen eponymen Priester, dem sog. ἱερὸς πῶλος, erhielt K. spätestens 131/0, als ihre Mutter, die verstoßene K. II., die Gegenregierung begonnen hatte. Nach der Versöhnung scheint dieses Priestertum suspendiert worden zu sein; später, unter der Herrschaft K.s 116/5–102/1, lebte der Kult wieder auf. Vgl. zuletzt Wilcken Arch. f. Pap. IV 206. 264f. Plaumann o. Bd. VIII S. 1435. Bouché-Leclercq IV 323f. 332f. Als θεὰ Φιλομήτωρ Σώτειρα Δικαιοσύνη Νικηφόρος (seit 116/5) besaß K. drei eponyme Priesterinnen: eine στεφανηφόρος, eine φωσφόρος und eine ἰέρεια (Plaumann a. a. O. Wilcken Arch. f. Pap. III 524). Eine ἱέρεια (βασιλίσσης) Κλεοπάτρας τῆς θυγατρός finden wir in Ptolemais (Otto Priester u. Tempel I 163. 196), eine ἱέρεια Κλεοπάτρας θεᾶς auf Kypros (Strack nr. 129, besser Dittenberger Or. 159). Weihung eines Heiligtums der K. (Κλεοπάτρειον) durch die nach Schedia detachierten Soldaten: Dittenberger Or. 738. Nach K. ist möglicherweise die seit 73 v. Chr. bezeugte ἀγυιὰ Κλεοπάτρας Ἀφροδίτης in Oxyrhynchos (P. Oxyr. XIV 1628. 1629. 1644) benannt. Über K.s unersättliche Gier nach religiösen Ehrungen vgl. Bouché-Leclerq III 54ff.