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Jüdische Altertümer
Buch XIV »
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[128]
Dreizehntes Buch.

Dieses Buch umfasst einen Zeitraum von 82 Jahren.

Inhalt.

1. Wie Judas’ Bruder Jonathas nach dessen Tod die Führung des Volkes übernahm.

2. Wie er den Bakchides zwang, mit ihm Freundschaft zu schliessen und aus Judaea abzuziehen.

3. Wie Alexander, des Antiochus Epiphanes Sohn, nach Judaea zog und den Demetrius bekriegte.

4. Wie Demetrius an Jonathas eine Gesandtschaft schickte, mit ihm ein Bündnis schloss und ihm selbst wie unserem Volke reiche Geschenke machte.

5. Wie Alexander auf die Nachricht hiervon den Demetrius mit Geschenken überbot, den Jonathas zum Hohepriester machte und ihn so auf seine Seite zog.

6. Wie um diese Zeit Onias Freundschaft mit Ptolemaeus Philometor schloss und einen Tempel nach dem Muster des in Jerusalem befindlichen erbaute.

7. Wie Alexander nach dem Tode des Demetrius den Jonathas höchst ehrenvoll behandelte.

8. Wie des Demetrius Sohn Demetrius von Kreta nach Syrien übersetzte, den Alexander im Kriege überwand, selbst die Königswürde erlangte und mit Jonathas Freundschaft schloss.

9. Wie Tryphon aus Apamea den Demetrius besiegte, an Alexanders Sohn Antiochus die Königswürde übertrug und mit Jonathas ein Bündnis schloss.

10. Wie Tryphon, nachdem Demetrius von den Parthern gefangen worden war, das mit Jonathas eingegangene Bündnis brach, ihn mit List fangen und töten liess und seinen Bruder Simon mit Krieg überzog.

11. Wie das jüdische Volk dem Simon, Bruder des Jonathas, den Oberbefehl übertrug und ihn zum Hohepriester wählte.

[129] 12. Wie Simon den Tryphon in Dora einschloss und belagerte, nachdem er mit Antiochus dem Frommen, dem Bruder des Demetrius, sich verbündet hatte.

13. Wie nach Tryphons Ermordung Antiochus gegen Simon zu Felde zog, und wie Simon dessen Feldherrn Kendebaeus besiegte und aus Judaea vertrieb.

14. Wie Simon von seinem Schwiegersohne Ptolemaeus beim Mahle hinterlistig umgebracht wurde, und wie Ptolemaeus, nachdem er Simons Gattin und Kinder ins Gefängnis geworfen, die Herrschaft zu erringen suchte.

15. Wie Simons jüngster Sohn Hyrkanus dem Ptolemaeus zuvorkam und ihn in der Burg Dagon lange belagerte.

16. Wie Antiochus der Fromme gegen Hyrkanus zu Felde zog, vor die Stadt Jerusalem rückte und die Belagerung erst aufhob, als Hyrkanus ihm dreihundert Talente gezahlt und ein Bündnis mit ihm geschlossen hatte.

17. Hyrkanus zieht nach dem Tode des Antiochus gegen Syrien und erobert viele Städte.

18. Freundschaft zwischen Hyrkanus und Alexander mit dem Beinamen Zebinas.

19. Wie Antiochus von Kyzikos, der den von Hyrkanus belagerten Samaritern zu Hilfe gezogen war, in die Flucht geschlagen und von den Söhnen des Hyrkanus aus Judaea vertrieben wurde.

20. Wie Aristobulus zur Herrschaft kam und sich die Königskrone aufsetzte.

21. Wie nach dem Tode des Aristobulus dessen Bruder Alexander, der ihm in der Regierung folgte, gegen Syrien, Phoenicien und Arabien zu Felde zog und viele feindliche Plätze eroberte.

22. Des Ptolemaeus Lathurus Kampf gegen Alexander und sein Sieg.

23. Wie Demetrius Eukaerus ein Heer gegen Alexander führte und ihn überwand.

24. Des Antiochus Dionysus Kriegszug gegen Judaea, und wie er in der Schlacht den Sieg davontrug.

25. Wie nach dem Tode Alexanders dessen Gattin Alexandra neun Jahre lang die Regierung innehatte und nach einem Leben voll Frieden und Ruhm starb.

[130]
Erstes Kapitel.
Wie Jonathas nach seinem Bruder Judas die Herrschaft übernahm und mit seinem Bruder Simon gegen Bakchides zu Felde zog.

(1.) 1 Wie das Volk der Juden sich aus der Knechtschaft der Macedonier befreite, und wie nach vielen und schweren Kämpfen Judas im Kriege den Tod fand, habe ich im vorhergehenden Buche berichtet. 2 Nach Judas’ Ende nun fassten die Frevler und Gesetzesverächter wieder Mut und thaten den Juden allerwärts viel Schlimmes an. 3 Dazu kam auch noch eine Hungersnot, die das Land schwer heimsuchte, sodass viele, weil sie am Notwendigsten Mangel litten und das doppelte Leid, Feinde und Hunger, nicht zu ertragen vermochten, zu den Macedoniern übergingen. 4 Bakchides nämlich versammelte alle Juden um sich, die von ihren väterlichen Gesetzen abgefallen waren und sich heidnischen Lebensgewohnheiten zugewandt hatten, und übertrug ihnen die Verwaltung des Landes. Diese ergriffen die Anhänger und Freunde des Judas und lieferten sie dem Bakchides aus, der sie nach Herzenslust foltern und dann grausam umbringen liess. 5 So traf die Juden ein Unheil, wie sie es seit der Rückkehr aus Babylon nicht mehr erfahren hatten. Als nun die wenigen, welche dem Judas noch treugeblieben waren, ihre Landsleute so elend umkommen sahen, baten sie den Jonathas, er möge sich seinen Bruder Judas zum Vorbild nehmen, seinem Volke dieselbe Fürsorge widmen wie jener, der für des Vaterlandes Freiheit sein Blut vergossen habe, und die Juden jetzt nicht ohne Führer lassen, da sie in höchster Gefahr schwebten. 6 Jonathas entgegnete ihnen, er sei ebenfalls bereit, für sie dem Tode zu trotzen, und da man glaubte, dass er seinem Bruder in nichts nachstehe, wurde er zum Führer der Juden erwählt.

(2.) 7 Als Bakchides das erfuhr, befürchtete er, Jonathas möchte dem Könige und den Macedoniern nicht weniger [131] zu schaffen machen als sein Bruder Judas, und suchte ihn deshalb mit List aus dem Wege zu räumen. 8 Diese seine Absicht blieb jedoch weder dem Jonathas noch dessen Bruder Simon verborgen. Sie sammelten daher auf die erste Kunde hiervon alle ihre Freunde und flohen eiligst in die vor der Stadt gelegene Wüste, wo sie bei der Cisterne Asphar ihren Aufenthalt nahmen. 9 Als Bakchides erfuhr, dass sie in ihrer Schwäche und Mutlosigkeit sich an diesen Ort geflüchtet hatten, brach er mit seinen gesamten Truppen gegen sie auf, schlug jenseits des Jordan sein Lager auf und liess das Heer sich hier ausruhen. 10 Jonathas hatte kaum von dem Anmarsche des Bakchides Nachricht erhalten, als er seinen Bruder Joannes mit dem Beinamen Gaddes zu den ihm befreundeten nabataeischen Arabern schickte, um bei ihnen während des Krieges mit Bakchides die bewegliche Habe in Sicherheit zu bringen. 11 Als Joannes nun auf dem Wege zu den Nabatäern war, legten ihm die Söhne des Amaraeus aus der Stadt Medaba einen Hinterhalt, nahmen ihn samt seinen Begleitern gefangen, raubten alles, was jene bei sich hatten, und machten sie nieder. Doch erlitten sie hierfür die verdiente Strafe, wie ich gleich erzählen will.

(3.) 12 Unterdessen hatte Bakchides in Erfahrung gebracht, dass Jonathas in den Sümpfen am Jordan ein Lager aufgeschlagen habe. Er wartete also den Sabbat ab und rückte dann gegen ihn aus in dem Glauben, Jonathas werde an diesem Tage aus Achtung vor dem Gesetz den Kampf nicht wagen. 13 Dieser aber sprach seinen Gefährten Mut ein und erklärte ihnen, sie seien mitten zwischen dem Feinde und dem Flusse derart eingeschlossen, dass Fliehen ein Ding der Unmöglichkeit sei. Dann betete er zu Gott um den Sieg und griff die Feinde an. Viele von diesen waren schon gefallen, als er den Bakchides mit grossem Ungestüm auf sich zukommen sah. Rasch holte er zum Schlage aus, um ihn niederzustrecken. 14 Bakchides jedoch sah den Streich kommen und wich ihm aus, und nun sprang Jonathas [132] mit den Seinigen in den Fluss, schwamm hinüber und brachte sich jenseits des Jordan, wohin die Feinde noch nicht übergesetzt hatten, in Sicherheit. Bakchides aber zog sich sogleich in die Burg von Jerusalem zurück, 15 nachdem er gegen zweitausend Mann von seinem Heere verloren hatte. Alsdann befestigte er viele Städte Judaeas, deren Mauern zerstört waren, aufs neue, unter anderen Jericho, Emmaus, Bethoron, Bethella, Thamnatha, Pharathon, Tochoa und Gazara. 16 In jeder dieser Städte erbaute er Türme, umgab sie mit starken und gewaltigen Mauern und legte Besatzungen hinein, welche Ausfälle machen und die Juden beunruhigen sollten. 17 Ganz besonders aber befestigte er die Burg von Jerusalem. Dann liess er sich die Söhne der Vornehmsten in Judaea als Geiseln geben und in der Burg gefangen setzen.

(4.) 18 Um diese Zeit ward dem Jonathas und seinem Bruder Simon gemeldet, die Söhne des Amaraeus feierten eine Hochzeit. Die Braut stamme aus der Stadt Gabatha und sei die Tochter eines vornehmen Arabers. Sie solle nun in glänzendem und prächtigem Brautzuge von dort abgeholt werden. 19 Jonathas und Simon glaubten, dass jetzt eine Gelegenheit gekommen sei, ihren Bruder zu rächen, und brachen deshalb nach Medaba auf, wo sie in Schlupfwinkeln des Gebirges versteckt ihre Feinde erwarteten. 20 Als sie dieselben mit der Braut, dem Bräutigam und einem ganzen Schwarm von Freunden, wie es bei Hochzeiten üblich ist, heranziehen sahen, sprangen sie plötzlich aus dem Hinterhalt hervor, brachten sämtliche Zugteilnehmer um, raubten den Brautschmuck und alle übrigen Kostbarkeiten, die jene bei sich hatten, und kehrten dann wieder heim. 21 So nahmen sie an den Söhnen des Amaraeus Rache für die Ermordung ihres Bruders Joannes. Denn diese selbst und alle ihre Begleiter nebst Frauen und Kindern, im ganzen gegen vierhundert Personen, verloren bei diesem Überfalle das Leben.

(5.) 22 Simon und Jonathas zogen nun wieder in die Niederungen am Jordan und blieben daselbst. Auch [133] Bakchides begab sich, nachdem er ganz Judaea mit Besatzungen versehen hatte, zum Könige zurück, sodass zwei volle Jahre lang Friede herrschte. 23 Als aber die Überläufer und Frevler sahen, dass Jonathas mit den Seinigen unter dem Schutze des Friedens ruhig im Lande lebte, liessen sie den König Demetrius bitten, er möge den Bakchides senden und Jonathas gefangen nehmen lassen. Denn das werde nicht schwer fallen, und man könne, wenn man Jonathas unvermutet angreife, ihn samt seinen Anhängern in einer Nacht überwältigen. 24 Der König sandte auch wirklich den Bakchides ab, und als dieser nach Judaea kam, schrieb er sogleich an alle seine Freunde sowohl unter den Juden als unter den Bundesgenossen, sie sollten auf Jonathas fahnden und ihn gefangen einliefern. 25 Da es aber trotz aller Mühe niemand gelang, des Jonathas habhaft zu werden (dieser hatte nämlich die Nachstellungen gemerkt und war auf seiner Hut), geriet Bakchides gegen die Überläufer, die seiner Meinung nach ihn und den König zum besten halten wollten, in Zorn und liess gegen fünfzig vom ihren Vornehmen ergreifen und niedermachen. 26 Jonathas dagegen zog sich mit seinem Bruder und seinen Anhängern aus Furcht vor Bakchides nach Bethalaga, einem Dorf in der Wüste, zurück, baute daselbst Türme und Ringmauern und sicherte sich vor Überfällen. 27 Als Bakchides hiervon Kunde erhielt, zog er mit den Truppen, die ihm damals zu Gebote standen, sowie mit den ihm verbündeten Juden gegen Jonathas, rückte an die Festung heran und belagerte sie viele Tage lang. 28 Jonathas aber liess sich durch das Ungestüm der Belagerer nicht einschüchtern, sondern leistete zunächst tapferen Widerstand. Sodann liess er seinen Bruder Simon in der Stadt zurück, um den Kampf gegen Bakchides fortzusetzen, während er selbst heimlich sich hinausschlich, unter seinen Anhängern eine zahlreiche Schar zusammenbrachte, bei Nacht in des Bakchides Lager einbrach und dort so wütete, dass der Angriff’ auch seinem Bruder bemerklich wurde. 29 Dieser machte [134] nun, als er das Blutbad unter den Feinden wahrnahm, einen Ausfall, steckte die Belagerungsmaschinen der Macedonier in Brand und hieb viele von ihnen nieder. 30 Als Bakchides sich vorn wie hinten von Feinden bedrängt sah, geriet er in Verzweiflung und Bestürzung, weil er einen solchen Verlauf der Belagerung nicht erwartet hatte. 31 Dafür liess er seine Wut an den Überläufern, die seine Sendung vom Könige begehrt hatten, aus, weil sie ihn hintergangen hätten, und gedachte ehestens nach Hause zurückzukehren, wenn es ihm gelingen würde, die Belagerung in Ehren zu beendigen.

(6.) 32 Als Jonathas diese seine Absicht merkte, liess er ihm durch Gesandte Frieden und Freundschaft anbieten unter der Bedingung, dass die beiderseitigen Gefangenen ausgewechselt würden. 33 Bakchides, der sich auf keine ehrenvollere Art hätte aus der Klemme ziehen können, nahm das Anerbieten an und schloss Freundschaft mit Jonathas, wobei sie noch gegenseitig sich das eidliche Versprechen gaben, dass fortan keiner von ihnen gegen den anderen die Waffen ergreifen solle. Nachdem dann die Gefangenen ausgewechselt waren, begab sich Bakchides nach Antiochia zum Könige zurück und griff in der Folge auch wirklich Judaea nicht mehr an. 34 Jonathas, der sich nun sicher fühlte, nahm seinen Wohnsitz in der Stadt Machma, wo er dem Volke Recht sprach, die Gottlosen und Frevler zum Tode verurteilte und so das Land von diesem Schandfleck reinigte.

[135]
Zweites Kapitel.
Wie Alexander den Demetrius mit Krieg überzog, dem Jonathas reiche Geschenke machte und ihn durch Verleihung der Hohepriesterwürde auf seine Seite zog, obgleich Demetrius noch reichere Geschenke versprach. Des Demetrius Tod.

(1.) 35 Im einhundertsechzigsten Jahre (seleukidischer Zeitrechnung) kehrte Alexander, der Sohn des Antiochus Epiphanes, nach Syrien zurück und nahm Ptolemaïs infolge des Verrates der Besatzung ein, die gegen Demetrius wegen seines Stolzes und seiner Unzugänglichkeit aufgebracht war. 36 Demetrius schloss sich nämlich in eine Burg mit vier Türmen ein, welche er in der Nähe von Antiochia erbaut hatte, liess niemand vor und betrieb auch die Regierungsgeschäfte nachlässig und mangelhaft. Dadurch zog er sich den Hass seiner Unterthanen noch um so mehr zu, wie ich dies anderwärts schon berichtet habe. 37 Als nun Demetrius vernahm, dass Alexander sich in Ptolemaïs befinde, zog er mit allen seinen Truppen gegen ihn aus und schickte zugleich Gesandte an Jonathas, um sich seiner Bundesgenossenschaft und Treue zu versichern. Er beabsichtigte damit dem Alexander zuvorzukommen und zu bewirken, dass dieser nicht schon früher die Hilfe des Jonathas erlange, 38 um so mehr, als er befürchten musste, dass Jonathas im Andenken an die ihm einst zugefügten Unbilden mit seinem Feinde gemeinschaftliche Sache machen möchte. Er trug ihm deshalb auf, eine Aushebung zu veranstalten und Waffen bereit zu machen, wofür er dann die Geiseln zurückerhalten solle, die Bakchides in der Burg zu Jerusalem in Gewahrsam gebracht hatte. 39 Sobald dem Jonathas dieser Auftrag zugegangen war, kam er nach Jerusalem und las das Schreiben des Königs dem Volke wie der Besatzung vor. 40 Da gerieten die Frevler und Überläufer in Schrecken, als sie hörten, dass der König ihm gestattet habe, ein Heer zu sammeln und die Geiseln zu [136] befreien. 41 Die letzteren gab Jonathas nun sämtlich ihren Angehörigen wieder, und da er sich jetzt wieder als Herrn von Jerusalem betrachtete, erneuerte er die Stadt und richtete alles nach seinem Gutdünken ein. Auch befahl er, die Stadtmauer aus Quadersteinen aufzuführen, damit sie dem Feinde mehr Widerstand leisten könne. 42 Als dies die Besatzungen in den festen Plätzen Judaeas merkten, verliessen sie sämtlich ihre Posten und flohen nach Antiochia, mit Ausnahme der Besatzung Bethsuras und derjenigen der Burg von Jerusalem. Denn diese bestanden grösstenteils aus jüdischen Überläufern, die sich nicht getrauten, die Festungen zu verlassen.

(2.) 43 Als Alexander von den Versprechungen Nachricht erhielt, die Demetrius dem Jonathas gemacht, und zugleich erfuhr, welch ein vortrefflicher Mann dieser sei, wie viel Schaden er den Macedoniern schon im Kriege gethan und was er von Demetrius und dessen Heerführer Bakchides habe leiden müssen, erklärte er seinen Freunden, er könne sich augenblicklich keinen besseren Bundesgenossen wünschen als Jonathas, der nicht nur ein Held im Kriege sei, sondern auch grimmigen Hass gegen Demetrius hege, da er so viel Schlimmes von ihm habe erfahren müssen. 44 Wenn es ihnen also ratsam erscheine, den Jonathas sich zum Freunde und von Demetrius abspenstig zu machen, so sei wohl jetzt die beste Zeit dazu. Da dies allseitig für zweckmässig erachtet wurde, schrieb er an Jonathas folgenden Brief: 45 „Der König Alexander entbietet seinem Bruder Jonathas besten Gruss. Schon längst haben wir von deiner Zuverlässigkeit und Tapferkeit gehört und schicken deshalb Gesandte an dich, um mit dir Freundschaft und Bündnis zu schliessen. Weiterhin ernennen wir dich heute zum Hohepriester der Juden und nehmen dich in die Reihe unserer persönlichen Freunde auf. Als Geschenke senden wir dir ein Purpurkleid und eine goldene Krone und bitten dich, uns ebenso in Ehren zu halten, wie wir dich.

[137] (3.) 46 Nach Empfang dieses Briefes legte Jonathas, weil gerade Laubhüttenfest war, das hohepriesterliche Gewand an, vier Jahre nach dem Tode seines Bruders Judas, während welcher Zeit das Amt unbesetzt geblieben war. Hierauf zog er ein grosses Heer zusammen und liess eine Menge Waffen anfertigen. 47 Die Nachricht hiervon verdross den Demetrius sehr, und er warf sich seine Langsamkeit vor, dass er nicht dem Alexander zuvorgekommen sei und den Jonathas durch grössere Gefälligkeit sich geneigt gemacht, sondern seinem Gegner Zeit dazu gelassen habe. Dennoch entschloss er sich, an Jonathas und das Volk einen Brief folgenden Inhalts zu schreiben: 48 „Der König Demetrius entbietet dem Jonathas und dem Volke der Juden seinen Gruss. Weil ihr die mit uns eingegangene Freundschaft gehalten und den Lockungen unserer Feinde kein Gehör gegeben habt, zolle ich dieser eurer Treue alles Lob und bitte euch, dabei zu verharren, wofür ich euch den wärmsten Dank erstatten werde. 49 Ich werde euch nämlich zum grössten Teile von den Steuern und Abgaben befreien, die ihr meinen Vorgängern und mir bisher bezahlt habt. Für jetzt erlasse ich euch die regelmässigen Steuern, verzichte ferner auf den Preis des Salzes[1] und der Kronen,[2] die ihr uns darzubringen pflegt, und schenke euch von jetzt an auch das Drittel des Getreides und die Hälfte der Baumfrüchte, die mir zustehen. 50 Ferner erlasse ich euch für alle Zeiten die Kopfsteuer, die mir von jedem Einwohner Judaeas und der drei angrenzenden Provinzen Samaria, Galilaea und Peraea bisher zu entrichten war. 51 Die Stadt Jerusalem erkläre ich für heilig und unverletzlich, und ihren ganzen Bezirk befreie ich vom Zehnten und sonstigen Abgaben. Die Burg der [138] Stadt trete ich an euren Hohepriester Jonathas ab, welcher eine Besatzung hineinlegen kann, die er selbst für zuverlässig hält, damit die Burg für mich erhalten bleibt. 52 Alle Juden, die als Kriegsgefangene unter uns leben, lasse ich frei. Ferner verordne ich, dass die Zugtiere der Juden nicht mehr zu Frondiensten herangezogen werden dürfen, und dass an Sabbaten und allen übrigen Festtagen sowie an den drei denselben vorhergehenden Tagen überhaupt keine Dienstleistungen mehr zu fordern sind. 53 Imgleichen erkläre ich auch die in meinem Reiche lebenden Juden für frei und will, dass sie in keiner Weise mehr behelligt werden. Wer mit mir zu Felde ziehen will, mag das thun, bis die Zahl dreissigtausend voll ist. Diese Krieger sollen überall denselben Sold erhalten, wie meine eigenen Soldaten. Ich werde dieselben teils als Besatzungen verwenden, teils in meine Leibwache aufnehmen, teils sie auch zu Anführern der in meiner Residenz stehenden Truppen ernennen. 54 Ich gestatte ihnen, nach den Gesetzen ihres Landes zu leben und dieselben zu beobachten, und will ferner, dass in den drei an Judaea angrenzenden Statthalterschaften dieselben Gesetze Geltung haben sollen. Der Hohepriester hat dafür zu sorgen, dass kein Jude einen anderen Tempel zu seinem Gottesdienste benutzt, als den zu Jerusalem. 55 Aus meinem Schatze gebe ich jährlich zur Bestreitung der Opferkosten hundertfünfzigtausend Drachmen und lasse euch alles überschiessende Geld zu beliebiger Verwendung. Die zehntausend Drachmen aber, welche die Könige sonst aus der Tempelkasse erhielten, erlasse ich euch und bestimme, dass sie den Priestern zukommen sollen, die den Gottesdienst im Tempel besorgen. 56 Jeder, der in den Tempel zu Jerusalem oder in dessen Bezirk flüchtet, mag er nun Steuern schuldig oder sonst mit einer Zahlung im Rückstande sein, soll in seinem Besitz unangetastet bleiben. 57 Ich gestatte endlich, dass der Tempel erneuert und ausgebaut werde, und weise die Kosten dazu aus meiner Kasse an. Auch die Stadtmauern sollen wieder aufgebaut und mit [139] hohen Türmen versehen werden, und zwar alles auf meine Kosten. Ist noch ein Platz da, dessen Befestigung dem Lande der Juden erspriesslich sein kann, so sollen auch diese Arbeiten auf meine Kasse übernommen werden.“

(4.) 58 In dieser Weise schrieb Demetrius an die Juden, um sie für sich zu gewinnen. Alexander aber hatte unterdessen ein grosses Heer von Söldnern und den aus Syrien zu ihm übergegangenen Kriegern zusammengebracht und zog gegen Demetrius zu Felde. 59 Als es zur Schlacht kam, trieb der linke Flügel der Truppen des Demetrius die ihm entgegenstehende Abteilung in die Flucht, verfolgte sie geraume Zeit, machte eine Menge nieder und plünderte das Lager, während der rechte Flügel, auf dem Demetrius selbst sich befand, geworfen wurde. 60 Hier löste sich alles in wilder Flucht auf, und nur Demetrius stritt wacker, tötete eine Anzahl Feinde und setzte den übrigen nach, geriet aber hierbei mit seinem Pferde in einen tiefen Morast, aus dem er, weil das Tier stürzte, nicht entkommen konnte. Das war sein Verderben. 61 Die Feinde nämlich hatten kaum den ihm zugestossenen Unfall bemerkt, als sie ihn umzingelten und mit Speerwürfen überschütteten. Dennoch kämpfte er wacker zu Fuss weiter, musste aber endlich erliegen, da er mit Wunden bedeckt war und vor Erschöpfung keinen Widerstand mehr leisten konnte. So schied Demetrius nach elfjähriger Regierung aus dem Leben, wie ich schon anderswo berichtet habe.

Drittes Kapitel.
Freundschaft zwischen Onias und Ptolemaeus Philometor. Wie Onias in Aegypten einen Tempel nach dem Muster des zu Jerusalem befindlichen erbaute.

(1.) 62 Als der Sohn des Hohepriesters Onias, der denselben Namen wie sein Vater führte und in Alexandria als Flüchtling bei dem Könige Ptolemaeus Philometor [140] lebte (wie ich schon oben erwähnt habe), die Bedrängung der Juden durch die Macedonier und deren Könige erfuhr, 63 wollte er sich unsterblichen Ruhm und ein dauerndes Andenken sichern und beschloss daher, den König Ptolemaeus und die Königin Kleopatra brieflich zu bitten, dass sie ihm erlauben möchten, in Aegypten einen Tempel nach dem Vorbilde des zu Jerusalem befindlichen zu bauen und an demselben Leviten und Priester aus seinem Geschlechte anzustellen. 64 Hierzu wurde er gedrängt durch die Verkündigung des Sehers Esaïas, der mehr als sechshundert Jahre früher gelebt und vorhergesagt hatte, es werde dereinst in Aegypten dem höchsten Gotte von einem Juden ein Tempel errichtet werden.[3] Onias schrieb also im Vertrauen auf diese Prophezeiung an Ptolemaeaus und Kleopatra folgenden Brief: 65 „Nachdem ich mit Gottes Hilfe euch während des Krieges von grossem Nutzen gewesen bin, sowie nach Coelesyrien und Phoenicien mich begeben habe und zu den Juden von Leontopolis im Bezirke Heliopolis und an anderen Orten gekommen bin, 66 wo ich bemerkt habe, dass viele von ihnen gegen die Vorschrift einen Tempel besitzen und deswegen in stetem Zanke leben, wie es ja auch den Aegyptiern wegen der Menge ihrer Tempel und der Verschiedenheit ihres Gottesdienstes ergeht, habe ich in einem der Göttin Bubastis geweihten Bezirke ein mit allerlei Gehölz bewachsenes und mit heiligen Tieren gefülltes Heiligtum gefunden. 67 Ich bitte dich nun, du wollest mir dieses Heiligtum, das keiner besonderen Gottheit geweiht und im Verfall begriffen ist, überlassen, damit ich es reinigen und zu einem Tempel des höchsten Gottes nach dem Muster und in den Massen des Tempels zu Jerusalem für dich, deine Gattin und deine Kinder umbauen kann. Dadurch würden die in Aegypten wohnenden Juden zu einträchtigen Zusammenkünften veranlasst werden und dir desto mehr ergeben sein. 68 Denn unser Prophet [141] Esaïas hat geweissagt, es werde in Aegypten ein Altar erstehen, der Gott dem Herrn geweiht sei, und er hat an dieser Stelle auch noch andere darauf bezügliche Andeutungen gemacht.“

(2.) 69 Aus dem hierauf an Onias gerichteten Antwortschreiben des Königs kann man so recht die Frömmigkeit des Ptolemaeus und seiner Gattin und Schwester Kleopatra erkennen. Sie liessen nämlich die Sünde und Gesetzesübertretung auf Onias’ Haupt fallen, indem sie ihm folgendes schrieben: 70 „Der König Ptolemaeus und die Königin Kleopatra entbieten dem Onias ihren Gruss. Wir haben deine Bittschrift gelesen, in welcher du die Erlaubnis begehrst, den bei Leontopolis im Bezirke Heliopolis gelegenen zerfallenen, der Feldgöttin Bubastis geweihten Tempel wiederherzustellen. Wir müssen uns darüber verwundern, dass Gott ein Tempel angenehm sein könnte, der auf einer so unreinen und mit heiligen Tieren angefüllten Stelle erbaut werden soll. 71 Da du aber sagst, es sei dies schon vor langer Zeit von dem Seher Esaïas vorhergesagt worden, so wollen wir dir die Erlaubnis geben, aber unter der ausdrücklichen Erklärung, dass nicht wir es sind, die sich damit gegen Gott versündigen.“

(3.) 72 Als Onias so den Platz erhalten hatte, baute er Gott einen Tempel und einen Altar nach dem Vorbilde des zu Jerusalem befindlichen, jedoch kleiner und ärmlicher. Die Masse und die innere Ausstattung habe ich nicht für nötig gehalten hier anzuführen, weil ich im siebenten Buche des „Jüdischen Krieges“ darüber berichtet habe. 73 Onias aber fand eine Anzahl Juden, welche wie er dachten, und auch Priester und Leviten, die den Gottesdienst in jenem Tempel einrichteten. Doch hiermit genug von diesem Tempel.

(4.) 74 In Alexandria brach zwischen den Juden und den Samaritern, welch letztere ihren Gottesdienst nach dem Ritus des auf dem Berge Garizin zu Alexanders Zeiten erbauten Tempels hielten, Streit aus, der so erbittert war dass man die Entscheidung der Tempelfrage [142] schliesslich dem Ptolemaeus unterbreitete. Die Juden behaupteten, der nach dem Gesetze des Moyses erbaute Tempel sei der zu Jerusalem, die Samariter dagegen, der auf Garizin. 75 Sie gingen daher den König an, er möge diese Angelegenheit mit seinen Räten prüfen und die Unterliegenden mit dem Tode bestrafen. Für die Samariter sprachen Sabbaeus und Theodosius, für Jerusalem und die Juden aber Andronikus, der Sohn des Messalamus. 76 Diese schwuren bei Gott und dem Könige, ihre Sache streng gesetzmässig zu führen, und ersuchten den Ptolemaeus, den mit dem Tode zu bestrafen, der auf der Verletzung des Eides ertappt würde. Der König setzte sich also mit einer nicht geringen Anzahl seiner Räte zu Gericht, um zunächst die Sachwalter zu hören. 77 Die alexandrinischen Juden nun waren in grosser Angst um die, welche das Recht des Tempels zu Jerusalem verteidigen sollten, da sie es wohl kaum hätten verwinden können, wenn das Ansehen des schon so alten und berühmtesten Tempels der Welt erschüttert werden sollte. 78 Sabbaeus und Theodosius liessen dem Andronikus zuerst das Wort geben. Dieser stützte sich auf das Gesetz und zeigte an der Folge der Hohepriester, wie jeder derselben nach seinem Vater die Würde erhalten und den Vorstand des Tempels gebildet habe, und wie alle Könige Asiens den Tempel durch kostbare Weihgeschenke und Gaben bereichert hätten, während von dem Tempel auf Garizin niemand spreche noch sich um ihn kümmere, als sei er überhaupt nicht vorhanden. 79 Durch solche und ähnliche Beweise überzeugte Andronikus den König, sodass dieser die Entscheidung traf, der Tempel zu Jerusalem sei als im Sinne des Moyses erbaut zu betrachten, und es hätten demgemäss Sabbaeus und Theodosius den Tod verwirkt. Das waren die Erlebnisse der Juden zu Alexandria unter Ptolemaeus Philometor.

[143]
Viertes Kapitel.
Wie Alexander den Jonathas höchst ehrenvoll behandelte, und wie des Demetrius Sohn Demetrius den Alexander überwand und mit Jonathas Freundschaft schloss.

(1.) 80 Als Demetrius, wie oben gesagt, in der Schlacht ums Leben gekommen war, trat Alexander die Regierung von Syrien an und schrieb an Ptolemaeus Philometor, er möge ihm die Hand seiner Tochter geben. Denn es sei jetzt billig, dass er ihn seiner Verwandtschaft würdige, da er das Reich seines Vaters wieder erobert habe, durch Gottes Fügung nach Überwindung des Demetrius auf dessen Thron gelangt sei und sich auch in Zukunft seiner Verwandtschaft nicht unwert zu machen gedenke. 81 Ptolemaeus war mit seiner Werbung einverstanden und schrieb zurück, er freue sich, dass Alexander die Herrschaft seines Vaters wiedererlangt habe.[WS 1] Seine Tochter wolle er ihm geben, und er möge ihm bis Ptolemaïs, wohin er sie geleiten und wo er sie ihm vermählen wolle, entgegenkommen. 82 Nach Absendung dieses Schreibens begab sich Ptolemaeus alsbald mit seiner Tochter Kleopatra nach Ptolemaïs. Und da er hier den Alexander, der ihm seinem Schreiben gemäss entgegengezogen war, schon vorfand, gab er ihm seine Tochter zur Ehe und stattete sie mit reicher Mitgift an Gold und Silber aus, wie es einem Könige geziemt.

(2.) 83 Als die Hochzeit zu Ende war, schrieb Alexander an den Hohepriester Jonathas und ersuchte ihn, nach Ptolemaïs zu kommen. Dieser begab sich darauf mit herrlichen Geschenken zu den Königen und fand bei beiden die ehrenvollste Aufnahme. 84 Alexander nötigte ihn, sein Gewand abzulegen und Purpur anzuziehen, liess ihn neben sich auf dem Throne Platz nehmen und befahl seinen Grossen, ihn mitten durch die Stadt zu geleiten und zu verkündigen, niemand dürfe etwas gegen ihn vorbringen oder ihn irgendwie belästigen. 85 Als nun [144] die, welche in feindseliger Gesinnung gekommen waren, um ihn anzuklagen, sahen, wie der König ihn ehrte, machten sie sich aus Furcht, es könne ihnen schlecht ergehen, davon. Alexander war übrigens von solchem Wohlwollen für Jonathas durchdrungen, dass er ihn als den ersten seiner Freunde aufzeichnen liess.

(3.) 86 Im hundertfünfundsechzigsten Jahre (seleukidischer Aera) brach Demetrius, der Sohn des ersten Demetrius, mit einer Menge Söldner, die der Kreter Lasthenes ihm zugeführt hatte, von Kreta auf und setzte nach Cilicien über. 87 Diese Nachricht erschreckte den Alexander aufs äusserste, und er eilte sogleich aus Phoenicien nach Antiochia, um dort vor des Demetrius Ankunft alles in Sicherheit zu bringen. 88 Als Statthalter von Coelesyrien liess er den Daus Apollonius zurück, der alsbald mit einem grossen Heere nach Jamnia zog und dem Hohepriester Jonathas sagen liess, es sei unrecht, dass er allein für sich in Ruhe dahinlebe, ohne dem Könige unterworfen zu sein. Ihm selbst werde es allseitig zum Vorwurfe gemacht, dass er ihn nicht unter des Königs Botmässigkeit bringe. 89 Er möge daher nicht, so lange er im Gebirge sitze, sich selbst täuschen und wunders glauben, wie mächtig er sei. Habe er Vertrauen auf seine Stärke, so solle er in die Ebene herabsteigen und sich mit seinen Kriegern messen. Dann müsse es sich zeigen, wer der Tapferste sei und den Sieg erringen werde. 90 Doch solle er wissen, dass die Wackersten aus jeder Stadt sich in den Reihen seiner Krieger befänden, welche des Jonathas’ Vorfahren stets überwunden hätten. Übrigens möge er an einer Stelle ihm gegenübertreten, wo mit Waffen, nicht mit Steinen gekämpft werde, und wo es für den Besiegten keine Schlupfwinkel gebe.

(4.) 91 Über diese Herausforderung entrüstet, rückte Jonathas mit zehntausend auserlesenen Kämpfern und mit Unterstützung seines Bruders Simon aus Jerusalem aus und kam nach Joppe, wo er ausserhalb der Stadt in Lager schlagen liess, da die Joppener vor ihm die [145] Thore schlossen. Es befand sich nämlich in der Stadt eine von Apollonius dorthin gelegte Besatzung. 92 Als aber Jonathas sich zur Belagerung anschickte, fürchteten die Bürger, er möchte die Stadt stürmen, und öffneten ihm die Thore. Apollonius hatte kaum vernommen, dass Joppe in der Gewalt des Jonathas sei, als er mit dreitausend Reitern und achttausend Fusssoldaten nach Azot eilte und von da aus still und langsam Schritt vor Schritt weiterzog. Vor Joppe angelangt, lockte er durch verstellten Rückzug den Jonathas in die Ebene, voll Vertrauen auf seine Reiterei. 93 Jonathas rückte aus und verfolgte den Apollonius bis Azot. Sobald aber Apollonius seinen Feind ganz in der Ebene hatte, machte er kehrt und griff ihn an. 94 Obgleich nun Jonathas die Nachricht erhielt, Apollonius habe bei einem Bache tausend Reiter in den Hinterhalt gelegt, um ihm in den Rücken zu fallen, geriet er nicht im mindesten in Verwirrung, sondern liess seine Truppen ein Viereck bilden und sich derart zur Schlacht aufstellen, dass sie sowohl einem Angriff von vorn wie von hinten begegnen konnten. Dann ermahnte er sie, mannhaften Widerstand zu leisten. 95 Während nun die Schlacht sich bis zum Abend hinzog, übergab Jonathas einen Teil des Heeres seinem Bruder Simon und hiess ihn in die feindlichen Reihen einbrechen, während er selbst seinen Kriegern befahl, die Schilde aneinander zu schliessen und so die feindlichen Geschosse aufzufangen. 96 Diese thaten sogleich, wie ihnen befohlen war. Die feindlichen Reiter aber schleuderten nun ihre Speere, bis sie deren keine mehr hatten, ohne zu treffen. Denn die Geschosse konnten ja die Krieger nicht erreichen, weil sie von den dicht aneinander geschlossenen Schilden abprallten und so mit Leichtigkeit unschädlich gemacht wurden. 97 Als sich nun die Feinde vom Morgen bis zum Abend müde geschleudert hatten, stürmte Simon, der ihre Erschöpfung bemerkte, auf ihre Reihen ein, und es gelang seinen heldenhaft streitenden Soldaten, sie zu werfen. 98 Sobald die Reiter die Flucht der Fusssoldaten [146] merkten, hielten auch sie nicht mehr stand, sondern flohen, da sie durch den langen Kampf ermattet waren und vom Fussvolke nichts mehr zu hoffen stand, in wildem Durcheinander davon, sodass sie in der ganzen Ebene zerstreut wurden. 99 Jonathas setzte ihnen bis Azot nach, machte viele nieder und zwang die übrigen, sich in den zu Azot befindlichen Dagontempel zurückzuziehen. Darauf nahm er die Stadt im Sturm und äscherte sie samt den umliegenden Dörfern ein. 100 Auch den Tempel des Dagon verschonte er nicht, sondern verbrannte ihn samt denen, die sich dort eingeschlossen hatten. Die Zahl der in der Schlacht und durch Feuer umgekommenen Feinde betrug insgesamt achttausend Mann. 101 Nachdem er in dieser Weise über ein so gewaltiges Heer gesiegt hatte, brach Jonathas von Azot auf und marschierte gegen Askalon, wo er vor der Stadt sein Lager errichtete. Die Askaloniter aber kamen ihm entgegen, brachten ihm Gastgeschenke und erwiesen ihm alle Ehre. Nachdem er sie wegen ihrer Unterwerfung belobt hatte, zog er mit reicher Beute nach Jerusalem zurück. 102 Als Alexander von der Niederlage seines Heerführers Apollonius Nachricht erhielt, stellte er sich darüber erfreut, weil Apollonius gegen seinen Willen den Jonathas angegriffen habe, der ihm befreundet und verbündet sei. Dem letzteren aber schickte er zur Erhärtung dessen und als Ehrengeschenk eine goldene Armspange, wie sie sonst nur Verwandte von Königen erhalten, und überwies ihm Akkaron sowie dessen Bezirk als erbliches Eigentum.

(5.) 103 Um diese Zeit kam auch Ptolemaeus Philometor mit einer Flotte und einem Landheere nach Syrien, um Alexander Hilfe zu leisten, dessen Schwiegervater er war. 104 Auf Alexanders Befehl nahmen ihn alle Städte bereitwillig auf und gaben ihm bis Azot das Geleit, wo er mit allgemeinem Wehgeschrei über die Einäscherung des Dagontempels empfangen wurde. Die Einwohner klagten den Jonathas an, dass er den Tempel zerstört, das Land mit Feuer und Schwert verwüstet und so [147] viele der Ihrigen getötet habe. 105 Ptolemaeus hörte diese Klagen an und schwieg dazu. Jonathas aber kam ihm bis Joppe entgegen, erhielt von ihm herrliche Geschenke und die höchsten Ehrenbezeugungen, begleitete ihn dann bis zum Flusse Eleutherus und begab sich darauf wieder nach Jerusalem zurück.

(6.) 106 Als Ptolemaeus nach Ptolemaïs gekommen war, wäre er beinahe ums Leben gekommen, weil Alexander ihm durch seinen Freund Ammonius Nachstellungen bereitete. 107 Doch die Sache kam heraus, und Ptolemaeus schrieb an Alexander einen Brief, in welchem er die Auslieferung des Ammonius verlangte, weil dieser ihm nachgestellt und Strafe verdient habe. Als aber Alexander die Auslieferung verweigerte, merkte Ptolemaeus, dass er der eigentliche Anstifter des Anschlages sei und geriet in heftigen Zorn gegen ihn. 108 Alexander hatte sich übrigens auch den Antiochenern schon früher wegen des Ammonius verhasst gemacht. Von diesen erhielt Ammonius jetzt die gebührende Strafe für seine Frevelthaten, indem er auf schimpfliche Weise in Weiberkleidern umgebracht wurde. Er hatte sich nämlich, wie ich schon anderswo berichtete, in Weiberkleidern unkenntlich zu machen gesucht.

(7.) 109 Ptolemaeus ärgerte sich nun darüber, dass er seine Tochter dem Alexander vermählt und mit ihm gegen Demetrius sich verbündet hatte. 110 Er machte deshalb der Verwandtschaft mit Alexander ein Ende, indem er seine Tochter heimholen liess. Dann schickte er sogleich Gesandte an Demetrius, um mit ihm Frieden und Freundschaft zu schliessen, und liess ihm versprechen, er werde ihm seine Tochter zur Ehe geben und ihn in die Herrschaft seines Vaters wieder einsetzen. Demetrius ging hierauf mit Freuden ein und schloss das Bündnis sowohl wie auch die Ehe. 111 Jetzt blieb dem Ptolemaeus nur noch übrig, die Antiochener, welche sich dem Demetrius wegen der ihnen von seinem Vater zugefügten Unbilden stets feindselig erzeigt hatten, zu seiner Aufnahme zu bewegen. Aber auch das brachte er fertig. 112 Die [148] Antiochener nämlich hassten den Alexander wegen des Ammonius, wie oben erwähnt, und hatten ihn deswegen aus Antiochia vertrieben, von wo er sich nach Cilicien begab. 113 Als nun Ptolemaeus nach Antiochia kam, riefen Bürger und Heer ihn zum Könige aus, sodass er genötigt war, sich zwei Kronen aufs Haupt zu setzen, die eine von Asien, die andere von Aegypten. 114 Er war aber von Natur gutmütig, gerecht und nicht begierig nach fremdem Besitz, und da er wohl vorhersah, was in Zukunft daraus erfolgen würde, beschloss er, um den Römern keinen Anlass zum Neide zu geben, auf die Herrschaft zu verzichten. Er berief daher die Antiochener zusammen und schlug ihnen vor, den Demetrius aufzunehmen, 115 indem er ihnen sagte, derselbe werde, wenn er ihnen so viel zu danken habe, um seines Vaters willen ihnen nichts zuleide thun. Er selbst wolle ihm übrigens Lehrer und Führer sein und nicht zugeben, dass er etwas Böses zur Ausführung bringe. Was ihn angehe, so sei er mit der Herrschaft über Aegypten zufrieden. Durch diese Rede bewog er die Antiochener, den Demetrius aufzunehmen.

(8.) 116 Unterdessen rückte Alexander mit einem grossen Heere und entsprechendem Tross aus Cilicien nach Syrien und verwüstete das Gebiet der Antiochener durch Raub und Brand. Ptolemaeus zog mit seinem Schwiegersohne Demetrius (denn er hatte diesem inzwischen seine Tochter zur Ehe gegeben) gegen ihn zu Felde, besiegte ihn und schlug ihn in die Flucht, sodass er sich nach Arabien wenden musste. 117 In der Schlacht geschah es, dass des Ptolemaeus Pferd, durch das Brüllen eines Elefanten scheu gemacht, seinen Reiter abwarf. Als die Feinde dies bemerkten, drangen sie auf den König ein, verwundeten ihn vielfach am Kopfe und liessen ihn wie tot liegen. Seine Trabanten entrissen ihn zwar den Händen der Feinde, doch war er so schwach, dass er vier Tage lang weder Besinnung hatte noch sprechen konnte. 118 Unterdessen sandte der arabische Fürst Zabelus dem Ptolemaeus das vom Rumpfe getrennte Haupt [149] Alexanders. Als nun Ptolemaeus am fünften Tage etwas zur Besinnung kam, war ihm die Nachricht von Alexanders Tod und der Anblick des Hauptes eine höchst angenehme Ohren- und Augenweide. 119 Bald darauf aber beschloss auch er, erfreut über Alexanders Untergang, sein Leben. Alexander hatte fünf Jahre lang unter dem Namen Balas die Herrschaft über Asien innegehabt, wie dies auch anderswoher bekannt ist.

(9.) 120 Demetrius mit dem Beinamen Nikator hatte kaum die Herrschaft angetreten, als er voll Bosheit anfing, gegen die Soldaten des Ptolemaeus zu wüten, uneingedenk seines Bündnisses mit ihm und ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass er sein Schwiegervater war. Die Soldaten flohen daher vor seiner Grausamkeit nach Alexandria, während die Elefanten in des Demetrius Hände fielen. 121 Jonathas der Hohepriester aber zog aus ganz Judaea ein Heer zusammen, um damit die Burg von Jerusalem, die eine macedonische Besatzung hatte und ausserdem noch eine Anzahl nichts würdiger Menschen einschloss, welche den Gesetzen ihrer Väter untreu geworden waren, zu belagern. 122 Die Besatzung spottete anfangs über die Maschinen, die Jonathas zum Zwecke der Belagerung errichten liess, weil sie auf die starke Befestigung des Platzes vertraute. Bei Nacht aber schlichen sich einige von jenen Frevlern hinaus eilten zu Demetrius und meldeten ihm die Belagerung der Burg. 123 Dieser ergrimmte hierüber und brach sogleich mit seinem Heere von Antiochia gegen Jonathas auf. In Ptolemaïs angelangt, schickte er an letzteren den schriftlichen Befehl, sich sofort zu ihm nach Ptolemaïs zu verfügen. 124 Jonathas hob indessen die Belagerung nicht auf, zog jedoch mit den Ältesten des Volkes und den Priestern unter Mitnahme von Gold, Silber, Gewändern und anderen Geschenken zu Demetrius hin. Durch die Geschenke gelang es ihm denn auch, den Zorn des Königs zu beschwichtigen; ja, er wurde sogar höchst ehrenvoll aufgenommen und erhielt die Bestätigung in der Hohepriesterwürde, wie er sie auch von [150] des Demetrius Vorgängern erhalten hatte. 125 Den Anklagen der Überläufer aber schenkte der König nicht den mindesten Glauben, vielmehr gab er, als Jonathas ihn bat, für ganz Judaea und die drei Toparchien Samaria, Peraea und Galilaea sich mit einer Abgabe von dreihundert Talenten zu begnügen, ihm diese Zusage schriftlich, und zwar folgendermassen: 126 „Der König Demetrius an seinen Bruder Jonathas und das Volk der Juden. Abschrift des Briefes, den wir an unseren Verwandten Lasthenes geschrieben haben, euch zur Kenntnisnahme. 127 Der König Demetrius an seinen Vater Lasthenes. Da das Volk der Juden mir freundlich gesinnt ist und die schuldige Treue bewahrt hat, habe ich beschlossen, ihm meine Erkenntlichkeit zu beweisen. Ich bestätige ihnen also den Besitz der drei Präfekturen Apherima, Lydda und Ramatha, die von Samaria zu Judaea geschlagen worden sind, samt den zugehörigen Bezirken, 128 und erlasse ihnen alles, was die früheren Könige von den Opfern in Jerusalem zu erhalten pflegten, imgleichen auch alle Abgaben von Feld- und Baumfrüchten und alle übrigen Steuern sowie die Abgabe für das Salz und die Kronen, und bestimme, dass von nun an bis in ewige Zeiten an diesem Verhältnis nichts geändert werde. Du hast dafür Sorge zu tragen, dass von diesen Bestimmungen Abschrift genommen, dem Jonathas eingehändigt und an einer in die Augen fallenden Stelle des Tempels angeschlagen werde.“ 129 Das war der Inhalt des Briefes. Da nun Demetrius sah, dass alles in Frieden lebte und nirgendwoher Kriegsgefahr drohte, entliess er die Soldaten und kürzte ihnen den Sold; nur den fremden Söldnern sowie denen, die mit ihm von Kreta und den übrigen Inseln gekommen waren, zahlte er denselben für die ganze vorausbedungene Zeit. 130 Dadurch aber zog er sich die Feindschaft und den Hass seiner Krieger zu, denen er nichts mehr zukommen liess, während seine Vorgänger ihnen auch im Frieden den Sold weitergezahlt hatten, um sie bei gutem Willen zu erhalten und nötigenfalls zum Kampfe bereit zu finden.

[151]
Fünftes Kapitel.
Wie Tryphon nach Besiegung des Demetrius die Herrschaft an Antiochus, den Sohn Alexanders, übertrug und mit Jonathas Bundesgenossenschaft schloss. Jonathas’ Thaten.

(1.) 131 Als ein ehemaliger Heerführer Alexanders, der aus Apamea gebürtig war und eigentlich Diodotus, mit seinem Beinamen aber Tryphon (der Schwelger) hiess, den Hass der Soldaten gegen Demetrius bemerkte, begab er sich zu dem Araber Malchus, der Alexanders Sohn Antiochus erzog, setzte ihn von der aufgeregten Stimmung des Heeres gegen Demetrius in Kenntnis und beredete ihn, ihm den Antiochus zu übergeben, weil er diesen zum Könige machen und in die Herrschaft seines Vaters wieder einsetzen wolle. 132 Malchus machte zunächst Schwierigkeiten, da er ihm nicht hinlänglich traute. Als aber Tryphon immer mehr in ihn drang, gab er endlich seinem Verlangen nach. So viel hiervon.

(2.) 133 Weil nun dem Hohepriester Jonathas viel daran lag, die Besatzung der Burg zu Jerusalem sowie die verruchten jüdischen Überläufer und die Besatzungen der übrigen festen Plätze aus dem Lande zu entfernen, schickte er eine Gesandtschaft mit Geschenken an Demetrius und liess ihn bitten, die Truppen aus den Festungen Judaeas abzuberufen. 134 Demetrius sagte ihm nicht nur die Erfüllung dieses Wunsches zu, sondern versprach ihm noch mehr für die Zeit nach Beendigung des Krieges, der ihn für jetzt ganz in Anspruch nehme. Gleichzeitig liess er den Jonathas um Hilfstruppen bitten, indem er ihm mitteilte, dass fast alle seine Soldaten von ihm abgefallen seien. Daraufhin sandte ihm Jonathas dreitausend auserlesene Krieger.

(3.) 135 Die Antiochener aber, die dem Demetrius wegen seiner Härte feindlich gesinnt waren und ihm auch noch die Unbilden nachtrugen, welche sein Vater ihnen zugefügt hatte, lauerten auf eine Gelegenheit, ihn angreifen [152] zu können. 136 Da sie nun in Erfahrung gebracht, dass Hilfstruppen von Jonathas angekommen seien, und überlegten, der König werde sich ein mächtiges Heer sammeln, wenn sie ihm nicht zuvorkämen, griffen sie zu den Waffen, umzingelten die Königsburg, als wollten sie dieselbe belagern, besetzten die Ausgänge und suchten den König in ihre Gewalt zu bekommen. 137 Als der König sah, wie das ganze Volk von Antiochia feindlich und bewaffnet gegen ihn auftrat, griff er mit seinen Söldnern und den jüdischen Hilfstruppen die Antiochener an, konnte aber ihren Ansturm nicht aushalten, weil ihrer zu viele waren, und zog sich deshalb zurück. 138 Die Juden hatten den Vorteil der Antiochener kaum bemerkt, als sie auf das Dach des Palastes stiegen und von hier aus denselben ihre Geschosse entgegensandten. Und da sie wegen der Höhe des Gebäudes zu weit von den Angreifern entfernt waren, als dass sie selbst hätten Schaden leiden können, ihren Gegnern dagegen von oben herab hart zuzusetzen vermochten, trieben sie dieselben bald von den nächsten Häusern weg und steckten diese in Brand. 139 Die Häuser aber waren dicht aneinander gebaut und bestanden zumeist aus Holz, und so verbreitete sich das Feuer bald über die ganze Stadt 140 und zwang die Antiochener, da sie sich weder verteidigen noch die Feuersbrunst löschen konnten, in der Flucht ihr Heil zu suchen. Die Juden sprangen nun von Dach zu Dach und verfolgten ihre Gegner mit unglaublicher Zähigkeit. 141 Als der König sah, dass die Antiochener nur die Rettung der Frauen und Kinder im Auge hatten und auf weiteren Kampf verzichteten, fiel er von einer anderen Strasse aus über sie her und richtete ein solches Blutbad unter ihnen an, dass sie sich genötigt sahen, die Waffen zu strecken und sich zu ergeben. 142 Der König gewährte ihnen darauf Verzeihung und machte so dem Aufstand ein Ende. Dann beschenkte er die Juden reichlich von der Beute, dankte ihnen als den Urhebern seines Sieges und entliess sie nach Jerusalem zu Jonathas, dem er das Zeugnis ausstellen musste, dass er sich als treuer [153] Bundesgenosse bewährt habe. 143 Später jedoch wusste er ihm dafür wenig Dank, hielt seine Versprechungen nicht und bedrohte ihn mit Krieg, wenn er nicht die gesamten Abgaben entrichte, welche das jüdische Volk den ersten Königen Syriens gezahlt habe. Diese Drohung würde er auch ausgeführt haben, wenn Tryphon ihn nicht daran gehindert hätte, der ihn nötigte, die für den Kampf gegen Jonathas bestimmten Truppen zu seiner eigenen Deckung und Sicherheit zu verwenden. 144 Denn Tryphon war bereits mit dem jungen Antiochus, der dem Knabenalter noch nicht entwachsen war, aus Arabien nach Syrien gekommen und hatte ihm hier die Königskrone aufgesetzt. Und da das ganze Heer, das von Demetrius wegen des nicht gezahlten Soldes abgefallen war, zu ihm überging, griff er den Demetrius an, besiegte ihn, nahm seine Elefanten gefangen und eroberte die Stadt Antiochia.

(4.) 145 Als Demetrius diese Niederlage erlitten hatte, zog er sich nach Cilicien zurück. Der junge Antiochus dagegen schickte an Jonathas Gesandte mit einem Schreiben, worin er ihn zum Freund und Bundesgenossen ernannte, ihn in der Hohepriesterwürde bestätigte und ihm die vier Bezirke anwies, die zu dem jüdischen Gebiete noch hinzugekommen waren. 146 Ausserdem sandte er ihm goldene Geräte, Becher und ein Purpurkleid mit der Erlaubnis, das letztere zu tragen, schenkte ihm eine goldene Armspange und nahm ihn in die Reihe seiner vertrautesten Freunde auf. Den Simon aber ernannte er zum Befehlshaber für das Gebiet vom Tyrischen Gebirge an bis nach Aegypten. 147 Jonathas freute sich über diese Gnadenbezeugungen des Antiochus und ordnete an ihn wie auch an Tryphon Gesandte ab mit dem Versprechen, dass er ihr Freund und Bundesgenosse sein und mit ihnen gegen Demetrius kämpfen wolle, weil dieser ihm für alle seine Hilfe keinen Dank gewusst, vielmehr Gutes mit Bösem vergolten habe.

(5.) 148 Nachdem er darauf von Antiochus die Erlaubnis erhalten hatte, ein grosses Heer in Syrien und Phoenicien [154] anzuwerben und die Feldherren des Demetrius zu bekriegen, brach er sogleich gegen die Städte auf. Einige von diesen empfingen ihn mit allen Ehren, weigerten sich aber, Söldner zu stellen. 149 Als er nun nach Askalon gekommen war und die Askaloniter ihm mit Geschenken entgegenzogen, forderte er sie wie auch die Bewohner aller Städte in Coelesyrien auf, von Demetrius abzufallen und sich an Antiochus anzuschliessen, damit sie im Kampfe gegen Demetrius an diesem für seine Bedrückungen Rache nehmen könnten, wozu sie ja alle Ursache hätten. 150 Dadurch bewog er die Städte, sich mit Antiochus zu verbinden, und begab sich dann nach Gaza, um auch dessen Bewohner für Antiochus zu gewinnen. Doch fand er die Gazäer in ganz anderer Stimmung, als er erwartet hatte. Sie schlossen nämlich vor ihm die Thore und wollten weder von Demetrius abfallen, noch zu Antiochus halten. 151 Hierüber ergrimmt, belagerte Jonathas die Stadt und verwüstete deren Bezirk, und während ein Teil seines Heeres vor Gaza liegen blieb, machte er mit dem Reste desselben Einfälle in das Land und zeichnete seinen Weg durch Zerstörung und Brandlegung. Als die Gazäer sich in solcher Bedrängnis sahen und von Demetrius keine Hilfe zu erwarten hatten, das Unglück also in nächster Nähe und die Hilfe in weiter Ferne erblickten, hielten sie es für geratener, sich von Demetrius loszusagen und dem Jonathas nachzugeben. 152 Sie schickten daher Boten an Jonathas und versprachen Freundschaft und Waffenverbrüderung. So geht es ja bei den Menschen zu: ehe sie Schlimmes erleiden, sehen sie nicht ein, was ihnen nützlich ist; sobald sie aber ins Unglück geraten sind, ändern sie ihren Sinn und entschliessen sich am Ende, nachdem sie bittere Erfahrungen gemacht haben, zu dem, was sie früher ohne Behelligung hätten erlangen können. 153 Nachdem also Jonathas mit den Gazäern ein Bündnis geschlossen und Geiseln von ihnen erhalten hatte, schickte er die letzteren nach Jerusalem, während er selbst das ganze Land bis Damaskus durchzog.

[155] (6.) 154 Hier vernahm er, des Demetrius Heerführer seien mit grosser Truppenmacht nach Kedasa gezogen, einer Stadt, die zwischen dem Gebiete der Tyrier und Galilaea liegt. Diese hofften nämlich, den Jonathas aus Syrien weg nach Galilaea locken zu können, da er die Galiläer, die zu seiner Obhut gehörten, in der Bedrängnis wohl nicht im Stiche lassen würde. Wirklich rückte er ihnen auch entgegen und liess seinen Bruder Simon in Judaea zurück. 155 Dieser brachte aus dem Lande ein möglichst grosses Heer zusammen, zog damit vor Bethsura und belagerte die Stadt, einen der festesten Plätze in Judaea, dessen Besatzung, wie ich schon oben erwähnt habe, noch zu Demetrius hielt. 156 Als Simon Wälle aufwerfen, Maschinen heranbringen und die Belagerung mit Nachdruck betreiben liess, fürchtete die Besatzung, sie möchte nach Erstürmung des Platzes dem Untergang geweiht sein, und liess daher den Simon bitten, die eidliche Versicherung zu geben, dass ihr nichts übles widerfahren würde; unter dieser Bedingung sei sie bereit, den Platz aufzugeben und zu Demetrius zurückzukehren. 157 Simon gab ihnen die erbetene Zusage, liess sie aus der Stadt abziehen und legte eine Besatzung von seinen Kriegern hinein.

(7.) 158 Inzwischen brach Jonathas aus Galilaea vom See Gennesar, wo er sein Lager errichtet hatte, auf und rückte bis zur Ebene Asor vor, ohne zu wissen, dass hier die Feinde sich befanden. 159 Des Demetrius Feldherren nun, die am Tage vorher gehört hatten, dass Jonathas sich nähere, legten ihm einen Hinterhalt und versteckten die dazu bestimmte Abteilung im Gebirge, während sie selbst mit dem eigentlichen Heer ihm in der Ebene entgegen zogen. Als Jonathas sie kampfbereit erblickte, liess auch er die Seinigen, so gut es ging, in Schlachtordnung aufmarschieren. 160 Die von Demetrius’ Feldherren im Hinterhalt aufgestellte Abteilung aber fiel den Juden in den Rücken, sodass diese besorgten, sie möchten umzingelt werden, und deshalb die Flucht ergriffen. 161 So verliessen den Jonathas alle, und nur [156] wenige, etwa fünfzig an der Zahl, unter ihnen Mattathias, der Sohn des Absalom, und Judas, der Sohn des Chapsaeus, die Oberbefehlshaber des Heeres, hielten bei ihm aus. Diese drangen wacker und wie verzweifelt auf die Feinde ein, sodass ihr unerschütterlicher Mut dieselben in Verwirrung brachte und schliesslich in die Flucht trieb. 162 Als nun die flüchtigen Krieger des Jonathas die feindliche Schlachtlinie wanken sahen, sammelten sie sich, griffen die Syrer an und verfolgten sie bis nach Kedasa, wo ihr Lager stand.

(8.) 163 Nach diesem glänzenden Siege, der zweitausend Feinden das Leben gekostet hatte, kehrte Jonathas nach Jerusalem zurück. Und da er sah, wie durch Gottes Fürsorge alles nach seinen Wünschen ging, schickte er Gesandte an die Römer, um die Freundschaft, welche die Juden einst mit ihnen geschlossen hatten, zu erneuern. 164 Diesen Gesandten trug er auf, auf der Rückreise von Rom auch die Spartaner im Andenken an die mit ihnen bestehende Freundschaft und Verwandtschaft zu besuchen. Als die Gesandten nun nach Rom kamen, begaben sie sich in den Senat, richteten die Aufträge ihres Hohepriesters Jonathas aus und erklärten, dieser habe sie geschickt, um die einstige Freundschaft der Römer mit den Juden zu erneuern. 165 Der Senat bestätigte darauf die früheren Abmachungen und gab den Gesandten Briefe mit an alle Fürsten Asiens, Europas und der Städte, damit sie unbehelligt in ihre Heimat zurückgelangen könnten. Auf der Rückreise besuchten die Gesandten auch Sparta und überreichten dort den Brief, den Jonathas ihnen mitgegeben hatte, 166 und dessen Wortlaut folgender war: „Jonathas, der Hohepriester der Juden, der hohe Rat und das gesamte jüdische Volk entbieten ihren Brüdern, den Ephoren, dem Senate und dem Volke der Lakedaemonier, ihren Gruss. Wenn es euch gut geht und eure Staats- und Privatangelegenheiten vom Glücke begünstigt werden, so sind unsere Wünsche erfüllt; was uns betrifft, so geht es uns gut. 167 In früheren Zeiten wurde unserem Hohepriester Onias [157] durch Demoteles ein Brief eures Königs Areios überbracht, der die Verwandtschaft zwischen euch und uns betrifft und dessen Abschrift beiliegt. Diesen Brief haben wir mit Freuden empfangen und bewahren dafür dem Demoteles und dem Areios unseren innigsten Dank, obwohl wir eigentlich dieses Zeugnisses nicht bedurften, vielmehr über die Verwandtschaft aus unseren heiligen Büchern schon unterrichtet waren. 168 Doch haben wir es bisher nicht für geboten erachtet, den Anstoss zum Wiederaufleben der Beziehungen zu geben, damit es nicht scheine, als wollten wir die von euch uns erwiesene Ehre selbstgefällig in Anspruch nehmen. So lange Zeit nun auch seit der ersten Anbahnung unseres Verhältnisses verstrichen ist, so bitten wir doch, wenn wir Gott an heiligen und festlichen Tagen Opfer darbringen, noch immer für euer Heil und den Erfolg eurer Waffen. 169 Und obgleich uns die Habgier unserer Nachbarn vielfach mit Krieg überzogen hat, wollten wir doch weder euch noch sonst einem unserer Freunde lästig fallen. Jetzt aber, da wir unsere Feinde überwunden und die hochangesehenen Männer aus dem Rate unserer Ältesten, Numenius, den Sohn des Antiochus, und Antipater, den Sohn des Jason, zu den Römern gesandt haben, haben wir denselben einen Brief an euch mitgegeben, um die zwischen euch und uns bestehende Freundschaft aufzufrischen. 170 Ihr werdet uns daher eine Freude machen, wenn ihr auch an uns schreibt und uns eure Wünsche mitteilt, zu deren Erfüllung ihr uns stets bereit finden werdet.“ Die Lakedaemonier nahmen die Gesandten freundlich auf, beschlossen Freundschaft und Bündnis zu bestätigen und schickten unserem Volke den hierauf bezüglichen Beschluss zu.

(9.) 171 Um diese Zeit gab es bei den Juden drei Sekten, welche über die menschlichen Verhältnisse verschiedene Lehren aufstellten, und von denen die eine die der Pharisäer, die zweite die der Sadducäer und die dritte die der Essener hiess. 172 Die Pharisäer behaupten, dass manches, aber nicht alles das Werk des Verhängnisses [158] sei, manches dagegen auch freiwillig geschehe oder unterbleibe. Die Essener hingegen lehren, alles stehe unter der Macht des Verhängnisses, und es komme bei den Menschen nichts vor, das nicht vom Geschicke bestimmt sei. 173 Die Sadducäer endlich wollen überhaupt nichts vom Verhängnis wissen und glauben, es gebe weder ein Verhängnis, noch richte sich der Menschen Geschick danach, sondern alles geschehe nur nach unserem Willen, sodass wir ebenso die Urheber unseres Glückes seien, als wir auch unser Unglück uns durch unseren eigenen Unverstand zuzögen. Genaueres hierüber habe ich im zweiten Buche meines Werkes über den Jüdischen Krieg[4] gebracht.

(10.) 174 Um nun wieder auf des Demetrius Feldherren zurückzukommen, so brachten diese in der Absicht, die Scharte auszuwetzen, eine noch grössere Truppenmacht als früher zusammen und rückten damit gegen Jonathas. Auf die Nachricht hiervon zog Jonathas ihnen sogleich bis in das Gebiet von Amathe entgegen, um ihnen zu einem Einfall in Judaea keine Zeit zu lassen. 175 Als er noch fünfzig Stadien vom Feinde entfernt war, schickte er Spione aus, um dessen Lager und die Stärke des letzteren zu erforschen. Dieselben meldeten ihm nicht nur ihre Beobachtungen, sondern machten auch in der Nacht noch einige Gefangene, die ihm verrieten, dass die Feinde beabsichtigten, ihn anzugreifen. 176 Er traf daher bei Zeiten die nötigen Vorkehrungen, stellte Aussenposten vor dem Lager auf, hielt seine Krieger die ganze Nacht hindurch unter den Waffen und ermahnte sie, sie sollten sich wacker halten und bereit sein, nötigenfalls auch in der Nacht zu kämpfen, damit der Anschlag der Feinde vereitelt werde. 177 Als nun aber die Feldherren des Demetrius erfuhren, dass Jonathas um ihren Plan wisse, entsank ihnen der Mut, einmal vor Beschämung darüber, dass der Feind von ihrem tückischen Vorhaben Kenntnis erlangt habe, dann aber auch, weil nach dem [159] Fehlschlagen ihres Planes ihnen keine Hoffnung auf Sieg mehr geblieben war. Denn sie sahen wohl ein, dass sie in offener Feldschlacht dem Jonathas keineswegs gewachsen seien. 178 Sie entschlossen sich daher zum Abzug, zündeten im Lager eine Menge Feuer an, damit die Feinde glauben sollten, sie seien noch darin, und rückten in aller Stille aus. Als nun Jonathas in der Morgenfrühe sich dem Lager näherte und dasselbe verlassen fand, erkannte er, dass die Feinde geflohen waren, und setzte ihnen nach, 179 ohne sie jedoch einholen zu können, da sie den Fluss Eleutherus schon überschritten hatten und sich in Sicherheit befanden. Jonathas wandte sich sodann nach Arabien, griff die Nabatäer an und schlug sie, worauf er mit reicher Beute und einer Menge Kriegsgefangener nach Damaskus zog und dort alles verkaufte. 180 Zur selben Zeit durchzog auch sein Bruder Simon ganz Judaea und Palaestina bis nach Askalon, verstärkte die Befestigungen und Besatzungen und begab sich dann nach Joppe, das er eroberte und mit einer starken Schutzwache versah. Er hatte nämlich in Erfahrung gebracht, dass die Joppener ihre Stadt dem Heere des Demetrius übergeben wollten.

(11.) 181 Nachdem Jonathas und Simon diese Kriegsthaten vollbracht und alles andere geordnet hatten, kehrten sie nach Jerusalem zurück. Hier berief Jonathas das gesamte Volk in den Tempel und schlug ihm vor, die Mauern Jerusalems wiederherzustellen, die Einfriedigung des Tempels, so weit sie zerstört war, aufzubauen und dessen Umgebung durch hohe Türme zu sichern. 182 Ferner riet er ihnen, mitten in der Stadt eine zweite Mauer aufzuführen, um die Besatzung der Burg vom Markte abzuschneiden und ihr so die Möglichkeit des Einkaufs von Lebensmitteln zu nehmen, endlich auch noch die im Bezirke der Stadt gelegenen festen Plätze mit stärkeren Befestigungen zu versehen, als sie bis dahin hatten. 183 Als das Volk mit diesen Vorschlägen einverstanden war, übernahm er selbst die Bauten in der Stadt, während er den Simon ausschickte, um für die Befestigungswerke auf dem Lande [160] zu sorgen. 184 Inzwischen überschritt Demetrius den Fluss und zog nach Mesopotamien, um dieses Land sowie Babylon zu erobern 185 und nach Unterwerfung der oberen Satrapien Gelegenheit zur Unterjochung des ganzen Reiches zu finden. Die dort wohnenden Griechen und Mazedonier hatten nämlich zu wiederholten Malen Gesandte mit dem Versprechen zu ihm geschickt, sie würden sich, falls er herüberkommen wolle, ihm unterwerfen und mit ihm gegen den Partherkönig Arsakes zu Felde ziehen. 186 Durch diese Aussichten ermutigt, zog er zu ihnen hin in der Absicht, nach Niederwerfung der Parther und Gewinnung von Hilfstruppen den Tryphon anzugreifen und ihn aus Syrien zu vertreiben. Und als die Bewohner des Landes ihn begeistert aufnahmen, sammelte er Truppen und überzog den Arsakes mit Krieg, verlor aber sein ganzes Heer und fiel selbst lebendig in Gefangenschaft, wie ich schon anderwärts berichtet habe.

Sechstes Kapitel.
Wie Jonathas von Tryphon hinterlistigerweise umgebracht wurde, und wie die Juden alsdann den Simon zum Oberfeldherrn und Hohepriester erwählten. Simons Thaten.

(1.) 187 Als Tryphon erfuhr, welche Wendung des Demetrius Glück genommen hatte, war seine Treue gegen Antiochus zu Ende, und er sann nur noch darauf, wie er ihn aus dem Wege räumen und sich selbst der Herrschaft bemächtigen könne. Doch hinderte ihn an der Ausführung dieses Planes die Furcht vor Jonathas, dem Freunde des Antiochus. Deshalb beschloss er, diesen zunächst zu beseitigen und dann erst gegen Antiochus vorzugehen. 188 In der Absicht nun, den Jonathas hinterlistigerweise umzubringen, begab er sich von Antiochia nach Bethsana, das von den Griechen Skythopolis genannt wird. Hierhin zog ihm Jonathas mit vierzigtausend auserlesenen Kriegern entgegen, da er glaubte, [161] Tryphon sei gekommen, um ihn mit Krieg zu überziehen. 189 Als Tryphon nun sah, dass Jonathas zum Kampfe bereit war, kam er mit Geschenken und freundlichen Worten zu ihm, befahl seinen Heerführern, dem Jonathas ebenso wie ihm selbst zu gehorchen, und suchte sich dadurch dessen Wohlwollen zu verschaffen und jeden Verdacht zu beseitigen. Er hoffte ihn dann, während er an nichts Arges dachte, gefangen nehmen zu können. 190 Zuletzt riet er ihm, sein Heer zu entlassen, weil dasselbe gar keinen Zweck habe, da alles sich des Friedens erfreue. Es genüge vielmehr, wenn er nur wenige Mann zu seiner persönlichen Bedeckung bei sich behalte, mit denen er ihn dann nach Ptolemaïs begleiten möge. Er wolle ihm nämlich diese Stadt sowohl als auch die übrigen festen Plätze in der Gegend übergeben; denn zu diesem Zwecke sei er gekommen.

(2.) 191 Jonathas, der an nichts Böses dachte, sondern der Meinung war, Tryphon rate ihm dies wirklich in redlicher Absicht, entliess sein Heer und behielt nur dreitausend Mann bei sich, von denen er noch zweitausend in Galilaea zurückliess, während er mit den übrigen tausend in Begleitung des Tryphon nach Ptolemaïs zog. 192 Kaum waren sie dort angelangt, als die Bewohner der Stadt sogleich auf Tryphons Befehl die Thore schlossen. Letzterer liess nun den Jonathas gefangen nehmen und dessen Begleiter sämtlich niedermachen. Alsdann schickte er zu den in Galilaea zurückgebliebenen zweitausend Juden, um auch sie umzubringen. 193 Diese aber hatten bereits von dem Schicksal des Jonathas Nachricht erhalten und waren, noch ehe die von Tryphon abgesandte Schar anlangte, mit den Waffen in der Hand aus dem Lande abgezogen. Als nun die ihnen nachgeschickten Krieger sahen, dass sie gewillt waren, ihr Leben teuer zu verkaufen, kehrten sie, ohne einen Angriff zu wagen, zu Tryphon zurück.

(3.) 194 Als die Jerusalemer die Gefangennahme des Jonathas und die Niedermetzelung seiner Begleiter erfuhren, erhob sich über sein Schicksal allgemeines Wehklagen. [162] 195 Allseitig vermisste man ihn, und die Jerusalemer fürchteten nicht ohne Grund, es möchten jetzt, da sie des Jonathas starken Arm und seine weisen Ratschläge nicht mehr hätten, die benachbarten feindlichen Völkerschaften, die nun den Jonathas nicht mehr zu scheuen brauchten, über sie herfallen und ihnen hart zusetzen. 196 Das trat auch nur zu bald ein. Denn als die Heiden den Tod des Jonathas erfuhren, griffen sie die nach ihrer Meinung führerlosen Juden an, und auch Tryphon hatte bereits ein Heer gerüstet, um damit nach Judaea zu ziehen und die Bewohner des Landes zu bekriegen. 197 Als nun Simon die Jerusalemer in Angst und Schrecken sah, berief er, um durch sein Wort ihren Mut zum Widerstand gegen Tryphon zu stählen, das Volk in den Tempel und tröstete es mit folgender Ansprache: 198 „Es kann euch ja nicht unbekannt sein, liebe Landsleute, dass wie mein Vater, so auch ich und meine Brüder stets bereit waren, für eure Freiheit das Leben aufs Spiel zu setzen. Ausser vielen anderen Beweisen hierfür habe ich auch den, dass es Mitglieder unserer Familie waren, die für Religion und Gesetz den grausamsten Tod erlitten haben. Keine Furcht also kann diese Gesinnung aus meiner Seele entfernen und dafür Todesscheu und Feigheit in sie einpflanzen. 199 Da ihr somit einen Führer habt, der das Höchste für euch zu leiden und zu thun bereit ist, so folgt mir getreulich, wohin ich euch führen werde. Denn ich bin weder besser als meine Brüder, sodass ich mein Leben schonen müsste, noch schlechter als sie, sodass ich den Tod für Gesetz und Religion, der ihnen etwas Herrliches war, fliehen und scheuen sollte. 200 Wo es am Platze ist, dass ich mich als ihren echten Bruder erweise, da werde ich zeigen, dass ich das wirklich bin. Denn ich bin überzeugt, dass es mir gelingen wird, an den Feinden Rache zu nehmen, euch alle mit Weib und Kind vor ihrer Wut zu schützen und mit Gottes Hilfe den Tempel vor der Zerstörung zu bewahren. Ich sehe auch, dass die Heiden euch jetzt nur deshalb verachten [163] und sich wider euch rüsten, weil sie euch ohne Führer wähnen.“

(4.) 201 Durch diese Worte richtete Simon den Mut des Volkes wieder auf, sodass es die Furcht fahren liess, froh aufatmete und hoffnungsvoll in die Zukunft sah. Alle riefen einstimmig, Simon solle ihr Führer sein und den Oberbefehl gleich wie seine Brüder Judas und Jonathas erhalten, da sie ihm freudig gehorchen würden. 202 Daraufhin zog Simon alsbald alle tauglichen Streitkräfte zusammen und liess eiligst die Stadtmauer wieder aufrichten. Nachdem dieselbe durch hohe und feste Türme gesichert war, sandte er einen seiner Freunde Namens Jonathas, den Sohn des Absalom, mit einem Heere nach Joppe und trug ihm auf, die Bewohner der Stadt von dort zu verjagen, da er befürchtete, sie möchten Joppe dem Tryphon übergeben. Er selbst aber blieb zu Jerusalem, um dessen Schutz wahrzunehmen.

(5.) 203 Unterdessen brach Tryphon mit einem grossen Heere von Ptolemaïs auf und marschierte nach Judaea, wobei er den Jonathas gefesselt mit sich führte. Simon rückte ihm mit seinen Truppen bis zur Stadt Addida entgegen, die auf einem hohen, die Ebene von Judaea beherrschenden Berge lag. 204 Als nun Tryphon erfuhr, dass Simon von den Juden zum Anführer erwählt sei, schickte er Boten ab, um auch ihn mit List und Betrug zu umgarnen, und forderte ihn auf, wenn er seinen Bruder Jonathas frei sehen wolle, hundert Talente Silber und als Bürgen dafür, dass dieser nicht, sobald er entlassen sei, Judaea dem König wieder abtrünnig mache, zwei von Jonathas’ Kindern zu schicken. Jonathas werde nämlich gefangen gehalten wegen des Geldes, das er dem Könige als Darlehn schulde. 205 Simon aber erkannte Tryphons Tücke sehr gut und sah ein, dass er des Geldes verlustig gehen würde, ohne seinen Bruder zu befreien, und noch dazu dessen Kinder dem Feinde überliefere, wenn er auf Tryphons Forderung eingehe. Da er indessen fürchtete, vom Volke als der Mörder seines Bruders bezeichnet zu werden, wenn er das Geld [164] und die Kinder für ihn nicht ausliefere, versammelte er das Heer und trug ihm Tryphons Ansinnen vor, 206 indem er hinzufügte, er halte dasselbe zwar nur für eine schändliche List, wolle jedoch lieber das Geld und die Kinder dem Tryphon schicken, als dass er durch Verweigerung der Forderung in den Verdacht komme, er habe seinen Bruder nicht erlösen wollen. Demgemäss lieferte er das Geld und die beiden Kinder des Jonathas aus. 207 Tryphon aber hielt sein Wort nicht, gab auch den Jonathas nicht frei, sondern umging mit seinem Heere das Land, um durch Idumaea nach Jerusalem zu ziehen. Auf diesem Marsche kam er nach Adora, einer Stadt Idumaeas; Simon aber folgte dem Tryphon auf dem Fusse und schlug stets ihm gegenüber sein Lager auf.

208 Inzwischen schickte die Besatzung der Burg an Tryphon die Bitte, schleunigst nach Jerusalem zu kommen und ihnen Lebensmittel zu schicken. Tryphon liess darauf sogleich die Reiterei sich marschfertig machen und dachte in einer Nacht in Jerusalem eintreffen zu können. In der Nacht jedoch fiel hoher Schnee, der die Wege bedeckte und den Pferden das Fortkommen so erschwerte, dass es ihm nicht gelang, Jerusalem zu erreichen. 209 Er schwenkte deshalb nach Coelesyrien ab, fiel eilig in Galaditis ein, liess hier den Jonathas umbringen und begraben und kehrte dann nach Antiochia zurück. 210 Simon aber liess die Gebeine seines Bruders aus der Stadt Baska herüberholen und bestattete sie in seiner Heimat Modiim, während das Volk in tiefer Trauer um Jonathas wehklagte. 211 Darauf liess Simon seinem Vater und seinen Brüdern ein prächtiges Grabmal aus weissem, poliertem Marmor errichten, das sich weithin sichtbar erhob, und das er mit einer Halle und mit mächtigen, aus einem einzigen Block gehauenen Säulen, die eine wahre Augenweide boten, umgab. Ausserdem liess er sieben Pyramiden für seine Eltern und Brüder erbauen, die in ihrer Grösse und Schönheit die Bewunderung herausforderten und bis auf den heutigen Tag erhalten sind. 212 Solche Sorgfalt wurde dem Grabe des [165] Jonathas und den Denkmälern für Simons Angehörige gewidmet. Jonathas starb, nachdem er vier Jahre lang Hohepriester und Vorsteher des Volkes gewesen war.

(7.) 213 Der an seiner Stelle zum Hohepriester erwählte Simon befreite im ersten Jahre seines Amtes das Volk vom Joche der Macedonier, sodass es denselben keinerlei Abgaben mehr zu zahlen hatte. Diese Freiheit und Steuerlosigkeit erlangten die Juden nach Ablauf des hundertsiebzigsten Jahres der assyrischen Herrschaft, gerechnet von der Besitznahme Syriens durch Seleukus Nikator. 214 Das Volk aber war derart begierig, den Simon zu ehren, dass alle öffentlichen wie privaten Schriftstücke gezeichnet wurden: Im ersten Jahre Simons, des Fürsten und Wohlthäters der Juden. Unter ihm genossen die Juden hohes Glück und besiegten ihre feindlichen Nachbarn. 215 Denn Simon brachte die Städte Gazara, Joppe und Jamnia in seine Gewalt und erstürmte auch die Burg zu Jerusalem, die er dem Erdboden gleich machte, damit sie nicht wieder ein Schlupfwinkel der Feinde werde, von dem aus sie den Juden, wie bis dahin Schaden zufügen könnten. Nachdem dies geschehen, erschien es auch ratsam, den Berg abzutragen, auf welchem die Burg gestanden hatte, damit der Tempel einen um so majestätischeren Eindruck mache. 216 Hierzu beredete er das Volk, nachdem er es zusammen berufen hatte; er stellte ihnen vor, jene Massregel sei notwendig, damit sie nicht wieder, wenn ein fremder Herrscher eine Besatzung in die Burg lege, von dieser und von den jüdischen Überläufern so viele Unbilden zu erdulden hätten, wie das geschehen sei. 217 Durch diese Worte überzeugte er das Volk um so leichter, als er ja nur dessen Nutzen im Auge hatte. Darauf legten alle Hand an, trugen den Berg ab und ruhten drei Jahre lang weder Tag noch Nacht, bis sie denselben der Ebene des Feldes gleich gemacht hatten. Von dieser Zeit an überragte der Tempel die ganze Stadt, weil die Burg samt dem Berge, auf dem sie gestanden hatte, beseitigt war. Solche herrlichen Thaten vollbrachte Simon.

[166]
Siebentes Kapitel.
Wie Simon mit Antiochus ein Bündnis schloss und den Tryphon sowie den Kendebaeus besiegte. Sein Tod.

(1.) 218 Nicht lange nach der Gefangennahme des Demetrius liess Tryphon Alexanders Sohn Antiochus, der den Beinamen „Gott“ führte, umbringen, nachdem er während dessen vieljähriger Regierung die Vormundschaft geführt hatte. Er liess alsdann überall bekannt machen, der Tod des Antiochus sei den Ärzten zuzuschreiben; 219 seine Freunde und Vertrauten aber schickte er zu den Soldaten und liess ihnen reiche Geldspenden für den Fall versprechen, dass sie ihn zum Könige ausrufen wollten. Demetrius, liess er sagen, sei von den Parthern gefangen, und wenn dessen Bruder Antiochus zur Herrschaft gelange, werde er ihren Abfall gewiss schwer bestrafen. 220 Die Soldaten, welche auf die reiche Geldspende hofften, riefen auch wirklich den Tryphon einstimmig zum Könige aus. Kaum aber war Tryphon im Besitze der höchsten Gewalt, als er auch gleich wieder seine Bosheit hervorkehrte. Früher hatte er dem Volke sich gefällig erwiesen, den Bescheidenen gespielt und es sich dadurch gefügig zu machen gesucht; sobald er aber am Ruder war, warf er die Maske ab und liess den wahren Tryphon wieder erkennen. Dadurch aber leistete er nur seinen Feinden Vorschub. 221 Denn die Soldaten, die ihn hassten, fielen zu Demetrius’ Gattin Kleopatra ab, die damals in Seleukia mit ihren Kindern zurückgezogen lebte. 222 Als nun des Demetrius Bruder Antiochus, der den Beinamen Soter führte, im ganzen Lande umherschweifte, weil ihn keine Stadt aus Furcht vor Tryphon aufzunehmen wagte, schickte Kleopatra zu ihm und liess ihm ihre Hand samt dem Throne anbieten. Das that sie teils auf den Rat ihrer Freunde, teils aus Furcht, weil einige Bewohner von Seleukia die Stadt dem Tryphon zu übergeben trachteten.

(2.) 223 Als nun Antiochus nach Seleukia gekommen war [167] und seine Macht von Tag zu Tag wuchs, zog er von da aus gegen Tryphon zu Felde, besiegte ihn, vertrieb ihn aus dem oberen Syrien nach Phoenicien, verfolgte ihn auch bis dahin und belagerte ihn in Dora, einem schwer einnehmbaren Platze, wohin er geflohen war. Darauf schickte er auch Gesandte an den jüdischen Hohepriester Simon, um mit ihm ein Schutz- und Trutzbündnis zu schliessen. 224 Dieser erfüllte bereitwillig sein Verlangen, lieferte ihm Geld und Lebensmittel für die Belagerer von Dora in Hülle und Fülle und zählte so in kurzer Zeit zu den vertrautesten Freunden des Antiochus. Tryphon aber entkam aus Dora nach Apamea und wurde dort noch während der Belagerung gefangen genommen und getötet, nachdem er drei Jahre lang König gewesen war.

(3.) 225 Antiochus indessen hatte in seiner Habgier und Bosheit die Dienste, die ihm Simon in seiner Not geleistet hatte, bald vergessen und schickte seinen Freund Kendebaeus mit Truppen ab, um Judaea zu verwüsten und den Simon gefangen zu nehmen. 226 Als Simon von dieser Nichtswürdigkeit hörte, entrüstete er sich über die Ungerechtigkeit des Antiochus, und obwohl er schon in vorgerücktem Alter stand, beschloss er doch mit der Thatkraft eines Jünglings, ein Heer ins Feld zu führen. 227 Seine Söhne sandte er mit dem Kern des Heeres voraus, während er selbst mit dem Rest einen anderen Weg einschlug. Er legte nämlich eine grosse Menge dieser letzteren Truppen als Hinterhalt in die Gebirgspässe und blieb nun überall Sieger. Nachdem er dann auch noch ein Bündnis mit den Römern geschlossen hatte verlebte er den Rest seiner Tage in Frieden.

(4.) 228 Im ganzen herrschte Simon acht Jahre lang über die Juden. Bei einem Mahle verlor er infolge hinterlistiger Nachstellung von seiten seines Schwiegersohnes Ptolemaeus das Leben. Dieser liess auch Simons Gattin sowie zwei seiner Söhne ergreifen und ins Gefängnis werfen und wollte auch den dritten Sohn Joannes, der den Beinamen Hyrkanus führte, umbringen lassen. 229 Als aber der Jüngling von der Ankunft der zu diesem Zweck [168] abgeschickten Leute Kunde erhielt, entging er der Gefahr, indem er sich in die Stadt rettete, wo er sich auf das Volk verlassen konnte, das seinem Vater so viel Gutes verdankte und den Ptolemaeus hasste. Als nun Ptolemaeus durch ein anderes Thor eindringen wollte, trieb ihn das Volk zurück, weil es den Hyrkanus schon aufgenommen hatte.

Achtes Kapitel.
Hyrkanus wird Hohepriester und vertreibt den Ptolemaeus aus dem Lande. Antiochus zieht gegen Hyrkanus zu Felde.

(1.) 230 Ptolemaeus zog sich darauf in eine oberhalb Jerichos gelegene feste Burg, welche Dagon hiess, zurück. Hyrkanus aber, der seinem Vater in der Hohepriesterwürde gefolgt war, erflehte zunächst durch Opfer den Beistand Gottes und rückte dann gegen Ptolemaeus aus, belagerte dessen Zufluchtsort und war wohl sonst glücklich, wurde aber von Mitgefühl für seine Mutter und seine Brüder schwer niedergedrückt. 231 Diese liess nämlich Ptolemaeus auf die Mauer führen und drohte, sie hinabstürzen zu lassen, falls Hyrkanus nicht von der Belagerung Abstand nehme. So sehr nun auch Hyrkanus nach der Einnahme des Platzes verlangte, glaubte er es doch seinen Lieben schuldig zu sein, dass er sie nicht leiden lasse, und betrieb deshalb die Belagerung weniger scharf. 232 Da aber beschwor ihn seine Mutter mit gerungenen Händen, um ihretwillen doch nicht nachzulassen, sondern die Belagerung nur noch um so eifriger fortzusetzen, damit er durch die Einnahme des Platzes die Seinigen rächen könne. Ein grausamer Tod sei ihr süss, wenn nur der Feind, der ihr denselben bereite, für seinen Frevel gezüchtigt werde. 233 Diese Worte seiner Mutter trieben den Hyrkanus wieder zur Einnahme der Festung an. Als er sie aber geisseln und zerfleischen sah, erlahmten seine Kräfte aus Mitleid mit ihren Qualen. [169] 234 So zog sich die Belagerung in die Länge, bis das Jahr anbrach, in welchem die Juden feiern müssen. Dies wird nämlich alle sieben Jahre ebenso beobachtet wie die Feier des siebenten Tages. 235 Dadurch wurde Ptolemaeus von der Belagerung befreit, tötete des Hyrkanus Mutter und Brüder und floh nach dieser Greuelthat zu Zeno, der den Beinamen Kotylas hatte und die Stadt Philadelphia beherrschte.

(2.) 236 Antiochus grollte unterdessen noch immer dem Simon wegen der von ihm erlittenen Niederlage. Er griff deshalb im vierten Jahre seiner Regierung, im ersten der Herrschaft des Hyrkanus und in der hundertzweiundsechzigsten Olympiade Judaea an, 237 verheerte das Land und schloss den Hyrkanus in der Hauptstadt ein. Diese belagerte er mit sieben Heerhaufen, welche er rund um die Stadt verteilte, konnte indes anfangs nicht das mindeste ausrichten, einmal wegen der Festigkeit der Mauern, dann wegen der Tapferkeit der Belagerten, endlich auch wegen starken Wassermangels, dem erst ein beim Niedergang der Plejaden[5] eintretender Platzregen ein Ende machte. 238 Da aber an der Nordseite der Mauer ein ebener Platz war, liess Antiochus hier hundert dreistöckige Türme errichten, legte in jeden derselben eine Abteilung Soldaten und liess die Mauern täglich berennen. 239 Auch liess er einen doppelten, sehr tiefen und breiten Graben auswerfen und setzte den Belagerten hart zu. Trotzdem wussten diese immer noch viele Stellen zu finden, an denen sie Ausfälle machen konnten. Gelang es ihnen nun, die Feinde unversehens zu überfallen, so brachten sie ihnen empfindliche Schlappen bei; wurden sie aber bemerkt, so zogen sie sich eilig zurück. 240 Da jedoch Hyrkanus die Beobachtung machte, dass die in der Stadt befindliche Menschenmenge ihm sehr schadete, weil die Lebensmittel sich zu schnell erschöpften, und der Meinung war, dass viele Bewohner mehr Last als Nutzen verursachten, schied er alle [170] Untauglichen aus, entliess dieselben und behielt nur die Kräftigen und Wehrfähigen zurück. 241 Antiochus aber verhinderte den Abzug der Ausgewiesenen, sodass sie zwischen den Mauern umherirrten, und viele von Hunger erschöpft elendiglich umkamen. Erst als das Laubhüttenfest bevorstand, nahmen die in der Stadt Befindlichen sie aus Mitleid wieder auf. 242 Hyrkanus schickte nun zu Antiochus und liess des Festes wegen um einen siebentägigen Waffenstillstand bitten, worauf Antiochus aus Frömmigkeit gegen Gott dies nicht nur zugab, sondern auch ein herrliches Opfer in die Stadt sandte, nämlich Stiere mit vergoldeten Hörnern, allerlei Räucherwerk und Gefässe von Gold und Silber. 243 Dieses Opfer nahmen die Posten am Thore von den Überbringern in Empfang und besorgten es in den Tempel. Antiochus aber bewirtete sein Heer und unterschied sich dadurch vorteilhaft von Antiochus Epiphanes, der nach der Einnahme der Stadt Schweine auf dem Altäre geschlachtet, mit ihrem Blute den Tempel besudelt und die Gesetze und Gottesfurcht der Juden missachtet hatte, 244 sodass das Volk gegen ihn erbittert wurde und sich nie mehr mit ihm aussöhnte. Dieser Antiochus dagegen wurde um seiner ausgezeichneten Gottesfurcht willen allgemein Eusebes (der Fromme) genannt.

(3.) 245 Hyrkanus entschloss sich daher, mit Rücksicht auf die edle Gesinnung des Königs und dessen Ehrfurcht gegen Gott, eine Gesandtschaft an ihn zu schicken und ihn bitten zu lassen, er möge den Juden gestatten, am Gesetze ihrer Väter festzuhalten. Antiochus verwarf nun den Rat derer, die ihm nahelegten, das Volk um seiner Abgeschlossenheit willen auszurotten, 246 sondern gab seiner Gottesfurcht nach und antwortete den Gesandten, er wolle, falls die Belagerten die Waffen auslieferten, ihm die Abgaben von Joppe und den übrigen um Judaea herum liegenden Städten abträten und eine Besatzung aufnähmen, die Belagerung aufheben. 247 Die Gesandten sagten zu und wollten nur die Besatzung sich nicht gefallen lassen, weil sie ihren Gebräuchen gemäss sich mit [171] Fremden nicht einlassen dürften. Dafür erboten sie sich, Geiseln zu stellen und fünfhundert Talente Silber zu zahlen, von denen sie auch dreihundert sogleich erlegten. Antiochus nahm diesen Vorschlag an und wählte selbst die Geiseln aus, unter denen sich auch des Hyrkanus Bruder befand. 248 Doch verlangte er ausserdem noch, dass sie die Mauerkrönung abbrechen sollten, und zog nach Erfüllung dieser Bedingungen ab.

(4.) 249 Hyrkanus aber liess das Grab Davids, der alle Könige an Reichtum übertroffen hatte, öffnen und entnahm ihm dreitausend Talente Silber. Mit diesem Gelde ausgerüstet, warb er – der erste, der dies bei den Juden that – fremde Söldner an. 250 Dann schloss er mit Antiochus ein Schutz- und Trutzbündnis, nahm ihn in die Stadt auf und versah sein Heer mit allen Bedürfnissen aufs reichlichste. Und als Antiochus gegen die Parther zu Felde zog, beteiligte sich Hyrkanus an dem Kriegszuge. Das bezeugt auch Nikolaus von Damaskus mit folgenden Worten: 251 „Antiochus errichtete am Flusse Lykos ein Siegesdenkmal, nachdem er den Feldherrn der Parther Indates überwunden hatte, und blieb daselbst zwei Tage lang auf Bitten des Juden Hyrkanus, weil die Juden zufällig ein Fest begingen, an welchem sie nicht marschieren durften.“ 252 Darin hat er auch recht. Denn es fiel gerade auf den Tag nach einem Sabbat das Fest Pentekoste, und wir dürfen weder am Sabbat noch an diesem Festtage reisen. 253 Als Antiochus hierauf den Parther Arsakes angriff, verlor er einen grossen Teil seines Heeres und fiel auch selbst. Sein Nachfolger in der Regierung war sein Bruder Demetrius, den Arsakes um dieselbe Zeit, als Antiochus in das Land der Parther einfiel, aus der Gefangenschaft entlassen hatte, wie ich schon anderswo berichtete.

[172]
Neuntes Kapitel.
Wie Hyrkanus gegen Syrien zu Felde zog und mit den Römern ein Bündnis schloss. Demetrius’ und Alexanders Tod.

(1.) 254 Als Hyrkanus von dem Tode des Antiochus Kunde erhielt, unternahm er sogleich einen Kriegszug gegen die Städte in Syrien, weil er glaubte, dass sie, wie es auch der Fall war, von Verteidigern entblösst seien. 255 Medaba nahm er nach grossen Strapazen seines Heeres im sechsten Monat ein, hierauf Samega und die benachbarten Orte, ferner Sikim und Garizin, und unterjochte das Volk der Chuthäer, 256 welches das dem Tempel zu Jerusalem ähnliche Heiligtum verehrte. Diesen hatte, wie schon früher gesagt, Alexander dem Feldherrn Sanaballetes für seinen Schwiegersohn Manasses, den Bruder des Hohepriesters Jaddus, zu bauen erlaubt. Jetzt nach zweihundert Jahren wurde der Tempel zerstört. 257 Hyrkanus eroberte ferner in Idumaea die Städte Adora und Marissa und unterwarf alle Idumäer, gestattete ihnen aber, im Lande zu bleiben, wenn sie die Beschneidung einführen und nach jüdischen Gesetzen leben wollten. 258 Wirklich nahmen sie auch aus Liebe zu ihrer Heimat die Beschneidung wie die übrigen Gewohnheiten der Juden an und waren also von dieser Zeit an ebenfalls Juden.

(2.) 259 Da nun der Hohepriester Hyrkanus die einst mit den Römern geschlossene Freundschaft erneuern wollte, schickte er eine Gesandtschaft nach Rom. Der Senat bestätigte nach Empfang seines Briefes die Freundschaft durch folgendes Antwortschreiben: 260 „Der Praetor Fanius, Sohn des Marcus, hat am sechsten Februar den Senat unter dem Vorsitze des Lucius Manlius, Sohnes des Lucius Mentinas, und des Gajus Sempronius, Sohnes des Gajus Falernas, zusammenberufen wegen des Schreibens, welches die jüdischen Gesandten Simon, Sohn des Dositheus, Apollonius, Sohn des Alexander und [173] Diodorus, Sohn des Jason, ehrenwerte und edle Männer, überbracht haben. 261 Das Schreiben handelt von dem zwischen den Juden und Römern bestehenden Bündnisse, sodann von äusseren Angelegenheiten und enthält die Bitte, es möchten den Juden Joppe nebst dem Hafen, Gazara nebst den Quellen sowie alle anderen Städte und Plätze, die Antiochus ihnen entgegen dem Senatsbeschluss im Kriege abgenommen habe, zurückgegeben, 262 ferner den königlichen Soldaten der Durchzug durch ihre und ihrer Untergebenen Länder verboten werden. Des weiteren möchte alles, was in jenem Kriege von Antiochus dem Senatsbeschlusse zuwider ausgeführt wurde, für ungiltig erklärt, 263 sodann durch eine Gesandtschaft die Zurückgabe des ihnen von Antiochus entrissenen Gebietes und die Abschätzung des Landes, das im Kriege verwüstet wurde, vorgenommen und endlich den jüdischen Gesandten an die Könige und freien Städte ein Geleitsbrief behufs sicherer Heimkehr ausgefertigt werden. 264 Es ist daher beschlossen worden, das Freundschaftsbündnis mit den ausgezeichneten und von einem so edlen und ehrenwerten Volke gesandten Männern zu erneuern.“ 265 Betreffs der übrigen Briefe des Hyrkanus versprachen sie, die Antwort in Erwägung zu ziehen, sobald der Senat weniger mit Geschäften überhäuft sei, versicherten auch, dafür sorgen zu wollen, dass in Zukunft ihnen keine derartigen Unbilden mehr zugefügt würden, und gaben dem Praetor Fanius den Auftrag, den Gesandten zum Zweck ihrer Heimkehr Geldmittel aus der öffentlichen Kasse anzuweisen. 266 Fanius entliess daher die jüdischen Abgeordneten, nachdem er ihnen Geld aus der Staatskasse angewiesen und sie nach dem Senatsbeschlusse mit einem Geleitsbrief behufs Gewährleistung sicherer Heimreise versehen hatte.

(3.) 267 So weit über den Hohepriester Hyrkanus. Was nun den König Demetrius betrifft, so wollte er den Hyrkanus mit Krieg überziehen, hatte aber weder Zeit noch Gelegenheit dazu, weil sowohl das syrische Volk als auch die Soldaten wegen seiner Grausamkeit höchst [174] feindselig gegen ihn gesinnt waren. Sie wandten sich deshalb an Ptolemaeus Physkon und baten ihn, er möge ihnen einen aus des Seleukus Geschlecht zum Könige geben. 268 Ptolemaeus sandte ihnen darauf den Alexander Zebinas mit einem Heere, und Demetrius wurde in der Schlacht besiegt, sodass er genötigt war, nach Ptolemaïs zu seiner Gattin Kleopatra zu fliehen. Da diese ihn aber nicht aufnehmen wollte, wandte er sich nach Tyrus, wo er gefangen wurde und, von seinen Feinden grausam gepeinigt, starb. 269 Alexander, der nach ihm den Thron bestieg, schloss mit dem Hohepriester Hyrkanus Freundschaft, verlor aber in dem Kriege, den des Demetrius Sohn Antiochus Grypus gegen ihn unternahm, Schlacht und Leben.

Zehntes Kapitel.
Wie Hyrkanus, während die Brüder Antiochus Grypus und Antiochus von Kyzikos um die Herrschaft stritten, Samaria einnahm und zerstörte. Wie er sich von den Pharisäern lossagte und sich an die Sadducäer anschloss.

(1.) 270 Antiochus hatte kaum die Herrschaft über Syrien angetreten, als er sich zu einem Feldzuge gegen Judaea anschickte. Inzwischen aber hörte er, dass sein Stiefbruder, der ebenfalls Antiochus hiess, in Kyzikos ein Heer gegen ihn sammle. 271 Er blieb deshalb in seinem Lande und beschloss, sich gegen den Angriff seines Bruders zu rüsten. Dieser führte den Beinamen „der Kyzikener“, weil er in Kyzikos erzogen worden war. Sein Vater war Antiochus Soter, der im Kampfe gegen die Parther gefallen war und mit Demetrius, dem Vater des Grypus, dieselbe Mutter hatte. Kleopatra aber hatte, wie schon erwähnt, beide Brüder geheiratet. 272 Antiochus von Kyzikos kam nun nach Syrien und führte viele Jahre hindurch gegen seinen Bruder Krieg, während welcher Zeit Hyrkanus sich des Friedens erfreute. 273 Denn [175] er war nach dem Tode des Antiochus von den Macedoniern abgefallen und hatte ihnen weder als Freund noch als Unterthan irgend welche Hilfe geleistet, vielmehr während des Alexander Zebinas Regierung und noch mehr zu der Zeit, als die beiden Brüder miteinander im Streit lagen, sich in Glück und Wohlstand befunden. Der Bruderkrieg gewährte ihm hinreichend Musse, Judaea sorgfältig anzubauen, sodass er einen ungeheuren Reichtum anhäufte. 274 Wollte Antiochus von Kyzikos sein Land verwüsten, so trat er ihm entgegen, und da er sah, dass der andere Antiochus von Aegypten keine Hilfe erhielt und mit seinem Bruder beständig im Hader lag, kümmerte er sich um beide nicht.

(2.) 275 So kam es, dass er Gelegenheit fand, gegen die sehr feste Stadt Samaria zu Felde zu ziehen, über die ich, da sie jetzt Sebaste heisst und von Herodes neu gebaut worden ist, später an anderer Stelle sprechen will. Er griff die Stadt an und belagerte sie mit Nachdruck, da er gegen die Samariter aufgebracht war, weil sie auf Geheiss der Könige von Syrien die Bewohner von Marissa, welche jüdische Kolonisten und seine Bundesgenossen waren, hart bedrängt hatten. 276 Rings um die Stadt zog er einen Graben sowie einen doppelten Wall in der Länge von achtzig Stadien, und bestellte seine Söhne Antigonus und Aristobulus zu Leitern der Belagerung. Diese versahen ihren Dienst mit allem Eifer, und so kam es, dass die Samariter bald so sehr vom Hunger gequält wurden, dass sie ganz ungewöhnliche Nahrungsmittel zu sich nahmen und schliesslich den Antiochus von Kyzikos herbeiriefen. 277 Dieser kam dem Hilferuf bereitwillig nach, wurde aber von Aristobulus geschlagen und auf der Flucht nach Skythopolis von den Brüdern verfolgt. Alsdann kehrten die letzteren um und schlossen die Samariter abermals in ihre Stadt ein, sodass sie wiederum den Antiochus zu Hilfe riefen. 278 Dieser erbat sich von Ptolemaeus Lathurus etwa sechstausend Mann, welche er auch erhielt, doch gegen den [176] Willen von Ptolemaeus’ Mutter, die ihn deshalb beinahe der Herrschaft verlustig erklärt hätte. Zunächst nun beschränkte sich Antiochus darauf, mit den Aegyptiern das Land des Hyrkanus durch Raub und Verwüstung zu beunruhigen, da er ihm an Streitkräften nicht gewachsen war und ihm deshalb nicht in offener Schlacht entgegenzutreten wagte. Er glaubte auch, durch die Verwüstung des Landes ihn am besten zur Aufhebung der Belagerung von Samaria zwingen zu können. 279 Da er aber eine Menge seiner Soldaten dadurch verlor, dass sie in Hinterhalte gerieten, beauftragte er Kallimander und Epikrates mit der Fortsetzung des Krieges gegen die Juden, während er selbst sich nach Tripolis zurückzog.

(3.) 280 Kallimander griff die Feinde mit grösserer Kühnheit an, ward aber in die Flucht geschlagen und fiel. Epikrates dagegen, der sehr habgierig war, gab gegen Zahlung einer Geldsumme Skythopolis und die umliegenden Plätze ganz offen den Juden preis und konnte Samaria auch nicht entsetzen. 281 Hyrkanus nahm daher nach einjähriger Belagerung die Stadt ein, begnügte sich aber damit nicht, sondern zerstörte sie von Grund aus und liess sie von reissenden Gebirgsbächen überströmen. Hierdurch wurde sie derartig unterwühlt, dass sie in die Schluchten hinabstürzte und kaum noch den Anblick einer Stadt darbot. 282 Bei dieser Gelegenheit soll dem Hohepriester Hyrkanus etwas Wunderbares begegnet sein, indem Gott zu ihm geredet habe. An dem Tage nämlich, da seine Söhne mit dem Kyzikener kämpften, soll der Hohepriester, als er allein im Tempel ein Rauchopfer darbrachte, eine Stimme vernommen haben, die ihm verkündigte, Antiochus sei soeben von seinen Söhnen besiegt worden. 283 Er begab sich alsbald aus dem Tempel und teilte dem Volke sein Erlebnis mit; und wirklich war es so eingetroffen. So viel wieder von Hyrkanus.

(4.) 284 Um diese Zeit erfreuten sich nicht nur die zu Jerusalem und in ihrem Lande, sondern auch die in [177] Alexandria, Aegypten und Cypern wohnenden Juden eines grossen Glückes. 285 Die Königin Kleopatra nämlich sagte sich von ihrem Sohne Ptolemaeus Lathurus völlig los und ernannte zu Heerführern Chelkias und Ananias, die Söhne jenes Onias, der, wie schon früher erwähnt, im Bezirke von Heliopolis den Tempel nach dem Muster des zu Jerusalem befindlichen erbaut hatte. 286 Kleopatra übergab ihnen die gesamte Leitung der Geschäfte und that nichts ohne ihre Zustimmung, wie dies auch der Kappadocier Strabo mit folgenden Worten bezeugt: 287 „Die meisten von denen, welche mit uns nach Cypern kamen, und diejenigen, die Kleopatra später dorthin schickte, gingen sogleich zu Ptolemaeus über. Nur die Juden, die sich nach Onias nannten, blieben treu, weil ihre Landsleute Chelkias und Ananias bei der Königin in hohem Ansehen standen.“ Also Strabo.

(5.) 288 Um nun wieder auf Hyrkanus zurückzukommen, so erregte sein Glück den Neid der Juden, und besonders waren gegen ihn die Pharisäer aufgebracht, die, wie ich oben erwähnte, eine Sekte der Juden bilden. Sie stehen beim Volke in solchem Ansehen, dass sie stets Glauben finden, selbst wenn sie etwas gegen den König oder den Hohepriester vorbringen. 289 Hyrkanus war ihr Schüler und anfangs bei ihnen sehr beliebt. Einst hatte er sie zum Mahle geladen und bewirtete sie prächtig, und als er sie vergnügt sah, erklärte er ihnen, sie wüssten doch wohl, dass er gerecht sein und alles thun wolle, was Gott angenehm sei, wie ja das auch die Pharisäer lehrten. 290 Er bitte sie also, falls sie ihn sündigen und vom rechten Wege abirren sähen, ihn zu bekehren und zu bessern. Sie aber stellten seiner Tugend das beste Zeugnis aus und lobten ihn, worüber er sich sehr freute. 291 Nur einer von den Gästen, mit Namen Eleazar, ein schlechter und streitsüchtiger Mensch, sagte: „Weil du denn die Wahrheit hören willst, so merke auf meine Worte. Willst du gerecht sein, so entsage der hohepriesterlichen Würde und begnüge dich damit, des Volkes Fürst zu sein.“ 292 Da nun Hyrkanus den Grund zu [178] erfahren wünschte, weshalb er die hohepriesterliche Würde ablegen sollte, entgegnete Eleazar: „Weil wir von älteren Leuten hören, dass deine Mutter unter der Regierung des Antiochus Epiphanes gefangen gewesen ist.“ Diese Behauptung war indes falsch, weshalb sowohl Hyrkanus wie alle Pharisäer heftig gegen Eleazar aufgebracht wurden.

(6.) 293 Nun gab es bei der Sekte der Sadducäer, welche an den entgegengesetzten Ansichten wie die Pharisäer festhalten, einen gewissen Jonathas, der des Hyrkanus vertrauter Freund war und ihm auseinandersetzte, Eleazar habe mit seiner Schmähung nur im Sinne aller Pharisäer gesprochen. Das werde sogleich offenkundig werden, wenn er sie frage, welche Strafe Eleazar für seine Behauptung verdient habe. 294 Als nun Hyrkanus sich bei den Pharisäern erkundigte, welche Strafe sie Eleazar zuerkännten, und ihnen erklärte, er sei überzeugt, dass sie mit jener Schmähung nichts zu thun und demgemäss dem Eleazar schon die gebührende Strafe auferlegt hätten, antworteten sie, er verdiene gegeisselt und gefesselt zu werden. Eine Lästerung nämlich schien ihnen noch nicht den Tod zu verdienen, wie ja die Pharisäer von Natur mild im Bestrafen sind. 295 Hierüber aber geriet Hyrkanus in solchen Zorn, dass er nun wirklich glaubte, der Mensch habe seine Schmähung mit ihrer Zustimmung ausgestossen. Jonathas that dann noch das seinige, um ihn aufzureizen, und brachte es wirklich dahin, dass Hyrkanus sich an die Sadducäer anschloss, 296 sich von den Pharisäern lossagte und die von letzteren dem Volke gegebenen Vorschriften nicht nur für ungültig erklärte, sondern auch gegen die, welche sie befolgten, mit Strafen einschritt. Infolgedessen richtete sich der Hass des Volkes gegen ihn und seine Söhne, wie ich gleich näher ausführen werde. 297 Für jetzt will ich nur noch bemerken, dass die Pharisäer dem Volke durch mündliche Überlieferung viele Gebote aufbewahrt haben, welche in die Gesetzgebung des Moyses nicht aufgenommen sind. Diese Gebote nun verwirft die [179] Sekte der Sadducäer und behauptet, das allein sei massgebend, was geschrieben stehe, während die mündliche Überlieferung der Vorfahren keine Gültigkeit habe. 298 Über diesen Punkt entstanden oft heftige Streitigkeiten, wobei die Sadducäer nur die Reichen, die Pharisäer aber die grosse Menge des Volkes auf ihrer Seite hatten. Näheres über diese beiden Sekten, sowie über die dritte der Essener findet sich im zweiten Buche meines Werkes über den Jüdischen Krieg.

(7.) 299 Hyrkanus aber machte diesen Streitigkeiten bald ein Ende, lebte darauf im höchsten Glück und starb nach einunddreissigjähriger ausgezeichneter Regierung mit Hinterlassung von fünf Söhnen. Gott hatte ihm drei grosse Gnaden verliehen: die Herrschaft über sein Volk, die hohepriesterliche Würde und die Gabe der Weissagung. 300 Der Herr nämlich war sein beständiger Helfer und setzte ihn in den Stand, das Zukünftige vorherzusehen und vorherzuverkündigen. So prophezeite er auch, seine beiden ältesten Söhne würden nicht lange im Besitze der Regierungsgewalt bleiben. Es ist der Mühe wert, das Ende dieser beiden Söhne des Hyrkanus ausführlicher zu berichten, weil man daraus ersehen kann, wie weit sie hinter dem Glücke ihres Vaters zurückblieben.

Elftes Kapitel.
Wie Aristobulus sich die Königskrone aufsetzte und gegen seine Mutter und seine Brüder höchst grausam verfuhr. Wie er nach der Ermordung des Antigonus auch selbst sein Leben beschloss.

(1.) 301 Als Hyrkanus gestorben war, beschloss sein ältester Sohn Aristobulus, aus eigener Machtvollkommenheit die bisherige Regierungsform in ein Königtum zu verwandeln, und setzte sich vierhunderteinundachtzig Jahre und drei Monate nach der Rückkehr des Volkes aus der babylonischen Knechtschaft zuerst wieder die Krone auf. [180] 302 Von seinen Brüdern liebte er den Antigonus ganz besonders und ehrte ihn königlich, während er die übrigen in Ketten und Banden hielt. Sogar seine Mutter, die von Hyrkanus mit der Regierung betraut worden war und deshalb mit ihm wegen der Herrschaft in Streit geriet, liess er ins Gefängnis werfen und ging sogar in seiner Grausamkeit so weit, dass er sie durch Hunger umkommen liess. 303 Seinen Bruder Antigonus, dem er anfangs so sehr zugethan schien, behandelte er später nicht viel besser, da er durch Verleumdungen gegen ihn aufgebracht worden war. Zunächst zwar schenkte er diesen Beschuldigungen keinen Glauben, teils weil er ihn wirklich liebte, teils weil er glaubte, dieselben gingen aus Neid hervor. 304 Als aber Antigonus eines Tages in prächtigem Aufzug von einer kriegerischen Unternehmung heimkehrte, während Aristobulus von einer Krankheit ans Bett gefesselt war, zog ersterer, da gerade das Laubhüttenfest gefeiert wurde, mit grossem Gepränge in Begleitung seiner Krieger nach dem Tempel, um das Fest zu begehen und vor allem, um durch Gebet die Genesung seines Bruders zu erflehen. 305 Es gab nun genug böswillige Menschen, die, um die Eintracht der Brüder zu stören, aus dem glanzvollen Aufzuge des Antigonus und seinen glücklichen Kriegsthaten Veranlassung nahmen, zum Könige zu gehen, ihm die Sache über Gebühr aufzubauschen 306 und ihm vorzustellen, dass das Benehmen seines Bruders durchaus nicht dem eines Privatmannes entspreche, sondern die Begierde nach der Königsherrschaft erkennen lasse. Antigonus werde gewiss mit seiner starken Mannschaft kommen, um ihn zu töten, da er es für thöricht halten müsse, sich mit der Teilnahme an der Regierung zu begnügen, wenn er selbst König werden könne.

(2.) 307 Aristobulus liess sich durch diese Einflüsterungen, wiewohl mit Widerstreben, aufreizen. Um aber bei seinem Bruder keinen Verdacht zu erregen, und zugleich auch, um für seine eigene Sicherheit zu sorgen, liess er seine Leibwache in einem dunklen unterirdischen Raume [181] der Burg Antonia,[6] in welcher er krank darniederlag, verstecken und ihr befehlen, keinem Unbewaffneten etwas zuleide zu thun, den Antigonus aber, falls er bewaffnet eintrete, niederzumachen. 308 Gleichzeitig schickte er zu Antigonus und liess ihn bitten, unbewaffnet zu kommen. Die Königin aber und die, welche dem Antigonus feindlich gesinnt waren, beredeten den Boten, das gerade Gegenteil zu sagen und zu melden, Aristobulus habe vernommen, dass sein Bruder sich neue Waffen und neue Kriegsrüstung angeschafft habe, und bäte ihn daher, bewaffnet zu ihm zu kommen, damit er sich die Waffen ansehen könne. 309 Antigonus, der nicht im entferntesten an List und Tücke dachte, vielmehr von der Freundlichkeit seines Bruders entzückt war, begab sich in vollem Waffenschmuck zu Aristobulus, um ihm denselben zu zeigen. Als er nun den sogenannten Stratonsturm erreicht hatte, wo sich ein sehr dunkler Gang befindet, machten ihn die Leibwächter nieder. 310 Sein Tod bewies klar, dass nichts eine grössere Gewalt hat als Neid und Verleumdung, und dass nichts imstande ist, Wohlwollen und natürliche Zuneigung schneller zu zerstören, als diese Leidenschaften. 311 Wundern muss man sich hierbei über einen Juden von der Sekte der Essener, dessen Prophezeiungen noch stets eingetroffen waren. Als dieser den Antigonus zum Tempel gehen sah, rief er in Gegenwart seiner Freunde und Genossen, welche bei ihm die Kunst der Weissagung erlernen wollten, aus, 312 er wünsche, dass der Tod ihn jetzt ereile, da er etwas Falsches prophezeit habe. Noch lebe ja Antigonus, von dem er vorhergesagt habe, dass er heute im Stratonsturm sterben werde, und den er doch jetzt vorbeiziehen sehe, obgleich der Stratonsturm sechshundert Stadien entfernt und der grösste Teil des Tages schon verstrichen sei. Er laufe somit jetzt Gefahr, eine falsche Weissagung verkündigt zu haben. 313 Während er noch so sprach und wehklagte, ward ihm [182] gemeldet, Antigonus sei in dem unterirdischen Gelasse umgekommen, welches ebenso wie das an der Meeresküste sechshundert Stadien weit entfernt liegende Caesarea „Stratonsturm“ heisst. Hierdurch war der Seher verwirrt worden.

(3.) 314 Aristobulus aber empfand bald über den Brudermord heftige Reue, und von Gewissensbissen gefoltert, fiel er in eine Krankheit, die seine Eingeweide so angriff, dass er Blut auswarf. Dieses Blut wollte einer der ihm dienenden Pagen, wie ich glaube, durch göttliche Fügung, an dieselbe Stelle bringen, die noch mit dem Blute des gemordeten Antigonus befleckt war, glitt aber aus und verschüttete den Inhalt des Gefässes. 315 Darüber erhoben die, welche es gesehen hatten, ein gewaltiges Geschrei, als wenn der Page das Blut mit Absicht verschüttet hätte. Aristobulus, der das Geschrei hörte, erkundigte sich nach der Ursache, und da man ihm nicht antwortete, war er nur desto begieriger, dieselbe zu erfahren, wie denn die Menschen gewöhnlich, wenn ihnen etwas verschwiegen wird, gleich das Schlimmste dahinter versteckt glauben. 316 Als man ihm dann endlich auf seine Drohungen aus Furcht die Wahrheit gestand, brach er, von Gewissensbissen gequält, in Thränen aus und wehklagte: „So konnten also meine schändlichen und verruchten Thaten Gott nicht verborgen bleiben, da er mich für den Mord meines Bruders mit schneller Strafe heimsuchte! 317 Wie lange denn noch willst du, o schamloser Leib, die Seele zurückhalten, die den Schatten meines Bruders und meiner Mutter verfallen ist? Weshalb giebst du sie nicht sogleich los, da ich einen Teil meines Blutes schon jetzt denen, welche ich so schmählich dahingemordet habe, zum Opfer bringe?“ 318 Kaum hatte er diese Worte gesprochen, da starb er nach nur einjähriger Regierung. Obwohl er ein Freund der Griechen genannt wurde, hatte er doch seinem Vaterlande viel Gutes erwiesen, indem er Ituraea bekriegte, einen grossen Teil dieses Landes mit Judaea vereinigte und die Bewohner zwang, falls sie in ihrer Heimat [183] bleiben wollten, die Beschneidung anzunehmen und nach jüdischen Gesetzen zu leben. 319 Er war von Natur leutselig und schamhaft, wie dies auch Strabo bezeugt, der nach Timagenes also berichtet: „Dieser Mann war leutselig und den Juden sehr nützlich, da er deren Gebiet vergrösserte; denn er nahm einen Teil des Ituräervolkes in dasselbe dadurch auf, dass er die Ituräer zur Beschneidung nötigte.“

Zwölftes Kapitel.
Wie Alexander zur Herrschaft kam und gegen Ptolemaeus zu Felde zog, aus Furcht vor Ptolemaeus Lathurus aber die Belagerung aufhob. Wie Ptolemaeus den Alexander bekriegte und die Juden niederwarf.

(1.) 320 Als Aristobulus gestorben war, liess seine Witwe Salome, welche von den Griechen Alexandra genannt wird, dessen Brüder, die, wie oben erwähnt, Aristobulus gefangen gehalten hatte, frei und bestimmte den Jannaeus, der auch Alexander hiess, zum Könige, da ihm infolge seines Alters und seiner Rechtschaffenheit der Vorrang gebühre. 321 Dieser hatte sich, kaum dass er geboren war, schon den Hass seines Vaters zugezogen und durfte ihm während seines ganzen Lebens nicht unter die Augen kommen. Der Hass gründete sich auf folgende Begebenheit. 322 Hyrkanus, der seine beiden ältesten Söhne Antigonus und Aristobulus am meisten liebte, fragte einst Gott, der ihm im Traume erschienen war, welcher von seinen Söhnen sein Nachfolger werden würde. Als Gott ihm darauf den Alexander bezeichnete, verdross es ihn, dass gerade dieser alle seine Güter erben sollte, und so liess er ihn in Galilaea, wo er geboren war, erziehen. Gott aber hatte den Hyrkanus nicht getäuscht. 323 Denn Alexander kam nach dem Tode des Aristobulus zur Regierung und liess den einen von seinen Brüdern, der nach der Herrschaft strebte, umbringen, während er den anderen, der ein ruhiges Leben führte, in hohen Ehren hielt.

[184] (2.) 324 Als nun Alexander seine Herrschaft begründet hatte, unternahm er einen Kriegszug gegen Ptolemaeus, schlug die zum Kampf ausgerückten Einwohner aufs Haupt, trieb sie in die Stadt und belagerte sie. An der Küste nämlich blieben ihm nur noch die Städte Ptolemaïs und Gaza sowie der Tyrann Zoïlus, welcher Stratonsturm (Caesarea) und Dora behauptete, zu unterwerfen übrig. 325 Da nun Antiochus Philometor und sein Bruder Antiochus von Kyzikos sich noch immer bekriegten und gegenseitig ihre Kräfte aufrieben, hatten die Ptolemaïter von ihnen keine Hilfe zu erwarten. 326 Während der Belagerung jedoch erschien Zoïlus, der Beherrscher von Stratonsturm und Dora, mit einer Heerschar, und da er wegen des zwischen den beiden Königen tobenden Streites seine Herrschaft auszudehnen gedachte, leistete er den Ptolemaïtern einige Hilfe. 327 Letztere aber konnten auch schon darum auf die Könige nicht rechnen, weil diese ihnen nicht sonderlich gewogen waren. So machten es denn beide Teile wie die Ringkämpfer, die, wenn ihre Kräfte nachlassen und die Scham ihnen nicht gestattet, zu weichen, den Kampf durch Lässigkeit und Verschnaufen in die Länge zu ziehen suchen. 328 Es blieb nun den Ptolemaïtern nur noch die Hoffnung auf die aegyptischen Könige und auf Ptolemaeus, den Herrscher von Cypern, der, von seiner Mutter Kleopatra vom Throne gestossen, sich nach dieser Insel gewandt hatte. Zu diesem also schickten die Ptolemaïter mit der Bitte, er möge ihnen Hilfe leisten und sie aus den Händen Alexanders retten. 329 Da ihm nun die Gesandten Hoffnung machten, es würden, wenn er nach Syrien übersetze, die Gazäer und Zoïlus, welche auf seiten der Ptolemaïter ständen, sowie auch die Sidonier und noch viele andere Städte sich mit ihm verbünden, beeilte er sich voll Zuversicht, seine Truppen einzuschiffen.

(3.) 330 Inzwischen aber gelang es einem gewissen Demainetos, der als Volksredner bei den Ptolemaïtern grosses Ansehen genoss, die Meinung seiner Mitbürger umzustimmen, indem er ihnen vorstellte, es sei besser, [185] wenn auch mit ungewissem Erfolge, gegen die Juden zu kämpfen, als sich in offenbare Knechtschaft zu stürzen, indem man sich mit einem fremden Herrscher einlasse und dann nicht nur den jetzigen Krieg, sondern auch noch den viel schwierigeren mit Aegypten werde zu bestehen haben. 331 Denn Kleopatra werde nicht so thöricht sein, zuzulassen, dass Ptolemaeus sich bei ihren Nachbaren eine grosse Streitmacht sammle, sondern sie mit einem grossen Heere angreifen, da sie doch sogar versuche, ihren Sohn von Cypern zu verdrängen. Dem Ptolemaeus stehe es, wenn er in seiner Hoffnung getäuscht werde, frei, sich nach Cypern zurückzuziehen, während ihnen selbst in diesem Falle die äusserste Gefahr drohe. 332 Obwohl nun Ptolemaeus unterwegs diese Sinnesänderung der Ptolemaïter erfuhr, setzte er nichtsdestoweniger seine Fahrt fort und landete bei Sykaminus, 333 wo er seine Truppen, im ganzen gegen dreissigtausend Fusssoldaten und Reiter, ausschiffte. Diese führte er alsdann bis in die Nähe von Ptolemaïs, wo er sein Lager aufschlug. Da jedoch die Bürger weder seine Gesandten aufnahmen, noch sonst auf ihn hören wollten, geriet er in grosse Besorgnis.

(4.) 334 Als nun aber Zoïlus und die Gazäer den Ptolemaeus um seine Hilfe ersuchen liessen, weil ihre Äcker von den Juden verwüstet würden, hob Alexander aus Furcht vor diesem die Belagerung auf, führte sein Heer heim und benahm sich nun zweideutig, indem er insgeheim die Kleopatra gegen den Ptolemaeus zu Hilfe rief, anderseits aber mit letzterem zum Scheine ein Freundschaftsbündnis aufrecht erhielt. 335 Ja, er versprach ihm vierhundert Talente Silber, wenn er den Zoïlus aus dem Wege räumen und dessen Land den Juden überlassen wolle. Ptolemaeus schloss auch wirklich damals mit Alexander bereitwillig Freundschaft und unterwarf ihm den Zoïlus. 336 Als er aber später hörte, Alexander habe heimlich Boten an seine Mutter Kleopatra geschickt, löste er seine Verbindlichkeiten nicht ein und belagerte Ptolemaïs, weil es ihn nicht aufgenommen hatte. Und [186] nachdem er zu dieser Belagerung einige Heerführer mit einem Teile seiner Truppen zurückgelassen, marschierte er mit dem anderen Teile nach Judaea, um dasselbe zu verwüsten. 337 Alexander aber, der von des Ptolemaeus Absicht Kenntnis erhalten hatte, zog ein Heer von fünfzigtausend oder – nach anderen Schriftstellern – von achtzigtausend Mann zusammen und rückte mit diesen Truppen dem Ptolemaeus entgegen. Ptolemaeus griff unterdessen unversehens die galilaeische Stadt Asochis an, eroberte sie an einem Sabbat, nahm gegen zehntausend Menschen gefangen und machte auch sonst reiche Beute.

(5.) 338 Alsdann wandte er sich gegen Sepphoris, das von Asochis nicht weit entfernt war, erlitt aber hier grosse Verluste und zog daher in der Richtung nach Ptolemaïs ab, um dem Alexander eine Schlacht zu liefern. Alexander begegnete ihm am Jordan bei einem Orte, der Asophon hiess, und lagerte sich in der Nähe des Feindes. 339 Im Vordertreffen hatte er achttausend sogenannte Hekatontomachen (Kämpfer, die es mit hundert aufnehmen), welche mit Erz überzogene Schilde führten. Auch die Kämpfer des Ptolemaeus, die im Vordertreffen standen, bedienten sich solcher erzbeschlagenen Schilde. Wenn nun auch die Soldaten des Ptolemaeus im übrigen den Juden nachstanden und deshalb der Gefahr nicht so leicht trotzten, 340 so erhöhte doch ihren Mut der Taktiker Philostephanos, indem er sie über den Fluss setzen liess, der die beiderseitigen Lager trennte, ohne dass Alexander den Übergang hinderte. Alexander nämlich dachte die Feinde, sobald sie den Fluss im Rücken hätten, um so leichter vernichten zu können, weil ihnen dann die Flucht unmöglich war. 341 Anfangs nun schwankte der Kampf hin und her, und es fiel auf beiden Seiten eine grosse Zahl. Als aber Alexander die Oberhand gewann, teilte Philostephanos seine Truppen und brachte den Bedrängten in geschickter Weise Hilfe. 342 Die Juden mussten sich nun, da niemand ihrem unterliegenden Teil Unterstützung gewährte, zur Flucht wenden und rissen [187] auch die anderen Reihen mit in dieselbe hinein, während des Ptolemaeus Soldaten gerade das Gegenteil thaten. 343 Denn sie setzten den Juden nach, machten sie nieder, schlugen zuletzt das ganze Heer in die Flucht und richteten ein solches Blutbad an, dass ihre Waffen stumpf wurden und ihre Arme erlahmten. 344 Dreissigtausend (nach Timagenes fünfzigtausend) Juden sollen in diesem Treffen gefallen sein; die übrigen gerieten teils in Gefangenschaft, teils entkamen sie in ihre Heimat.

(6.) 345 Nach diesem Kriege verwüstete Ptolemaeus die Gegend und bezog am Abend in einigen Dörfern Quartier. Als er nun die Dörfer mit Weibern und Kindern angefüllt fand, befahl er seinen Soldaten, die letzteren niederzumachen, sie in Stücke zu hauen und diese in Kessel mit siedendem Wasser zu werfen. 346 Das that er, damit die, welche aus dem Treffen entkommen waren und etwa hierher ihre Zuflucht nahmen, die Feinde für Menschenfresser halten und über den Anblick desto mehr in Schrecken geraten sollten. 347 Auch Strabo und Nikolaus berichten diesen Vorgang, wie ich ihn dargestellt habe. Ptolemaeus aber nahm dann schliesslich auch noch Ptolemaïs mit Gewalt ein, wie ich schon anderswo erzählte.

Dreizehntes Kapitel.
Wie Alexander einen Feldzug nach Coelesyrien unternahm, die Stadt Gaza zerstörte und später viele tausend Juden, die sich gegen ihn empört hatten, niedermachen liess. Von Antiochus Grypus, Seleukus, Antiochus von Kyzikos und anderen.

(1.) 348 Als Kleopatra die Macht ihres Sohnes wachsen sah und bemerkte, wie er Judaea nach Herzenslust verwüstete und Gaza in seine Gewalt brachte, glaubte sie es doch nicht zulassen zu dürfen, dass er sozusagen vor die Thore ihrer Residenz rücke und seine Hand nach [188] der Krone Aegyptens ausstrecke, sondern brach mit einer Flotte und einem Landheere gegen ihn auf. 349 Zu Oberbefehlshabern des Heeres ernannte sie die Juden Chelkias und Ananias, während sie ihre Reichtümer, ihre Enkel und ihr Testament den Bewohnern der Insel Kos zur Bewahrung anvertraute. 350 Alsdann befahl sie ihrem Sohne Alexander, mit einer grossen Flotte nach Phoenicien zu schiffen. Als die Phoenicier sich unterworfen hatten, kam Kleopatra nach Ptolemaïs, sah sich aber, weil die Bewohner sie nicht einlassen wollten, zur Belagerung der Stadt gezwungen. 351 Inzwischen brach Ptolemaeus aus Syrien auf und eilte nach Aegypten in dem Glauben, das Land sei von Truppen entblösst und er könne es deshalb unversehens erobern. Doch sah er sich in dieser Hoffnung getäuscht. Chelkias, der eine von Kleopatras Feldherren, setzte ihm nach, starb jedoch in Coelesyrien.

(2.) 352 Sobald Kleopatra von dem Unternehmen ihres Sohnes Kunde erhielt und zugleich vernahm, dass er in Aegypten Misserfolg gehabt, schickte sie einen Teil ihres Heeres dorthin und liess ihn aus dem Lande vertreiben. So musste sich Ptolemaeus aus Aegypten zurückziehen und überwinterte in Gaza. 353 Unterdessen nahm Kleopatra Ptolemaïs ein und die Besatzung gefangen. Da nun Alexander von Ptolemaeus so schwer geschlagen war und ihm keine andere Zuflucht übrig blieb, ging er die Königin unter Darbringung von Geschenken und mit gebührender Huldigung um Hilfe an. Einige ihrer Freunde rieten der Kleopatra, sie solle die Geschenke annehmen und das Land in ihre Gewalt zu bekommen suchen, da sie sehe, eine wie grosse Menge tapferer Juden von dem einen Manne abhängig sei. 354 Ananias aber trat diesem Rate entgegen, indem er auseinandersetzte, die Königin werde ein Unrecht begehen, wenn sie ihrem Bundesgenossen, der noch dazu sein Verwandter sei, seiner Macht berauben wolle. Eine solche Ungerechtigkeit werde auch übrigens alle Juden mit der Königin verfeinden. 355 Durch diese Vorstellungen wurde Kleopatra bewogen, nichts gegen Alexander zu unternehmen. Ja, [189] sie schloss sogar mit ihm zu Skythopolis in Coelesyrien ein Bündnis.

(3.) 356 Als Alexander so von seiner Furcht vor Ptolemaeus befreit war, zog er sogleich nach Coelesyrien ins Feld und eroberte Gadara nach zehnmonatlicher Belagerung. Weiterhin nahm er Amathus ein, die grösste der am Jordan gelegenen Festungen, wo Theodorus, der Sohn des Zeno, die schönsten und kostbarsten seiner Schätze aufbewahrte. Dieser aber griff unversehens die Juden an, tötete zehntausend von ihnen und plünderte Alexanders Gepäck. 357 Doch liess dieser sich hierdurch nicht entmutigen, sondern zog gegen die Küstenstädte Raphia und Anthedon (welch letztere der König Herodes später Agrippias nannte) und nahm auch diese ein. 358 Als er nun erfuhr, dass Ptolemaeus von Gaza nach Cypern und seine Mutter Kleopatra wieder nach Aegypten zurückgekehrt seien, belagerte er Gaza im Zorn darüber, dass seine Bewohner den Ptolemaeus zu Hilfe gerufen hatten, und verwüstete deren Äcker. 359 Apollodotus aber, der Anführer der Gazäer, fiel mit zweitausend Söldnern und zehntausend Bürgern bei Nacht in das Lager der Juden ein. So lange nun die Nacht währte, waren die Gazäer im Vorteil, da sie die Feinde zu dem Glauben verleiteten, Ptolemaeus sei es, der sie angreife. Als es aber Tag wurde und der Irrtum sich aufklärte, schlossen sich die Juden fest zusammen, drangen auf die Gazäer ein und machten gegen tausend von ihnen nieder. 360 Dennoch hielten die belagerten Gazäer stand und liessen sich weder durch den Mangel an Lebensmitteln, noch durch die Menge der Gefallenen einschüchtern, wollten vielmehr lieber alles Ungemach erdulden, als in die Hände ihrer Feinde geraten. Zudem ermutigte sie der Araberkönig Aretas, der ihnen Hilfe in Aussicht gestellt hatte. 361 Doch noch vor seinem Eintreffen kam Apollodotus um; sein Bruder Lysimachus nämlich, der ihn um sein Ansehen bei den Bürgern beneidete, tötete ihn, sammelte sich eine Schar Soldaten und übergab die Stadt dem Alexander. 362 Dieser rückte sogleich ein und benahm sich zunächst [190] gnädig; später aber gestattete er seinen Leuten, sich an den Gazäern zu rächen. Die Soldaten zerstreuten sich darauf in der Stadt und begannen zu morden. Doch auch die Gazäer bewiesen sich nicht feige, leisteten vielmehr tapferen Widerstand und töteten nicht weniger Juden, als ihrer selbst fielen. 363 Einige verliessen auch ihre Häuser und steckten sie in Brand, damit den Feinden keinerlei Beute zufalle. Andere wieder töteten mit eigener Hand ihre Frauen und Kinder, weil sie dieselben nicht in die Knechtschaft des Feindes geraten lassen wollten. 364 Die fünfhundert Mitglieder des Rates der Stadt (zur Zeit des Überfalles war dieser gerade versammelt) hatten sich in den Apollotempel geflüchtet; auch sie liess Alexander niedermachen, zerstörte dann die Stadt und kehrte, nachdem die Belagerung ein Jahr gedauert hatte, nach Jerusalem zurück.

(4.) 365 Um diese Zeit starb auch Antiochus Grypus, meuchlerisch umgebracht von einem gewissen Herakleon, nachdem er fünfundvierzig Jahre gelebt und neunundzwanzig Jahre regiert hatte. 366 Ihm folgte sein Sohn Seleukus, der mit seinem Oheim Antiochus von Kyzikos Krieg führte, denselben besiegte, gefangen nahm und tötete. 367 Nicht lange danach kam des Kyzikeners Sohn Antiochus mit dem Beinamen Eusebes nach Aradus, setzte sich die Krone auf und bekriegte den Seleukus, den er schlug und aus ganz Syrien verdrängte. 368 Seleukus floh nach Cilicien, zog sich nach Mopsuestia zurück und wollte von den Bürgern der Stadt Abgaben eintreiben. Das Volk aber ward hierüber unwillig und legte den Feuerbrand an die Königsburg, sodass Seleukus mit seinen Freunden umkam. 369 Während nun des Kyzikeners Sohn Antiochus in Syrien regierte, überzog ihn Antiochus, des Seleukus Bruder, mit Krieg, ward jedoch geschlagen und verlor Heer und Leben. Nach ihm setzte sich sein Bruder Philippus die Krone auf und herrschte über einen Teil von Syrien. 370 Inzwischen aber hatte Ptolemaeus Lathurus dessen vierten Bruder Demetrius mit dem Beinamen Eukaerus aus Knidus herbeigerufen und setzte [191] ihn zu Damaskus als König ein. 371 Diesen beiden Brüdern leistete Antiochus tapferen Widerstand, kam aber bald um. Er zog nämlich die Königin der Galadener, Laodike, welche damals gegen die Parther Krieg führte, zu Hilfe und fiel nach heldenmütigem Kampfe auf dem Schlachtfelde. Die Herrschaft von Syrien behaupteten nun die beiden Brüder Demetrius und Philippus, wie schon anderswo berichtet ist.

(5.) 372 Was den Alexander angeht, so erhob sich das Volk gegen ihn und bewarf ihn während einer Festfeier, als er am Altare stand und opfern wollte, mit Citronen. Es ist nämlich bei den Juden Gebrauch, dass am Laubhüttenfest jedermann Palm- und Citronenzweige mitbringt, wie ich bereits an anderer Stelle erwähnt habe. Auch schmähten sie ihn, er sei der Sohn einer Gefangenen und des Hohepriestertums wie der Ehre, Opfer darzubringen, nicht wert. 373 Hierüber ergrimmt, liess Alexander gegen sechstausend von ihnen niedermetzeln. Dann liess er rings um den Altar und den Tempel hölzerne Schranken errichten bis an den Raum, den nur die Priester betreten durften, und verwehrte so dem Volke den Zutritt. 374 Er hielt auch fremde Söldner, Pisider und Cilicier, doch keine Syrer, weil er mit diesen verfeindet war, unterjochte dann die Moabiter und die Galaditer, arabische Völkerschaften, machte sie tributpflichtig und zerstörte auch die Stadt Amathus, ohne dass Theodorus ihm Widerstand geleistet hätte. 375 Als er nun aber dem Araberkönige Obedas entgegentrat, fiel er in einer zerklüfteten und schwer zugänglichen Gegend in einen Hinterhalt, wurde bei dem galaditischen Dorfe Gadara von der Menge der Kamele in eine tiefe Schlucht gedrängt und entkam nur mit genauer Not. Von hier floh er dann nach Jerusalem, 376 und da nun auch noch das Volk sich gegen ihn empörte, führte er sechs Jahre lang gegen dasselbe Krieg, in welchem er nicht weniger als fünfzigtausend Juden umbrachte. Und obwohl er sie beständig ermahnte, von ihrer Feindseligkeit abzulassen, hassten sie ihn doch immer mehr. Da er sie nun endlich fragen [192] liess, was sie denn eigentlich verlangten, schrien sie: seinen Tod. Dann schickten sie zu Demetrius Eukaerus und liessen ihn zu Hilfe rufen.

Vierzehntes Kapitel.
Wie Demetrius Eukaerus den Alexander überwand, sich aber bald wieder zurückzog. Alexanders Rache an den Juden. Des Demetrius Tod.

(1.) 377 Demetrius rückte darauf mit einem Heere an, nahm die, welche ihn zu Hilfe gerufen, in dasselbe auf und lagerte sich bei Sikim. Alexander zog ihm mit sechstausendzweihundert Söldnern und zwanzigtausend Juden, die zu ihm hielten, entgegen. Die Streitmacht des Demetrius bestand aus dreitausend Reitern und vierzigtausend Fusssoldaten. 378 Von beiden Seiten versuchte man nun zunächst, dem Gegner Truppen abzuschwätzen, indem Demetrius die Söldner, weil sie Griechen seien, Alexander dagegen die zu Demetrius haltenden Juden zum Abfall zu bewegen suchte. Da indes keiner von beiden etwas ausrichtete, kam es zur Schlacht, in welcher Demetrius siegte und alle Söldner Alexanders, die sich heldenmütig und treu benommen hatten, doch auch viele von Demetrius’ Kriegern fielen.

(2.) 379 Alexander floh nun ins Gebirge, wo er sechstausend Juden, die das Mitleid mit seinem Geschick zu ihm trieb, um sich versammelte. Demetrius zog sich darauf aus Furcht vor diesem Anhange Alexanders zurück; die übrigen Juden aber griffen den Alexander an. Doch sie wurden geschlagen, und es kamen viele von ihnen im Kampfe ums Leben. 380 Die Angesehensten des Volkes drängte dann Alexander in die Stadt Bethoma, belagerte sie hier und führte sie nach dem Falle der Festung gefangen nach Jerusalem, wo er eine ganz unmenschliche Frevelthat ersann. Als er nämlich mit seinen Buhldirnen an einem in die Augen fallenden Orte schmauste, [193] liess er gegen achthundert dieser Gefangenen kreuzigen und, während sie noch lebten, ihre Frauen und Kinder vor ihren Augen niedermetzeln. 381 Damit vollzog er für das erlittene Unrecht eine so grausame Strafe, wie ein Mensch sie je ersonnen haben mochte. Freilich hatten die Juden ihm in den gegen ihn geführten Kämpfen hart zugesetzt und auch sein Leben wie seinen Thron aufs äusserste bedroht, da sie sich nicht damit begnügten, selbst gegen ihn zu Felde zu ziehen, 382 sondern auch noch fremde Hilfstruppen gegen ihn heranzogen und ihn endlich derart in die Enge trieben, dass er die im Lande der Moabiter und Galaditer unterjochten Gebiete samt den darin befindlichen Festungen dem Könige der Araber abtrat, damit dieser den Juden, die ihm schon so unzählige Unbilden und Kränkungen zugefügt hatten, nicht auch noch gegen ihn beistehe. 383 Doch war das noch keine zwingende Veranlassung für ihn, eine so unmenschliche Grausamkeit zu begehen, die ihm sogar den Namen Thrakidas[7] bei den Juden eintrug. Übrigens flohen die ihm feindlich gesinnten Krieger, etwa achttausend an der Zahl, bei Nacht davon und lebten bis zum Tode Alexanders als Flüchtlinge. So nahm dieser Aufstand ein Ende, und Alexander regierte von da ab in voller Ruhe.

(3.) 384 Unterdessen war Demetrius aus Judaea nach Beroea gezogen und belagerte hier seinen Bruder Philippus mit zehntausend Fusssoldaten und tausend Reitern. Straton jedoch, der Tyrann von Beroea und Bundesgenosse des Philippus, rief den arabischen Stammesfürsten Zizus und den Partherhäuptling Mithradates Sinakes zu Hilfe. 385 Diese kamen mit grosser Heeresmacht, belagerten den Demetrius in seinem eigenen Lager, wo die Geschosse ebensosehr als der Durst ihm zusetzten, und zwangen die Seinigen schliesslich zur Übergabe. Dann plünderten sie die ganze Umgegend, nahmen den Demetrius gefangen und schickten ihn zu dem damaligen [194] Partherkönige Mithadrates, liessen jedoch alle Gefangenen, welche Antiochener waren, ohne Lösegeld nach Antiochia zurückkehren. 386 Der Partherkönig Mithradates behandelte übrigens den Demetrius sehr ehrenvoll, bis dieser an einer Krankheit starb. Philippus aber rückte nach jenem Kampfe sogleich gegen Antiochia, nahm die Stadt ein und wurde dadurch König von Syrien.

Fünfzehntes Kapitel.
Wie Antiochus Dionysus und nach ihm Aretas gegen Judaea zu Felde zogen. Alexanders weitere Thaten und Tod.

(1.) 387 Später kam des Philippus Bruder Antiochus Dionysus in der Absicht, sich der Herrschaft zu bemächtigen, nach Damaskus, nahm dasselbe ein und setzte sich die Krone auf. Während er aber auf einem Kriegszuge gegen die Araber begriffen war, hörte sein Bruder Philippus, was vorgefallen war, und eilte nach Damaskus. 388 Milesius, der als Kommandant der Burg zurückgeblieben war, übergab ihm im Einverständnis mit den Damascenern die Stadt. Da er sich aber gegen den Milesius undankbar bewies und ihm nichts von dem, was dieser nach der Übergabe der Stadt erwartet hatte, gewährte, vielmehr lieber den Schein erwecken wollte, als habe er durch Einschüchterung, nicht aber durch des Milesius Gefälligkeit die Einnahme der Stadt bewerkstelligt, wurde er, zumal er keinerlei Geschenke machte, bald missliebig und verlor Damaskus wieder. 389 Da er nämlich einmal in die Rennbahn zog, schloss Milesius die Thore und bewahrte die Stadt wieder für Antiochus. Sobald dieser aber von dem Beginnen des Philippus hörte, kehrte er sogleich aus Arabien zurück und zog mit achttausend Fusssoldaten und achthundert Reitern nach Judaea. 390 Alexander, der bei seinem Anrücken in Furcht geriet, zog einen tiefen Graben, der sich von Chabarzaba, [195] dem jetzigen Antipatris, bis zum Meerbusen von Joppe erstreckte; an dieser Seite nämlich war das Land völlig offen. Ausserdem errichtete er hölzerne Türme mit Brustwehren von hundertfünfzig zu hundertfünfzig Stadien und erwartete nun den Antiochus. 391 Dieser aber steckte alle diese Befestigungswerke in Brand und führte sein Heer von dort nach Arabien hinüber. Der Araber zog sich anfänglich vor ihm zurück, brach dann aber plötzlich mit zehntausend Reitern hervor und lieferte ihm eine blutige Schlacht, in welcher Antiochus zwar siegte, aber fiel, während er dem bedrängten Teile der Seinigen zu Hilfe kam. Nach seinem Tode floh das Heer in den Flecken Kana, wo der grösste Teil desselben dem Hunger erlag.

(2.) 392 Nach Antiochus gelangte zur Regierung von Coelesyrien Aretas, der von der Besatzung in Damaskus aus Hass gegen Ptolemaeus Mennaei zur Herrschaft berufen wurde. Dieser rückte nach Judaea ins Feld, besiegte den Alexander bei Addida, schloss aber dann Frieden mit ihm und zog sich wieder nach Judaea zurück.

(3.) 393 Alexander rückte nun seinerseits gegen die Stadt Dion, nahm dieselbe ein und führte sein Heer von da nach Essa, wo Zeno seine grössten Kostbarkeiten verwahrte. Diesen Platz umzog er mit einem dreifachen Walle, nahm ihn mit Sturm und wandte sich dann gegen Gaulana und Seleukia. 394 Diese eroberte er ebenfalls, wie auch das sogenannte Thal des Antiochus und die Festung Gamala. Den Demetrius aber, den Beherrscher dieser Gegenden, plünderte er unter allerhand Vorwänden rein aus und kehrte dann, nachdem er drei Jahre im Felde gelegen hatte, nach Hause zurück, wo die Juden ihn seines Kriegsglückes wegen mit Begeisterung aufnahmen.

(4.) 395 Um diese Zeit besassen die Juden auch schon viele Städte der Syrer, Idumäer und Phoenicier. Am Meere hatten sie Stratonsturm, Apollonia, Joppe, Jamnia, Azot, Gaza, Anthedon, Raphia und Rhinokorura; 396 im Binnenlande, welches an Idumaea grenzte, Adora, Marissa, Samaria, den Karmel, den Tabor, Skythopolis, Gadara, [196] Gaulanitis, Seleukia und Gabala; 397 in Moabitis Essebon, Medaba, Lemba, Oronas, Telithon, Zara, die Cilicier-Schlucht, Pella (dieses zerstörten sie, weil die Bewohner nicht versprechen wollten, die jüdischen Gebräuche anzunehmen), sowie ferner noch eine Reihe bedeutender Städte Syriens, die gleichfalls zerstört waren.

(5.) 398 Später fiel Alexander infolge von Trunksucht in eine Krankheit und wurde drei Jahre lang von viertägigem Wechselfieber geplagt, ohne aber deshalb vom Kriege abzulassen, bis er endlich den Strapazen erlag und im Gerasenischen Gebirge bei der Belagerung der Festung Ragaba jenseits des Jordan starb. 399 Als die Königin ihn dem Tode nahe sah und keine Hoffnung auf seine Genesung mehr hatte, weinte und jammerte sie und beklagte sich und ihre Kinder, weil sie nun bald verlassen sein würden. Dann sprach sie zu Alexander: „Wem lässt du nun mich und meine Kinder, die fremder Hilfe so sehr bedürfen, zumal da du weisst, wie sehr das Volk der Juden gegen dich aufgebracht ist?“ 400 Er aber redete ihr zu, seinem Rate zu folgen die königliche Würde mit ihren Kindern festzuhalten und seinen Tod dem Heere zu verheimlichen, bis die Festung erobert sei. 401 Hierauf solle sie als Siegerin in glänzendem Aufzuge sich nach Jerusalem begeben und den Pharisäern irgend ein Vorrecht einräumen. Diese würden ihr dann aus Dankbarkeit für die Auszeichnung das Volk geneigt machen; denn sie besässen grossen Einfluss auf die Juden und könnten ihren Feinden bedeutenden Schaden, ihren Freunden dagegen grossen Vorteil bringen, 402 da das Volk auf jedes ihrer Worte, welches sie aus Hass gegen jemand richteten, höre. Habe er sich doch selbst beim Volke missliebig gemacht, weil er ihrem Übermut entgegengetreten sei. 403 „Wenn du nun,“ fügte er hinzu, „nach Jerusalem gekommen bist, so lass die Vornehmsten zu dir rufen, zeige ihnen meinen Leichnam und gieb ihnen die Erlaubnis, mit mir nach Gutdünken zu verfahren, mögen sie nun, weil sie so viel von mir erduldet haben, meinem Leibe aus Hohn die Bestattung versagen [197] oder in ihrer Wut irgend eine andere Schmach demselben zufügen. Versprich ihnen alsdann, bei der Regierung nichts ohne ihre Zustimmung zu thun. 404 Wenn du so zu ihnen redest, werden sie mir ein ehrenvolleres Leichenbegängnis veranstalten, als du mir hättest bereiten können, weil sie dann von der Erlaubnis, mit meinem Körper schimpflich verfahren zu dürfen, keinen Gebrauch machen werden. Auf diese Weise wirst du in Sicherheit herrschen können.“ Nachdem er seiner Gattin diese Ermahnungen gegeben, verschied Alexander nach siebenundzwanzigjähriger Regierung und im Alter von neunundvierzig Jahren.

Sechzehntes Kapitel.
Alexandras neunjährige Regierung und Tod.

(1.) 405 Als die Festung gefallen war, wandte sich Alexandra der Weisung ihres Gatten gemäss an die Pharisäer, gab ihnen alles auf den Leichnam wie auf die Regierung Bezügliche anheim, beschwichtigte dadurch ihren Zorn gegen Alexander und machte sie sich wohlwollend und geneigt. 406 Sie gingen also sogleich zum Volke, versammelten es, priesen Alexanders Thaten, klagten, dass sie einen gerechten König an ihm verloren hätten, und bewirkten durch diese Lobeserhebungen, dass das Volk ihn aufrichtig betrauerte. Infolgedessen wurde er glänzender als irgend einer der früheren Könige bestattet. 407 Obwohl nun Alexander zwei Söhne, Hyrkanus und Aristobulus, hinterliess, ging doch die Königswürde nach seiner testamentarischen Bestimmung an Alexandra über. Hyrkanus war übrigens auch zur Leitung eines Staatswesens wenig geeignet und mehr zu einem bequemen Leben geneigt, während der jüngere Aristobulus als entschlossener und kühner Jüngling sich erwies. Alexandra aber erwarb sich bald die Zuneigung des Volkes, weil sie die Verfehlungen ihres verstorbenen Gatten offen missbilligte.

[198] (2.) 408 Zum Hohepriester ernannte Alexandra den Hyrkanus, einmal wegen seines Alters, dann aber auch wegen seines Hanges zu trägem Leben. Im übrigen gab sie alles den Pharisäern anheim, hiess das Volk ihnen gehorchen und setzte alle den Pharisäern von ihren Vorfahren überlieferten Einrichtungen, die ihr Schwiegervater Hyrkanus abgeschafft hatte, wieder in Kraft. 409 So gab die Königin eigentlich nur den Namen für die Regierung her, während in Wirklichkeit die Pharisäer die Gewalt in Händen hatten. Denn sie riefen Verbannte zurück, liessen Gefangene frei und unterschieden sich überhaupt in nichts von wirklichen Herrschern. Immerhin trug aber auch die Königin Sorge für die Regierung, warb ein grosses Söldnerheer und vergrösserte ihre Macht, sodass sie die benachbarten Fürsten in Schrecken jagte und von ihnen Geiseln gestellt bekam. 410 So befand sich das ganze Land in Ruhe, mit alleiniger Ausnahme der Pharisäer. Denn sie bestürmten die Königin, ihnen zu gestatten, dass sie die Ratgeber Alexanders bei dem Morde der achthundert hinrichten lassen dürften. Sie machten nun mit einem gewissen Diogenes den Anfang und liessen dann einen nach dem anderen umbringen, 411 bis die Vornehmsten sich in den königlichen Palast begaben, um zugleich mit Aristobulus der Königin Vorstellungen zu machen. Aristobulus nämlich war sehr unwillig über das Vorgefallene und gab offen zu erkennen, dass er, sobald er die Macht dazu erlangt habe, dem Beginnen seiner Mutter Einhalt gebieten werde. Diese baten also die Königin, zu erwägen, wie manchen Gefahren sie schon ins Auge gesehen und wie sie dadurch sich als treu und anhänglich an ihren Herrscher erwiesen hätten, wofür ihnen denn auch grosse Auszeichnungen zu teil geworden seien. 412 Alexandra möge ihnen also nicht alle ihre Hoffnung rauben, indem sie zugebe, dass die welche dem Feinde auf dem Schlachtfelde so wackeren Widerstand geleistet, zu Hause von ihren Gegnern wie Tiere dahingeschlachtet würden. 413 Wenn ihren Widersachern die Zahl der bereits [199] Gemordeten genüge, so wollten sie diese schon geschehene Unbill aus Ehrfurcht gegen das Herrscherhaus ruhig hinnehmen. Beharrten dieselben jedoch auf ihrer Feindseligkeit, so bäten sie inständig um Entlassung aus ihren Ämtern. Denn sie seien nicht so gesinnt, dass sie wider den Willen der Königin ihre Rettung bewerkstelligen wollten, erböten sich vielmehr gern, ihr Leben in der Königsburg zu lassen, wenn sie keine Verzeihung erlangen könnten. 414 Indessen werde es schimpflich für sie selbst wie für die Königin sein, wenn sie von ihr verstossen und von den Feinden ihres Gemahls aufgenommen würden. Der Araber Aretas aber und die übrigen Fürsten würden es gewiss hoch anschlagen, so viele Männer zu gewinnen, deren Namen allein ihnen früher schon Schrecken eingeflösst hätten. 415 Wolle sie nun das letztere nicht billigen und auch den Pharisäern ihren Einfluss lassen, so möge sie verfügen, dass sie selbst in Festungen geschickt würden. Denn wenn einmal ein Fluch auf Alexanders Hause laste, so wollten sie sich schon gern damit begnügen, in niedrigeren Stellungen Verwendung zu finden.

(3.) 416 Als sie diese und ähnliche Vorstellungen erhoben und schliesslich Alexanders Schatten um Mitleid mit den Gemordeten und denen, die noch in Gefahr schwebten, anriefen, brachen alle Anwesenden in Thränen aus. Ganz besonders aber legte Aristobulus seine Meinung offen dar und machte seiner Mutter die herbsten Vorwürfe. 417 Doch sie waren ja eigentlich an ihrem Unglück selbst schuld, da sie einem herrschsüchtigen Weibe die Regierung überliessen, und zwar gegen jedes Herkommen, obwohl doch ein geeigneter Thronerbe vorhanden war. Die Königin aber wusste nicht, wie sie sich mit Ehren aus der Sache ziehen sollte, und vertraute ihnen daher die Hut der Festungen an, jedoch mit Ausnahme von Hyrkania, Alexandrium und Machaerus, wo sie ihre grössten Kostbarkeiten aufbewahrte. 418 Nicht lange danach sandte sie ihren Sohn Aristobulus mit einem Heere nach Damaskus gegen Ptolemaeus Mennaei, der für Jerusalem [200] ein gefährlicher Nachbar war. Er kehrte indes zurück, ohne etwas Erwähnenswertes vollbracht zu haben.

(4.) 419 Um diese Zeit lief die Nachricht ein, der Armenierkönig Tigranes sei mit fünfhunderttausend Mann in Syrien eingefallen und beabsichtige, auch Judaea anzugreifen. Dadurch geriet, wie leicht erklärlich, die Königin samt dem Volke in Schrecken, sodass man dem Tigranes, während er Ptolemaïs belagerte, durch eine Gesandtschaft eine Menge kostbarer Geschenke zuschickte. 420 Die damalige Königin von Syrien, Selene, auch wohl Kleopatra genannt, war es hauptsächlich, welche die Bewohner von Ptolemaïs veranlasste, vor Tigranes die Thore geschlossen zu halten. Die Gesandten begaben sich also zu Tigranes und baten ihn, der Königin und dem Volke der Juden sich gnädig erzeigen zu wollen. 421 Tigranes fühlte sich geschmeichelt, dass sie aus so weiter Ferne zu ihm kamen, um seine Huld zu erflehen, und machte ihnen deshalb Mut und Hoffnung. Kaum aber hatte er Ptolemaïs eingenommen, als ihm gemeldet wurde, Lucullus habe den Mithradates verfolgt, ihn aber nicht einholen können, weil dieser sich zu den Iberern geflüchtet, und verwüste nun Armenien, das er zu erobern beabsichtige. Auf diese Nachricht zog Tigranes schleunigst heim.

(5.) 422 Als kurz darauf die Königin schwer krank wurde, glaubte Aristobulus eine günstige Gelegenheit erwischt zu haben, bei der er sich der Regierung bemächtigen könne, und begab sich daher mit einem einzigen Diener bei Nacht aus der Stadt, um die Festungen zu besuchen, wo seines Vaters Freunde standen. 423 Schon längst war er ja mit der Regierung seiner Mutter unzufrieden; jetzt aber besorgte er auch noch, es möchte im Falle ihres Todes sein ganzes Geschlecht unter der Herrschaft der Pharisäer stehen. Dass sein Bruder, dem die Nachfolge zufallen musste, zur Regierung untauglich war, sah er wohl ein. 424 Um seinen Plan wusste nur seine Gattin, die er mit den Kindern in der Stadt zurückgelassen hatte. Zuerst kam er nun nach Agaba, wo Galaestes, einer von seinen mächtigen Freunden, ihn aufnahm. 425 Bei Tagesanbruch [201] merkte die Königin Aristobulus’ Flucht, dachte aber zunächst noch nicht daran, dass sein Entweichen mit aufrührerischen Plänen zusammenhänge. Als aber ein Bote nach dem anderen kam und meldete, Aristobulus habe eine Festung im Besitz, dann die zweite und endlich alle insgesamt (sobald er nämlich mit der ersten den Anfang gemacht, folgten die übrigen gleich von selbst), geriet die Königin mit dem Volke in die äusserste Bestürzung. 426 Man sah nämlich wohl ein, dass Aristobulus bald im Besitze der Herrschaft sein werde, und fürchtete besonders, er werde Rache dafür nehmen, dass man sein Haus verwüstet hatte. Man beschloss deshalb, seine Gattin nebst den Kindern in die oberhalb des Tempels liegende Burg zu bringen. 427 An Aristobulus aber schlossen sich inzwischen so viele an, dass er schon den Eindruck eines Königs machte. In ungefähr fünfzehn Tagen hatte er zweiundzwanzig Festungen erobert und besass nun die Mittel, um am Libanon, in Trachonitis und bei den umwohnenden Fürsten sich ein Heer zu werben. Wie nun die Menschen überhaupt gern dem Machthaber anhängen, so unterwarf man sich auch ihm leicht. Übrigens hoffte man auch, wenn man ihn in seiner jetzigen bedenklichen Lage unterstütze, werde man später um so mehr Vorteile von ihm geniessen, weil man ihm zur Regierung verholfen habe. 428 Die Ältesten der Juden begaben sich nun mit Hyrkanus zur Königin und baten sie um ihren Rat, was zu thun sei. Aristobulus habe nämlich schon so viele Festungen in seiner Gewalt, dass er drauf und dran sei, sich der Regierung zu bemächtigen. Und wenn die Königin auch noch so krank sei, zieme es ihnen doch nicht, so lange sie lebe, etwas ohne ihren Rat zu thun, obgleich die Gefahr vor der Thür stehe. 429 Alexandra jedoch hiess sie alles nach ihrem Gutdünken bewerkstelligen, da ihnen ja ein kräftiges Volk, ein Heer und die Staatskasse genug Hilfsmittel darböten. Sie selbst könne sich nicht mehr viel um die Geschäfte kümmern, weil sie schon zu schwach sei.

(6.) 430 Bald darauf starb sie, nachdem sie neun Jahre [202] regiert und dreiundsiebzig Jahre gelebt hatte. Sie war eine Frau, die in keiner Hinsicht die Schwäche ihres Geschlechtes zeigte. Herrschsüchtig und herrschfähig wie sie war, lieferte sie den Beweis, wie thöricht die Männer sind, welche die Regierung nicht mit Festigkeit zu führen wissen. 431 Da sie stets nur auf die Gegenwart, nicht aber auf die Zukunft bedacht war und alles ihrer Herrschsucht unterordnete, so kümmerte sie sich weder um Anstand noch um Gerechtigkeit. 432[WS 2] Gleichwohl brachte sie in ihrer unweiblichen Herrschbegier ihr Haus so weit, dass es die Macht, welche es mit so vieler Mühe errungen hatte, bald wieder verlor. 433 Hatte sie sich doch mit denen eingelassen, die gegen die königliche Familie übelgesinnt waren, ja sogar das Reich seiner mächtigsten Beschützer beraubt. So kam es, dass aus ihrer Regierung nach ihrem Tode die grössten Wirren und Unruhen entstanden. Immerhin aber muss anerkannt werden, dass sie dem Volke den Frieden erhalten hat. So endete die Regierung der Königin Alexandra.


  1. Josephus meint hier den Preis, den die Juden für das in den Salinen Judaeas entnommene Salz bezahlen mussten.
  2. Die Juden pflegten den syrischen Königen jedes Jahr eine goldene Krone darzubringen; das zu diesen Kronen verwendete oder an deren Stelle entrichtete Gold hiess Krongold.
  3. Jesaias 19, 18.
  4. Jüd. Krieg II, 8, 2–14.
  5. Das Siebengestirn am Halse des Stieres.
  6. Die aber damals noch Baris hiess.
  7. D. h. Thrakern ähnlich, die als grausam bekannt waren.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Text hier gekürzt.
  2. Text gekürzt.
« Buch XII Flavius Josephus
Jüdische Altertümer
Buch XIV »
fertig
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