Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sohn des Mardonios, Statthalter von Gutium, mit Attentat auf Gaumāta
Band VII,2 (1912) S. 15481550
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1) Sohn des Mardonios (Mardunija), Bh. ap. § 67, bab. § 54 (über die Ausgaben der altpersischen Keilinschriften vgl. Dareios), ein Perser aus dem Stamme der Patischoreer (Pātišuvariš, Πατεισχορεῖς bei Strab. XV 727, dazu Marquart Philol. Suppl. VI 640. 647. Ed. Meyer Gesch. d. Altert. III 21), NR. ap. und neusus. c, bab. 1. Jedesfalls war er altadeliger Herkunft; die herkömmliche, noch von Prášek (Gesch. d. Meder u. Perser I 203ff.) vertretene Ansicht, er sei einer der persischen Stammfürsten gewesen, scheitert daran, daß die Existenz dieser Stammfürsten zweifelhaft ist (Ed. Meyer a. O. III 34). Unter Kyros war G. Statthalter von Gutium (über diese Landschaft Spiegel ZDMG XXXII 717. Hagen a. O. 245ff. Streck Ztschr. f. Assyr. XV 272), bekleidete also einen mit Rücksicht auf Kyros Absichten gegen Babylon ungemein wichtigen Posten. Das Vertrauen, welches Kyros auf ihn setzte, bewährte G. vollauf bei der Eroberung [1549] Babylons (539); über seine Rolle dabei sind wir durch die Annalen Nabûna’ids unterrichtet (am besten herausgegeben von Hagen in Delitzsch-Haupts Beiträgen zur Assyriologie II 205ff.). Nachdem am 14. Tišri Sippar eingenommen worden war (das richtige Datum erwiesen von Ed. Meyer Forsch. z. alten Gesch. II 468ff.), erschien G. am 16. Tišri vor Babylon, das sich ihm ohne Widerstand ergab; Nabûna’id wurde gefangen genommen. Doch scheint es nach dem allerdings schwer verständlichen Passus c. III Z. 17ff. der Annalen, daß sich in Ešakkil noch babylonische Truppen behaupteten, die unter dem Befehl von Nabûna’ids Sohn Belšarusur standen und von G. eingeschlossen wurden. Am 3. Marcheschwan hielt Kyros seinen Einzug; in seinem Auftrag setzte G. in Babylon Statthalter ein. Bald darauf (11. Marcheschwan) wandte sich G. gegen Belšarusur und tötete ihn; damit war Kyros unbestritten Herr von Babylon. Die Erzählung Herodots I 191 und Xenophons (Kyrop. VII 5, 8ff.) von Babylons Einnahme durch Ableitung des Flusses ist, obwohl sie wenigstens zum Teil bei neueren Gelehrten Beifall fand, wohl nichts mehr als ein romanhafter Zug (vgl. Ed. Meyer Gesch. d. Altert. I 606); auch die Erwähnung des G. (Gobaris) bei Plin. n. h. VI 120 beweist nichts dafür. Noch weniger ist die Rolle, welche G. in Xenophons Kyropädie spielt, für die Geschichte nutzbar zu machen; C. F. Lehmanns Aufstellungen in dieser Richtung (Klio I 341ff., ähnlich aber gemäßigter bereits Büdinger S.-Ber. Akad. Wien XCVII 721 und Marquart a. O. 599) halte ich für verfehlt, besonders seinen Versuch, G. als Statthalter von Gutium zum babylonischen Vasallen zu machen.

Marquarts Annahme (a. O. 625ff.), daß G. von da ab Satrap von Babylonien blieb, ist mit dem, was wir über sein späteres Leben wissen, nicht vereinbar. G. tritt wieder hervor bei der Ermordung des falschen Smerdis (Gaumāta); seine Teilnahme an ihr war nicht bloß in seiner Stellung bei den Persern, sondern auch darin begründet, daß er mit Dareios doppelte Familienverbindung geschlossen hatte: G. war mit einer Schwester des Dareios verheiratet (Herodot. VII 5) und vermählte eine Tochter mit Dareios, die ihm drei Kinder gebar, bevor er noch König wurde (Herod. VII 2). G.s Beteiligung an dem Attentat auf Gaumāta, das am 10. Bagayādiš (16. Oktober) 521 stattfand (vgl. Dareios, an diesem Datum halte ich auch nach den Erörterungen von Prášek Klio I 27ff. und Weissbach ZDMG LV 195ff. fest), ist zunächst durch Dareios eigene Angabe Bh. ap. § 67, neusus. § 54 bezeugt. Mit der hier mitgeteilten Liste der Verschwörer stimmt fast ganz Herod. III 68ff. überein; dagegen steht bei Ktesias Eclog. 14 eine Liste, in welcher in einigen Fällen, so auch bei G., die Söhne statt der Väter genannt sind (Duncker Gesch. d. Altert. IV5 252. Keiper Acta sem. phil. Erlang. I 222ff. v. Gutschmid Kl. Schr. III 505ff. Marquart a. O. 622ff.); in Konsequenz dieses Irrtums heißt G. auch Ecl. 20 Mardonios ,ὁ παλαιός‘. Bei Herodot findet sich eine detaillierte Schilderung der Rolle, welche G. gespielt haben soll: er wird durch Otanes ins Vertrauen gezogen und gewinnt hinwiederum Megabyzos [1550] (III 70); bei der Beratung über das Vorgehen gegen die Magier erscheint er als Vertreter entschiedenen Handelns und bestimmt die anderen dazu (III 73); bei der Ausführung des Anschlags drangen Dareios und er in das Schlafgemach ein, wohin sich einer der beiden Magier geflüchtet hatte, G. umfaßte ihn in der Dunkelheit und rief Dareios zu, mit dem Schwerte zuzustoßen, ohne Rücksicht auf ihn zu nehmen, worauf Dareios den Magier traf. Ebenso berichten Plut. de adul. 4 und Iustin. I 9, 22. 23. Es ist kein Zweifel, daß man es in diesen Berichten mit Produkten der Phantasie zu tun hat (Maspero Hist. anc. des peuples de l’Orient classique III 673. Prášek Gesch. der Meder I 281). Die nahen Beziehungen des G. zu Dareios und sein Anteil an dessen Erhebung machen es begreiflich, daß er auch unter diesem Herrscher eine hervorragende Stellung einnahm; er wurde zu dessen ,Lanzenträger‘, einem der ersten Vertrauensposten am Hofe (Duncker a. O. IV5 534. Spiegel Erân. Altertumsk. III 626, – Dareios selbst hatte unter Kambyses ihn innegehabt), ernannt (NR. ap. c, neusus. c, bab. 1) und ist als solcher auf dem Grabmal des Königs in Nakš-i-Rustem abgebildet (Texier Arménie et Perse II pl. 123. Stolze Persepolis II T. 108. 109. Dieulafoy L’art antique de la Perse I pl. 10). Der Umstand, daß G. unter Kyros Statthalter von Gutium gewesen war, bewog wohl Dareios dazu, als sich später Susiana auf Anstiften des ...imaima (Ummaima nach Oppert und Spiegel Altpers. Keilinschrift.2 109), besser ...mamita, mamaita (nach Hüsing bei Prášek Gesch. der Meder und Perser II 72, 3 lautet der Name Atamaita) erhob, ihn mit der Dämpfung des Aufstands zu betrauen; G. nahm ...mamita gefangen und brachte ihn zum König (Bh. ap. col. V § 69). Diese Empörung gehört nach der Reihenfolge der Ereignisse auf der Behistaninschrift in die Zeit nicht lange vor dem Skythenzug des Dareios, nach v. Gutschmid um 515, nach Weissbach ZDMG LXII 641 mutmaßlich nach dem fünften Jahre des Königs; dagegen setzen sie Oppert (Le peuple et la langue des Mèdes 158; ZDMG LII 269) und Justi (ZDMG LI 236. 241; Iran. Namenbuch 111; Grundriß d. Iran. Phil. II 445) in das J. 510/9. Auf dem Feldzug gegen die Skythen (wohl 514, nach Ed. Meyer Gesch. d. Altert. III 113 um 512) soll G. die Rätselgeschenke, welche sie dem König zusandten, richtig gedeutet haben (Herod. IV 132), was jedoch Pherekydes (frg. 113) einem sonst nicht bekannten Xiphodres zuschrieb; dann gab er den Rat, den Feldzug abzubrechen und umzukehren (Herod. IV 134). Obwohl diese Erzählungen einen ganz märchenhaften Eindruck machen und Herodots Bericht über den Skythenzug überhaupt historisch nicht brauchbar ist (s. Dareios. Ed. Meyer a. O. III 113ff.), kann man an der Tatsache, daß G.sich in der Umgebung des Dareios befand, nicht zweifeln. Von da ab verschwindet er aus der Geschichte. Von seinen Söhnen sind Mardonios (Herod. VI 43. VII 5. 82) und Ariomandes (Kallisthenes frg. 1 bei Plut. Cim. 12) bekannt.

Literatur: Außer den angeführten Werken noch Duncker Gesch. d. Altert. IV5 Spiegel Erân. Altertumsk. II. Justi Gesch. d. alten Persiens und im Grundriß der iran. Philologie II.