Gelasius. 1) Bischof von Caesarea Palaestinae um 390. Auf den Synoden in Konstantinopel 381 und 394 tritt als Metropolit der prov. Palaest. prima ein Bischof G. auf; im J. 395 funktioniert an seiner Statt ein Johannes, dem G. vielleicht in Nachwirkung alter Glaubensstreitigkeiten hat weichen müssen. Denn vor 380 war er nur flüchtig im Besitz des Bistums gewesen, sein Oheim Cyrill von Jerusalem hatte ihn für Caesarea ordiniert, aber der Arianer Euzoius gewann ihm unter Valens das Feld ab (s. Epiphanius Panar. 73, 37). Hieronymus de vir. ill. 130 berichtet, daß G., der Nachfolger des Euzoius, einiges accurati limatique sermonis geschrieben habe, es aber nicht veröffentliche. Theodoret h. e. V 8 spricht von ihm mit Ehrerbietung; einzelne Sätze über Joh. 1, 14 und aus seiner Rede εἰς τὰ Ἐπιφάνια zitiert er im Eranistes I und III. Ein anderes Fragment bringt Leontius Byz. (adv. Nestor. et Eutychem I, Migne Patr. gr. 86, 1. 1313) aus einem Kommentar des G. zum Symbol (μάθημα) bei. Also hat G. nach 392 doch mit der Publikation begonnen. Photius (Bibl. c. 89) kennt von ihm ein Werk ,wider die Anomöer‘ ἐν μονοβίβλῳ (c. 102), an dem er vieles bewundert; nur die überreiche Verwendung philosophischer Schulausdrücke und logischer Kunstmittel mißfällt ihm. Daß ein hochgebildeter Autor wie dieser G. nicht das unter dem Namen des Bischofs G. von Caesarea umlaufende Sammelwerk über die nicänische Synode verfaßt haben könne, sah Photius auf den ersten Blick; die Abfassungszeiten, dort 475, hier ca. 390, schließen schon jede Verbindung aus. Wie die Überlieferung leicht in den Irrtum verfallen konnte, jenes Syntagma Γελασίου (s. darüber G. von Kyzikos) stamme von unserem Bischof, verrät uns eigentlich bereits Photius in seiner Verlegenheit, Ordnung zu schaffen, wenns sein müsse durch die Annahme, daß binnen 100 Jahren Caesarea drei verschiedene G. als Bischöfe besessen hat. Unter dem gleichen Namen ging nämlich auch noch ein Geschichtswerk, das Photius weder dem Anomöerbestreiter noch dem Sammler von 475 zuzuweisen vermag (Bibl. c. 89 und 88), eine Übersetzung der Kirchengeschichte des Rufinus – natürlich bloß der beiden letzten Bücher – ins Griechische. Photius hat selber bemerkt, daß dieser Rufinus = G. eine der von dem Kyzikener von 475 benützten Quellen gewesen ist. Wenn er sich nun gegen eine Identifikation des Rufinübersetzers G. mit dem Polemiker sträubt, weil der Stil des einen tief unter der Eleganz des anderen stehe, so werden wir dem entgegenhalten, daß der Übersetzer eines Geschichtswerkes sich andere Ziele setzt als der Verfasser einer Streitschrift. Und gerade das Objekt jener Streitschrift ,Wider die Anomöer‘ paßt ausgezeichnet in die Lebenszeit des Cyrill-Neffen G. zwischen 381 und 394, wo es galt, unter der kaiserlichen Gunst den Eunomianern den Garaus zu machen, viel weniger in die Zeit eines fingierten G. II um 440. Ein Interesse, einen zweiten G. von Caesarea herbeizuschaffen, stellt sich bei uns nur dadurch ein, daß die Rolle eines Rufin-Übersetzers bei dem 395 schon nicht mehr amtierenden Bischof von Caesarea Schwierigkeiten bereitet. Sie sind unübersteiglich bei der Version des Photius c. 89, Cyrill von Jerusalem
[965]
und G. hätten jene Übersetzung gemeinsam angefertigt: denn Cyrill ist um 386 gestorben, und Rufins Werk ist erst nach 400 angefangen worden! Ein Fingerzeig zur Lösung steckt meines Erachtens in dem Fragment aus einem alten Geschichtswerk bei Cramer Anecd. Paris. II 91, 8 (s. auch de Boor in Texte und Unters. von Gebhardt-Harnack V 2, 1888 p. 183): Kύριλλος ὁ Ἱεροσολύμων ἐπιμητράδελφος ἧν Γελασίου τοῦ Καισαρείας, καὶ αὐτὸς τελευτῶν κατέκρινεν ἐγγράφως Γελάσιον ἐπὶ τὴν ἱστορίαν τῶν μετὰ Εὐσέβιον καὶ ὧν οὐκ ἔγραψεν ὁ Εὐσέβιος ἐλθεῖν. Es klingt sehr glaubhaft, daß Cyrill diesen Wunsch gehegt hat, sein Neffe möge eine Ergänzung und Fortführung der Kirchengeschichte des Eusebius verfassen. Auch Hieronymus wird davon gehört haben, aber bis zu dem Jahr, wo Rufin im Abendland zur Feder griff, war nichts derart erschienen. G., der nach dem Tode des Theodosius vielleicht in unfreiwilliger Muße lebte, mag geglaubt haben, die ihm gestellte Aufgabe befriedigend und für ihn am bequemsten durch eine Übersetzung des Rufinus zu erledigen; der Titel προοίμιον ... εἰς τὰ μετὰ τὴν ἐκκλησιαστικὴν ἱστορίαν Εὐσεβίου τοῦ Παμφίλου kann natürlich nicht für die ganze Übersetzung, sondern nur für eine neu geschriebene Einleitung in dasselbe gegolten haben. Es bleibt sogar die Möglichkeit, daß eine halb oder ganz anonyme Übersetzung des Rufin von einem Gelehrten um 410 hinter das um 15 Jahre ältere Prooemium des G. geschoben wäre, weil das Prooemium mehr Wünsche anregte als befriedigte; in diesem Fall wären nur durch Irrtum G. und sein Oheim Cyrill für den griechischen Rufin mitverantwortlich gemacht worden. Solange wir weder den Text der griechischen Übersetzung noch den Wortlaut des Prooemiums kennen, läßt sich darüber nicht entscheiden. Sicher aber ist G. ein wie sein Vorgänger Eusebius für die schöne Bibliothek seiner Stadt besorgter und um kirchliche Wissenschaft in der Art der vermittelnden Orthodoxie des Cyrill verdienter Theologe gewesen.