Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Herkules entsprechender Gott, eine italische Gestalt
Band VII,1 (1910) S. 752754
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Garanus. Nach Verrius Flaccus bei Serv. zu Aen. VIII 203 gab es eine Version des Cacusabenteuers, in der an Stelle des Hercules ein gewisser G. als Überwinder des Unholdes auftrat. Verrius Flaccus kennzeichnet ihn als pastorem magnarum virium und setzt hinzu, in alten Zeiten hätten alle mit großen Körperkräften Ausgestatteten den Beinamen Hercules erhalten. Dieselbe Sagengestalt tritt unter dem Namen Recaranus in dem Buche de orig. gent. Rom. auf, das im 6. Kapitel eine angeblich aus Cassius (Hemina?) entnommene Darstellung der Cacussage bietet. Das hier von der Persönlichkeit des Recaranus Gesagte sowie der Versuch, zwischen den Namen Hercules und Recaranus zu vermitteln, stimmen, zum Teil sogar in den Ausdrücken, mit den Angaben des Verrius so überein, daß trotz der Verschiedenheit der beiden Namensformen ein quellenmäßiger Zusammenhang beider Stellen unabweisbar ist, gleichviel, wie man über die Zuverlässigkeit der Zitate in der Origo denken mag.

Die Hauptfrage ist, ob es sich hier um eine italische oder eine der griechischen Sage entlehnte Gestalt handelt. Schon Schott, der erste Herausgeber der Origo (Douay 1577), dem die Serviusstelle mit der Namensform G. nicht bekannt war, verweist auf den Herakliden Karanos, den sagenhaften Stammvater des makedonischen Königshauses, ohne jedoch ihn und den Cacustöter ausdrücklich für dieselbe Person zu erklären oder sonstige Folgerungen aus dieser Namensähnlichkeit zu ziehen. (Über den Herakliden Karanos vgl. bes. Abel Makedonien 93f. 100f. und v. Gutschmid Makedonische Anagraphe in Symb. Philol. Bonnens. 118ff.). Dies tat erst Jordan Herm. III 408 und in einem Zusatz zu Preller R. M. II3 283, 4. Er schreibt bei Servius Caranus für [753] G. und schließt aus der so gewonnenen Übereinstimmung der Namen, daß die bei Servius und in der Origo überlieferte Version der Cacusgeschichte griechischen Ursprungs sei. Während er an den beiden angegebenen Stellen nicht soweit geht, den makedonischen Karanos und den Bezwinger des Cacus ausdrücklich gleichzusetzen, sagt er zu Preller R. M. I3 80: ,Schon Schott hatte längst richtig bemerkt (s. jedoch oben), daß Caranus kein anderer ist als der mythische Gründer der makedonischen Dynastie‘. Irgendwelche wesentlichen Übereinstimmungen beider Sagengestalten sind nicht vorhanden, denn es kann unmöglich ins Gewicht fallen, daß der Heraklide ebenfalls mit Herdenvieh in Beziehung gesetzt wird, insofern als ihm eine vor einem Unwetter fliehende Ziegenherde den Weg nach Edessa zeigte und sich so ein ihm gegebenes Orakel erfüllte (s. Iustin. VII 1). Ebensowenig bringt uns Jordans Hinweis auf die von den griechischen Begleitern des Herakles abgeleiteten römischen Argei irgendwie weiter. Auch die Verwandtschaft des makedonischen Karanos mit Herakles genügt keineswegs, um den an die Stelle des Herakles tretenden Cacustöter für eine griechische Sagengestalt zu erklären. Es bliebe also nur die Namensgleichheit. Wenn die Änderung G. in Caranus = Recaranus keine allzu gewagte ist, so ist es eine um so größere Kühnheit, auf Grund der erst hergestellten Übereinstimmung der Namen die beiden innerlich nicht im geringsten verwandten Gestalten in Beziehung zu setzen. Wenn der griechische Name allein schon dazu berechtigte, den griechischen Ursprung des Helden zu beweisen, so wäre es gar nicht nötig gewesen, erst auf den Herakliden zu verweisen, da κάρανος allein bekanntlich schon ein gutes griechisches Wort = τύραννος ist. Jordan will durch seine Heranziehung des Herakliden Karanos vor allem die Ansicht Prellers widerlegen, der den Namen G. auf eine italische Wurzel zurückführt, indem er ihn ableitet von cerus (R. M. I3 79ff.). Cerus (s. d. und Peter bei Roscher I 2258) ist eine dem Genius verwandte Gottheit, die im Salierliede angerufen, aber auch von Umbrern und Oskern verehrt wurde. Da Cerus mit creare zusammenhängt (s. Walde Lat. Etym. Wörterb. 116), so bestätigt sich in Prellers Ableitung die alte Vermutung Hartungs (Relig. d. Röm. II 24), der Recaranus auf creare zurückführen will, wenn er freilich daneben auch die Ableitung von gerere für möglich hält. Nachdem schon Preller R. M. II3 283 auf die Verwandtschaft des römischen Hercules mit dem Genius hingewiesen hatte, stellten Reifferscheid (Annali 1866) und Peter (bei Roscher I 2259f.) die begründete Vermutung auf, daß Hercules und Genius ursprünglich eine und dieselbe Gottheit wären. Da nun in der vorliegenden Version des Cacussage G. bezw. Recaranus an die Stelle des Hercules tritt und beide teils aus sprachlichen, teils aus sachlichen Gründen zu Genius in enge Beziehung gesetzt werden müssen, so spricht dies durchaus für die Ansicht, daß G. eine italische Gestalt ist, die später in dem wesensgleichen Hercules aufging.

Für eine keltische, dem Hercules entsprechende Gottheit erklärte den G. Steuding bei Roscher s. Garanus auf Grund der Pariser Altarinschrift CIL XIII 1,[1] 3026. [754] Auf diesem Altar befindet sich außer den Bildern des Iuppiter, Vulcan und Esus ein Relief, darstellend einen mit dem sog. dorsuale geschmückten Stier und drei auf dem Kopf und Rücken des Stieres stehende Kraniche oder andere Stelzvögel. Den Hintergrund bilden Zweige eines der Weide ähnlichen Baumes. Darüber steht die Inschrift TAVROS TRIGARANVS. Auf eine keltische Gottheit dieses Namens will Steuding den G. zurückführen. Außer der Namensähnlichkeit liegt dazu kein Grund vor, denn Steudings Vermutung, daß der Stier eine Andeutung auf den starken Hirten Recaranus enthalte, ist wenig überzeugend. Die Ausführungen Mowats in Bull. épigr. de la Gaule I (1881) 60ff. und III (1883) I 12ff. bezwecken, das Nichtvorhandensein der von Steuding angenommenen keltischen Gottheit nachzuweisen. Die Inschrift, in der sich nach Mowats wiederholter Versicherung hinter TRI ein Trennungspunkt befindet (was von anderer Seite bestritten wird), bedeutet seiner Erklärung nach nichts anderes als: 1 Stier 3 Kraniche. Der Stier sei als Opfertier gedacht, was besonders durch das dorsuale angedeutet werde, die Kraniche will Mowat in dem ersten der beiden Artikel ebenfalls für Opfertiere erklären, während er sie in dem zweiten mit ziemlich unklaren Ausdrücken als ein Symbol der Frömmigkeit zu deuten versucht. Dem Versuche Mowats, den angeblichen Trigaranus zu den ,faux dieux‘ zu tun, tritt S. Reinach Revue celtique XVIII (1897) 253ff. entgegen, besonders durch Heranziehung einer ähnlichen Darstellung auf einem in Trier gefundenen Altar (CIL XIII 1,[1] 3656; vgl. auch den Altar von Chestersholm CIL VII 704).[2] Wenn auch dadurch Mowats Erklärungsversuch stark erschüttert wird, so liegt doch andrerseits kein Grund vor, eine etwa vorhandene keltische Gottheit Trigaranus mit dem G. der Cacussage gleichzusetzen, da auch hier nur in dem nicht einmal sicher feststehenden Namen die Ähnlichkeit besteht. Die übrigen angeblichen Berührungspunkte, die Reinach am Schluß seines Aufsatzes einander gegenüberstellt, sind so äußerlich und zusammenhanglos, daß Reinach selbst ihnen keinen Wert beilegen zu dürfen glaubt. Es dürfte also auch dieser zweite Versuch, die außeritalische Herkunft des G. zu erweisen, als gescheitert zu betrachten und G. als italische Sagengestalt zu erklären sein.

[Boehm. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. a b Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 1.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum VII, 704.