Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Platoniker in der 1. H. des 2. Jh. n. Chr.
Band S III (1918) S. 535537
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Gaios, Platoniker. Galen hörte nach de anim. morb. VIII 31, 24ff. Marqu. nach Vollendung seines 14. Lebensjahres, also 143 oder wenig später, einen ungenannten Platoniker, der Schüler des G. war, und als er zwischen 149 und 157 (vgl. VI 756 und XIII 599 K.; die von Freudenthal Hell. Stud. 3. Heft S. 242 für 151/2 angeführte Stelle XIX 16 K. ergibt keine Zeitbestimmung) von Pergamon nach Smyrna übersiedelte, lockte ihn nach de propr. lib. II 97, 9ff. Müll. neben dem Arzte Pelops der Platoniker Albinos, der, wie der Pinax in Cod. Paris. gr. 1962 fol. 146 v (Freudenthal Hellen. Stud. 3. Heft S. 244. Diels Berl. Klassikertexte II S. XXVIII) zeigt, ebenfalls G. zum Lehrer hatte. Darnach fällt des letzteren Wirksamkeit in die erste Hälfte des 2. Jhdts. n. Chr. und ist etwa gleichzeitig mit der des Peripatetikers Aspasios, von dem ein Schüler ungefähr zur gleichen Zeit wie der ungenannte Platoniker Galen unterrichtete (de anim. morb. VIII 32, 7).

Aus G.s Wirksamkeit wissen wir von einem Kolleg ,Platons Lehren im Grundriß‘, das Albinos, zweifellos auf Grund eigener Nachschrift, herausgab (der oben erwähnte Pinax verzeichnet: Ἀλβίνου τῶν Γαΐου σχολῶν ὐποτυπώσεων Πλατωνικῶν δογμάτων α' β' γ' δ' ἐ' ς' ζ' η' θ') und angeblich noch der Neuplatoniker Priskian im Anfange des 6. Jhdts. benutzte (Suppl. Aristot. I 2 p. 42, 9). Vielleicht auf diesen Grundriß, jedenfalls nicht, wie angenommen worden ist, auf einen Kommentar zum Platonischen Timaios (vgl. Herm. LI [1916] 510ff.), bezieht sich die Angabe des Proklos z. Timaios I 340, 24ff. Diehl, daß Albinos und G., vermutlich im Anschluß an Plat. Tim. 29 b. c, behaupteten, Platon habe seine Lehrsätze bald ἐπιστημονικῶς, bald εἰκοτολογικώς aufgestellt, je nachdem ihre Objekte dem Bereiche der (beharrlichen) οὐσία oder der (fließenden) γένεσις angehörten, eine Unterscheidung, die sich Proklos für seine Exegese mehrfach zunutze gemacht hat. Ob G. einen Kommentar zum Timaios verfaßt hat oder eine mündliche Erklärung des Werkes durch ihn von seinem Schüler nachgeschrieben und veröffentlicht wurde, bleibt dahingestellt. Für einen Timaioskommentar des Albinos spricht Proklos z. Tim. III 234, 17 mit Wahrscheinlichkeit, während die Beziehung von I 219, 2 zweifelhaft bleibt. Jedenfalls erklärte G. [536] den Mythus der Platonischen Politeia; vgl. Prokl. z. Polit. II 96, 12 Kroll. Für das Ansehen, dessen er sich als Platonexeget erfreute, spricht außer der letztgenannten Proklosstelle, wo er zu den κορυφαῖοι τῶν Πλατωνικῶν gezählt ist, auch der Umstand, daß seine Kommentare von Plotin in dessen Übungen gelesen wurden (Porph. vit. Pl. 14). Eine nach Montfaucons Vorgang von Lagarde Συμμικτά 174ff. veröffentlichte Notizensammlung (Freudenthal a. a. O. 243) nennt ihn unter den χρησιμώτεροι der Platonkommentatoren.

Mit Namennennung überliefert ist uns von G. nur die oben nach Prokl. z. Tim. 1340, 24ff. wiedergegebene Theorie. Mittelbar aber lassen sich auf die Form, die er der Platonischen Lehre gab, aus dem Prolog und Didaskalikos des Albinos (s. den Art. Albinus Nr. 4 o. Bd. I S. 1314), sowie dem damit im wesentlichen übereinstimmenden Traktat des Apuleius de Platone et eius dogmate Schlüsse ziehen, die aus Apul. περὶ ἑρμηνείας zu ergänzen sind. Thadd. Sinko (De Apulei et Albini doctrinae Platon, adumbratione, in den Dissert. philologicae classis Acad. liter. Cracov. XLI [1905] 129–178) hat Albinos mit Apuleius eingehend verglichen, mit dem Ergebnis, daß beide auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, als die er G. ansetzen zu dürfen glaubt. Die Auskunft, daß Apuleius in Smyrna Albinos’ Schüler gewesen sein könne, lehnt er ab, da Apuleius zwar Phrygien besucht, sich aber nicht länger in Asien aufgehalten habe (170). Statt dessen hält er für wahrscheinlich, daß Apuleius zur Zeit seiner von ihm flor. 20 bezeugten philosophischen Studien in Athen auch G. – von dem eine Wirksamkeit in Athen übrigens nirgends erwähnt wird – gehört, seine Vorträge nachgeschrieben und später ins Lateinische übersetzt habe. Nun kann man dem Ergebnis, daß den von Sinko verglichenen Schriften die gleiche Vorlage zugrunde liege, wohl zustimmen, aber G. ist damit als unmittelbare Quelle des Apuleius noch nicht erwiesen. Nichts steht der Annahme im Wege, daß die Nachschrift des Albinos zugleich Quelle von dessen Didaskalikos und, nach ihrer Veröffentlichung, von Apuleius’ Traktaten gewesen sei, oder, falls man mit Freudenthal a. a. O. 302 und Diels a. a. O. XXVIII in dem Didaskalikos eine Epitome der gleichfalls durch den Pariser Pinax für Albinos bezeugten Schrift Περὶ τῶν Πλάτωνι ἀρεσκόντων vermutet, daß diese ausführlichere Schrift auch Apuleius zur Vorlage gedient habe. Auch die Möglichkeit eines persönlichen Verkehres der beiden Männer läßt sich nicht so kurzerhand abweisen, wie es von Sinko geschieht. Apuleius hat nicht nur Phrygien besucht, sondern kennt jedenfalls auch Samos aus eigener Anschauung (flor. 15 p. 164, 17 van der Vliet). Wie weit sich seine asiatische Reise sonst erstreckte und wie lange der Aufenthalt an einzelnen Orten gedauert hat, ist nicht auszumachen. Im Auge zu behalten ist jedenfalls, daß er auf seine Reisen und Studien lange Zeit und reiche Geldmittel verwendete (apol. 23).

Unter diesen Umständen erleidet natürlich die Sicherheit einer Rekonstruktion des G. aus Albinos und Apuleius starken Abbruch, da zum mindesten in dem Falle, daß Περὶ τῶν Πλάτωνι ἀρεσκόντων die Mittelinstanz bildet, mit der Möglichkeit einer gewissen Selbständigkeit des Albinos seinem Lehrer [537] gegenüber zu rechnen ist. Tatsächlich wird man freilich mit der Annahme kaum fehlgehen, daß beide in allem wesentlichen übereinstimmend sich zu jenem als Basis für die spätere große Entwicklung der Platonischen Schultradition wichtigen mittleren Platonismus bekannten, den neben den Genannten auch der Berichterstatter über die Platonischen Placita bei Diogenes Laertios, Maximos von Tyros, Hierax, Iunkos, der anonyme Theaetetkommentator und Papyr. Berol. nr. 8 vertreten. Daß dabei G. und seine Anhänger sich in der Ableitung der Tugenden aus der als Telos der Philosophie angesetzten πρὸς τὸν θεὸν ὁμοίωσις von anderen Schulgenossen durch eine straffere Systematik unterschieden, ist in Herm. LI (1916), 481ff. dargelegt.

Nachträge und Berichtigungen

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Band R (1980) S. 114
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Gaios

[3a]) Platoniker in der 1. H. des 2. Jh. n. Chr. S III.