Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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L. f. Ani(enses) Vettonianus, L. cos. 79 n. Chr.
Band VII,1 (1910) S. 301305
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2) L. Funisulanus L. f. Ani(ensis) Vettonianus.

a) Name. Den Namen in der angegebenen Form enthält die Inschrift CIL III 4013;[1] [L. Funisulanu]s L. f. Ani. Ve[toni]anus CIL XI 571;[2] die tria nomina ohne Filiation und Tribus XV 7460 und Dipl. mil.; Funisulanus Vettonianus Tac. arm. XV 7.

b) Laufbahn. F. war vielleicht ein Nachkomme des in Ciceros Briefen genannten F. (Nr. 1); sicher ist er, wie sein Gentilname beweist, ein Italiker gewesen (vgl. Mommsen Unterit. Dial. 355. Hübner Ephem. epigr. II p. 38f. 87. Schulze Zur Gesch. lat. Eigennam. 86f.). Ob man aus der Inschrift in Forum Popili an der Via Aemilia CIL XI 571[2] (s. u.) den Schluß ziehen kann, daß er dort geboren war, oder ob seine Beziehungen zu dieser Stadt aus der Zeit seiner cura viae Aemiliae datieren, läßt sich nicht entscheiden; die Tribus Aniensis (s. o. Kubitschek Bd. I S. 2208f.) könnte für ersteres sprechen. Seinen Cursus honorum kennen wir durch zwei Inschriften, deren eine ihm von seiner Klientelstadt Andautonia in Pannonien zur Zeit seiner moesischen Legation oder unmittelbar nach dieser gesetzt wurde (CIL III 4013[1] = Dessau 1005), während die zweite in Forum Popili (CIL XI 571)[2] – anscheinend das Fragment einer stattlichen [302] Bauinschrift (Borghesi Oeuvr. VI 90 rühmt ihr die schönsten Buchstaben nach, die er je gesehen) – von ihm selbst herrührt; für ihre chronologische Ansetzung kann man vielleicht über den Tod Domitians hinausgehen, da F. seine Ordensauszeichnung durch denselben nicht erwähnt. Allerdings sind in beiden Exemplaren des Cursus honorum Ämter ausgelassen (vgl. Pallu de Lessert Fast. d. prov. Afr. I 160f.): auf dem Stein von Andautonia der Vigintivirat und anscheinend auch die cura aquarum, in der andern Inschrift das Legionskommando (s. u.) und vermutlich die Praefectura aerari Saturni (Borghesi Oeuvr. III 74 und Bormann CIL XI a. a. O. ergänzen in der letzten Zeile [praef. aera]ri, kaum mit Recht, da für die Einreihung dieses Amtes zwischen Tribunat und Quaestur kein Grund zu ersehen wäre und der Zusatz Saturni nicht fehlen dürfte [vgl. Pallu du Lessert 164]; vielleicht ist eher [trib. pleb]i zu lesen und vorher eine nähere Kennzeichnung der Praetur, z. B. hastarius oder fideicommissarius, anzunehmen).

F. begann seine Karriere als IIIv[ir capitalis] oder IIIv[ir a(ere) a(rgento) a(uro) f(lando) f(eriundo)], diente als Militärtribun in der Legio VI Victrix, die damals in Spanien in Garnison lag (vgl. Cagnat bei Daremberg-Saglio III 1083), bekleidete die Quaestur in Sizilien, Volkstribunat und Praetur (s. o.) und wurde hierauf Legat der Legio IV Scythica (CIL III 4013.[1] Tac. ann. XV 7; wenn F. selbst in der Inschrift XI 571 das Legionskommando nicht erwähnt, so könnte der Anlaß gewesen sein, daß er die unrühmliche Erinnerung vermeiden wollte; freilich fehlt in diesem Text auch das nächstfolgende Amt). Als Legionslegat nahm er im J. 62 an dem Feldzug des Caesennius Pactus nach Armenien teil (Tac. ann. XV 7). Die Expedition verlief unglücklich; Paetus wurde mit der 4. und 12. Legion in Rhandeia eingeschlossen, von den Parthern schwer bedrängt, schließlich zu einem demütigenden Vertrag und zum Abzug aus Armenien gezwungen (Tac. ann. XV 10–15, s. o. Bd. III S. 1308). Da F. in späterer Zeit wieder wesentlich militärische Verwendung fand, ist anzunehmen, daß ihn an dem Mißerfolg kein Verschulden trifft; vielmehr wird er zu den viri militares gehören, deren Rat Paetus zu seinem Verderben nicht befolgen wollte (Tac. XV 10). Nach dem Feldzug wurde die geschwächte und demoralisierte IV. Legion von Domitius Corbulo nach Syrien verlegt (Tac. XV 26). F. selbst blieb kaum an ihrer Spitze, er teilte vermutlich das Schicksal seines Oberbefehlshabers, der von Nero nach Rom abberufen wurde (Tac. ann. XV 25); wie dieser ist er unter Nero im Staatsdienste kaum weiter verwendet worden (er gelangte erst 16 Jahre später zum Consulat, s. u).

Seine nächsten Stellungen, praefectus aerari Saturni (in der Regel dreijährig, vgl. Mommsen St.-R. II3 559) und curator viae Aemiliae, dürften erst in die Regierungszeit Vespasians gehören. In der Inschrift von Forum Popili folgt das Amt des curator aquarum, das auf dem Stein von Andautonia fehlt; gemeint ist wohl die höchstens praetorische Charge eines Beisitzers des consularischen Curator aquarum (s. o. Bd. IV S. 1784), nicht die letztere selbst (vgl. Henzen [303] Bull. inst. 1883, 139). Denn durch Frontin (aq. 102) ist als Curator aquarum von 74–97 Acilius Aviola bezeugt, auf den unmittelbar Frontinus folgte (mit Pallu de Lessert 163 eine Lücke im Text anzunehmen, liegt kein Grund vor); daß jedoch F. erst von Traian zu Frontins Nachfolger in diesem wichtigen Ressort ernannt worden sei (Borghesi Oeuvr. VI 91. Dressel zu CIL XV 7460.[3] Cantarelli Bull. com. XXIX 1901, 202f. Hirschfeld Verwaltungsb.2 207, 1; vgl. Dessau Prosop. imp. Rom. II 99 nr. 396), ist bei einem Manne, der bereits im J. 62 Praetorier war und seine höchsten Ehren Domitian verdankte, schwerlich anzunehmen (die Wasserleitungsröhren mit dem Namen des F., die an der Via Nomentana gefunden wurden, CIL XIV 4016[4] = XV 7460, beweisen nur, daß er dort ein Grundstück besaß).

Als (Suffect-)Consul hatte F. wahrscheinlich Q. Corellius Rufus (s. o. Bd. IV S. 1225) zum Kollegen (CIL XIV 4276,[5] Grabschrift einer Frau, die secura facta est V idus Oc[t., sepulta ...] Corellio et Vettoniano cos.; co[niugis iussu ei] ara dedicata est nonis Mais Cae... [cos.]). Der zweite in dieser Inschrift erwähnte Consulat dürfte der des (L. Iunius) Caesennius Paetus und P. Calvisius Ruso sein, der für März und Mai belegt ist und von Cagnat dem J. 79 zugewiesen wurde (s. Suppl. Heft I S. 269); demnach gehört das Consulnpaar F. und Corellius anscheinend in den Oktober des J. 78 (im J. 82 war Corellius bereits Legat von Germania superior, s. o. Bd. IV a. a. O.). Nach dem Consulat wurde F. in die Priesterschaft der VIIviri epulones aufgenommen (CIL III 4013)[1] und hierauf, wohl erst seit Domitians Regierungsantritt (14. Sept. 81), mit der Verwaltung von drei großen benachbarten Militärprovinzen nacheinander betraut: Dalmatien, Pannonien und Moesia superior (aus dem Verbindungswort item in den Inschriften auf gleichzeitige Statthalterschaft der drei Länder zu schließen [Schiller Gesch. d. r. K.-Z. I 2, 530. Asbach Rhein. Jahrb. LXXXI 33 u. a.], ist verfehlt, vgl. Gsell Règne de Domit. 136. Ritterling Arch.-epigr. Mitt. XX 1897, 12, 25; Österr. Jahresh. Beibl. VII 1904, 33, 26; für die Aufeinanderfolge der Legationen ist der chronologisch geordnete Cursus honorum von Andautonia maßgebend, überdies stand Dalmatien hinter den beiden anderen Provinzen an militärischer Bedeutung zurück; vgl. Gsell 136, 6. Pallu de Lessert 162). Als legatus Augusti pro praetore von Pannonien ist F. durch zwei Militärdiplome vom 3. September 84 und 5. September 85 bezeugt (CIL III p. 1963[6] f. dipl. XVI. XVII = p. 855). Der dritte dieser Gouverneurposten, in Obermoesien, brachte ihm die seinem Rang entsprechenden Kriegsdekorationen: donato [ab Imp(eratore) Domitiano Aug(usto) Germ(anico)] – der Kaisername ist eradiert – bello Dacico coronis IIII murali vallari classica aurea, hastis puris IIII vex(i)l(l)is IIII (CIL III 4013).[1] Sein Vorgänger im moesischen Kommando, Oppius Sabinus (cos. 84), war von den Dakern besiegt und getötet worden, und so erwuchs F. die Aufgabe, unter den Augen des Kaisers, der selbst auf den Kriegsschauplatz eilte (Suet. Dom. 6. Dio LXVII 6, 3), dem siegreichen Feinde Halt zu gebieten und die bedrohte Provinz dem Reich zu erhalten [304] – ein deutliches Zeugnis für das Vertrauen, das Domitian in seine militärische Eignung und persönliche Ergebenheit setzte. In der Tat gelang es, die Daker zurückzuschlagen, sodaß Decebalus sogar mit Friedensanträgen an Domitian herantrat (Petr. Patr. exc. de leg. 3 bei Dio LXVII 6, 5 Boiss. Euseb. ad a. Abr. 2101; vgl. Gsell 213). Aus einer Münze mit der Darstellung einer trauernden weiblichen Gestalt und der Legende Μυσία (vgl. Pick Münzen v. Dac. u. Mösien 22) schließt Gsell (155. 213) auf Unruhen in Moesien, deren Bewältigung dann gleichfalls F.s Werk gewesen wäre. Mit der Leitung der weiteren Operationen gegen die Daker wurde jedoch nicht F. betraut, sondern der Praefectus praetorio Cornelius Fuscus, durch dessen furchtbare Niederlage der Krieg wieder eine unglückliche Wendung nahm (s. Stein o. Bd. IV S. 1341. Cichorius Die röm. Denkm. in d. Dobrudscha 1904, 32ff.; F.s Tätigkeit im dakischen Krieg fällt zwischen Sept. 85 [s. o.] und Ende 89, die Zeit des dakischen Triumphes, doch kommt wohl nur der zweite Abschnitt des Krieges, zwischen dem Untergang des Sabinus und der Offensive des Fuscus, in Betracht, da später die Generalate des Cornelius Fuscus und Tettius Iulianus für ein Eingreifen des F. keinen Raum lassen; nach Gsell 212 wäre dies die erste Hälfte des J. 86). Für die römische Verwaltungsgeschichte ist F.s Statthalterschaft wichtig, weil er der erste Legat von Moesia superior nach der Teilung Moesiens gewesen ist (Gsell 137. Pallu de Lessert 162. Ritterling Österr. Jahresh. Beibl. VII 32f. Filow Klio Beih. VI 3, 1).

Wohl erst nach dem Rücktritt vom moesischen Kommando wurde F. auch unter die Sodales Augustales aufgenommen (das Priestertum fehlt noch CIL III 4013).[1] Sein letztes uns bekanntes Amt war der Proconsulat von Africa (CIL XI 571),[2] der in das letzte Drittel der Regierung Domitians gehören dürfte (die beiden Domitier, Lucanus und Tullus, die in den späteren Jahren Vespasians die Fasces führten, waren vor dem J. 94 Proconsuln von Africa, vgl. Kappelmacher o. Bd. V S. 1429. 1434). Wie bereits bemerkt, läßt die Inschrift von Forum Popili vielleicht den Schluß zu, daß F. Domitian, der am 18. September 96 ermordet wurde, überlebte – wenn auch nur um kurze Zeit, da er zweifellos bereits hochbetagt war, überdies in Plinius’ Briefen seiner gar keine Erwähnung geschieht.

c) Familie. Es ist unsicher, ob Funisulana Vettulla, Gattin des Praefecten von Ägypten im J. 82, C. Tettius Africanus Cassianus Priscus (s. Nr. 5), F.s Schwester oder Tochter war. Seine eigenen Namen finden sich in der nächstfolgenden und der zweitnächsten Generation wieder bei den Senatoren [Pom]ponius Mamilianus Rufus Antistianus Funisulanus Vettonianus (Nr. 4) und [P]ompon[ius A]n[t]is[tianus Funisulanu]s [V]ettonianns (Nr. 3), vielleicht dem leiblichen Sohn und Enkel des F. Der Tribun der am Hadrianswall stationierten Cohors I Aelia Dacorum, Funisul[an]us Vetto[ni]anus (CIL VII 811),[7] stammte möglicherweise von einem Daker ab, der während des Krieges in ein Klientelverhältnis zu F. getreten war und dessen Namen angenommen hatte (eine Nötigung, [305] die Tribunen aus Abkömmlingen von Dakern zu nehmen, bestand natürlich nicht, doch konnte sich der Kaiser von solchen Rücksichten leiten lassen). Den Namen des ägyptischen Strategen L. Funisulanus Charisius, der sich im J. 122 auf der Memnonsäule verewigte (CIL III 4721.[8] 4722 = Cagnat IGR I 1203), erklärt Dittenberger (Or. gr. II 680) damit, daß dessen Vater oder Großvater durch Vermittlung des F. – bezw. seiner Schwester (s. o.) – das Bürgerrecht bekommen habe. Das seltene Gentile findet sich noch bei einer Frau Funisulana T. f. im Sabinerland (Not. d. scavi 1896, 105) und bei Freigelassenen (in Rom CIL VI 16403,[9] auf der Insel Ischia X 6801).

[Groag. ]

Anmerkungen (Wikisource) Bearbeiten

  1. a b c d e f Corpus Inscriptionum Latinarum III, 4013.
  2. a b c d Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 571.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum XV, 7460.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 4016.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 4276.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 1963.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum VII, 811.
  8. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 4721.
  9. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 16403.