Fledermaus. Νυκτερίς, vespertilio (‚Abendflatterer‘, vgl. Walde Lat. etym. Wörterb. 665; vesperugo bei Tert. de anima 32; τρίζειν, stridere zur Bezeichnung des Lautes, den sie von sich gibt, Hom. Od. XXIV 6. Herod. III 110. IV 183. Carm. de Phil. 39. Ovid. met. IV 413. Isid. orig. XII 7, 36, vgl. Rieß Rh. Mus. XLIX 189) ist unsere großohrige F. (Plecotus auritus). Ein zweites Flattertier ist die ἀλώπηξ δερμόπτερος (Arist. hist. an. I 5, 28; gewaltig große νυκταλώπεκες in Indien erwähnt Ps.-Callisth. III 17, 122 M.); das ist vielleicht der fliegende Hund Pteropus, vgl. Aubert-Wimmer I 64. Die F. gehört nach Aristoteles zu den mit Flughäuten (de part. an. 697 b 11; hist. an. I 5, 28. I 1, 10) versehenen Säugetieren. Er charakterisiert sie als ein Nachttier (hist. an. I 1, 14) mit zwei Füßen (hist. an. I 1, 10) und ohne Schwanz (Arist. de part. anim. 697 b 7), das in beiden Kiefern Zähne hat und lebendige Junge zur Welt bringt (Arist. hist. an. III 1, 18). Diese Beschreibung wird ergänzt durch
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die des Aristophanes von Byzanz (Epit. II 436, 120 L.). Dieser unterscheidet zwischen den fünf Fingern der Hand und den fünf Zehen der Füße, kennt die auffallend großen Ohrmuscheln, die zweireihigen spitzen Zähne, die beiden Zitzen an der Brust, mit denen das Weibchen seine Jungen, die es in der ersten Zeit mit sich herumträgt, säugt (Ant. Car. h. m. 22. Plin. n. h. X 168, Artemid. on. III 65, 194 H. Macrob. Sat. VII 16, 7), und das für die F. charakteristische dichte Haarkleid. Ihre Nahrung besteht aus Insekten (Aristoph. a. a. O. Aes. fab. 85. Plin. X 168). Falsch ist die Notiz des Aristophanes, daß sie zwei, bisweilen drei Junge zur Welt bringe. Während Aristophanes sie mit einem Schweine vergleicht, spricht Isidor (XII 7, 36) richtiger von dem mäuseartigen Aussehen ihres Körpers. Am Tage hält sie sich verborgen (Sext. Emp. adv. m. 441, 5. Isid. a. a. O.); erst wenn die Sonne scheidet, kommt sie zum Vorschein. In der späteren Zeit wurde sie ebenso wie in der voraristotelischen Zeit (Hom. Od. XXIV 6) für einen Vogel gehalten (Plin. n. h. X 168. XI 164. 232. Isid. a. a. O.), wogegen Macrobius (Sat. VII 16, 7) Front macht. Die scheinbare Doppelnatur des Tieres gab Veranlassung zu der Fabel von der F. und dem Wiesel (Aes. fab. 307) und zu dem bekannten, von Platon (rep. V 479 b) zuerst erwähnten Rätsel: ἔβαλε ξύλῳ τε καὶ οὐ ξύλῳ κτλ., vgl. Ohlert Rätsel und Gesellschaftsspiele 28. Das höchst sonderbare Geschöpf wird zuerst zweimal in der Odyssee erwähnt (XII 433. XXIV 6). Der Dichter des XII. Buches kennt die eigentümliche Stellung des Tieres in der Ruhe und vergleicht mit ihr die Haltung des an dem Feigenbaume der Charybdis hangenden Odysseus (vgl. Xen. hell. IV 7, 6; die spätere Zeit fabelte, daß sie aneinander hingen; vgl. Basil. Migne Patr. gr. 29, 181 A). Religionsgeschichtlich wichtig ist die Stelle der zweiten Nekyia (XXIV 6ff.). Die Seelen der erschlagenen Freier schweben im Gefolge des Hermes zum Hades, zwitschernd wie die F. Aus dieser Vergleichung ergibt sich, daß die Alten sich die Seelen, die vom Körper scheiden, in der Gestalt von Fledermäusen gedacht haben (vgl. Weicker Der Seelenvogel 21), d. h. daß sie ihnen, wie der Uhu, als Unterweltsvögel galten. Auf der Insel der Träume sind sie die einzigen Vögel (Luc. ver. hist. II 33). In ihrer Gestalt dachte sich die Sage die Krankheitsdämonen, welche in den fiebererzeugenden Sümpfen Ceylons und Indiens die Menschen bedrohen, die auf Gewinnung des Kassiazimtes ausgehen (Iuba bei Plin. n. h. XII 85 nach Herod. III 110). Die Sage berichtet, daß sie die Töchter des Königs Minyas von Orchomenos gewesen, die zur Strafe für die Entweihung des Bacchusfestes durch Wollarbeit in diese Tiere verwandelt wurden (Ovid. met. IV 1ff. Aelian. v. h. III 42. Plut. quaest. gr. 38. Nicander bei Ant. Lib. 10, bei dem nur eine der drei Töchter in eine F. verwandelt wird). Auch im Traum erscheinen sie dem Menschen und bedeuten wie die Nachtvögel Sturm auf dem Meere und Überfall durch Wegelagerer (Artem. on. III 65, 194 H.); nur schwangeren Frauen sollen sie Glück bringen. In der Fabel kommt die F. verhältnismäßig selten vor (Aes. fab. 85. 306. 307); fab. 306 ist ätiologischen Charakters und erklärt ihre nächtliche
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Lebensweise aus der Furcht vor ihrem Gläubiger; daraus erklärt sich, daß die Römer solche Leute, die sich nur nachts auf die Straße wagten aus ähnlicher Besorgnis, vespertiliones nannten (Ulp. Dig. XXI 2, 31). Unter den Tieren hat sie an den Eulen (Dion. de av. I 16. Nepual. 42) und am Wiesel, Marder, Iltis gefährliche Feinde (Aes. fab. 307). In Borsippa, einer Stadt Babyloniens, gab es große F., welche man fing und eingepökelt verzehrte (Strab. XVI 739). Zwischen ihr und dem Storch soll Feindschaft bestehen, weil sie die Storcheier durch bloße Berührung unfruchtbar mache (Aelian. nat. an. I 37); dagegen schützen sich die Störche, indem sie Platanenblätter in ihr Nest legen, welche die F. erstarren machen (Aelian. nat. an. I 37. Plin. n. h. XXIV 44. Geop. XV 1, 18. Sext. Emp. Pyrrh. 15, 2. Nepual. 35. Ps.-Democr. 14). Das Herz einer F. hält Ameisen fern (Plin. n. h. XXIX 92. Dion. de av. I 16. Nepual. 42. Ps.-Democr. 36); legt man es neben einen Ameisenhaufen, so kommt keine Ameise zum Vorschein (Nepual. 53). Räucherungen mit F.-Mist vertreiben Raupen (Geop. XII 8, 8), Räucherungen mit Efeu töten Fledermäuse (Geop. XV 1, 14). Den F.-Balg befestigte man an hohen Bäumen, um die Felder vor Heuschrecken zu schützen (Geop. XIII 1, 4). Um Tauben an den Taubenschlag zu gewöhnen, befestigte man den Kopf einer F. an der Spitze desselben (Geop. XIV 2, 5). Der Glaube war allgemein verbreitet, daß sie Zauber und böse Geister banne. Trägt man eine lebendige F. dreimal ums Haus und befestigt sie dann mit dem Kopf nach unten außen am Hause, so ist die Macht des Bösen gebrochen (die Magier bei Plin. n. h. XXIX 83). Ihr Blut hilft gegen Schlangenbiß (Plin. n. h. XXIX 83), heilt Darmgicht (Plin. n. h. XXX 59), den weißen Soor (Plin. n. h. XXX 121), dient als Haarvertilgungsmittel (Plin. n. h. XXX 132), besonders in den Achselhöhlen (Gal. XII 258), verhindert das Anschwellen der Brüste bei Jungfrauen (Gal. a. a. O.), schützt gegen Leibschmerzen (Plin. n. h. XXX 64); das in einer Wollflocke aufgefangene Blut soll Frauen unter den Kopf gelegt geil machen (Plin. XXX 143). Die Galle hilft gegen den Biß der Spitzmaus (Plin. n. h. XXIX 88), das Gehirn dient als Enthaarungsmittel (Plin. n. h. XXX 132), die Flügel helfen bei Fieber (Plin. n. h. XXX 97). Ein getrockneter Kopf als Amulett getragen bannt den Schlaf (Plin. n. h. XXX 140), dem Vieh hängt man eine F. um bei Harnbeschwerden (Plin. XXX 144).