10) Eudoros von Alexandrien (Stob. Ecl. II 42, 7 W.), eklektischer Platoniker. Literatur: Roeper Philol. VII (1852) 534ff. (die erste zusammenfassende Würdigung des Mannes). Zeller Philos. der Griech. III³ 610ff. Diels Doxogr. Graec. 81ff. Susemihl Alex. Lit.-Gesch. II 293ff. A. Goedeckemeyer Gesch. d. griech. Skept. (Leipz. 1905) 201ff. Erörterungen über einige spezielle Punkte weiter unten suo loco. E.s Lebenszeit läßt sich nur approximativ bestimmen. Einerseits bezeichnet ihn Strabon XVII 790 als seinen Zeitgenossen. Andererseits steht fest, daß er von Areios Didymos, dem Lehrer des Kaisers Augustus (s. Art. Areios Nr. 12 Bd. II S. 626), in seinem doxographischen Werk benutzt wurde (Diels 81) und seinerseits wiederum den Mathematiker Diodoros, vermutlich einen Schüler des Poseidonios, ausschrieb (Diels 22ff.). Ferner ist es jedenfalls sehr wahrscheinlich, daß er nach dem Peripatetiker Andronikos schrieb (Zeller 610, 3). Darnach wird seine Blüte um 25 v. Chr. anzusetzen sein. Wenn er des öfteren das Epitheton ὁ Ἀκαδημαϊκός erhält (s. die Stellen bei Susemihl II 293, 297), so darf dasselbe nicht gepreßt werden. Wie die Reste seiner Schriftstellerei zeigen, war er ebensowenig reiner Platoniker, wie sein Landsmann Areios Didymos reiner Stoiker. Er huldigte vielmehr einem weitgehenden Eklektizismus,
[916] wie wir ihn bereits bei dem Akademiker Antiochos von Askalon, von dem E. ohne Zweifel beeinflußt war (Zeller 613, 2. Susemihl II 287, 264. Kroll Rh. Mus. LVIII [1903] 567, 4), finden. E.s Hauptwerk war nach Stob. Ecl. II 42, 7 W. Διαίρεσις τοῦ κατὰ φιλοσοφίαν λόγου betitelt (über die Anlehnung an den Peripatos in der Form des Titels s. Diels 81, 5) und behandelte πᾶσαν προβληματικῶς τὴν ἐπιστήμην. Die Schrift zerfiel in drei Teile: der erste beschäftigte sich mit der Ethik, der zweite mit der Physik, der dritte mit der Logik. Den Auszug des Areios Didymos aus dem Hauptstück über die Ethik hat uns Stob. Ecl. II 42, 11—45, 6 W. aufbewahrt. In diesem Stück tritt der enge Anschluß E.s an die Stoa scharf und deutlich hervor, besonders in der Terminologie, aber auch im übrigen (Zeller 613 und Diels 70). Von philosophischen Werken besaß das Altertum von E. außer der eben erwähnten Schrift über die Teile der Philosophie noch eine Reihe von Kommentaren zu Platonischen und Aristotelischen Werken. Auf einen Kommentar zu Platons Timaios führen zwei Stellen Plutarchs: De anim. procr. in Tim. Plat. 1013 B und 1019 E ff. Aus 1020 C folgt, daß E. sich in der Exegese des Timaios an den Akademiker Krantor, den ersten Erklärer dieses Dialoges, anschloß (s. Susemihl II 293, 299. 325, 430). Auf E.s Kommentar zu den Kategorien des Aristoteles nimmt Simplikios mehrfach Bezug (s. die Stellen bei Zeller 612, 2; vgl. auch Diels 81, 5). Daß E. auch die Metaphysik des Aristoteles erklärt hat, scheint aus Alex. Aphrod. in Arist. met. p. 59, 7 Hayduck hervorzugehen. Aus welcher Schrift unseres Philosophen die von Simplikios in Arist. Phys. 181, 10ff. Diels mitgeteilte Auslassung über das ἐν der Pythagoreer stammt, läßt sich nicht ermitteln. Zur Sache vgl. Zeller 612, 3 und Schmekel Philos. der mittl. Stoa 430. Aber nicht nur als philosophischer, sondern auch als astronomischer und geographischer Schriftsteller betätigte sich E. Seinen Kommentar zu Aratos’ Lehrgedicht hat Achilleus in seiner uns erhaltenen Εἰσαγωγή stark ausgebeutet. Als Hauptquelle für diese Arbeit hatte E. den Aratkommentar des Stoikers Diodoros benutzt, der seinerseits wieder die Forschungen des Poseidonios ausgiebig verwertet hatte. Kein Wunder also, wenn das Bächlein des E. so manches Goldkorn Poseidonischer Gelehrsamkeit mit sich führte (vgl. Diels 22. Susemihl I 776. Maass Aratea 159. 160). Eine geographische Schrift des E., περὶ τοῦ Νείλου betitelt, erwähnt Strab. XVII 790. Über ihre materielle Unselbständigkeit und ihr Verhältnis zu der gleichnamigen Arbeit des Peripatetikers Ariston s. den Art. Ariston Nr. 55 (Bd. II S. 956ff.). Nehmen wir alles zusammen, was wir über E. erfahren, so dürfen wir urteilen, daß er wohl ein vielseitiger Gelehrter, aber kein origineller Denker war. Wie die meisten seiner gelehrten Zeitgenossen schaltet er mit dem reichen Gedankenvorrat der großen Forscher der früheren Zeit. Als charakteristisch an ihm darf hervorgehoben werden seine ausgesprochene Vorliebe für die Doktrin der Stoa.