Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Epigonoi, die Söhne der sieben Helden um Theben
Band VI,1 (1907) S. 6768
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Epigonoi (Ἐπίγονοι). 1) § 1. So hießen in festem Gebrauch die Söhne der sieben Helden, die unter Adrasts Führung um Theben mit Polyneikes, dem Oidipussohne, gegen seinen Bruder Eteokles unglücklich gekämpft hatten. Die E. vollbrachten, woran die Väter gescheitert waren, die Eroberung Thebens. Die Namen der E. sind in doppelter Liste erhalten, Apollod. Bibl. III § 82 Wg. = Diod. IV 66, 1 und Schol. Hom. Il. IV 401; vgl. Eurip. Hiketid. 1216. Bethe Theb. Heldenl. 110ff.

§ 2. In mehreren heroischen Gedichten war diese Sage ausgestaltet worden. Homers Il. IV 405ff., vgl. 365ff. spielt auf eine an. Nachweisbar und inhaltlich etwa faßbar scheinen mir zwei Epen jungen Datums, etwa des 7. oder 6. Jhdts., die Alkmeonis und die Ἐπίγονοι. Letzteren Titel durfte bereits Herodot V 32 als allgemein bekannt voraussetzen. Dies Epos galt als Werk Homers, Certamen Homeri et Hesiodi 245 Rz.². Herodot. a. a. O. bezweifelt bereits die Echtheit; ein Resultat der ältesten literarischen Forschung durch die Sophisten. Es ist in der Folgezeit nicht nur dem Homer wirklich abgesprochen worden, sondern hat auch einen andern Verfassernamen erhalten (so Schol. Aristoph. Pac. 1270), nämlich den des Antimachos von Teos, der als altepischer Dichter angeführt wird bei Porphyrio zu Horaz A. P. 146 (cyclicus poeta). Plut. Rom. 12. Clem. Alexandr. Strom. VI 622 (aus Aristobul) und neben Homer und Hesiod als dritter Klassiker des heroischen Epos in den κανόνες bei Quintil. X 1, 53 und Rufus in seiner [μουσικὴ ἱστορία, ausgezogen in den Eclogen des Sopatros bei Phot. bibl. 161 p. 103 b 37. Das Epos E. gab sich als zweiter Teil der kyklischen Thebais. Rekonstruktionsversuche bei Bethe Theban. Heldenlieder 109ff. 76ff., vgl. 35ff.

§ 3. Nicht nur die E.-Epen, sondern auch die E.-Sage selbst ist jung, viel jünger als die von den Sieben. Vgl. v. Wilamowitz Herm. XXVI 1891, 239. Ob die E.-Sage einen historischen Kern enthalte, ist schwer zu sagen. Gewiß ist freilich, daß Theben, die Stätte alter Sagen und Kulte, noch während der Zeit lebhaftester Sagenbildung schwer gelitten haben, ja zerstört worden sein muß. Denn der Schiffskatalog Il. II 505 kennt nur noch Ὑποθῆβαι, und kein Thebaner-Held ist unter den Achaeern. Anderseits berichten die Sagen nicht nur nichts von einer Herrschaft der Argiver über Theben, sondern sind vielmehr einig in der Angabe, daß des Polyneikes Sohn Thersandros, des Oidipus Enkel, und seine Nachkommen in Theben hausen, ja daß die bei der Eroberung geflohenen Thebaner zurückgekehrt seien, Diod. IV 67. Paus. IX 8, 6. IX 5, 13. Herodot. V 61. Das hebt eigentlich den Erfolg der Eroberung Thebens durch die E. auf. Aus diesem Gesichtswinkel gewinnt die Überlieferung in Apollod. Bibl. III § 85 Wg. eine eigentümliche Beleuchtung, daß die E. in die leere, von den Thebanern heimlich verlassene Stadt eingedrungen seien. Dazu kommt, daß zwar Amphiaraos, Adrast, Kapaneus, Tydeus usw. Spuren in den Kulten und Lokalsagen der Gegend um Theben hinterlassen haben, nicht aber die E. Man wird so zu der auch von v. Wilamowitz [68] Herm. XXVI 239 ausgesprochenen Ansicht gedrängt, daß die E.-Sage eine freie Dichtung ist, herausgeboren aus der historisch fundierten Sage vom Kampf der Sieben um Theben und der Tatsache, daß das einst mächtige Theben bedeutungslos geworden war.

[Bethe. ]