Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
ein Urheber der Tieropfer und des attischen Festes der Buphonia
Band III A,1 (1927) S. 9991001
Sopatros in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register III A,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|III A,1|999|1001|Sopatros 1|[[REAutor]]|RE:Sopatros 1}}        

Sopatros (Σώπατρος). 1) Theophrastos hat in der (verlorenen) Schrift περὶ εὐσεβείας eine Legende vom Ursprung der Tieropfer in Attika berichtet, die Porphyr. περὶ ἀποχῆς ἐμψύχων (de abstinentia) II 29f. nacherzählt; doch ist seine Überlieferung nicht ungetrübt, sodaß J. Bernays Theophrasts Schr. über Frömmigk. (1866) 118f. Zusätze und Einschiebsel, v. Prott Rh. Mus. LII 189f. Vermengung verschiedener Feste und ihrer Stifter vermutet. In der Tat kennt die Kultlegende von dem attischen Feste der Buphonia (s. o. Bd. III S. 1055f.) drei anscheinend voneinander unabhängige Urheber: Diomos (s. o. Bd. V S. 832), Thaulon (s. d., sowie Myth. Lex. V 535) und S. (s. ebd. IV 1210f.). Über den letztgenannten geht nun folgende Sage: Zu der Zeit, da man den Göttern nur Feldfrüchte opfert, tötet S., ein Landmann in Attika, aber kein Athener, einen Stier, der vom Altar solche ländliche Opfergaben entwendet und gefressen hat. Noch hält man die Tötung eines Tieres für einen sündigen Frevel. Im Bewußtsein dieser Blutschuld vergräbt S. das Tier und geht freiwillig nach Kreta in die Verbannung. Den durch Trockenheit und Mißwachs geängsteten Bewohnern befiehlt die Pythia als Bedingung der Abhilfe die Bestrafung des Täters; [1000] auch solle man das getötete Tier wieder emporrichten; doch brauche man sich hinfort nicht der Fleischkost zu enthalten. S. wird in Kreta ermittelt; er verlangt, daß an der Entsühnung des fluchbeladenen Landes die ganze Gemeinde teilnehme, erklärt sich aber bereit, bei dem bevorstehenden Opfer den Todesstreich auf das Tier zu führen, wenn man ihn zum Bürger mache. So kehrt S. nach Athen zurück; man veranstaltet ein Fest und schlachtet ein Rind, von dessen Fleisch alle essen; die Haut stopft man mit Heu aus und spannt die Mißgestalt vor einen Pflug. Alle frühere Schuld schiebt man jetzt auf das Opfermesser, das man ins Meer wirft. Damit ist in Attika ein Fest mit Stieropfer eingeführt, das sich unter dem Namen Diipoleia erhält; neue symbolische Bräuche, neue gottesdienstliche Geräte, neue Kultbeamte sind geschaffen und vermehren die bereits vorhandenen; wichtig für die Folgezeit ist allein, daß man fortan Tiere opfert und ihr Fleisch ißt. Insofern bezeichnet das Fest der Buphonia oder Diipoleia bei seiner Entstehung einen Wendepunkt in Kultus und Kultur. Der Sage gefällt es, diesen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit phantastisch auszuschmücken. Vgl. die Literatur über S. und das Fest, an das sich verschiedene Ansichten und Deutungen knüpfen, bei Höfer Myth. Lex. IV 1211; außerdem Preller-Robert Gr. Myth. I⁴ 131, 1. Gruppe Gr. Myth. 28, 10; über eine bildliche Darstellung auf einem attischen Relief vgl. Bötticher Philol. XXII 413. Friedrichs-Wolters Bausteine 757 nr. 1909f.

Auch außerhalb Attikas glaubt man S. nachweisen zu können. Auf Delos gab es einen Altar frommer Leute (εὐσεβῶν βωμός), die beim Opfern nur Feldfrüchte verwendeten und, wie sich aus dem Zusammenhang des Berichts ergibt, sich auch der Fleischspeisen enthielten, ähnlich wie die Pythagoreer, die ja unter andern Speisevorschriften angeblich auch die Enthaltsamkeit von Fleischkost beobachteten (Porphyr. a. a. Ο. II 28, vgl. bes. Diog. Laert. VIII 37, 44). Hiernach ist der delische Altar der Gläubigen mit vegetarischen Opfern und vegetarischer Kost gleichsam eine Vorstufe zu der späteren ζῳοφαγία, deren Einführung und Beginn man in Attika den von S. ins Leben gerufenen Buphonia zuschreibt (s. o). Nun sind für Delos neben sonstigen Festen auch Σωπάτρεια inschriftlich bezeugt (Ηomοlle Bull. hell. VI 143f.). Es liegt nahe, sie mit den attischen Buphonia zu vergleichen, weil ja schon der Name des delischen Festes hindeutet auf den athenischen Priester. Dann wäre das rituelle Wirken des S. oder etwa eine Übertragung seines Ritus auch für Delos erwiesen. Nach v. Prott a. a. O. 197 ist dagegen die Legende von S. ursprünglich eine ionische und vielmehr erst von Delos aus auf das attische Festland ausgedehnt worden. Da übrigens der Name S. in der griechischen Welt nicht selten ist (s. Pape-Benseler Lex. d. gr. Eigenn., s. v.), ließe sich endlich auch denken, der attische Landmann und nachmalige athenische Opferpriester sei mit dem Eponym der delischen Σωπάτρεια zwar gleichnamig, aber nicht identisch und letzterer ein sonst unbekannter wohltätiger Stifter, ähnlich wie ein anderes delisches Fest (Homοlle [1001] 113f. 144) nach ihrer Urheberin Echenike benannt ist, ohne eine mehr als lokale Bedeutung zu besitzen; vgl. Semos frg. 9 bei Athen. XI 469 c, FHG IV 494.