Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kommission von Senatoren als Beisitz des Augustus
Band IV,1 (1900) S. 926932
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Consistorium, griechisch θεῖον συνέδριον (Haenel Corpus legum 253). Während sonst jeder römische Beamte das Recht besass, die Mitglieder des Consilium (s. d.), nach dessen Mehrheitsentscheidung er seine Sprüche fällte, nach eigenem Ermessen zu wählen, hat Augustus für sich auf diese Freiheit verzichtet. Er wollte den Senat zu seinem Mitregenten machen und stellte deshalb auch die Thätigkeit seines geheimen Rates unter dessen Aufsicht, indem er ihn nicht aus beliebig gewählten Vertrauensmännern zusammensetzte, sondern eine Senatscommission dazu machte, deren Mitglieder durch den Zufall bestimmt wurden. Zu diesem Zwecke liess er jedes halbe Jahr 15 Senatoren auslosen, denen er die jeweiligen Consuln und je einen Vertreter der niedrigeren Amtsstufen hinzufügte. Sie pflegten ihm als Beisitzer zu dienen, wenn er Recht sprach, und seine sonstigen Beschlüsse zu begutachten, von denen übrigens die wichtigeren noch an den Gesamtsenat zur endgültigen Entscheidung gingen (Cass. Dio LIII 21, 4. 5. Suet. Aug. 35). Gleichwohl galt jener Rat als staatsrechtliche Institution, wie daraus hervorgeht, dass der Kaiser sich in seinen Edicten auf den Spruch desselben zu berufen pflegte (Joseph. ant. Iud. XVI 163: ἔδοξέ μοι καὶ τῷ ἐμῷ συμβουλίῳ μετὰ ὁρκωμοσίας). Auch wurden die Sitzungen gleich denen des Senates selbst an geweihtem Ort, nämlich im palatinischen Apollontempel gehalten (Joseph. ant. Iud. XVII 301; bell. Iud. II 81). Als später Augustus wegen seines hohen Alters nicht mehr oft im Senat erscheinen konnte, verlieh ihm dieser das Recht, dass alles, was die Mehrheit jener Commission unter seinem Vorsitz beschliessen werde, als Senatusconsult gelten solle. Zugleich wurde auch die Dauer ihrer Thätigkeit auf ein ganzes Jahr verlängert, und ihre Zusammensetzung erfuhr eine kleine Veränderung. Sie sollte künftig aus zwanzig erlosten Mitgliedern bestehen, denen die kaiserlichen Prinzen (Joseph. bell. Iud. II 25) und neben den fungierenden auch die designierten Consuln hinzutraten, während die niedrigeren Beamten, soweit sie nicht durch das Los Zutritt erhielten, jetzt wegfielen. Wichtiger war, dass Augustus die Befugnis in Anspruch nahm, zu jeder Sitzung ausserordentliche Teilnehmer in beliebiger Zahl heranziehen, die dann gleichfalls das volle Stimmrecht ausüben sollten (Cass. Dio LVI 28, 2. 3). So erhielt er die Möglichkeit, zwar nicht sein Consilium frei zu bilden, wohl [927] aber die Majorität desselben in jedem einzelnen Falle nach Bedürfnis zu bestimmen.

Tiberius ging teilweise auf die Übung des Augustus zurück (Cass. Dio LVII 7, 2), fügte aber manche Neuerungen hinzu. Auch er erbat sich vom Senat zwanzig Berater, aber da diese e numero principum civitatis waren, können sie nicht durch das Los bestimmt, sondern nur aus freier Wahl des Senats hervorgegangen sein; auch scheinen sie nicht jährlich gewechselt, sondern ihre Stellung lebenslänglich behalten zu haben. Ihnen fügte er seine persönlichen Freunde und Vertrauten nicht nur, wie Augustus, durch ausserordentliche Berufung, sondern als ständige Beisitzer hinzu, darunter auch Ritter, wie den Gardepraefecten Aelius Seianus (Suet. Tib. 55). Übrigens wurde nicht immer der ganze Kronrat berufen, sondern mitunter traf der Kaiser eine engere Auswahl aus ihm (Tac. ann. III 10). Als dann Tiberius nach Capri ging, liess er sein Consilium in Rom zurück (Tac. ann. IV 58), und während seiner elfjährigen Abwesenheit kam es ganz in Vergessenheit. Claudius erneuerte es zwar nach den alten Grundsätzen (Cass. Dio LX 4, 3), doch unter dem Lotterregiment seines Nachfolgers wird es sich kaum erhalten haben. So war denn die ganze Institution zu kurzlebig und zu lange unterbrochen, als dass sich auch nur ein besonderer Name dafür hätte ausbilden können; wo davon die Rede ist, wird sie einfach consilium (συμβούλιον, συνέδριον) genannt, wie der Beirat jedes beliebigen Magistrats.

Auch in der folgenden Zeit ist der Kronrat keine ständig organisierte Körperschaft gewesen, sondern wenn der Kaiser Recht sprach oder sonst des Rates bedurfte, wählte er, wie jeder andere Beamte, in sein Consilium diejenigen Leute, die ihm für den einzelnen Fall die geeignetsten schienen (Tac. ann. XIV 62. Suet. Nero 15. CIL IX 5420. Iuven. IV 72. Plin. epist. IV 22, 1. VI 22, 2. 31, 1. Hist. Aug. Hadr. 8, 9. 22, 11; Alex. Sev. 16. Dig. XXXVII 14, 17. Cass. Dio LII 33, 3. LXIX 7, 1. Lact. de mort. pers. 11, 5). Wer ihm selbst persönlich nahestand, wurde natürlich in erster Linie berücksichtigt (Hist. Aug. Pius 6, 11; Marcus 22, 3. 4). Die Auswahl derjenigen, welche er in seine Umgebung zog, war daher bei jedem Kaiser von hoher politischer Bedeutung, und wenn sie sich unter der einen Regierung bewährt hatten, wurden sie meist auch unter den folgenden beibehalten (Suet. Tit. 7). Aber die Zahl dieser sogenannten ,Freunde‘ war viel zu gross, als dass man sie jedesmal alle hätte zu Rate ziehen können; bald kam der eine, bald der andere daran, je nach Laune und Bedürfnis.

Aus folgender Stelle hat man schliessen wollen, dass Hadrian das Consilium neu organisiert habe: Hist. Aug. Hadr. 18, 1: cum iudicaret, in consilio habuit non amicos suos aut comites solum, sed iuris consultos, et praecipue Iulium Celsum, Salvium Iulianum, Naeratium Priscum aliosque, quos tamen senatus omnes probasset. Aber dass Juristen zugezogen wurden, war nichts Neues; wahrscheinlich war es auch früher jedesmal geschehen, wenn Rechtsfragen zur Beratung standen. Zu diesem Zwecke behielt Tiberius, selbst als er sich nach Capri zurückzog, den Rechtsgelehrten [928] Cocceius Nerva als einzigen Senator in seiner Umgebung (Tac. ann. IV 58. VI 26), und im Consilium des Domitian erscheint Pegasus (Iuven. IV 77). Und dass der Senat sie gebilligt habe, bedeutet nichts weiter, als dass Hadrian nur solche Personen wählte, von denen er wusste, dass sie den Senatoren nicht verhasst waren, falls es nicht eine von den vielen Schwindeleien der Scriptores Historiae Augustae ist. Denn an eine Wahl oder Bestätigung durch den Senat kann nicht gedacht werden, weil die Zusammensetzung des Consilium noch bis auf Diocletian herab keine feste war (Lact. a. O.).

Auch wenn der Kaiser sich ausserhalb Roms befand, pflegte sein Gefolge gross genug zu sein, um einen Wechsel in den Personen des Consilium zu gestatten. Doch gehörte wohl in diesem Falle ein Mann ihm ganz regelmässig an; das war der Comes Augusti, der dem Adsessor der übrigen Magistrate entsprach und den juristischen Ratgeber des Kaisers darstellte. Innerhalb Roms brauchte man sich an keinen bestimmten Rechtsgelehrten zu binden, weil man hier für jeden einzelnen Fall reiche Auswahl hatte. Auf der Reise dagegen konnte man nicht darauf rechnen, überall eine passende Persönlichkeit zu finden; der Kaiser musste sie daher aus der Hauptstadt mitnehmen, wodurch unter Claudius das Amt des Kronjuristen oder comes Augusti entstand. Er fungierte aber nur ausserhalb Roms, und zwar befand sich im Reisegefolge regelmässig wohl nur ein solcher Beamter (s. Comites o. S. 626).

Als durch Marcus die Comites vermehrt und zugleich aus juristischen Beratern zum Generalstabe des Kaisers wurden (s. Comites o. S. 627), tritt an die Stelle des alten Comes-Adsessor ein Consiliarius. Zuerst ist er bei Lucius Verus (161–172) nachweisbar, und zwar schon in den ersten Jahren des Kaisers. Denn die betreffende Persönlichkeit ist ein Sohn des Consuls von 112 und hat die Stellung noch vor der Praetur, also kaum nach dem dreissigsten Jahre bekleidet (CIL VI 1518). Das Amt tritt also ganz gleichzeitig mit der Umwandlung der Comitiva auf und hängt zweifellos mit ihr zusammen. Sein Inhaber ist ein junger Senator; doch führt er noch keinen fest ausgeprägten Titel, sondern nennt sich in consilio imperatoris Caesaris L. Veri Augusti. Jedenfalls kann hiermit keine gelegentliche Berufung in das Consilium, sondern nur eine feste Stellung innerhalb desselben gemeint sein. Auch später wechselt der Titel oft; so heisst er adsumptus in consilium (Dig. XXVII 1, 30. Dessau 1455), δουκηνάριος ἐπὶ συμβουλίου τοῦ Σεβαστοῦ (Bull. hell. VII 1883, 16), consiliarius Augustorum oder Augusti (Dessau 1423. 1455), σύμβουλος τοῦ Σεβαστοῦ (CIG III 5895) oder schlechtweg consiliarius (Dig. IV 4, 11 § 2). Das Amt scheint eben zu kurze Zeit gedauert zu haben, um einen ganz festen Titel auszubilden; denn nur unter Marcus (CIL VI 1518), Commodus (Dessau 1455) und Severus (Dig. IV 4, 11 § 2. XXVII 1, 30; auch Dessau 1423 dürfte der procurator ad bona damnatorum auf die Zeit hinweisen, wo die Güter des Pescennius Niger, des Clodius Albinus und ihrer Anhänger eingezogen wurden) ist es nachweisbar. Wahrscheinlich wurde es deshalb abgeschafft, weil seit Severus fast immer die [929] hervorragendsten Rechtslehrer zu Praefecti praetorio gemacht wurden und neben diesen ein besonderer juristischer Ratgeber im Consilium des Kaisers überflüssig schien (vgl. Cod. Iust. IX 51, 1). Denn der Consiliarius ist immer Rechtsgelehrter (Dig. XXVII1, 30. IV 4, 11 § 2. Dessau 1455; auch CIL VI 1518 ist wohl iu[risperitus] oder iu[reconsultus], nicht iu[ridicus] zu ergänzen); mit Ausnahme des frühesten, der noch Senator ist, gehören alle dem Ritterstande an. Es finden sich bei ihnen die Gehaltsstufen des ducenarius (Bull. hell. VII 1883, 16), des centenarius und des sexagenarius (Dessau 1455). Doch ist es nicht nötig, dass alle drei neben einander vorhanden waren; vielmehr weist die grosse Seltenheit der Inschriften, die Consiliarii nennen, darauf hin, dass immer nur einer am Hofe vorhanden war, der je nach Rang oder Verdienst dieser oder jener Gehaltsstufe zugeteilt sein konnte. Wenn Papinian (Dig. XXVII 1, 30) von Consilarii in der Mehrzahl spricht, so kann er nacheinander fungierende damit meinen. Insofern dürfte also der Consiliarius vollkommen dem älteren Comes-Adsessor entsprechen; doch ist er darin von ihm verschieden, dass er nicht nur auf der Reise, sondern immer und an jedem Orte, also auch in Rom, dem Herrscher zu Diensten ist (Dig. IV 4, 11 § 2. XXVII 1, 30).

Seit der Beseitigung des Consiliarius besass das Consilium kein einziges festes Mitglied mehr, und seine Auswahl fand wieder in vollem Umfange für jeden einzelnen Fall statt, wie dies vor Marcus gewesen war. Denn wenn die Mutter des jungen Alexander Severus ihm 16 Senatoren zur Seite stellte (Herod. VI 1, 2), so hatten diese eher den Charakter eines Vormundschaftsrates, als eines Consilium.

Die Stellung des Consilium war im Princip ganz dieselbe, wie bei den übrigen Beamten (vgl. Cod. Iust. Vit 26, 6, wo die Formel Imp. Philippus Augustus cum consilio collocutits dixit gebraucht wird, die ebenso bei allen rechtsprechenden Magistraten üblich war), thatsächlich aber erlangten seine Abstimmungen bei diesen entscheidende Kraft, während sie beim Kaiser immer den Charakter von Ratschlägen behielten, die nicht bindend waren. Gleichwohl scheute auch er sich, seinen Spruch gegen die Majorität zu fällen (Hist. Aug. Marc. 22, 4). Aus diesem Grunde liess Nero die Mitglieder des Consilium ihre Meinung auf Täfelchen schreiben und las diese für sich allein, damit die Mehrheit nicht kund werde und er nach Belieben entscheiden könne (Suet. Nero 15). In der Regel aber pflegte der Kaiser die Stimmen, wie im Senat, mündlich abzufragen (Plin. epist. IV 22, 3). Nur bei criminellen Urteilen bediente man sich der geheimen Abstimmung durch Täfelchen (Suet. Aug. 33), wie überhaupt in der gerichtlichen Thätigkeit des Kaisers und seines Consilium die üblichen Formen des Processes meist gewahrt blieben. Doch wurde sowohl die Art der Beratungen als auch der Umfang der Wirksamkeit, welche dem Consilium zugewiesen war, so sehr durch die Individualität der einzelnen Kaiser bestimmt, dass sich ganze feste Regeln dafür kaum ausbilden konnten. Beispiel einer Beratung vom J. 166 mit Protocollauszug Dig. XXVIII 4, 3.

[930] Unter Diocletian erhält der kaiserliche Kronrat zuerst den neuen Namen consistorium, (Cod. Iust. IX 47, 12; nächstdem ist das älteste Zeugnis für das Wort erst aus der Zeit des Constantius II. Dessau 1243). Augustus, der bemüht gewesen war, seine Gewalt in die Formen der republicanischen Magistratur zu kleiden, hatte auch seinen Beirat, gleich dem aller andern Beamten, Consilium genannt. Dem gegenüber strebte Diocletian danach, den Kaiser durch seine Insignien und die neue Hofetikette möglichst von allen gemeinen Sterblichen zu sondern, und wählte daher für den erlauchten Kreis, der seine ,göttlichen‘ Entschlüsse beeinflussen durfte, auch eine unterscheidende Benennung. Wer einen gewöhnlichen Magistrat beriet, sass neben demselben; wenn auch nicht alle Mitglieder des Consilium adsessores hiessen, war doch das adsidere ihr gemeinsames Recht. Wer dem Kaiser nahte, der musste nach diocletianischer Ordnung zuerst vor ihm niederfallen und den Saum seines Purpurgewandes küssen (s. Bd. I S. 400, 48) und durfte auch später nur stehend zu ihm reden. An die Stelle des adsidere ist also hier das adstare getreten (Cod. Theod. XI 39, 5. Cod. Iust. X 48, 2. Ambros. epist. 24, 3 = Migne L. 16, 1036). Mithin wurde der Beginn der Verhandlungen im kaiserlichen Rate dadurch bezeichnet, dass die Berufenen Aufstellung nahmen, und von diesem consistere erhielt die ganze Versammlung ihren Namen, weil es gegenüber den gemeinen Beamtenconsilia als unterscheidendes Merkmal gelten konnte. Das Wort C. kommt vorher schon bei Tertullian vor (de resurr. carn. 26; ad uxor. II 6) und bezeichnet hier den Ort, auf dem etwas steht. Später benannte man damit in Privathäusern ganz kleine Zimmerchen, die nur zum Stehen, nicht zum Liegen oder Sitzen Raum boten (Apoll. Sid. epist. II 2, 13). Im 6. Jhdt. wird auch das Gemach des Kaiserpalastes in dem die Beratungen des Kronrats stattzufinden pflegen, C. genannt (Cod. Iust. I 2, 22. 14, 12. II 55, 4 und sonst); vorher hiess man ihn sacrarium (zuerst 290 nachweisbar, Eumen. paneg. III 11; vgl. Cod. Theod. IX 40, 11. XII 12, 8. 16. Gesta de recip. cod. Theod. p. 85 Haenel), das ist das Heiligtum, in dem neben der vergöttlichten Person des Herrschers nur seinen Vertrautesten zu weilen gestattet ist (vgl. nostra altaria Cod. Theod. X 3, 7 § 1. XI 29, 6).

Mit der Änderung des Namens scheint übrigens keine Änderung der Organisation verbunden zu sein. Auch das C. hat, wie früher das Consilium, keinen festen Kreis von Mitgliedern, sondern der Kaiser beruft zu den Sitzungen bald diese, bald jene, bald mehr, bald weniger Personen, wie es ihm dem zeitweiligen Gegenstande der Beratung zu entsprechen scheint (Lact. de mort. pers. 11, 5. 6). Aber da wieder die Gardepraefectur meist mit ungebildeten Soldaten besetzt wird, muss der Kaiser, wie in der vorseverischen Zeit, einen rechtskundigen Beirat anstellen. Dies ist um so notwendiger, als er die feste Residenz in der Hauptstadt aufgegeben hat, und an den abgelegenen Orten, in denen er oft umherzieht, nicht immer juristisch gebildete Leute zu finden sind. Diese neuen Adsessoren sind Männer des Ritterstandes; der eine nennt sich a studiis et a consiliis Augustorum [931] (CIL V 8972), der andere a consiliis sacris (Dessau 1214). Dieser letztere ist vorher Advocat gewesen, woraus man sieht, dass Rechtskenntnis für das Amt erforderlich ist. Er steigt vom sexagenarius a consiliis sacris zum ducenarius a consiliis auf, was wohl nur eine Erhöhung des Ranges und Gehaltes, keine Änderung in den Amtspflichten bedeutet. Nachdem er dann zwei kaiserliche Canzleien als Magister geleitet hat, wird er vicarius a consiliis sacris, was wahrscheinlich bedeutet, dass er bei Abwesenheit der Gardepraefecten den Vorsitz im C. für sie zu übernehmen hat.

Als Constantin die Comitiva zu neuem Leben erweckte (s. o. S. 629ff.), erhielt das C. auch eine dauernde Zusammensetzung; denn wahrscheinlich wurden anfangs alle Comites, solange sie sich in der Umgebung des Kaisers aufhielten, regelmässig zu seinen Beratungen herangezogen. Da aber Constantin mit der Verleihung des Comestitels immer freigebiger wurde, schloss sich der Kreis der comites consistoriani, d. h. der ständigen Mitglieder des Kronrats, nicht nur gegen diejenigen Comites ab, die gar nicht am Hofe weilten, sondern auch gegen die militärischen Begleiter des Kaisers (Ammian. XV 5, 12. 6, 1). Diese waren eben meist Barbaren, und man traute ihnen nur ausnahmsweise die Bildung zu, um bei den Rechtsfragen, die in den Verhandlungen des C. immer den meisten Raum einnahmen, ein sachverständiges Urteil zu fällen. Die vornehmsten comites consistoriani, die bei den Beratungen regelmässig anwesend sein müssen, sind der Quaestor, der ungefähr dem Justizminister entsprach (Cod. Theod. XI 39, 5. Dessau 1255. Ammian. XXVIII 1, 25. Symm. epist. I 23, 3), der Magister officiorum, dem alle kaiserlichen Canzleien untergeben waren (Cod. Theod. XI 39, 5. Ammian. XV 5, 12. Cassiod. var. VI 6, 2) und die Vorsteher der Finanzen und der Domänen, der comes sacrarum largitionum und der comes rerum privatarum (Cod. Theod. VI 30, 1. 4. XI 39, 5). Vgl. Comes consistorianus, o. S. 644ff.

Im Laufe des 4. Jhdts. gestaltet sich dann die Thätigkeit des C. folgendermassen. In ihm werden alle Angelegenheiten beraten, die der Kaiser nicht durch seine Beamten erledigen lässt, sondern seiner eigenen Entscheidung vorbehält. Es kann daher den Caesaren ebenso wenig fehlen, wie den Augusti (Amm. XIV 7, 11), und muss den Kaiser überall, auch wenn er im Felde steht, begleiten. Als z. B. Valens bei Adrianopel gegen die Gothen kämpft, befinden sich der Praefectus praetorio und die Comites consistoriani, die als Civilpersonen in das Schlachtgetümmel nicht hineingehören, mit dem Kronschatz in der benachbarten Stadt (Ammian. XXXI 12, 10). In ihrer Gegenwart und unter ihrem Beirat empfängt der Kaiser Gesandtschaften (Ammian. XXVIII 1, 25. Ambros. epist. 24. 2ff. Cod. Theod. XII 12. 8. 10. 16) lässt Bittschriften und sonstige Eingaben verlesen und prüfen (Const. Sirm. 3), Verwaltungsfragen entscheiden (Cod. Theod. I 22, 4). über die Wehrkraft des Reiches beschliessen (Nov. Theod. 24, 5) und die Gesetzgebung vorbereiten (Cod. Iust. I 14, 8). Unter den Mitarbeitern am Codex Theodosianus spielen daher die Comites consistoriani eine hervorragende Rolle (Cod. Theod. I 1, 6 § 2. Nov. Theod. [932] 1, 7). Vor allem aber werden im C. Processe zur Entscheidung gebracht, teils in erster und letzter Instanz, teils auch auf Appelation, und zwar sowohl criminelle, namentlich wenn Hochverrat in Frage kommt (Ammian. XV 5, 5. 12. 18), als auch civile (Nov. Iust. 23, 2. 62, 1, 2. Cod. Iust. VII 63, 5 § 3). Die Aussprüche, welche der Kaiser in solchen Fragen mündlich im C. thut, haben gleiche Rechtskraft, wie die Rescripte der früheren Zeit, und Protocollauszüge darüber werden als Rechtsquellen veröffentlicht (Cod. Iust. IX 47, 12. Cod. Theod. I 22, 4. IV 20, 3. VIII 15, 1. XI 39, 5. 8). Die Vorbereitung und das Referat für Anliegen von Gesandtschaften und andere Verwaltungssachen steht dem Magister officiorum zu (Ammian. XXVIII 6, 9. Nov. Theod. 24. 5), über Fragen der Justiz und Gesetzgebung wird wohl meist der Quaestor, über die Finanzen die comites sacrarum largitionum und rerum privatarum Vortrag gehalten haben. Auch die Vorsteher der kaiserlichen Scrinia und ihre Unterbeamten haben nicht selten im C. zu erscheinen und Bericht zu erstatten, obgleich sie nicht regelmässige Mitglieder desselben sind (Cod. Theod. VI 26, 5. XII 12, 10).

Auch sonst kommt es vor, dass ausserhalb des C. Stehende zu den Sitzungen desselben herangezogen werden; z. B. nehmen bei dem Hochverratsprocess gegen den Feldherrn Silvanus auch die militärischen Begleiter des Kaisers an den Beratungen teil (Ammian. XV 5, 5. 12). Denn natürlich kann dieser seinen Kronrat, wie ihm dies den Bedürfnissen zu entsprechen scheint, beliebig verstärken. Im allgemeinen aber herrscht die Tendenz, die heilige Scheu, die den Kaiser selbst umgiebt, auch auf seine persönlichen Berater auszudehnen und in diesem Sinne den Kreis derselben immer mehr abzuschliessen. An den weihevollen Geheimnissen (arcana) des C. teilnehmen zu dürfen, gilt als ein Vorzug, der jeden, dem er zu teil wird, hoch über alle gemeinen Sterblichen erhebt (Cod. Theod. VI 4, 28. 22, 8 § 1. 35, 7. Cassiod. var. VI 16, 1. Pacat. paneg. XII 15). In den Processen, die hier in so grosser Zahl entschieden wurden, scheint man daher selbst die Vertretung der Parteien durch Advocaten nur vorübergehend gestattet zu haben, da nur ein einziger Sachwalter um 376 beim C. nachweisbar ist (CIL VI 510). Die Einführung der Gesandtschaften, und wem sonst der Kaiser Gehör bewilligte, geschah mit höchster Feierlichkeit durch keine geringere Person als den Magister officiorum (Cassiod. var. VI 6, 2), und sogar die Subalternbeamten, die beim C. beschäftigt waren, wie die Notare als Protocollführer (Cod. Theod. VI 35, 7. 10, 2. Dessau 809. Cassiod. var. VI 16, 1. Apoll. Sid. carm. XXIII 216), die Decurionen der Silentiarii (Cod. Theod. VI 2, 21) wahrscheinlich als Thürsteher (Cod. Theod. VI 23, 4 § 2), wurden zu Leuten von hoher Macht und Würde. E. Cuq Mémoires de l’acad. d. inscript. ser. I tom. IX 311. C. G. Haubold Opuscula academica I 262. Mommsen Neues Archiv d. Gesellsch. f. ältere deutsche Geschichtskunde XIV 481; Röm. St.-R. II³ 988.