RE:Archilochos 2
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Lyriker und Iambograph im 7. Jh. v. Chr. | |||
Band II,1 (1895) S. 487–507 | |||
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2) Archilochos (Ἀρχίλοχος, vereinzelt auch Ἀρχέλοχος, s. Cram. Anecd. Par. IV 76, 13 u. A. zu frg. 39, oft verwechselt mit Ἀρχέλαος, , Αἴσχυλος u. ä., s. frg. 49. 23. 175. 199. Bergk PLG II 439), der Begründer der griechischen Lyrik.
Litteratur.
A. Aus dem Altertum: biographische Einzelheiten bei Kritias, Aelian v. h. X 13 (FHG II 70 frg. 12). Apollonios von Rhodos ἐν τῷ περὶ Ἀρχιλόχου (Athen. X 451 D, frg. 22 Mich.). Heraklides Ponticus περὶ Ὁμήρου καὶ Ἀρχιλόχου (s. FHG II 197 Anm. 2). Aristophanes von Byzanz ἐν τῷ περὶ τῆς ἀχνυμένης σκυτάλης (Athen. III 85 E F, ob eine Sonderabhandlung? s. Nauck Arist. frgm. p. 274); gründliche allgemeine Studien setzt das Geschmacksurteil des Aristophanes über A. voraus bei Cicero ad Att. XVI 11, 2. Aristarch, den Quintilian (X 1, 59) als Quelle für den Iambographenkanon (A. Semonides Hipponax) namhaft macht (Usener zu Dionys. de imit. p. 138 und d. Art. Iambographen) führte diese Studien weiter (Schneider De schol. Aristoph. font. 98, 1. Ἀρίσταρχος ἐν τοῖς Ἀρχιλοχείοις ὑπομνήμασι, Clem. Alex. Strom. I 388). Lysanias περὶ ἰαμβοποιῶν, Athen. VII 304 B. XI 504 B. XIV 620 C. Der Hesychartikel ist verloren gegangen; Niederschläge der (im Kern vielleicht mit dem βίος Ὁμήρου gleichaltrigen, [488] s. S. 505) biographischen Überlieferung besonders bei Athenaeus Aelian Plutarch Eusebios (Oinomaos περὶ χρηστηρίων frg. 14 p. 380 M.) Clemens Tatian. B. Moderne Arbeiten (abgesehen von den bekannten Literaturgeschichten): Archilochi frgm. coll. Liebel, Vindob. 1818 (wiederholt 1819), dazu die anregende Besprechung von Welcker Kl. Schr. I 72ff. Schneidewin Delect. p. 171ff.; massgebende Fragmentsammlung Bergks PLG II⁴ 383ff., vgl. Bergk Gr. Litt.-Gesch. II 181ff. Deuticke Archilocho Pario quid in Gr. litteris sit tribuendum, Hal. 1877. Flach Gr. Lyrik I 216ff. Duncker Gesch. d. Altert. V⁵ 496ff., zuletzt E. Meyer Gesch. des Altert. II § 300. 307. 370ff., bes. S. 467. 591f.
I. Chronologie.
(E. Rohde Rh. Mus. XXXIII 193–198). Die alten Ansätze schwanken erheblich. 1) A. lebte regnante Romulo nach Cicero Tusc. I 3 (Ol. 7–16 = 752–716). Thasos ist nach den Alten Ol. 18 (Xanthos) oder 16 (Dion.) besiedelt; wenn man A. als Erwachsenen an dem Zuge teilnehmen liess, kam man in der That bis in die Zeit des Romulus. Bergk Gr. Litt. II 181, 1. 2) Die biographische Überlieferung nahm Ol. 21, 4 = 693 für die Blüte an, s. Suid.-Hesych. s. Σιμωνίδης Ἀμοργῖνος (wo Semonides, der κατ’ Ἀρχίλοχον φέρεται nach Clemens, καὶ αὐτός auf dies Jahr gesetzt wird); ähnlich Tatian adv. Graecos 31 p. 124 Otto Ol. 23 (wo freilich, vermutlich auf Grund wirrer Hypothesen über die Kimmerierzüge, Homer zum Zeitgenossen des A. wird), Dionysios bei Clem. Alex. Strom. I 333 B. C Ἀρχίλοχον μετὰ τὴν εἰκοστὴν ἤδη γνωρίζεσθαι Ὀλυμπιάδα, vielleicht die Quelle für Hesych.-Suid. Vereinzelt steht die Notiz bei Euseb. chron. II 86, die A. unter Ol. 28, 4 = 665 erwähnt; sie hat nach Rohde keinen andern Grund, ‚als dass man den A., um der bei christlichen Chronographen so beliebten Herabdrückung der Zeiten der griechischen Kulturentwicklung willen, möglichst spät anzusetzen wünschte, nämlich auf die letzte Zeit des Gyges‘. Einen ähnlichen Ansatz muss freilich schon Cornelius Nepos (Apollodoros ?) gekannt haben, wenn er den A. unter Tullus Hostilius blühen lässt (Gell. XVII 21, 8 = frg. 4 p. 218 P.). Der Angelpunkt für die Berechnungen der Alten, wie wir sie am besten aus den Notizen bei Clemens kennen lernen, war die Colonisierung von Thasos. Man hat auch sie offenbar nur berechnen können: es fragt sich, wonach. v. Gutschmid (bei Rohde a. O. 195) vermutet, dass man einfach ausgegangen sei von ,der Beachtung des Regierungsanfangs des Gyges, unter welchem ja A. gelebt haben sollte‘. Die Litterarhistoriker (vor allem Dionysius bei Clem. a. a. O., FHG IV 396) haben dann offenbar die Folgerung wieder als Thatsache genommen und darauf weiter gebaut; es ist ein richtiger Circulus vitiosus. Auch mit den relativen Ansätzen (vor oder nach Terpander und Kallinos, s. Phanias frg. 18, FHG II 249. Glaukos frg. 2, FHG II 23 u. A., unten S. 503 und die Artikel Kallinos und Terpandros) ist nichts gewonnen. Wir haben uns also von diesen alten Berechnungen zu emancipieren und die Anhaltspunkte in den Fragmenten von neuem zu verwerten. Von der Gründung der Colonie in Thasos wird man am besten absehen; wir wissen weder, auf welches Jahr sie fiel, noch ob A. gleich mitzog, [489] s. unten II. Die Katastrophe Magnesias (Μαγνήτων κακά frg. 20) ist ebenso wenig genau bestimmbar, vgl. den Artikel Kallinos. Festzuhalten ist folgendes:
1) Frg. 25f. wird Gyges erwähnt (οὔ μοι τὰ Γύγεω τοῦ πολυχρύσου μέλει). Die später, eben durch A., sprichwörtlich gewordene Wendung wird schwerlich schon hier überkommene Phrase sein. Man darf also wohl schliessen, dass A. Zeitgenosse des Gyges war, und hat schon im Altertum so geschlossen; Herod. I 12 Γύγης· τοῦ καὶ Ἀρχίλοχος ὁ Πάριος, κατὰ τὸν αὐτὸν χρόνον γενόμενος, ἐν ἰάμβῳ τριμέτρῳ ἐπεμνήσθη: Worte, die, schwerlich mit Recht, seit Wesseling, als Interpolation betrachtet werden; schon die alten Grammatiker (s. Iuba bei Rufin. p. 386) haben sie gelesen. Die Alten schieben Gyges meist zu hoch hinauf (Ol. 16 bis 26, s. E. Meyer a. O.); v. Gutschmid nahm 698–663 als Regierungszeit an, Gelzer-Duncker 689–653; in die erste Hälfte des 7. Jhdts. mag er gehören. Verschwiegen werden darf nicht, dass A. nach Iuba bei Rufin. p. 386 (563 K.) Gygae fabulam optime complexus est. Wenn dies Zeugnis, dem Bergk PLG II 390 seinen Glauben versagt, wörtlich zu nehmen wäre, müsste A. das Gygesmärchen berichtet, also schon eine ausgeführte Überlieferung über Gyges vorgefunden haben, d. h. erheblich jünger gewesen sein. Man würde dann lieber glauben, dass aus der vorher angeführten Herodotstelle ein Fehlschluss gezogen sei. Aber fabula bedeutet hier möglicherweise nichts anderes, als ,Geschichte‘. Nun wird bei Nikolaos von Damaskos 62, FHG III 395 (vgl. Suid. s. Μάγνης) ein Dichter Μάγνης (d. h. der Magnesier) als üppiger Weiberheld und Cinaede geschildert, ganz im Geiste des A.; Gyges, sein ἐραστής, habe, um ihn zu rächen, Magnesia niedergeworfen. Wirklich scheint A. die Quelle des Nikolaos zu sein; er wird den magnesischen Zunftgenossen verspottet haben (unten S. 501), wie er ja auch von den Μαγνήτων κακά redet (frg. 20). Alles zusammengenommen darf man A. als jüngeren Zeitgenossen des Gyges betrachten.
2) Frg. 74 wird eine (trotz O. Immisch Philol. XLIX 201) wahrscheinlich vom Dichter beobachtete Sonnenfinsternis erwähnt, bei der Zeus ἐκ μεσημβρίης ἔθηκε νύκτ’ ἀποκρύψας φάος ἡλίου λάμποντος. Die für Thasos und Paros von 720 bis 620 sichtbaren Sonnenfinsternisse hat Oppolzer berechnet (Syzygientafeln für den Mond, Wien 1883, vgl. Zeitschr. f. österr. Gymn. XXXIV 1883, 421); unter den oben erschlossenen Voraussetzungen hat die vom 5. April 648 weitaus am meisten Wahrscheinlichkeit. Man hat dagegen geltend gemacht, dass Duncker a. O. 502 den A. schon 660 (in früheren Auflagen gar schon 670) sterben lasse. Dies Datum gehört aber zu den völlig willkürlich aus der Luft gegriffenen Ansätzen, an denen Dunckers Buch nicht gerade arm ist, und kann gegenüber der Untersuchung Oppolzers nicht in die Wage fallen.
3) A. kann nicht alt geworden sein; nach der schwerlich ganz unzuverlässigen Überlieferung ist er als Landsknecht gestorben, und, was wichtiger ist, seine Dichtungen athmen durchweg einen ungestümen jugendlichen Geist. Die unkritische Vermittlungspolitik älterer Gelehrter, die den A. steinalt werden lassen, nur um alle Ansätze der [490] Alten beibehalten zu können (am schlimmsten Hartung), hält schon vor dieser einfachen Überlegung nicht Stand. Man wird hiernach die Blüte des A. eben auf 648, seine Lebenszeit etwa zwischen 680 und 640 ansetzen müssen. Über sein Verhältnis zu Kallinos s. unten S. 503.
II Herkunft und Schicksale.
Paus. X 28, 3: οἱ δὲ ἐπιβεβηκότες τῆς νεὼς (des Totenschiffs in der Nekyia des Polygnot) οὐκ ἐπιφανεῖς ἐς ἅπαν εἰσὶν οἷς προσήκουσι· Τέλλις μὲν ἡλικίαν ἐφήβου γεγονὼς φαίνεται, Κλεοβοία δὲ ἔτι παρθένος, ἔχει δὲ ἐν τοῖς γόνασι κιβωτὸν ὁποίας ποιεῖσθαι νομίζουσι Δήμητρι· ἐς μὲν δὴ τὸν Τέλλιν τοσοῦτον ἤκουσα, ὡς ὁ ποιητὴς Ἀρχίλοχος ἀπόγονος εἴη τρίτος Τέλλιδος· Κλεοβοίαν δὲ ἐς Θάσον τὰ ὄργια τῆς Δήμητρος ἐνεγκεῖν πρῶτην ἐκ Πάρου φασίν. Polygnot von Thasos, ein halber Landsmann des A., will die Archegeten seiner Heimatsinsel in die vornehme Heroengesellschaft seiner Nekyia einführen; wie Kleoboia die Demeterorgien nach Thasos gebracht haben soll, so wird auch Tellis, dessen Name an die parischen τέλη erinnert, zu jenem parischen Priestergeschlecht gehören, das den Dienst der (kabirischen) Demeter versah (Steph. Byz. s. Πάρος. Antim. frg. 2 Bgk.; ähnlich Welcker Kl. Schr. V 134). Die heimische Überlieferung, der Polygnot hier zweifellos folgt, erscheint wesentlich umgestaltet in einer jungem mirakelreichen κτίσις von Paros, die bei Steph. Byz. s. Θάσος und besonders in der γοήτων φωρά (ἢ περὶ χρηστηρίων) des Oinomaos von Gadara, Euseb. praep. ev. V 33 p. 227. VI 7 p. 256, ausgeschrieben ist. Telesikles von Paros empfängt den Orakelspruch: ἄγγειλον Παρίοις, Τελεσίκλεες, ὥς σε κελεύω νήσῳ ἐν Ἠερίῃ κτίζειν εὐδείελον ἄστυ. Der Sohn des Telesikles ist A.; er enthüllt den Sinn des Spruches und führt mit dem Vater zusammen die Colonie nach Thasos. Apollon verkündet darob: ἀθάνατός σοι παῖς καὶ ἀοίδιμος, ὦ Τελεσίκλεις, ἔσσετ’ ἐν ἀνθρώποις u. s. w., wie er auch beim Tode τοῦ Τελεσικλείου παιδός wieder eingreift (s. u. S. 495). Dieser Telesikles ist offenbar ein Doppelgänger des polygnotischen Tellis (Τέλλις Kurzform zu Τελεσικλῆς). Dass A. mit dem priesterlichen κτίστης in verwandschaftlichem Zusammenhang stand, braucht nicht bezweifelt zu werden – der Dichter mag sich selbst als Τελεσικλείδης oder Τελεσίκλειος bezeichnet haben, was man auf den Vater wie auf den Grossvater beziehen konnte; in den parischen Iobakchen (die wohl auch bei Steph. Byz. s. Πάρος benützt sind und vielleicht Polygnot bekannt waren) kann von dem Priestergeschlecht die Rede gewesen sein (frg. 120f. p. 421). Auf alle Fälle lassen diese Überlieferungen darauf schliessen, dass A. von väterlicher Seite her zu dem priesterlichen Adel der besonders durch ihren Demeterkult berühmten Insel gehörte. Die Mutter des Dichters hiess nach seinem Selbstzeugnis Ἐνιπώ (Kritias frg. 149 p. 429) und war eine Sclavin (δούλη). Welcker a. O. 6f. 29 will das nur allegorisch verstanden wissen; Ἐνιπώ sei sozusagen eine Personification seiner Poesie, der Name verhalte sich zu Ἰάμβη wie ἐνίπτω zu ἰάπτω; A. habe damit die Abkunft der älteren Poeten von den Musen verspotten wollen. Aber dem A. ist der zweifelhafte Zusammenhang zwischen Ἴαμβος und ἰάπτω schwerlich in den Sinn gekommen; [491] auch ist Ἐνίπας ein inschriftlich nachweisbarer Name. Man wird an der Notiz festzuhalten haben.
A. war also ein Halbbürtiger vom Adel. Das wirft ein helles Schlaglicht auf seinen Charakter, seine Schicksale und seine Dichtungen. Es ist eine bewegte Zeit. Die kriegerische Aristokratie hat noch die alten Ansprüche; aber Handel und Gewerbe bringen auch den geringen Mann hoch; der Einzelne stellt sich auf sich selbst und lernt sich fühlen; man emancipiert sich von der Überlieferung in Sitte und Glauben. Wir stehen im Beginn der demokratischen Bewegung. Wie A. seiner Herkunft nach zu beiden Lagern gehört, so auch in seinem Wesen. Seine Poesie umfasst grössere Gegensätze, als die irgend eines andern Dichters der älteren Zeit. Neben vornehmer, ritterlicher, religiös gehobener Stimmung (besonders in den Elegien an Perikles und in den Tetrametern) stehen rücksichtslose Cynismen und revolutionäre Ausfälle auf den Adel und seine Vorurteile. Diese Zwiespältigkeit seiner Kunst entspricht seiner Herkunft.
Man hat vermutet, A. oder sein Vater möge in den Parteikämpfen das Vermögen verloren haben, wie Theognis und andere. Eine solche Erfahrung hätte wohl deutlichere Spuren in seinen Dichtungen und in unserer biographischen Überlieferung hinterlassen; ein früher (noch von Duncker a. O. 497) in diesem Sinne verwertetes Fragment (bei Bergk in der 3. Ausgabe p. 683) gehört in die Hekale des Kallimachos (frg. 66 e p. 211 Sch.) und die Bosheiten des Oinomaos bei Eusebios praep. ev. V 30 p. 225 (ἀποβαλόντι τὴν οὐσίαν ἐν πολιτικῇ φλυαρίᾳ) können kaum beim Worte genommen werden. Wir wissen nur, dass er seine Jugend auf Paros in spärlichen Verhältnissen verlebt hat (Pind. Pyth. II 52ff. ἐμὲ δὲ χρεὼν φεύγειν δάκος ἀδινὸν κακαγοριᾶν· εἶδον γὰρ ἑκὰς ἐὼν ταπόλλ’ ἐν ἀμαχανίᾳ ψογερὸν Ἀρχίλοχον κτλ.); der Halbbürtige hat das volle Erbe schwerlich angetreten. Für die Hauptthatsachen seines Lebens legen die Fragmente sicheres Zeugnis ab; als Faden, an dem sie aufzureihen sind, kann die aus dem Vollen geschöpfte Notiz des Kritias bei Aelian v. h. X 13 gelten (frg. 149 B.): αἰτιᾶται Κριτίας Ἀρχίλοχον, ὅτι κάκιστα ἑαυτὸν εἶπεν· ‚εἰ γὰρ μή‘ φησίν ἐκεῖνος, ‚τοιαύτην δόξαν ὑπὲρ ἑαυτοῦ ἐς τοὺς Ἕλληνας ἐξήνεγκεν, οὐκ ἂν ἐπυθόμεθα ἡμεῖς οὔτε ὅτι Ἐνιποῦς υἱὸς ἦν τῆς δούλης, οὔθ’ ὅτι καταλιπὼν Πάρον διὰ πενίαν καὶ ἀπορίαν ἦλθεν ἐς Θάσον, οὔθ’ ὅτι ὁμοίως τοὺς φίλους καὶ τοὺς ἐχθροὺς κακῶς ἔλεγε· πρὸς δὲ τούτοις’ ἦ δ’ ὃς (Kritias) ‚οὔτε ὅτι μοιχὸς ἦν ᾔδειμεν ἂν εἰ μὴ παρ’ αὐτοῦ μαθόντες, οὔτε ὅτι λάγνος καὶ ὑβριστής, καὶ τὸ ἔτι τούτων αἴσχιον, ὅτι τὴν ἀσπίδα ἀπέβαλεν· οὐκ ἀγαθὸς ἄρα ἦν ὁ Ἀ. μάρτυς ἑαυτῷ κτλ. Das Zeugnis des Kritias ist einseitig, aber schwerlich gefälscht. Bemerkenswert ist es zunächst, dass er den A. von Paros direct nach Thasos ziehen lässt; nach einer ziemlich allgemein gebilligten Ansicht ist der Dichter erst mit auswandernden Kolophoniern als Ansiedler an den Siris gezogen (Duncker a. O., auch E. Meyer § 307 S. 481. § 370 S. 584). Beweisen soll das frg. 21: Thasos ist kein καλὸς χῶρος ... οὔτ’ ἐρατός, οἷος ἀμφὶ Σίριος ῥοάς. Aber Unteritalien galt längst als Hesperidengarten und χώρα εὐδαιμόνων; die Stelle [492] ist zu vereinzelt (trügerisch ist Bergks Conjectur Λοκρίς p. 437) und zu allgemein gehalten, um so weitgehende Folgerungen zu gestatten. Doch ist es immerhin möglich, dass A. Unteritalien gekannt hat, wie Kreta und andere Inseln (frg. 133. 175); er muss schon vor seiner Übersiedelung nach Thasos Seereisen gemacht haben. Vgl. frg. 51 ἔα Πάρον καὶ σῦκα κεῖνα (vgl. frg. 194) καὶ θαλάσσιον βίον, nämlich (so pflegt man nach den umstehenden Fragmenten zu ergänzen) um nach Thasos auszuwandern. Der Dichter verrät hier, dass er zunächst in Handelsgeschäften (als συκέμπορος? Crusius Anal. ad paroem. 139) sein Glück versucht hat. Nun nimmt man gewöhnlich an, A. habe zu den ersten Ansiedlern der Insel Thasos gehört; so ausdrücklich E. Meyer a. O. § 300 S. 467, der gerade deshalb die Notiz über Telesikles als Oikisten verwirft. Man wird dafür schwerlich ein unzweideutiges Zeugnis aus den Fragmenten anführen können; Kritias fasste die Sache wohl anders auf, er stellt den Ankömmling in Gegensatz zu τοῖς ἐνταῦθα (in Thasos), und die oben angeführten Worte ἔα Πάρον κτλ. lässt der Dichter offenbar einen Versucher sprechen, der ihm Thasos mit seinen alten Bergwerken als ein wahres Kalifornien schildern mochte. In der von Oinomaos (Euseb. V 30 p. 226) benützten anekdotenhaften Mirakelgeschichte war es freilich der Gott von Delphi selbst, der Ἀρχιλόχῳ (so ist sicher für Ἀντιλόχῳ zu schreiben) τῷ Παρίῳ ἀποβαλόντι τὴν οὐσίαν ἐν πολιτικῇ φλυαρίᾳ nach Thasos überzusiedeln befahl. Jungen, wehrhaften Zuzug konnten die Colonisten in Thasos gebrauchen; sie suchten die gegenüberliegende Küste zu erobern und hatten mit den kriegerischen Saiern oder Sapaeern (wohl zu Σάβος, Σαβάζιος) manchen harten Kampf zu bestehen. Aus dieser Periode, wohl der ersten seiner Dichterthätigkeit, stammen zahlreiche Fragmente in Distichen und trochaeischen Tetrametern. Vgl. frg. 1, das schöne Motto ,Leyer und Schwert‘, frg. 2 kecke Verse, fortgebildet bei ,Hybrias‘ Skol. 28, frg. 4–7: Gelage auf der Feldwache; Saier brechen aus dem Busch, frg. 6, 1; die Thasier fliehen, A. lässt sein Schild im Stiche – eine berühmte, viel nachgebildete Stelle, s. Alk. frg. 32. Anakr. frg. 28 o. Bd. I S. 2036. Horat. c. II 7, 9. Ähnlich frg. 14 (unsicher, s. Hiller Praef. anth.⁴ p. VI). 56ff. In diesen Fragmenten klingt noch ein kecker, zuversichtlicher Ton. Aber das wird anders. In einem grösseren tetrametrischen Gedichte, aus dem uns der Anfang und mehrere Bruchstücke erhalten sind, beklagte sich A. vor den λιπερνῆτες πολῖται über das Elend, in das er geraten sei (frg. 50ff.); der Panhellenen Jammer ist in Thasos zusammengehäuft; der Stein des Tantalos hängt über der Insel. Auch bittere Iamben mit der gleichen Tendenz waren vorhanden, s. frg. 20ff., o. S. 491, 65. frg. 129. All diese Verse sehen durchaus nicht danach aus, als ob ihr Verfasser zu den Führern der Colonisten und geistigen Urhebern des Colonisationsplanes gehört hätte. Die Ansiedler auf Thasos hatten in der That einen schlimmen Stand; nicht nur mit den thrakischen Barbaren kamen sie in Conflict, sondern als sie Stryme in Besitz nehmen wollten, widersetzten sich auch die Einwohner vor Maroneia am Ismaros, Colonisten von Chios. [493] Es ist kaum zu bezweifeln, dass die soliden Partien der geschichtlichen Überlieferung von diesen Vorgängen aus den Dichtungen des A. losgebrochen sind, so Herodot VII 108; Philochoros bei Harpokr. s. Στρύμη, FHG I 404 (frg. 128, vgl. FHG II 197 Anm.) beruft sich ausdrücklich auf den Dichter (frg. 146). Von den Fragmenten lassen sich sonst noch hierher beziehen manche Tetrameter, besonders frg. 54f., nach Heraklides gedichtet ἐν τοῖς Θρᾳκικοῖς. In schlimmer Zeit findet der Dichter auch ernste Töne, die zur Ausdauer und zum Gottvertrauen mahnen, s. frg. 65. A. hat offenbar Thasos bald wieder verlassen. Kritias sagt, er sei den Thasiern verhasst geworden, weil er Freund und Feind mit Spott verfolgte. Der Spott in den Fragmenten aus dieser Zeit hat jedoch im ganzen einen humoristischen Anflug; zwar bleiben auch gute Freunde, wie Glaukos und Perikles, nicht ungeschoren (frg. 28. 54. 57), aber der Dichter neckt sie wegen harmloser, kleiner Schwächen.
Nach seinen thasischen Abenteuern soll der Dichter nach Sparta gekommen und wegen seiner Rhipsaspie ausgewiesen sein, s. Plut. inst. Lacon. 34 p. 239 B. Auch in Olympia lässt man ihn auftreten, s. Schol. Pind. Ol. IX 1 (Bergk p. 419). Aber auf diese offenbar erfundenen Anekdoten ist kein Verlass. Wir wissen nur, dass A. nach Paros zurückgekehrt ist; denn er soll an einem Kampfe mit den benachbarten Naxiern teilgenommen haben, s. u. S. 495. Möglicherweise gehört die grosse Elegie an seinen Schwager (Tzetz. zu frg. 22) Perikles in diese spätere Zeit (frg. 9ff.).
Der Mittelpunkt seines Lebens und Dichtens wurde die verhängnisvolle Leidenschaft zu Neobule (Neubule frg. 71 nach den besten Hss.), der Tochter des Pariers Lykambes. Man kann zweifeln, ob das Verhältnis mit ihr vor oder nach seinen Abenteuern auf Thasos fällt. Für spätere Abfassung spricht nicht sowohl das energische Selbstbewusstsein, das die einschlägigen Fragmente athmen, als ihre hohe künstlerische Vollendung. Zwar ist es noch nicht gelungen – und wird mit unserem Material kaum durchführbar sein –, dem Entwicklungsgange des Dichters Schritt für Schritt zu folgen. Aber schwerlich hat A. all die mannigfachen Formen, die wir unten kennen lernen werden, von Anfang an neben einander gehandhabt. Die iambisch-daktylischen Epoden sind die reichsten und kühnsten Bildungen; sie beziehen sich fast ausnahmslos auf Neobule, Lykambes und die Nebenbuhler des Dichters; das empfiehlt eine spätere Ansetzung des Verhältnisses. Auch hätte den Biographen die unglückliche Liebe ein passendes Motiv für die Auswanderung nach Thasos abgeben können; Kritias führt dafür aber nur die Dürftigkeit des A. an und kommt auf seine Liebeshändel erst später zu sprechen. Ein positives Anzeichen würde frg. 32 bieten, wenn die allgemein angenommene Deutung auf Neobule sicher wäre; A. spricht von zechenden Thrakern ganz so, als ob er sie aus eigener Anschauung kannte; das scheint auf seine thasischen Abenteuer zu deuten. Der Leidenschaft zu Neobule verdanken wir die lieblichsten, wie die herbsten und derbsten Verse des A.; es ist der erste Fall in der Litteratur der Griechen – vielleicht in der Weltliteratur –, dass die [494] ganze Scala dieser Empfindungen, vom ersten schüchternen Aufkeimen bis zum Umschlagen in Eifersucht und grimmigen Hass, zum Ausdruck kommt.
Lykambes, der Vater der Neobule, gehörte zum parischen Adel; das Patronymicum Δωτάδης, das er bei A. trug (Hesych. s. v., Bergk p. 411), ist schwerlich ein Spitzname, sondern wird mit dem Demeterkult der Insel zusammenhängen (vgl. Demeter Δώς im homerischen Hymnus und das dotische Gefilde als angebliche Heimstätte des Kultes). Aus frg. 28 (οἴην Λυκάμβεω παῖδα τὴν ὑπερτέρην) scheint sich zu ergeben, dass er zwei Töchter hatte; so hat auch Iulian Anth. Pal. VII 69 geschlossen, während Lentulus Gaetulicus (ebd. VII 71) die Zahl willkürlich auf drei steigert. Der älteren Tochter galt die Leidenschaft des Dichters (frg. 28); in anmutigster Weise wird das entscheidende Begegnen geschildert in den von Liebel (ähnlich wie von Synesios laud. calv. p. 75 B) und Duncker (a. a. O. 500) wunderlich missverstandenen Iamben frg. 29. 30; dass sie auf Neobule gehen, macht besonders die von Bergk nachgewiesene Lucianstelle (amor. 3) wahrscheinlich. Wahrhaft ergreifend spricht sich die elementare Gewalt leidenschaftlicher Sehnsucht noch in den spärlichen Trümmern der Epoden aus, frg. 84. 85; frg. 103 ist von Deuticke (a. a. O. 13) kaum mit Recht hierher gezogen. Auch frg. 71 könnte in diese Phase seiner Liebe gehören; schon die Hand der Neobule zu berühren, dünkt ihn köstlich; das brutale frg. 72 (von Elmsley schwerlich richtig mit dem vorhergehenden verbunden) ist eine bittere Selbstparodie, wie frg. 31 zu 30. Der Dichter hat zuerst Glück mit seiner Bewerbung; Neobule wird ihm verlobt. Aber die Armut und die nicht ganz ebenbürtige Herkunft des Bräutigams macht den Vater schwankend; ein reicherer, vornehmerer Mann – nach Bergk De rel. com. Att. 12 (vgl. Theokr. 14, 47) Leophilos (frg. 69) – nähert sich dem Mädchen; das alte Verlöbnis wird aufgelöst. Vgl. frg. 96 und 99, auch 93 (nach fab. Aes. 14 H. 143 Bodl. zu erklären und auf die Ungetreue zu beziehen). Die Fabel vom Fuchs und vom Adler (frg. 86ff.), die sich aus den Fragmenten und den Aesopea vollkommen herstellen lässt, war an Lykambes gerichtet, s. unten S. 501; sie stand wohl in demselben Iambos, aus dessen Anfang frg. 94ff. πάτερ Λυκάμβα ποῖον ἐφράσω τόδε; entlehnt sind. Ein Racheschwur frg. 27, vgl. 92. Auf den Adelsstolz des Lykambes und des Nebenbuhlers gingen die Fabeln vom Affen und Fuchs frg. 89ff., über die Bergk noch nicht ausreichend gehandelt hat. Die Geliebte und ihre Schwester werden schliesslich mit dem Nebenbuhler zusammen in den tiefsten Schmutz gezogen, frg. 32ff., zu ergänzen durch Dioskorides Anth. Pal. VII 351, 7ff.; auch das ekelhafte frg. 97 wird hierher gehören. Gerade gegen die Geliebte bricht der wildeste Ingrimm los; die Liebe schlägt um in Hass; in wahrhaft cynischer Weise wird ihre Ehre und ihr Ruf angegriffen, s. frg. 32ff. 100 (von Horaz benutzt). 133–139. 189, und dazu die Blütenlese bei Flach a. a. O. 238. Die Legende wusste, wie bei Hipponax, dass sich die Töchter des Lykambes aus Verzweiflung über diese Schande aufgehängt hätten; die ältesten Zeugen sind Horat. [495] epist. I 19, 30 (sponsae .. laqueam nectit) und wohl auch Dioskorides Anth. Pal. VII 351, wo freilich das Aufhängen nur von dem Lemmatisten erwähnt ist. Ähnlich Ovid. Ibis 54 tincta Lycambeo sanguine tela, daraus Martial VII 12, 6. Iulian. Anth. Pal. VII 69. Lentulus Gaetul. ebd. 71 (ἅμματα θυγατέρων). Vgl. Piccolomini Herm. XVIII 264ff. Der feste Punkt, an den sich diese Dichtungen ankristallisierten, war frg. 35 κύψαντες ὕβριν ἀθρόην ἀπέφλοσαν, bei Photios κύψαι· ἀντὶ τοῦ ἀπάγξασθαι. Natürlich heisst κύψαντες hier ,sich duckend‘, ,klein beigebend‘, wie bei Barbrius 5, 4; aber man scheute sich nicht, das Wort falsch zu deuten, um jenes Märchen von der Macht der Iambenpoesie herauszuspinnen. Thatsächlich beweist die Stelle das Gegenteil von dem, was sie der Gewährsmann des Photios (zuletzt wohl Didymos) beweisen lässt.
Es mögen solche fehlgeschlagenen Hoffnungen gewesen sein, die den A. wieder in den Krieg trieben. Frg. 24 (14) kann sich allerdings auf die thasischen Abenteuer beziehen, aber wenn in frg. 3 anschaulich und lebendig die ritterliche Kampfweise des δεσπόται Εὐβοίης δουρικλυτοί geschildert wird, so ist das (schon wegen ἔσσεται v. 3) keine blosse Vergleichung, kein blosses Gegenbild zu der heimtückischen Taktik der Saier, wie Liebel und Buchholz gemeint haben; der Dichter spricht offenbar ganz persönlich, er hat an dem Kriege zwischen Chalkis und Eretria auf Euboia, der die griechische Welt in zwei feindliche Heerlager schied, activ teilgenommen. Die Überlieferung über diese Ereignisse (Thukyd. I 15. Strab. X 448 u. a., s. Duncker 498ff. E. Meyer § 342 S. 539) wird vor allem aus diesen Gedichten geschöpft sein. Schliesslich fand der wehrhafte Dichter durch die Waffen einen rühmlichen Tod; denn dieser Kern wird in den wunderbaren Erzählungen von seinem Ende (Piccolomini Herm. XVIII 267) doch wohl stecken. Ein Naxier, Archias (Oenom. bei Euseb. V 33 p. 228) oder Kalondas, mit dem Beinamen Korax (nach Plutarch de ser. num. vind. 17 p. 560 und den meisten anderen) sollte ihn erschlagen haben, und zwar in redlichem Kampfe (χειρῶν νόμῳ, s. Herakl. polit. 8, FHG II 214. Aelian bei Suid. s. Ἀρχίλοχος, frg. 80 p. 225 H. Dio or. XXXIII p. 396. Aristid. II p. 297 J.), also wohl in einer Fehde zwischen den verschiedenen Parteien angehörigen Nachbarinseln. Als der Mörder nach Delphi kam, um die Pythia zu befragen, wurde er abgewiesen mit dem Spruche Μουσάων θεράποντα κατέκτανες, ἔξιθε νηοῦ (Galen. protr. 9. 10, ταῦτα δήπου τὰ θρυλούμενα nach Aelian, vgl. Hendess Oracula Graeca 54). Nach wiederholten Versuchen, den Gott milder zu stimmen, erhält er die Weisung, nach Tainaros zu ziehen, ἔνθα τέττιξ τέθαπται, καὶ μειλίξασθαι τὴν τοῦ Τελεσικλείου παιδὸς ψυχήν (Aelian. a. O., ähnlich bei Plutarch). Die erbauliche Erzählung gehört jener novellistischen Überlieferungsschicht an, in der A. ein besonderer Schützling und getreuer Knecht des delphischen Gottes ist, s. o. S. 490. Schon dadurch erweist sie sich als Dichtung. Sie ist in der That eine wandernde Legende, die z. B. auch von einem gemordeten sybaritischen Kitharoeden erzählt wird (Ael. var. hist. III 43). Auch hier scheint eine Dichterstelle dem luftigen [496] Legendengespinst als Anhalt gedient zu haben. A. nannte sich selbst einen τέττιξ (frg. 143); dem Erfinder der Mirakelgeschichte passte das gut in den Orakelton; er erinnerte sich an das Τέττιγος ἕδρανον Tainaros (Hesych. s. Τέττιγος), dessen Eponymos freilich als ein Kreter bezeichnet wird (Wide Lakon. Kulte 34), und damit war ein passender Ort für die Fabel gefunden, zumal man sich auch von einer Fahrt des A. nach Lakonien erzählte (o. S. 493). Alkidamas (Aristot. rhet. II 23 = frg. 4) wusste, wohl aus einem alten βίος, dass die Parier Ἀρχίλοχον καίπερ βλάσφημον ὄντα τετιμήκασι, wie die Chier Homer u. s. w.; man wird dem berühmten Landsmann einen Heroenkult gewidmet haben.
III. Dichtungen.
Die im Altertum umlaufenden Ausgaben fussten wohl auf der Arbeit des Aristophanes und Aristarch. Geordnet waren sie, wie die sapphischen und im wesentlichen wohl auch die alkaeischen Gedichte, nach formellen Gesichtspunkten. Das zeigen die Citate: 1) ἐν ἐλεγείοις frg. 4. 8. 2) den Ausdruck ἰάμβων gebraucht der Dichter selbst frg. 22, im allgemeinen, nicht technischen Sinne (καὶ μ’ οὔτ’ ἰάμβων οὔτε τερπωλέων μέλει); ἐν ἰάμβῳ οὗ ἀρχή heisst es in den Trimetern frg. 25 bei Aristoteles rhet. III 17, Ἀρχίλοχος τριμέτροις frg. 34 bei Harpokration (anders Herodot. I 12), ἐν ἰαμβείῳ ) Paus. VII 10, 6 frg. 49, ἐν τοῖς τριμέτροις frg. 48 (Eust.); 3) ebenso werden aber auch trochaeische Tetrameter mit τοῦδε τοῦ ἰάμβου frg. 55 (Clem. Alex.), ἐν τῷ ἰάμβῳ frg. 74 (Aristot. rhet. III 17) angeführt; mit ἐν τοῖς τετραμέτροις citiert Hephaestion frg. 79ff., daktylisch-iambische Langverse mit Binnenkatalexe (im Verzeichnis unten S. 498 nr. 8), stichisch gebraucht und von annähernd gleichem Umfang und Charakter, wie die Trochaeen; 4) ἐκ τῶν Ἀρχιλόχου ἐπῳδῶν frg. 91 Schol. Arist. Ach. 120, οὕτως εὖρον ἐν ὑπομνήματι ἐπῳδῶν Ἀρχιλόχου Etym. Flor. Miller Mélanges p. 179. Et. Gud. 305, 3 frg. 92, Ἀρχίλοχος ἐν ἐπῳδοῖς frg. 98, οἱ ἀρρενικῶς οὗτοι καλούμενοι ἐπῳδοί frg. 104 Hephaest. 129, Ἀ. ἐν ἐπῳδῇ Zenob. volg. V 68, Horaz dagegen bezeichnet seine Epoden als iambos carm. I 16, 3. 24; ep. 14, 7f.; epist. I 19, 23f; 5) ἀπὸ τοῦ ἐφυμνίου eines Herakleshynmus frg. 119 Aristid. Miller Mélanges p. 336 ἐν τοῖς ἀναφερομένοις εἰς Ἀρχίλοχον Ἰοβάκχοις frg. 120, παρ’ Ἀ. ἐν Ἰοβάκχοις frg. 121; dazu kommen die Epigramme frg. 17f., von denen frg. 19 (vgl. frg. 102. Alkman 27 B und Hiller Praef. Anth. p. VI) zu trennen ist. Von einem Sieg mit einem Demeterhymnus redet das Scholion zu Arist. Av. 1764. Die Sammlung zerfiel offenbar in drei Hauptteile: I) Elegeia; II) Ἴαμβοι, wie die älteren Zeugen zu citieren pflegen, in drei Gruppen, Trimeter, Tetrameter, Epoden; III. religiöse Dichtungen, zu denen noch manches kleine Bruchstück gehören mag (z. B. das mythische frg. 114; A. selbst rühmt sich frg. 76. 77 seiner Paeane und Dithyramben), dazu vielleicht Sepulcral- und Votivepigramme. Die beiden ersten Gruppen waren unbestritten echt; sie wurden durch Beziehungen auf die Person des Dichters zusammengehalten. Auch in der dritten Gruppe fanden sich, nach den erhaltenen Proben zu urteilen, merkwürdige alte Dichtungen. Dass sie meist in Paros entstanden waren, [497] machen mancherlei Localzeichen glaubhaft genug; es gab einen Kult des Herakles Kallinikos auf der Insel und die Demeter-Dionysosmysterien waren der Mittelpunkt ihres religiösen Lebens (frg. 119. 120f.); von dem Heratempel, aus dem frg. 18 stammt, hatte A. in dem Neobulecyklus gesprochen (Dioskor. Anth. VII 351, 8 οὔθ’ Ἥρης ἐν μεγάλῳ τεμένει), und die Frau, der frg. 17 gewidmet ist, stammt von dem benachbarten Naxos, das freilich später mit Paros verfeindet war. Aber das persönliche Gepräge fehlte; daher bezweifelte man schon im Altertum, dass A. der Verfasser dieser Dichtungen sei (Heph. 94); in der That mag das berühmte Gedichtbuch mancherlei verwandte Stücke ins Schlepptau genommen haben. Dass A., so sehr seine Dichtungen auf den lebendigen Vortrag berechnet sind, für sich und die Vortragenden den Text aufzeichnete, kann nicht bezweifelt werden, vgl. frg. 89, 2.
Wer sich die Kunst des Meisters näher bringen will, hat mit der Betrachtung seiner metrisch-rhythmischen Technik zu beginnen. Hauptstellen aus den Alten Plut. de mus. 28. Mar. Vict. IV 1, 17 p. 143. Von Neueren Liebel 23f. F. Ritschl Opuscula I 278ff. Deuticke 22ff. Christ Metrik 155. 300. 505. Rossbach Specielle Metrik 378ff. Usener Altgr. Versbau 111ff. 116f. A. benutzt zwar auch die alten daktylischen Reihen des γένος ἴσον; aber seine Hauptleistung ist die Durchbildung der vom Volksliede sicher schon angewandten iambisch-trochaeischen Masse. Das Gesetz der dipodischen Messung ist streng durchgeführt; Verstösse gegen das Porsonsche Gesetz sind nicht nachweisbar. Der Tetrameter – das metrum Archilochium nach Marius Vict. II 5, 8. III 14, 4 – wird durch den Einschnitt in die Mitte durchweg in zwei gleichwiegende Teile geteilt (Porson Praef. Hecub. p. XLIV). Die Gliederung ist fest und wird gern durch Sinnpausen, Antithesen, Anaphern und ähnliche Mittel hervorgehoben (Musterbeispiele frg. 58. 69. 70. 74). Ebenso regelmässig sind die Einschnitte des iambischen Trimeters; die Hauptcaesur ist die Penthemimeres, bei der sich eine lange Anfangssilbe einzustellen pflegt (Ähnliches auch in den lyrischen Trimetern Späterer, z. B. des Horaz carm. I 4), während bei der Hephthemimeres entschieden die Kürze vorherrscht: eine Erscheinung, die von Usener 104f. wohl richtig auf das Bestreben zurückgeführt ist, die beiden Teile des Verses annähernd gleichwertig zu gestalten. Der rhythmische Inhalt ist nach Usener in beiden Fällen folgender:
. Es entspricht das durchaus nicht der Vorstellung, die wir uns, nach alexandrinischem Vorgang, von den ‚schnellen Pfeilen‘ des A. zu machen pflegten, wird aber begreiflich, so bald man bedenkt, dass es sich im wesentlichen um gesungene Verse handelt; ebenso wird der lyrische Trimeter z. B. bei Horat. carm. I 4 behandelt. Neben dem gewöhnlichen τρίμετρος steht das ἀκέφαλον frg. 99, der katalektische Trimeter (unseren dramatischen Iamben ähnlich) frg. 101. 103, 2. 116. der iambische Dimeter frg. 84ff.
Neben diesen einfachen Versbildungen stehen compliciertere. Sie fallen zum Teil unter den Begriff der ἐπισύνθετοι, d. h. der zusammengesetzten Verse, in denen sich zwei Kola verschiedener Art, [498] Daktylen und Trochaeen, verbinden, zum Teil unter den Begriff der ἀσυνάρτητοι, d. h. der Verse mit Binnenkatalexe, deren erstes Kolon stets ein Wortende erheischt und unter Umständen die syllaba anceps zulässt (s. frg. 115, was Bergk nicht richtig beurteilt; die alte Asynartetenlehre hergestellt und ihren berechtigten Kern herausgeschält zu haben, ist das grosse Verdienst Westphals, zuletzt Theorie III 1, 1881, 349, s. Rh. Mus. XLIII 200). Diese Elemente werden meist zu kleinen Strophen zusammengefügt, die man ἐπῳδοί nannte, weil auf eine meist längere, zweigliedrige Reihe eine kürzere zu folgen pflegte; im Princip sind selbst die Tetrameter und Trimeter epodisch, vor allem aber das Distichon. Die bunte Fülle dieser Formen, die in den landläufigen Metriken auseinandergerissen wird, soll hier kurz verzeichnet werden. A. Bildungen ἐξ ὁμοίων a. Daktylen. 1) Das Distichon, der daktylische Hexameter + ἐλεγεῖον oder Pentameter (d. h. Hexameter mit Binnenkatalexe). 2) Hexameter + Penthemimeres (–◡◡–◡◡–), s. Horat. IV 7. Ter. Maur. 1807. 3) Hexameter + Tetram. daktyl. catal. (Archilochium) frg. 98. Horat. epod. 12; carm. I 7. b. Iamben. 4) Trimeter iamb. + Dimeter iamb. frg. 94. Horat. epod. 1–10. 5) Dimeter iamb. + Dim. troch. catal., d. h. ein asynartetischer, iambischer Tetrameter frg. 120, ähnliche Bildungen bei den attischen Komikern. B. ἡ εἰς τοὺς οὐχ ὁμογενεῖς ῥυθμοὺς ἔντασις a. Erstes Element daktylisch. 6) Hexameter daktyl. + Trim. iamb. s. Horat. epod. 16. 7) Hexam. daktyl. + Dimeter iamb. frg. 89. Horat. epod. 14. 15. 8) Paroemiacus (daktyl. Tripodie mit Anakr., logaoedenartig) + Ithyphallicus frg. 79ff. Aristoph. Wesp. 1528ff. (hier mit Freiheiten in der Caesur), stichisch gebraucht, b. Erstes Element iambisch. 9) Trim. iamb. + daktyl. penthemim. (–◡◡–◡◡–) frg. 104. c. Die reichsten Formen, mit drei und vier Elementen. 10) Hexam. + Dimeter iamb. und penthem. daktyl. (Iambelegus) Horat. epod. 13 (archilochisch nach Servius p. 377). 11) Trimeter iamb. + penthem. daktyl. und dim. iamb. (Elegiambus) frg. 85. Horat. epod. 11. 12) Tetrap. daktyl. (syll. anc. frg. 115) und Dim. troch. catal. (Ithyphall.) + Trim. iamb. catal. (ithyphallische Clausel) frg. 100. 103. Vgl. Theocr. epigr. 18. Proodischen Bau haben manche (Christ Metrik 377) bei frg. 86 angenommen; diese Verse, in denen der Dimeter dem Trimeter vorangeht, haben sich aber wahrscheinlich an frg. 94 angeschlossen, wo die Reihenfolge die gewöhnliche ist. Die Sicherheit und Ungezwungenheit, mit der der Dichter all diese Formen handhabt, ist bewundernswert. Aber das Metrum ist für ihn nichts Äusserliches, mehr oder weniger Zufälliges, wie bei manchen spätem Versvirtuosen (oft auch bei Horaz); es ist Eins mit der Stimmung, der Aufgabe. Mit untrüglichem Stilgefühl versteht A. eine vollkommene Congruenz zwischen Form und Inhalt zu erreichen. Die Stücke in elegischem Mass sind teils threnetisch-paraenetisch – so die schöne Elegie an Perikles –, teils kriegerisch-sympotisch; der persönliche Spott, die ἰαμβικὴ ἰδέα, tritt hier ganz zurück: das einzige Fragment der Art (19) ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Der Elegie am nächsten steht der trochaeische Langvers. Der grössere Umfang lädt ein zur Ausführlichkeit. Das Lehrhafte beansprucht [499] in den Fragmenten einen breiten Raum (Bergk zu frg. 60 und Litt.-Gesch. II 188, 29. Schol. Heph. p. 169 G.), s. frg. 50f. 54ff. 66. 70. 74; religiös gestimmt sind frg. 75ff., lyrisch frg. 61. 71. Die Kritik richtet sich besonders auf Verhältnisse (frg. 50ff.), die wenigen polemischen Stücke haben behaglich-humoristische Färbung (frg. 57. 58, auch 69 ist recht zahm); am schärfsten klingt das Motto der Iambenpoesie frg. 65 τὸν κακῶς με δρῶντα δέννοις (so nach Herond. VII 104 R. Herzog) ἀνταμείβεσθαι κακοῖς. Ganz anders der iambische Trimeter. In diesen wuchtigen, knappen Versen schreitet der Dichter zum directen Angriff auf Zustände und Personen, besonders auf Neobule und Lykambes. Und auch in dem universalsten Organ, das sich A. durch eine Combination jener Elemente geschaffen hat, in den Epoden, scheint jeder einzelne Rhythmus seinen Charakter zu behaupten; frg. 84f., mit herrschenden Daktylen (o. nr. 7. 11f.), geben der Liebessehnsucht ergreifenden Ausdruck; man wird an die Aiolier und Ibykos erinnert. Frg. 94f. 86ff., Trimeter und Dimeter, sind Hiebe und Stiche für die Treulosen. Logaoedenartig und tänzelnd wirken die daktylisch-iambischen Asynarteten frg. 79ff. (nr. 8); der Dichter will darin zur Ergötzung des Hörers ein χρῆμά τοι γελοῖον besprechen; denselben Charakter hat der Vers noch in der attischen Komoedie (Arist. Ach. 1230; Av. 1755; Lysistr. 1297; Vesp. 1518).
Diesem Reichtum der metrischen Formen entspricht die Fülle der sprachlichen Mittel. Hier, wie dort, sind es drei Factoren, die zusammenwirken: Homerisch-episches, Volkstümliches, Individuelles. Am meisten episches Gut ist naturgemäss mit dem epischen Versfuss in die Elegeia herübergenommen; manche Formeln und Cadenzen klingen ganz homerisch (vgl. z. B. frg. 9, 3. 11). Am volkstümlichsten und individuellsten sind die Trimeter gehalten; in ihnen schlägt zum ersten Mal ein lebendiger Dialekt, ohne eingreifende Stilisierung, an unser Ohr, vgl. Ahrens Über die Dialektmischung 60 = Kl. Schr. I 161. Doch wird man sich vor schablonenhaftem Uniformieren der Sprache hüten müssen. Auch in den Trimetern und Tetrametern wirkt das Epos noch vielfach nach (Deuticke 17; zu frg. 64 vgl. Odyss. XXII 112); in einem Götternamen vollends, an einer religiös gefärbten Stelle, ist die alte Form ganz sicher zu halten (frg. 77, 1 Διωνύσοιο ἄνακτος, bezweifelt von Sittl Gr. Litt. I 273 u. A.). Der Wortschatz geht weit über die epische Auslese hinaus. Zahlreiche neue Ausdrücke steigen aus dem Dunkel der Volkssprache empor (μύρον frg. 31, τυραννίς frg. 25 und viele κακέμφατα, Kephisod. Athen. III 122 B frg. 124. 184, s. Deuticke 18), andere schafft der Dichter selbst, ebenso kühn wie glücklich, meist mit humoristischem Pomp, wie seine Nachfolger, die attischen Komiker (frg. 57. 162. 194 συκοτραγίδης, ähnlich 79 u. ö.). Den wichtigen Terminus Πανέλληνες (frg. 52) scheint ältere genealogische Poesie gebildet zu haben. Den Gesamteindruck fasst ein altes, wohl auf Aristarch zurückgehendes Kunsturteil bei Quintil. X 1, 59 so zusammen: summa... vis elocutionis, cum validae tum breves vibrantesque sententiae, plurimum sanguinis atque nervorum. Dieser gedrängte, intensive Stil, zumal der Iamben und [500] Epoden, ist das Gegenteil von der behaglichen Breite des Epos; wenn der Ton einmal merklich abweicht, wie in den Worten des Charon frg. 25, so wird charakteristische Wirkung gesucht. Besonders lehrreich ist es, verwandte Stellen zu confrontieren, z. B. frg. 70 und Odyss. XVIII 135, frg. 85 und Hes. theog. 120f. Die Epitheta ornantia fehlen, pomphafte Umschreibungen sind durch den eigentlichen Ausdruck ersetzt; nur vereinzelt greift der Dichter an feierlich-gehobenen Stellen der Elegien und Tetrameter (frg. 11. 56, 2) zu den alten Künsten. Er verfügt ja selbst über ein ganzes Arsenal neuer rhetorisch-poetischer Mittel. Ungesucht bilden sich Klangfiguren – Anaphern, Homoioteleuta, Allitteration – und heben den Rhythmus des Verses oder der Gedanken, s. frg. 2. 25. 27. 56. 58. 69 (πολύπτωτον) u. s. w. Der eigentliche Ausdruck herrscht vor; wo sich bildliche Elemente finden, sind sie frisch und energisch. Metaphern z. B. frg. 9, 8 αἱματόεν ἕλκος. 23. 77. 84. 142; ausgeführte Vergleiche 19. 21. 93; ob die Verse vom herannahenden Sturm 54 von den Alten mit Recht ,allegorisch‘ gefasst sind, steht dahin (ein ähnliches Problem, wie bei Alk. 18, s. o. Bd. I S. 1504). Häufig sind, wie schon die Alten bemerkt haben, ironische Ausdrücke, vgl. frg. 7. 10, wohl auch frg. 133 νόμους δὲ Κρητικοὺς διδάσκεται (von einem Verspotteten). Treffliche Mittel zur Belebung des Vortrags bietet die volkstümliche Gnomik und Erzählungskunst, das Sprichwort, der Schwank und Verwandtes. Auf einen alten Lalenbürgerstrich wird sprichwörtlich in frg. 152 angespielt, auf den alten Scherz vom Herakles μελάμπυγος frg. 110, auf den Margites frg. 118. Mit besonderer Vorliebe wird die Tierfabel angewandt, vgl. die noch heute brauchbare Abhandlung von Huschke De fabulis Archilochi (am bequemsten erreichbar in den Aesopea von Furia I). Schneidewin Beiträge zur Kritik der Poet. Lyr. 95ff. Keller Z. Gesch. der gr. Fabel 383. Barbrius ed. Rutherford p. XXXI. Hauptstellen: Iulian or. VII 207 B. 227 A. Philostr. imag. I 3. Frg. 39. 86ff. Fuchs und Adler = Aesop. 1 H. Frg. 89 Fuchs und Affe = Babr. 81; s. Bergk p. 409 Anm. Aristides ὑπὲρ τῶν τεττάρων p. 307, 5 Affe als Tänzer, auf die Vorlage von Aesop. 360 H. (= Luc. Pisc. 36; Apol. 5. Greg. Nyss. de prof. Christi Vol. III p. 240 C) zu beziehen, s. Crusius Rh. Mus. XLIX 299ff. Frg. 90ff. der Affe als König = Aesop. 44 H. Zu frg. 131 vgl. Aesop. 183 H., frg. 107 und Babr. 95, 81. Einen Tierschwank, der in Priene spielt, scheint frg. 97 vorauszusetzen; auch andere altertümlichen localisierten Stücke der Aesopea mögen auf A. zurückgehen, vgl. Crusius De Babr. 202f. Die Art, wie A. die Tiertypen anwendet und ausführt, zeigt, dass er die Tierwelt gut beobachtet hat, s. Flach a. a. O. 248. Doch dient die Fabel dem Dichter, wie Hesiod, durchweg als Rüstzeug im Kampfe; um so bemerkenswerter ist die Lebendigkeit und Ausführlichkeit, mit der er diese Stücke behandelt hat, s. u. S. 501. Aber auch die alte Heldensage wurde herangezogen (vgl. frg. 41 + 147 Deianira und Nessos. 111. 119. 144 Herakles. 150), ebenso die heimische Legende (frg. 114 Koiranos, Ähnliches 145); wie solche Elemente im einfachen Liede verwendet werden konnten, zeigt Horat. carm. I 7; ep. [501] 13 (am Schluss Cheiron und Achill). In den Fragmenten aus der Tierfabel führen die Handelnden einen lebendigen Dialog. Auch sonst liess A. andere Personen sprechen, vgl. Aristot. rhet. III 17. So predigte Charon der τέκτων Bescheidenheit und Zufriedenheit (vielleicht hat der Heinische Schluss ebensowenig gefehlt, wie in dem verwandten Stücke bei Horaz epod. 2, vgl. Kiesslings Einleitung), und in dem Iambus, aus dem frg. 74 entlehnt ist, tadelt ein Vater seine Tochter, also wohl Lykambes Neobule (die erhaltenen Verse werden der Einleitung angehören). Über die Kunst der Composition im ganzen ist uns ein Urteil versagt, da kein Fragment den Umfang von zehn Versen übersteigt. Ps.-Longin. de sublim. 33, 5 gesteht zu, dass man bei A. πολλὰ καὶ ἀνοικονόμητα in den Kauf zu nehmen hat, aber stellt ihn doch wegen seiner Kraft und Genialität (τῆς ἐκβολῆς τοῦ δαιμονίου πνεύματος, ἣν ὑπὸ νόμον τάξαι δύσκολον) neben Homer; ‚je länger, desto besser‘ urteilt von seinen Iamben Aristophanes von Byzanz bei Cicero ad Att. XVI 11. Das umfänglichste Bild bieten die aus den späteren Nachahmern (Babr. Bodl. 139. Aesop. 1 H. Phaedr. I 26) zu ergänzenden Stücke der Fabel vom Fuchs und Adler (s. Schneidewin Beitr. z. Kritik der Poet. Lyr. 93ff.), die in folgender Anordnung aneinander zu reihen sind: I. frg. 86 Einleitung, vielleicht an frg. 94 anzuschliessen; vgl. Aristoph. Av. 649. II. frg. 38 (Schneidewin a. O. und Del. 96). III. Paraphr. χερσαία γὰρ οὖσα (ἡ ἀλώπηξ) πτηνὸν διώκειν ἠδυνάτει, s. Schol. Aristoph. Av. 649 und den Fluch frg. 109. IV. frg. 87 (Spott des Adlers). V. frg. 110 (der Fuchs warnt den Adler). VI. frg. 88 (pathetische Klagerede des Fuchses, s. Horat. epod. 6). VII. frg. 126 (die Strafe). VIII. aus dem Epilogus stammt vielleicht frg. 96, entsprechend frg. 94. Durch lebhafte dramatische Haltung und vornehm-natürliche Ausführung übertreffen diese Bruchstücke alle spätere Fabelpoesie; in den besten Stücken des Babrius, besonders dem hübschen Schwank vom Hirsch ohne Herz (95), wird der alte Meister auch stilistisch nachwirken.
Dass die Dichtungen des A. durchaus auf den lebendigen Vortrag berechnet waren, bedarf nicht des Beweises. Der Dichter tritt bei festlicher Gelegenheit (vgl. frg. 104) auf den Markt, in den Kreis seiner Mitbürger; vgl. frg. 50 ὦ λιπερνῆτες πολῖται. Meist werden einzelne Personen aufs Korn genommen, wie in der attischen Komödie: Aisimides (wohl Spitzname) frg. 8, Glaukos frg. 57 (sein guter Freund nach frg. 54), ein Feldherr frg. 58, Erxies frg. 60. 162, Leophilos frg. 69, Perikles frg. 78 (vgl. frg. 4), Charilaos frg. 79ff., Lykambes 94ff. u. ö., ‚Batusiades‘ frg. 104, Myklos frg. 183 (ein Spitzname, nach Kallim., d. h. Archil., frg. 180 wohl der bei Nikol. FHG III 395 als Zeitgenosse des Gyges erwähnte Magnes). Dergleichen mag bei den τωθασμοί des parischen Faschings im Demeter-Dionysoskult gesungen sein, s. u. S. 504. Vgl. Lucian. Pseudolog. 1. Aristid. II 380 οὐδ’ Ἀ. τοὺς ἀρίστους ... ἔλεγε κακῶς, ἀλλὰ Λυκάμβην, Χειλόν (χειδόν vulg., Φεῖδον Meineke, Χαρίλαον Bergk p. 415) καὶ τὸν δεῖνα τὸν μάντιν καὶ τὸν Περικλέα τὸν καθ’ αὑτόν κτλ. Meineke Com. II 585. Manches war wohl fürs Gelage und den Komos bestimmt, [502] besonders von den kriegerischen Distichen und den Tetrametern; frg. 77 rühmt sich A., dass er es versteht, des Dionysos schönes Lied anzustimmen (ἐξάρξαι), den Dithyrambos, οἴνῳ συγκεραυνωθεὶς φρένας; hier ist der Dichter Vorsänger, und die Komasten stimmen ein, wie bei dem Herakleshymnus nach Eratosthenes (Schol. Pind. Ol. IV 1, s. Bergk p. 419). Anderes macht den Eindruck eines echten Liedes, das der Dichter singt, um seine Seele zu erleichtern; vgl. frg. 84f., auch die Elegie an Perikles. Seiner Gesangeskunst gedenkt der Dichter selbst frg. 76. 77, und so wird er in dem schönen Epigramm Anth. Pal. VII 664 (,Theokr.‘ 19) charakterisiert als ἐμμελής τε κἠπιδέξιος ἔπεά τε ποιεῖν πρὸς λύραν τ’ ἀείδειν. Die Hauptstelle über die musikalischen Neuerungen des A. steht im 28. Cap. des plutarchischen Musikdialogs: Ἀρχίλοχος ... προσεξεῦρε ... τὴν παρακαταλογὴν καὶ τὴν περὶ ταῦτα κροῦσιν ... ἔτι δὲ τῶν ἰαμβείων τὰ μὲν λέγεσθαι παρὰ τὴν κροῦσιν, τὰ δὲ ᾄδεσθαι Ἀρχίλοχόν φασι καταδεῖξαι, εἴθ’ οὕτω χρήσασθαι τοὺς τραγικοὺς ποιητάς ... οἴονται δὲ καὶ τὴν κροῦσιν τὴν ὑπὸ τὴν ᾠδὴν τοῦτον πρῶτον εὑρεῖν, τοὺς δ’ ἀρχαίους πρόσχορδα κρούειν. Vgl. Westphal Griechische Rhythmik³ 55f.; Gr. Musik³ 32f. Christ Metrik 675ff. Zielinski Gliederung der Komödie 313. Nach G. Hermann Elem. 751; Epit. § 53. 268 ist die Parakataloge Recitativ; nach Westphal u. a. wird der Terminus durch die folgenden Worte τὰ μὲν λέγεσθαι κτλ. erklärt, so dass Parakataloge = Melodram wäre. Zielinski greift auf die ältere Erklärung zurück, und in der That erklärt sich das Wort so vortrefflich (vgl. πάρισος u. ä.). Unzweifelhaft wird dem A. hier heterophone Begleitung zugeschrieben, wie wir sie jetzt an dem Wiener Fragmente euripideischer Musik kennen gelernt haben (Philol. LII 175). Von den Instrumenten weiss Phillis (Aristoxenos) bei Athenaeus XIV 636 B zu erzählen: ἐν οἷς ... τοὺς ἰάμβου ᾖδον ἰαμβύκας ἐκάλουν, ἐν οἷς δὲ παρελογίζοντο (παρακατελογίζετο G. Hermann) τὰ ἐν τοῖς μέτροις κλεψιάμβους. A. selbst erwähnt wiederholt die Flöte, frg. 123 ᾄδων ὑπ’ αὐλητῆρος, frg. 76 αὐτὸς ἐξάρχων πρὸς αὐλὸν Λέσβιον παιήονα, frg. 172 κεραυλής. Das ständige Begleitinstrument der Elegie war bekanntlich auch später die Flöte (Theogn. 241 u. a.). Die wirklich für den Gesang bestimmten Gedichte werden von der Flöte begleitet sein. Das ist wichtig und fruchtbar. Fein bemerkt Usener a. O. 117: ,Der geschlagene Ton hat keine Dauer ... Die feste Regelung des musikalischen Taktes kam wohl erst mit den Dauertönen der Blasinstrumente, wurde wenigstens erst durch sie zu einer unabweisbaren Pflicht der musikalischen Künstler‘.
Das Bild des A., wie es im späteren Altertum besonders die Epigrammenpoesie und nach ihrer Vorlage die meisten neuern Litterarhistoriker gezeichnet haben, ist einseitig beleuchtet und karikiert. A. ist nicht Iambograph in dem engen Sinne, den dies Wort im spätem Altertum hat; er ist nicht nur der rücksichtslose Spötter (in diesem Sinne sprichwörtlich Archilochia edicta Cicero ad Att. II 20, 6. 21, 4, Ἀρχίλοχον πατεῖς Ps.-Diogen. II 95. Eustath. Com. ad. 798 K., νέος Ἀρχίλοχος Athen. XI 505 E. Anth. Pal. IX 185). Ebenso gut trifft er den Ton schlichter, echter Empfindung und leidenschaftlicher Hingabe; er [503] ist der erste Liedersänger der Alten, der Begründer der griechischen Lyrik.
IV. Geschichtliche Stellung. Vorläufer und Nachfolger; Nachleben.
Die litterar-geschichtlichen Fragen, die sich an den grossen Reformator anknüpfen, haben wir schon in der oben gegebenen Darstellung gelegentlich gestreift. Hier sollen sie, soweit es angeht, nach rück- und nach vorwärts verfolgt werden. Welche litterarischen Werke haben auf A. eine Wirkung ausgeübt? Voran die epische Poesie in weitestem Umfange, ausser dem Heldenepos (einige Beobachtungen in den Excerpten περὶ κλοπῆς bei Clem. Alex. Strom. VI, s. frg. 55. 64. 73) kleinere Dichtungen, die seiner Sinnesart besonders entgegenkamen. Ein wirklicher Vorgänger des A. ist Hesiod; seine Mahnlieder an Perses sind ein echter Iambos ohne iambische Form; auch mit dem gnomischen Element dieser Poesie hat A. Fühlung; es ist wunderlich genug, dass diese Thatsache in mancher modernen Litteraturgeschichte nicht zum Ausdruck kommt (s. Litt. Centralbl. 1889, 985). Kenntnis der genealogischen Gedichte verrät frg. 52. Ausserdem kannte A. zahlreiche kleine Epyllien, in denen der Bann epischer Feierlichkeit bereits gebrochen ist; in dem Kerkopengedichte (frg. 110), wie im Margites (frg. 118 und 153) herrschte Witz und Humor, und selbst die derbe Zote kam zu Worte. Auch eine reiche Fabel- und Schwankpoesie fand A. vor. Das sind lauter Elemente, an die seine Rügelieder anknüpfen konnten. Aber nur die formellen Neuerungen waren in der ionischen Dichtung schon vorbereitet. Im Margites (Kinkel Epic. frg. p. 64) pflegte, ohne bestimmte Regel, auf eine Reihe von Hexametern ein Trimeter zu folgen; das von Hiller (Jahrb. f. Philol. 1888, 19) verdächtigte Einleitungsstück ist echt (gerade auf ihm basiert der von A. geteilte Glaube des Altertums, dass Homer der Verfasser sei), und einen zweiten Trimeter aus dem Margites citiert Zenobios (V 68 volg.). Man kann damit die Freiheit vergleichen, mit der besonders auf Inschriften ein Pentameter nach mehreren Hexametern eingefügt wird. A. hat also einen künstlerisch normierten iambischen Trimeter bereits ererbt. Aber auch das Princip der epodischen Composition ist in der kecken, eigenartigen Anlage des Margites schon gegeben; A. regelt nur mit fester Hand die Abfolge der Elemente, wohl mit Rücksicht auf eine feiner durchgebildete musikalische Unterlage, ein wirkliches μέλος, das regelmässige, strophenartige Abschnitte verlangte. Dass der Elegiker Kallinos zu den Vorgängern des A. gehörte, ist eine heute weitverbreitete Schulmeinung. Im Altertum zauderte man mit der Entscheidung (Hor. a. p. 77. Didym. p. 387 Schm.); das Zeugnismaterial (eine Stelle des Kallinos schien auf ältere Verhältnisse Bezug zu nehmen, als eine analoge des A. und umgekehrt) hielt sich ziemlich die Wage, vgl. den Artikel Kallinos. Wer die epodische Composition und die Asynarteten im allgemeinen geregelt hat, wird auch für die Behandlung des Distichons massgebend gewesen sein. In diesem Sinne haben sich neuerdings unabhängig von einander Kiessling (Horaz I), Usener (Altgr. Versbau 114), Crusius (Centralbl. 1886, 1161. 1889, 985) ausgesprochen.
[504] Noch wichtiger sind für die Dichtung des A. die volkstümlichen Grundlagen. Der Dichter selbst spricht von seinen ‚Iamben‘, s. die Art. Iambe, Iambos, Iambographen. Der Name ist älter als er. Schon der homerische Demeterhymnus 202ff. setzt den Vortrag von derben Neckliedern als Festsitte im Demeterkult voraus, denn die Iambe-Episode soll sie als Prototyp begründen. Am besten lernen wir die Sitte kennen in der attischen Komödie. In den aristophanischen Fröschen wird eine Nachbildung der attischen Demetermysterien gegeben; Necklieder in iambischen Kurzversen, die in der Entwicklung vor dem Trimeter stehen, finden sich v. 384ff. 416ff. βούλεσθε δῆτα κοινῇ σκώψωμεν Ἀρχέδημον. Hier war jede Ausgelassenheit im Spott wie in der Zote zulässig, vgl. Aristot. polit. VII 15, 1336 b (Unanständiges ist zu verbannen, abgesehen vom Kult gewisser Gottheiten, οἷς καὶ τὸν τωθασμὸν ἀποδίδωσιν ὁ νόμος). Herod. V 83 (χόροι κέρτομοι in Aigina) u. a. Nun ist gerade Paros ein alter Sitz des Demeterkultes; A. selbst scheint zu einem priesterlichen Geschlecht gehört zu haben; Ἀρχίλοχος νικήσας ἐν Πάρῳ τὸν Δήμητρος ὕμνον weiss das Schol. Arist. Av. 1764 zu berichten. Der Dichter hat offenbar die αὐτοσχεδιάσματα der heimischen Demeter- und Dionysosfeste (frg. 9) zu einer festen Kunstform durchgebildet. So erklärt sich hier, wie in der attischen Komödie, die αἰσχρολογία und die Rücksichtslosigkeit der κακοὶ δέννοι (frg. 65, vgl. Herond. VII 104), mit denen der Dichter allbekannte Personen angreift. In dieser Form war man dergleichen gewohnt; die Religion hatte es sanctioniert. Ähnliche Combinationen schon bei O. Müller Litt.-Gesch. I 238, gegen den Bernhardy Litt.-Gesch. II 425 (492) ebenso kurzsichtig wie hochfahrend polemisiert hat. Die ernste Elegie könnte man in derselben Weise mit der Trauerfeier im Demeterkulte (die parischen Priester hatten die suchende Göttin getröstet) in Zusammenhang bringen, doch bleibt das durchaus problematisch, s. den Art. Elegie. Auf ähnliche Anregungen weist A. selbst wiederholt hin; frg. 77: ὡς Διωνύσοι’ ἄνακτος καλὸν ἐξάρξαι μέλος οἶδα διθύραμβον: er hat das Wort und die Sitte nicht geschaffen, sondern vorgefunden. Frg. 76 αὐτὸς ἐξάρχων πρὸς αὐλὸν Λέσβιον παιήονα; hiernach hat er selbst aus der Quelle des altberühmten lesbischen Gesanges (Sappho frg. 92, der Λέσβιος ᾠδὸς ist sprichwörtlich) geschöpft, dessen namhafte Vertreter erst nach ihm und unter seinem Einflusse gewirkt haben. A. hat also das volkstümliche, sangbare Lied künstlerisch weitergebildet und in die ionische Litteratur eingeführt als selbständige, dem Epos ebenbürtige Gattung. So spärlich unser Material ist: es genügt, um zu zeigen, dass auch A. nicht aus dem Nichts geschaffen hat, sondern die Arbeit von Generationen zusammenfasst und abschliesst.
Deutlicher sind die Spuren die nach vorwärts führen (vgl. Deuticke 56ff.). Der Einfluss des Dichters auf die Folgezeit ist unberechenbar, nur mit dem Homers zu vergleichen, mit dem ihn die Alten auch zusammenzustellen pflegen, s. Heraklit bei Diog. Laert. IX 1. Herakleides o. S. 487, 52. Cic. orator 4. Vell. Pat. I 5. Antip. Thess. Anth. Pal. XI 20. Hadr. ebd. IX 674; was Aristarch bei Quint. X 1, 59 andeutet (ut videatur quibusdam, [505] quod quoquam [= Homer] minor est, materiae esse non ingenii vitium, s. Plut. de aud. poet. 13 p. 45 a), drückt Hadrian epigrammatisch aus. Eine Doppelherme zeigt auf der einen Seite den schönen Typus des ‚blinden Sängers‘, auf der andern hat Visconti (Icon. gr. pl. 2, 6) vielleicht mit Recht den A. erkannt, natürlich gleichfalls eine freie Schöpfung hellenistischer Kunst. Die zunftmässigen Recitatoren, die Rhapsoden, nahmen A. neben Homer in ihr Repertoir auf; sie vor allem waren es, die für die Verbreitung seiner Dichtungen über ganz Hellas sorgten. Nach Heraklit bei Diog. Laert. IX 1 sollten Homer und A. von den Agonen ausgeschlossen werden, und Simonides ὁ Ζακύνθιος ἐν τοῖς θεάτροις ἐπὶ δίφρου καθήμενος ἐραψώδει (τὰ Ἀρχιλόχου) nach Klearch bei Athen. XIV 620 C (= FHG II 321). In ionischen Rhapsodenkreisen mag auch die novellistisch zugestutzte Biographie entstanden sein, wie der βίος Ὁμήρου und ähnliches. Von Alkaios und Sappho nahmen die Alten – mit Recht – an, dass sie Nachfolger und Schüler des A. seien (Hauptstelle Horat. epist. I 19, 27f., ähnlich die Metriker); auch im einzelnen haben sie archilochische Wendungen und Motive übernommen und weiter gebildet, besonders Alkaios (o. S. 492), den Iulian (Misop. 337 A) mit A. zusammenstellt. Sehr begreiflich ist es, dass der Ionier Anakreon vielfach, über die Köpfe der Lesbier weg, auf seinen grossen Landsmann zurückgreift; sein berühmtes Spottlied auf Artemon klingt ganz archilochisch (o. Bd. I S. 2042). Solon, der Begründer des attischen Staates und der attischen Litteratur, schreibt Trimeter und Tetrameter im Stil des A., und die Meister der Chorlyrik greifen bei kleinern Aufgaben nach den alten ionischen Formen (s. z. B. Simon. Anth. Pal. XIII 26). Dass die attische Komödie von der ἰαμβικὴ ἰδέα ausgegangen ist und in A. ihren Archegeten zu sehen hat, verkündete schon Aristoteles in der Poetik und lehrte die hellenistische Wissenschaft (Hauptstellen Horat. sat. II 3, 12. Platonius proleg. de com. II). In der That knüpft sie an dieselben Momente der Dionysos-Demeterfeste an, wie A.; die Meister, welche die Improvisationen der ἐθελονταί künstlerisch weiterzubilden hatten, fanden in der stammverwandten, schon seit Solon eingebürgerten Lyrik des A. eine Fülle analoger Formen. Der Gesetzgeber des alten Stils, Kratinos, wies selbst in den Ἀρχίλοχοι auf sein grosses Vorbild hin (frg. 6 K. nennt er ihn τὴν Θασίαν ἅλμην) und parodierte gewisse archilochische Lieder, die also dem attischen Publicum geläufig gewesen sein müssen (frg. 10). Die lyrischen Masse des Aristophanes sind, soweit sie nicht unter den Gesichtspunkt der Parodie fallen, im Stile des A. gehalten; beste Zusammenstellung bei Zielinski Gliederung der attischen Komödie 318ff. Manche Lieder sind offenkundige Parodien nach A., s. Aristoph. Pac. 603 = frg. 50. Die verwandten Schöpfungen (Iamben) des Anakreon stellen zwischen der Kunst des A. und der Attiker den lebendigen Zusammenhang her, s. o. Bd. I S. 2043. 2045. Auch in der Sprache begegnen uns archilochische Elemente auf Schritt und Tritt, Anspielungen, Reminiscenzen (Lysistr. 1257, frg. 139), freie Weiterbildungen; die scherzhaften Patronymica z. B. sind in letzter Instanz archilochisch (übernommen ist Ἐρασμονίδη [506] Kratin. frg. 10). Selbst der strenge Platon citiert τὴν τοῦ σοφωτάτου Ἀ. ἀλώπεκα Rep. II 365 c mit Ehren. Dass A. von den Hellenisten als der erste Dichter seiner Gattung anerkannt und neben Homer gestellt wurde, haben wir oben gesehen. Sprache und Technik des alten Iambos wird auch von manchen Poeten (Kallimachos, Lykophron, s. v. Wilamowitz Eur. Herakl. I 136. Crusius Die Mim. des Herondas XXXII 2) wieder aufgenommen; den zahmen Ἴαμβοι des Kallimachos (vgl. frg. 37 a + Anth. Pal. IX 185. Dittrich Jahrb. f. Philol. CXLI 831) fehlt es doch nicht ganz an polemischen Spitzen (s. frg. 77, Callim. II 234 Schn.). Auch die ionischen Strophen, d. h. daktylisch-iambische ἐπῳδοί, sind nie ganz aus dem Gebrauch gekommen, vgl. Phalaikos Anth. Pal. XIII 27. Nikainetos ebd. XIII 29. Hegesippos XIII 12. VI 266. Inschrift von Syros bei Kaibel Epigr. gr. 211. So begreift man, dass noch Diphilos den A. als Liebhaber der Sappho und Rivalen des Hipponax auf die Bühne brachte, s. Athen. XIII 599 D. Meineke Hist. crit. 447.
Die Römer haben die Bekanntschaft mit A. lange vor Horaz gemacht. Zwar ob gewisse Anklänge in den Fragmenten des Ennius (vgl. z. B. frg. 144 p. 80 B. und Arch. frg. 94) durch wirkliche Benützung des A. hervorgerufen sind, mag man billig bezweifeln; möglich ist es immerhin bei der gründlichen griechischen Bildung des Halbgriechen. Sicher hat Lucilius den A. gekannt und gelesen, wie die alten Komiker; der Zusammenhang zwischen ihm und dem Iambus, von dem die alten Litteraturhistoriker reden, war wirklich vorhanden (Marx Stud. Lucil. 43. 46; citiert wird A. bei Lucil. frg. 655 Lachm. 529 B.), und Cato griff, als Scipio ihm die Braut entriss, zu demselben Mittel, wie A. τρέψας ἑαυτὸν εἰς ἰάμβους πολλὰ τὸν Σκηπίωνα καθύβρισε τῷ πικρῷ προσχρησάμενος τοῦ Ἀρχιλόχου, τὸ δ’ ἀκόλαστον ἀφεὶς καὶ παιδαριῶδες (Plut. Cat. min. 7). Auch in den Iamben der νεώτεροι, besonders des Catull, wirkt Geist und Technik des A. nach. Horaz hat die catullischen Spottgedichte gekannt und benutzt, wie Vergil in dem Katalepton (vgl. z. B. Epod. 17, 49 und Catull 42); er behauptet entschieden zu viel, wenn er Epist. I 19, 23 sagt: Parios ego primus iambos ostendi Latio. Immerhin war er wohl der erste, der die lyrischen Formen des A. in grösserem Umfange nachzuahmen suchte; gerade deshalb tritt vermutlich in den horazischen Iamben das Hauptmass, der Trimeter, ganz zurück (nur in dem halbdramatischen letzten Stücke, s. Crusius Die Mim. des Herondas XXXII 1), und wird der den Römern von alters her geläufige trochaeische Langvers gar nicht angewandt. Citiert wird A. Epod. 6, 13. Die geschraubten Bemerkungen Arnolds Die gr. Studien des Horaz, herausg. von Fries 74ff. sind gehaltlos und unfruchtbar; einige Nachweise im Commentar Kiesslings. Unter polemischen und satirischen Iamben stehen rein lyrische Stücke, bes. 13 (vgl. Carm. I 9). 14 (zum Eingang vgl. Archil. frg. 103); wir brauchen nicht anzunehmen, dass sie durch eine Kreuzung mit den aiolischen Vorlagen entstanden sind, sondern haben in ihnen einen Nachklang der Lyrik des A. zu erkennen; wenn Horaz gerade in ihnen weiche, wohlklingende Daktylen als leitenden [507] Rhythmus anwendet, so wird er darin gleichfalls dem A. gefolgt sein. Auch in den Oden greift Horaz wiederholt auf die ihm liebgewordenen ionischen Bildungen zurück; vgl. die wohlklingenden archilochischen Strophen IV 7. I 4, in zwei einfachen sangbaren Liedern; auch die daktylische sog. alkmanische Strophe (Hexam. + Tetrap. Dakt.) ist in ihrer Structur archilochisch. Bemerkenswert ist die volle Bauart des Trimeters I 4 mit langen Anfangs- und Schlussilben der Kola (Normalschema ––◡–––◡–◡––): hier scheinen sich (Useners Vermutungen über den lyrischen Trimeter zu bewähren, s. o. S. 497.
Noch in der Zeit der zweiten Sophistik behauptete A. seine Stellung. Vgl. Philostr. vit. soph. II 27, 10 ἐσπούδαζε (Hippodromos) δὲ καὶ Ἀρχιλόχου καλῶν τὸν μὲν Ὅμηρον φωνὴν σοφιστῶν, τὸν δ’ Ἀρχίλοχον πνεῦμα, und mehrere verwandte Stellen bei Philostratos, Dio Chrysostomos, Lucian, Aristeides, Iulian, der seinen Idealpriestern den A. und Hipponax freilich nicht in die Hand geben möchte (p. 300 C); ὁ κάλλιστος ποιητῶν Ἀ. sagt selbst der fromme Synesios encom. calv. 75 B. Doch hat vor allem das Christentum und sein Pionier, der Neokynismos, in der allgemeinen Umwertung aller Werte auch diese Grösse heruntergerissen; Wortführer war Oinomaos von Gadara in der γοήτων φωρά (o. S. 490); die christlichen Schriftsteller (Eusebios, Clemens, Orig. c. Cels. III 125) haben ihm eifrig beigestimmt. Die spätern Byzantiner kennen die archilochischen Gedichte nur aus Scholien und Florilegien. Zwar rühmt sich noch Psellos, er spreche vor seinen Hörern περὶ Ὁμήρου καὶ Μενάνδρου καὶ Ἀρχιλόχου u. s. w. (Sathas μεσαιων. βιβλιοθ. V 59f., vgl. Krumbacher Byz. Litt. 218); aber dass er eine Ausgabe des A. besessen habe, darf man deshalb nicht annehmen.
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- S. 487ff. zum Art. Archilochos 2) (Crusius):
Sohn des Telesikles, Parier - so wird er auf der aus dem 4. Jhdt. v. Chr. stammenden Grabinschrift (s. u. S. 137) genannt: Ἀρχίλοχος Μυριναῖος, vielleicht nach einem parischen Dorf, heißt er, etc. etc.
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Archilochos
2) Lyriker und Iambograph im 7. Jh. v. Chr. S XI.