RE:Antiope 4
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Amazone | |||
Band I,2 (1894) S. 2497 (IA)–2500 (IA) | |||
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4) Amazone (über die Amazonensage im allgemeinen s. den Art. Amazones, hier sind nur die speciell auf A. bezüglichen Angaben zusammengestellt). Als Vater der A. wird Ares, der allgemeine Stammvater der Amazonen, genannt, Hyg. fab. 30. 241; als Mutter nennt Hygin fab. 30 Otrere, Serv. Aen. XI 661 und das Albanische Relief (Jahn-Michaelis Griech. Bilderchron. 73 Taf. 5) Hippolyte. Dagegen tritt Hippolyte bei Pausanias I 41, 7 und Iustin II 4, 19 als Schwester der A. auf; Iustin nennt noch als weitere Schwestern Melanippe und Orithyia (= Otrere?). A. ist Königin der Amazonen (Hegias von Trozen bei Pausanias I 2, 1. Iustin II 4, 19) und erbaut mit ihrer Mitkönigin Otrere dem Ares auf einer Insel im Schwarzen Meer einen Tempel (Apoll. Rhod. II 384ff.). Nach anderer Version ist nicht sie, sondern Hippolyte Königin (Schol. Eur. Hipp. 10), sie ist die Schwester (Hyg. fab. 30. Paus. I 41, 7) oder Tochter (Serv. Aen. XI 661) der Königin.
Als Gattin des Theseus ist sie Mutter des [2498] Hippolytos; ältester Gewährsmann dieser Angabe ist für uns (an welchen Namen Euripides gedacht hat, der den Hippolytos wiederholt als Sohn ,der Amazone‘ bezeichnet, ohne einen Namen zu nennen, wissen wir nicht, vgl. v. Wilamowitz Eurip. Hippolytos 34) Asklepiades frg. 24 (FHG III 305), vgl. Diod. IV 28. Plut. Thes. 28, 2. Hyg. fab. 250. Schol. Eur. Hipp. 10. 307. 1082. Tzetz. Lyk. 1329 und die Albanische Relieftafel (s. o.). Pindar nennt A. dagegen Mutter des Demophon (frg. 176 Bgk.). Nach anderer Version ist Hippolyte, Melanippe oder Glauke Gattin des Theseus und Mutter des Hippolytos, vgl. Klügmann Die Amazonen in der attischen Litteratur und Kunst, Stuttgart 1875, 6 und den Artikel Hippolyte.
Über die Art, wie Theseus die A. gewinnt, lauten die Angaben sehr verschieden. Die Gewinnung findet statt 1) bei Gelegenheit von Herakles Zug gegen die Amazonen: A. wird dem Theseus von Herakles als ἀριστεῖον geschenkt nach Philochoros frg. 49 (FHG I 392), dem Hyg. fab. 30. Diod. IV 16, 4 folgen; sie wird von Theseus geraubt nach Apollod. frg. Sabbait. 123a (Rh. Mus. XLVI 184); unklar ist die Angabe beim Schol. Eur. Hipp. 10; eigenartig die Version des Hegias bei Pausanias I 2, 1, wonach A. die von Herakles und Theseus belagerte Stadt Themiskyra aus Liebe zu Theseus übergiebt, vgl. v. Wilamowitz Homer. Unters. 342. Corey De Amazonum antiquiss. figuris (Diss. Berol. 1891) 48. 2) Theseus nimmt am Zuge des Herakles nicht teil, sondern raubt A.: a) auf einem selbständigen Zuge ins Amazonenland (dies die ältere, im 6. Jhdt. in Athen allein bekannte Version, wie aus den Vasenbildern hervorgeht), und zwar im Kampf mit Hülfe des Peirithoos (Pindar frg. 175 Bgk.) oder seines Wagenlenkers Phorbas (Pherekydes frg. 108, FHG I 97, vgl. Hellanikos frg. 76, FHG I 55 und Herodoros frg. 16, FHG II 32); oder er lockt sie mit List, wie sie als Abgesandte der Amazonen zu ihm kommt, auf sein Schiff (Bion v. Prokonnesos frg. 1, FHG II 19). An diesen Zug des Theseus knüpft Menekrates frg. 8 (FHG II 345) die Gründungssage von Pythopolis: auf der Rückfahrt verliebt sich Soloeis, ein Gefährte des Theseus, in A.; als diese seine Liebe zurückweist, stürzt er sich in den Fluss, den Theseus nach ihm benennt, und an dem derselbe nach Weisung eines Orakels die Stadt Pythopolis gründet. b) Nach Attika verlegt den Raub der A. Tzetzes Lyk. 1332, angeblich auch aus Herodor, obgleich diese Angabe dem oben angeführten bei Plutarch Thes. 26, 2 überlieferten Fragment widerspricht (vgl. darüber Prigge De Thesei rebus gestis, Diss. Marburg 1891, 28ff., dessen Chronologie der Versionen aber ganz verfehlt ist); ebenso das Relief Albani.
Nach der Sage war A. in Athen gestorben; vor dem itonischen Thore zeigte man ihr Grabmal (Paus. I 2, 1, vgl. Plat. Axioch. 364d. Hellanikos bei Plut. Thes. 27, 4). Über die Art ihres Todes wiederum verschiedene Versionen: 1) Die Amazonen ziehen gegen Athen, um die Entführung der A. zu rächen. Dabei wird A. getötet, und zwar a) im Kampfe, in dem sie an Theseus Seite mitgefochten (Diod. IV 28. Plut. Thes. 27, 11); als die Amazone, die sie tötet, wird bei den Athenern Molpadia genannt (Paus. I 2, 1). b) Nach Orakelspruch wird sie von Theseus [2499] selbst getötet und zwar dem Phobos geopfert (diese Version lässt sich durch Combination von Hygin fab. 241 und Hellanikos bei Plut. Thes. 27, 5 erschliessen). 2) Da Theseus Phaidra als Gattin heimführen will, erhebt A. mit ihren Amazonen (die also in Athen ansässig gedacht werden) einen Aufstand gegen ihn, in dem sie selbst erschlagen wird, und zwar a) im Kampfe von Theseus (Apollod. frg. Sabbait., vgl. Ovid. Heroid. IV 117ff. Seneca Phaedr. 231f.); von dem zum Beistand herbeieilenden Herakles (in einer Theseis, Plut. Thes. 28); aus Versehen von Penthesileia (Apollod. Epit. Vatic. XIX 3). b) Im Hause bei geschlossenen Thüren getötet von den Genossen des Theseus (Apollod. frg. Sabbait.; die Epitome Vaticana XIX 3 führt dieselben Varianten an wie die Fragmenta Sabbaitica, nennt aber Hippolyte statt A.; vgl. über diese Abweichung R. Wagner Rh. Mus. XLVI 396).
Diejenigen, welche die Amazone bei dem Aufstand umkommen lassen wollten, ohne doch die Sage vom Einfall der Amazonen in Attika aufzugeben, mussten die theseische Amazone diesen Einfall überleben lassen; sie lassen daher entweder den Theseus einfach über die Amazonen siegen (Apollod. frg. Sabb.) oder lassen eine Versöhnung zu stande kommen (Kleidemos frg. 6, FHG I 360). Der vermittelnde Charakter dieser Version zeigt sich auch darin, dass sie zugleich die zahlreichen Amazonensagen der Umgegend (Megara Paus. I 41, 7; Chalkis Plut. Thes. 27, 12; Chaironeia Plut. Thes. 27, 14) mit der attischen Sage zu verbinden weiss.
Darstellungen: Die attischen Vasen kennen schon im 6. Jhdt. die Sage, dass Theseus die Amazone durch Raub gewinnt, ohne Verbindung mit Herakles. Diese Verbindung kommt für unsere Kenntnis in der Kunst überhaupt nur einmal gesichert vor, in dem Relief der Querleisten zwischen den Beinen des Thronsessels, auf dem der olympische Zeus des Pheidias sass (Paus. V 11, 4). Alle übrigen Darstellungen, die mit Sicherheit auf die theseische Amazone zu beziehen sind, stellen den Kampf als eine rein attische Sage dar. So Pheidias selbst am Schilde der Parthenos (Paus. I 17, 2), so Mikon in der Stoa Poikile (Paus. I 15, 2) und im Theseion (Paus. I 17, 2); ob und in wie weit A. in diesen Kunstwerken eine Rolle spielte, wissen wir nicht. Die attische Schlacht wollte auch der Künstler der Reliefs von Phigalia darstellen, wie aber dort die Gegnerin des Theseus zu benennen sei, ist ungewiss; die Westmetopen des Parthenon sind zu zerstört, um ein Urteil zu gestatten. Die übrigen Darstellungen sind Vasenbilder. Auf ihnen ist die Gewinnung der Amazone durch Theseus in dreifacher Weise dargestellt: a) Entführung auf einem Wagen. Die Amazone ist hier als Ἀντιόπη bezw. Ἀντιόπεια bezeichnet auf zwei spät-sf. Vasen: Amphora München 7 (dabei Poseidon und zwei Krieger, wohl Peirithoos und Phorbas), Hydria Canino Notice 1845 nr. 16 (zwei Amazonen verfolgen); ferner auf zwei streng-rf. Vasen: Amphora Louvre (sog. Kroisosvase), abg. Mon. d. Inst. I 55 (Περίθοος folgt), Schale des Chachrylion Brit. Mus. E 14 (Catal. 827), abg. Wiener Vorlegeblätter D 7 (dabei Περίθος und Φόρβας), verschrieben oder verlesen ist der Name der Amazone [2500] auf dem streng-rf. Fragment Luynes Ann. d. Inst. V 1833 tav. d’agg. A.; unbenannt ist die Entführte auf einer rf. Hydria freien Stils aus Ruvo, Petersburg 1143, abg. Mon. Ann. Bull. d. Inst. 1856 Taf. 15. b) Theseus kämpft zu Fuss gegen die berittene Amazone: sie heisst A. auf dem Bruchstück eines streng-rf. Krater aus Tarent, Luynes Descr. pl. 43 (dabei Φάλερος); Μέλοσα auf dem rf. Krater Petersburg 1680 abg. Mon. d. Inst. VIII 44; unbenannt ist der Typus häufig, z. B. sf. Schale Magnoncourt 56, rf. Amphora Fould 1382, rf. Stamnos Brit. Mus. E 146 = Catal. 754 (Gerhard Auserl. Vasenb. III 163) rf. Oxybaphon Dzialynski (De Witte Antiq. de l’Hôt. Lambert pl. 21). c) Gewinnung in der Schlacht: die Amazone heisst Andromache: rf. Deinos streng schönen Stils Gerhard Auserl. Vasenb. IV 329; Antiane (so !): rf. unterital. Alabastron, Neapel RC 239 (Fiorelli Vasi Cumani tav. 8).
Ausserdem findet sich der Name A. auf Vasenbildern 1) in einer Rüstungsscene von Amazonen: streng-rf. Hydria des Hypsis, München 4, abg. Gerhard Auserl. Vasenb. II 103 (mit Andromache und ,Hyphopyle‘); 2) bei Theseus Raub der Helene (nicht als Amazone charakterisiert): streng-rf. Amphora (des Euthymides?), München 410, abg. Gerhard Auserl. Vasenb. III 169; 3) in einer Gruppe von Frauen bei der Toilette, rf. Schalendeckel, beschrieben aus dem ital. Kunsthandel Élite céramogr. II 280.
Die angeblichen Darstellungen von Theseus Hochzeit mit A. sind von Klügmann a. a. O. 31 mit Recht zurückgewiesen.