Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Aus Samos. Mitglied des koischen Dichterbundes
Band II,2 (1896) S. 16251627
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20) Von Samos, Mitglied des koischen Dichterbundes, etwas älter als Theokrit, als hervorragender lyrischer Dichter von diesem neben Philetas erwähnt Anth. Pal. VII 40. Auf lyrische Dichtungen weist auch die Benennung der asklepiadeischen Verse, welche auf Abhängigkeit des A. von der lesbischen Lyrik schliessen lässt; vielleicht gestatten Theokr. 28. 29. 30 Rückschlüsse auf diese Dichtung. In der Beurteilung der grossen Elegie zeigt das Urteil über die Lyde des Antimachos (Anth. IX 63 und Kallim. frg. 74 B) A. in scharfem Gegensatz zu Kallimachos, wodurch vielleicht die parodierende Anspielung des A. oder seines Gesinnungsgenossen Poseidipp (Anth. V 202, 4) auf Kallimachos Hymn. V 2 erklärt wird. A.s Dichtername Σικελίδας (bezeugt durch Theokrit VII 40. Hedylos bei Athen. XI 471 A. Meleager Anth. Pal. IV 1, 46) ist unerklärlich; einfache Buchstabenversetzung von Ἀσκληπιάδης nahm willkürlich Hiller (zu Theokr.) nach modernen Beispielen, aber im Gegensatz zu den ähnlichen Bildungen Σιμμιχίδας und Λυκίδας an; auf Abhängigkeit von der sicilischen Poesie riet Haeberlin Philol. XLIX 653, doch ist Einfluss des Epicharm und Sophron auf A. unerweisbar und unwahrscheinlich, Einfluss des Theokrit durch dessen Worte fast ausgeschlossen, und das Patronymikon deutet auf Herleitung von dem Namen einer bestimmten Person. Derartige γρῖφοι sind überhaupt nur, wenn grössere Dichtungen erhalten oder reconstruierbar sind, zu lösen. Auf uns gekommen sind von A. ausser zwei Fragmenten über 40 Epigramme in der Anthologie; doch ist ein grosser Teil durch doppelte Überschriften zweifelhaft. Unter den (nicht zahlreichen) Vertretern des sympotischen und erotischen Epigramms ist A. der unbestritten grösste und früheste; alle anderen sind von ihm beeinflusst. Er (oder Philetas) ist es daher wahrscheinlich gewesen, welcher die Epigrammdichtung in die nach alten Mustern in Kos wiederbelebte poetische Gelageunterhaltung einführte, indem er die schon freier entwickelte, zur buchmässigen Verbreitung übergegangene ,Aufschriften‘dichtung mit der kurzen sympotischen Elegie der früheren Zeit (vgl z. B. das zweite Buch des sog. Theognis) verband und so, und zwar in jugendlichem Alter (vgl. XII 46), das epigrammatische παίγνιον schuf. Als παίγνια beim Gelage sind fast alle Epigramme des A. aufzufassen; daher erklärt sich ihr meist schlichter, an das Volkstümliche anklingender Stil (vgl. v. Wilamowitz Homer. Untersuch. 178, 22; in der echten ,Aufschrift‘ zeigt sein Zeitgenosse und Nachahmer Poseidipp weit grösseren Wortprunk als in den παίγνια). Daher erklärt sich auch der Anschluss an die jüngeren attischen Skolien (vgl. Scol. 30 Bergk⁴ und Anth. V 85) und an die Skolien des Alkaios, aus dessen [1626] Liedern in Athen mindestens bis zum Ende des 5. Jhdts. Bruchstücke beim Gelage gesungen wurden (Anth. XII 50, vgl. Alk. frg. 41; in XII 153 und Alk. frg. 59 sieht Knaack bei Susemihl Litt.-Gesch. II 526, 37 wohl mit Unrecht Ähnlichkeit). Den ebenfalls bei Gelagen üblichen Recitationen aus der Komoedie entsprechen Anth. V 181 und 185. Als altes Rätselspiel beim Gelage erwähnt ferner Klearch bei Athen. X 437 E, dass jeder Gast den Namen eines der nach Troia gezogenen Heroen oder eines Troianers nennt; in den Skolien die heimischen Heroen, welche sich vor Troia ausgezeichnet haben, zu feiern war sehr früh schon üblich; die Athener rühmten, dass ihr Aias unter ihnen allen nach Achill der tapferste gewesen sei. In Anknüpfung hieran hat A. und sein Kreis es eingeführt, dass beim Gelage jeder ein Grab- und Lobesepigramm auf einen der homerischen Helden vorträgt. Mit Unrecht hat E. Wendling (De peplo Aristotelico, Strassb. 1891, 51) das Epigramm auf Aias VII 145 dem A. abgesprochen. Dass schon A. derartige Grabepigramme machte, zeigt die Behandlung desselben Stoffs durch seinen Nachahmer und Gegenpart Poseidipp, sowie ferner das Fragment des A. im Etym. M. 157, 33 Σπληδόνα τ’ ἠγαθέην aus einem Epigramm auf Askalaphos oder Ialmenos (vgl Il. II 511), endlich die Nachahmung des Antipater von Sidon (VII 146); unter die ps.-aristotelischen Epigramme gehört VII 145 schon seines Umfanges halber nicht. Parodiert und wohl auf die τέρψις an den leichtfertigen παίγνια des A. selbst bezogen ist es von Mnasalkas bei Athen. IV 163 A. Das choliambische Fragment im Schol. Eurip. Hec. 1271 ◡ – κυνὸς καλοῦσι δύσμορον σῆμα kann ebenfalls aus einem Epigramm sein, vgl. Auson. epitaph. her. 25, 6 quicunque hoc nostrum σῆμα κυνὸς legitis (Ausonius ebd. 3 übersetzt Anth. VII 145; über eine weitere Benützung des A. vgl. Sternbach Anth. Plan. Append. 94).

Dass die Epigramme des A. ursprünglich mit denen des Poseidipp und Hedylos ohne genaue Verfasserbezeichnung zu einer Sammlung unter dem Titel Σωρός vereinigt waren, sucht Reitzenstein Ind. lect. Rostoch. 1891/92, 6 zu erweisen 1) weil Hedylos V 199 das Epigramm des A. XII 135 aufnimmt (ähnlich Poseidipp XII 45 das des A. XII 166; dieselben Personen kommen mehrfach bei allen dreien vor); 2) weil unter den wenigen doppelten Verfasserangaben in der Anthologie sechsmal Ἀσκληπιάδου ἢ Ποσειδίππου, und zwar immer von derselben Hand, einmal Ἡδύλου ἢ Ἀσκληπιάδου steht und Meleager IV 1, 45 die drei Dichter zusammen nennt (hinzuzufügen ist die Beobachtung Sternbachs Anth. Plan. Append. 81, dass die Epigramme des A. und Poseidipp sich oft folgen, vgl. V 185. 186. 202. 203. 209. 210. 211. XVI 119. 120, vgl. V 161. 162). Dadurch bekommen Wichtigkeit die gewundenen Worte, mit welchen Strabon XIV 683 ein Epigramm des Hedyios citiert τοῦ ποιήσαντος τὸ ἐλεγεῖον τοῦτο οὗ ἡ ἀρχὴ .....εἴθ’ Ἡδύλος ἐστὶν εἴθ’ ὁστισοῦν; 3) weil Aristarch im Schol. Il. XI 101 den Σωρός einer späteren Sonderausgabe der Epigramme Poseidipps entgegenstellt. Vielleicht ist es nicht zufällig, dass von den Helden A. zwei Griechen, Aias und Askalaphos, Poseidipp zwei Troer, Berisos und Pandaros feiert. [1627] Bestritten ist die ganze Vermutung von Knaack bei Susemihl II 698. Vgl. Reitzenstein Epigramm und Skolion 90ff.

Gleich weit von der Plattheit, in die Poseidipp leicht verfällt, wie von dem leeren Wortprunk der von der dorischen Lyrik beeinflussten Dichter entfernt, malt A. in kurzen, lebhaften Sätzen, in denen kein Wort zu viel oder zu wenig ist, anschaulich eine einfache Situation oder Stimmung. Auch wo er einen höheren Ton anschlagen muss, wie in V 64, 1. 2, welche an den Prometheus des Aischylos (991ff.) erinnern sollen, oder in dem aus Alkaios entlehnten Lied (s. o.) ist die Sprache schlicht und von eigenartig herber Schönheit. Als Nachahmer des A. erweist sich im Epigramm (ausser Dioskorides) besonders Kallimachos, welcher zugleich das einfache παίγνιον erweitert und, besonders im Schluss, kunstvoller ausgestaltet (vgl. XII 135. 134–VII 500. 521–XII 166, 1. 73, 1–XII 153. V 6–V 167, 6. XΙΙ 230, 4. Kaibel Herm. XXII 511. Reitzenstein Epigramm u. Skolion 159). Beiträge zur Textkritik bieten besonders v. Wilamowitz Herm. XIV 166. Kaibel a. a. O. und Ind. lection. Gryphisw. 1885 XI.