Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Halos, Stadt der phthiotischen Achaier
Band VII,2 (1912) S. 22812283
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Ἅλος. 1) Gewöhnlich Maskulin. Bei Strab. IX 433 und Steph. Byz. s. v. auch Feminin. Auf einer delphischen Inschrift IG IX 2 addenda ultima 205 I A Z. 22 Feminin mit dem Beinamen Ἀχαική. Derselbe Beiname bei Strab. IX 433. Die antiken Etymologien von ἀλᾶσθαι Steph. Byz. s. v. Etym. M. 70, 8 zeigen, daß die Alten zur Schreibart Ἄλος neigten. Doch wird die Form Ἅλος vorgezogen. Sie ist von der am Fuß des Stadtberges entspringenden Salzquelle abzuleiten (abgebildet Athen. Mitt. 1906, 24). H. ist eine Stadt der phthiotischen Achäer und gehört im Schiffskatalog zum Φθιωτικὸν τέλος des Achilleus, Il. II 682. Strab. IX 432. Niese Der homerische Schiffskatalog 19. Als den Gründer von H., das dabei allerdings als eine Stadt Ätoliens, nur in einem Pariser Scholion als eine Stadt Thessaliens bezeichnet ist, gibt ein Hesiodfragment (Rzach frg. 9. Kern N. Jahrb. XIII 1904, 17) den Aloeus, dagegen Steph. Byz. s. v. den Athamas an. Die Lage ist durch Strab. IX 433. 435. Plin. n. h. IV 28 und Pompon. Mela II 44 bestimmt. H. ist von Iton 60, von Theben 100, von Pteleon 110 Stadien entfernt. Es liegt auf einem Ausläufer der Othrys, der die Talebenen des Platanos und des Salamvrias scheidet, am Südrand der krokischen Ebene, dem phthiotischen Theben gegenüber. Auf der oben bezeichneten delphischen Inschrift ungefähr vom J. 145 v. Chr. setzt sich H. mit Theben über gewisse Gebiete, die offenbar in der Ebene nördlich von H. zwischen dem Meere und Gebirge zu suchen sind, gütlich nach dem Schiedsspruch des Larisäers Makon auseinander. Während das Stadtgebiet von H. im Norden an das von Theben grenzte, reichte es im Süden bis an die Grenze der Malier, Strab. IX 433, das heißt bis an den Südfuß der Othrys. Kip Thessal. Studien, Halle 1910, 47.

Der älteste Teil der Stadt ist mit 2 m dicken kyklopischen Mauern umgeben und dürfte in die homerische Zeit zurückreichen. Er liegt sehr fest, aber auch sehr unbequem hoch über der Ebene auf einer Bergkuppe, die durch eine Einsenkung vom Hauptzug der Othrys getrennt ist. Die Stadt dehnte sich gegen Osten den Abhang des Berges hinunter weiter aus. Herodot (VII 173), Demosthenes (XIX 163), Artemidor (bei Strab. IX 433) betrachten sie als Seestadt, obwohl sie ungefähr 2 km von der Küste entfernt liegt. In den Perserkriegen scheint H. der Haupthafen Thessaliens gewesen zu sein, Herod. VII 173. 197. Von 400–344 v. Chr. prägte H. als autonome Stadt Münzen, obwohl es zu den von den Thessalern abhängigen Städten Achaias gehörte. Am Ende dieser Periode lag es mit Pharsalos im Streit; es war mit Athen verbündet und lehnte sich gegen die makedonische Oberherrschaft auf. Parmenion belagerte die Stadt, während über den Philokratischen Frieden verhandelt wurde. Philipp nahm die Stadt eigens von dem Frieden aus und zerstörte sie völlig, Demosth. XIX 36 mit Schol. 39. 159. 163. 334. Schäfer Demosthenes und seine Zeit II² 264. Ihr Gebiet nahm er den phthiotischen Achäern und gab es den [2282] Pharsaliern, Demosth. XI 1 mit Schol. Strab. IX 433. Eine Lücke bei Strabon enthält uns den Namen des oder der Neugründer vor. Gegen Kramers Ergänzung συνῴ[κισαν Φαρσάλιοι] sprechen gewichtige Gründe.

Die Neugründung der Stadt erfolgte ganz nach dem Gesichtspunkt der Bequemlichkeit, am Fuß des Berges, neben dem fließenden Wasser des Amphrysos (= Kephalosis), der zugleich die eine Seite der Mauer schützte. Doch lag die Stadt, wahrscheinlich des sumpfigen Geländes halber, auch jetzt nicht ganz am Meere, sondern hatte den Hafen außerhalb der Stadtmauern. Diese bilden ein regelmäßiges Viereck, dessen Seiten fast einen Kilometer lang sind. Die Mauer ist mit Quadern verkleidet und 2,70 m dick, und war mit zahlreichen viereckigen Türmen verstärkt. Die Westmauer lehnt sich an den Fuß des Berges an, die Nordmauer an den Bach Kephalosis, die Ostmauer ist von den Bauern und den Türken abgetragen (Ussing Griech. Reisen u. Studien 109f.). Von dieser jüngeren Stadt gibt es Münzen, die den lokalen und nationalen Charakter von H. beibehalten und in das 3. Jhdt. gesetzt werden, Catal. Greek Coins Brit. Mus. Thessaly to Aetolia by Gardner 13. Darunter sind solche mit dem Zeichen AX = Ἀχαιῶν, die der Zeit von 302–286 angehören. Sie beweisen, daß die Stadt wieder frei von Pharsalos und achäisch war, ja wahrscheinlich zu einem selbständigen Bund der Achäer gehörte (Gardner a. a. O. p. XXIX. Kip a. a. O. 60). Die Neugründung hängt vermutlich mit dem Auftreten des Demetrios Poliorketes in Thessalien zusammen (Niese Gesch. d. griech. u. mak. Staaten I 347). H. war noch am Beginn der römischen Zeit eine wohlhabende Stadt, wie die langen Freilassungslisten unter den Strategen Ptolemaios und Italos zeigen (zwischen 48 und 30 v. Chr. nach Kroog De foederis Thessalorum praetoribus, Diss. Halle 1908, 26, 60). Doch ist bis jetzt kein delphischer Hieromnemon der Achäer aus H. bekannt, das in dieser Hinsicht an Bedeutung hinter den anderen Hauptorten der Achäer zurücksteht.

Die Stadt hatte den uralten Kult des Zeus Laphystios, mit dem das Geschlecht des Athamas zusammenhing, Herod. VII 197. Ihm wurden in Zeiten der Dürre Menschenopfer zur Vertreibung der Regenlosigkeit dargebracht, Plat. Minos 315c. O. Müller Orchomenos² 156. Farnell Cults of the Greek States I 42. Nilsson Griech. Feste 1906, 10. Zeus besaß ein τέμενος mit ἄλσος. Das Rathaus hieß λήϊτον, das wichtigste Heiligtum der jüngeren Stadt gehörte der Artemis Panachaia. In ihrem Tempel wurde der oben erwähnte Vertrag mit Theben aufbewahrt. Ihr Kopf erscheint auf Münzen der Achäer von 302–286 v. Chr., Gardner a. a. O. pl. X 17 p. 48. Ferner ist aus makedonischer Zeit ein Priester des Apollon überliefert, IG IX 2, 112.

In den Inschriften wird H. πόλις genannt, hat eine βουλή, 184/3 v. Chr. drei Archonten, die wahrscheinlich 146 durch ταγοί ersetzt wurden (Kip a. a. O. 62), einen Hipparchen und einen halb- oder ganzjährigen ταμίας. Die im Register von IG IX 2 nr. 1322 zu H. gerechneten ἀρχέσκοποι und Ἀθηνᾶ Πολιάς müssen zum phthiotischen [2283] Theben bezogen werden, da die Inschrift dort gefunden ist, Arvanitopullos Πρακτικά 1907, 165. Über den Kalender von H. handelt Rensch De manumissionum titulis apud Thessalos, Diss. Halle 1908, 128. Die Münzen der Stadt zeigen den bärtigen Kopf des Zeus Laphystios und den Widder mit Phrixos oder Helle, Inschrift ΑΛΕΩΝ, Gardner a. a. O. p. 13 pl. XXI 1. II 6. Head HN 251. Inschriften IG IX 2, 107–131. 1321–1325 add. ult. 205 I A. Im Mittelalter erhob sich an der Stelle von H. die Stadt Halmyros, Bull. hell. XV 1891, 565. XXIII 1899, 396. Giannopulos Οἱ δύο μεσαιωνικοὶ Ἁλμυροί, Athen 1904, 14. 19. Moderne Beschreibungen bei Leake Travels in North. Greece IV 336. Ussing Griech. Reisen und Studien 109f. Bursian Geogr. v. Griechenland I 78. Athen. Mitt. 1906, 23–27. Georgiades Θεσσαλία, Volo 1894, 222–223. Giannopulos Φθιωτικά, Athen 1891, 50–53.