Napoleons große Auction, Montags, den 18. Januar d. J. und an den folgenden Tagen, früh von 9 bis 11 Uhr und Nachmittags von 3 bis 5 Uhr in Paris gehalten, 1814

Textdaten
Autor: K. Monach
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Titel: Napoleons große Auction
Untertitel: Napoleons große Auction, Montags, den 18. Januar d. J. und an den folgenden Tagen, früh von 9 bis 11 Uhr und Nachmittags von 3 bis 5 Uhr in Paris gehalten, 1814
aus: (Deutschland)
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Entstehungsdatum: 1814
Erscheinungsdatum: 1814
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Quelle: Universitätsbibliothek Marburg, Signatur VIIh C 973 dd, Nr. 9 im Sammelband; pdf bei Commons
Kurzbeschreibung: Satire auf den Niedergang des napoleonischen Systems in Europa seit 1812
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Einleitung Bearbeiten

Die vorliegende Flugschrift aus dem Jahr 1814 thematisiert den Niedergang des napoleonischen Systems in Europa nach der Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig. Die Angaben in der Flugschrift weisen auf einen Entstehungszeitraum im Frühjahr 1814 hin, da sie Napoleons Abdankung noch nicht verarbeitet (11. April 1814). Darüber hinaus kann weder etwas über den Autor gesagt werden, außer dass er offensichtlich über gute Kenntnisse personeller, historischer, wie zeitgenössischer und auch wissenschaftlicher Umstände verfügt, noch über Ort oder Region der Entstehung und Verbreitung. Die Schrift findet sich abgedruckt in einer späteren Sammlung von Flugschriften der Jahre 1813/14, allerdings auch hier ohne nähere Angaben.[1] Die Flugschrift konstruiert eine fiktive Auktion von insgesamt 19 Posten. Neben realiter vorhandenen Objekten, werden fiktionale Objekte "versteigert", ebenso wie verschiedene Auswirkungen und Verhältnisse der napoleonischen Zeit hier vergegenständlicht werden, wie beispielsweise die großen Opferzahlen der Kriege, aber auch die französische Propaganda und politische Überwachung und Kontrolle.

Text Bearbeiten

[1] Napoleons große Auktion, Montags, den 18. Januar d[iesen] J[ahres], und an den folgenden Tagen, früh von 9 bis 11 Uhr und Nachmittags von 3 bis 5 Uhr in Paris gehalten

von K. Monach[2], Kaiserl[lich] Königl[icher] Auctionator in Paris.

Aus dem Französischen mit Bemerkungen.

Paris, in der Kaiserl[ich] Königl[ichen] Staatsdruckerei

[2] 0



Difficile est, satyram non scribere[3].




0

[3] Ein Kaiserl. Königl. Decret unter dem 2ten d. M., von St. Cloud aus erlassen, enthält darüber im Wesentlichen Folgendes:


Im Pallaste zu St. Cloud[4] , den 12. Januar 1814.

Napoleon von Gottes Gnaden und durch die Constitutionen des Reichs Kaiser der Franzosen, König von Italien, Protector des Rheinbundes, Vermittler des Schweizerbundes etc. etc.

Zur Sicherstellung der geheiligten Gränzen Unseres Reiches gegen die verwegenen Versuche eines Feindes, welcher die freiwillige Aufgebung Unserer siegreichen Stellung als eine Folge erlittener Niederlagen ausschreit, so wie [4] zur endlichen Erkämpfung eines dauerhaften Friedens, welcher nicht aufhört, das Ziel aller Unserer Wünsche und Bestrebungen zu seyn, haben Wir auf den Bericht Unseres Finanzministers in Betracht der Dringlichkeit der Umstände und nach Anhörung Unseres Staatsraths, decretirt und decretiren, was folgt:

Art. 1. Es soll außer der angeordneten, freiwilligen Beisteuer unverzüglich der Anfang mit einer öffentlichen Versteigerung aller solcher Gegenstände gemacht werden, die Wir unter den gegenwärtigen Umständen für entbehrlich halten. Wir wollen dadurch einen redenden Beweis und ein aufmunterndes Beispiel geben, daß uns kein Opfer zu theuer ist, wenn es darauf ankommt, die Integrität Unseres Reichs und die Wohlfahrt Unserer Unterthanen gegen etwanige Angriffe sicher zu stellen. Denn nur der väterliche Wunsch, Unsern getreuen Unterthanen die nothwendig gewordenen Kriegslasten zu erleichtern, hat Uns zu dem Entschlusse bewegen können, [5] den ferneren Besitz von Gegenständen aufzugeben, welche großen Theils zu den kostbaren Früchten glorreicher Tiumphe gehören. Wir hoffen, daß Unsere treuen Unterthanen sich durch dieses großmüthige Beispiel von Entsagung werden antreiben lassen, nach Kräften ein Gleiches zu thun, und dem Feinde in solchem keine Aufopferung scheuenden Patriotismus eine Barriere entgegenzusetzen, an welcher jeder seiner tollkühnen Versuche scheitern muß.

Art. 2. Die Concurrenz zu vermehren und zu erleichtern, haben wir Unsere gute Stadt Paris, als den Mittelpunkt des Reichs, zu dem Orte bestimmt, wo die Auction abgehalten werden soll.

Unsere Minister sind mit der Vollziehung des gegenwärtigen Decrets beauftragt.


(Unterzeichnet) 0 Napoleon. 
Durch den Kaiser der interimistische
Staatssecretär
(Unterzeichnet) 0Herzog von Cadore[5].

[6] In Gemäßheit dieses Kaiserl[ichen] Decrets, haben Se[ine] Exzellenz der Minister des Inneren befohlen, daß Montags, den 18ten Januar und an den folgenden Tagen eine Menge Sachen und Effecten, gegen baare Bezahlung, in den gangbaren Kaiserl[ich] Französ[ischen] Münzsorten an den Meistbietenden in den Thuillerien[6] sollen versteigert werden.

Die Auction wird Morgens von 9 bis 12 und Nachmittags von 3 bis 5 Uhr gehalten werden. Der Katalog, dessen erste Lieferung bereits erschienen ist, besagt über alle zu versteigernden Gegenstände für Kauflustige das Nähere, und enthält die belehrendsten Nachweisungen.--


[7] 0


0

Auctionskatalog.



Wir erlauben uns, diesem Verzeichnisse Bemerkungen für teutsche Leser beizufügen. Ob dieselben gleich schon ihr Inhalt von den Bemerkungen des französischen Catalogs unterscheidet, so haben wie die doch zu mehrerer Unterscheidung in Klammern eingeschlossen, um jeden möglichen Irrthum des Lesers zu verhüten.

1) Friedrich des Großen Degen[7] und die geraubte Glorie des Brandenburger Thores in Berlin.[8]

Die Regierung läßt beide Gegenstände vernichten, wenn sich kein Käufer findet, oder das Gebot den Erwartungen nicht entspricht.

[Die Regierung scheint zu besorgen, daß die genannten Gegenstände durch eine fortlaufende Reihe unglücklicher Ereignisse wieder in die Hände ihrer rechtmäßigen Besitzer kommen könnten. Wenigens führt die beigefügte Drohung auf diese [8] Vermuthung. Uebrigens können die Preußen ihre alte Glorie füglich entbehren. In den Ebenen von Lützen[9] und Leipzig[10], bei Jüterbock[11], Groß-Beeren[12], Culm[13] und an der Katzbach [14] haben sie sich eine neue errungen, welche der alten an Glanz nichts nachgiebt, und deren Sinnbild in Eisen gegossen das herrliche Brandenburger Thor als ein schönes Denkmal unserer eisernen Zeit und alles dessen, was in derselben vom Heere und Volke großes geschah, zieren wird[15]. Auch kann ich mir namentlich für die Berliner kein sinnvolleres Andenken an die überstandene vielfache Noth und Gefahr denken, als ein solches Eisenbild . Wahrscheinlich wird daher Preußen Niemanden mit dem Ankaufe beauftragen. Die Erfahrung hat überdies gelehrt, daß Friedrichs Degen, als Talisman betrachtet, in ungerechten Händen nur zum Verderben des Besitzers wirkt, und seiner ursprünglichen Kraft, für Preußen zu wirken, treu bleibt.]

2) Ein großer Vorrath von Insignien des Ordens der drei goldenen Fließe.[16]

[Die neuliche Aufhebung des Ordens ist eine stillschweigende Aufhebung aller Ansprüche auf die fernere Verbindung mit den Ländern, denen dieser Orden seine Stiftung verdankt, also zugleich ein Geständniß von Schwäche und Ohnmacht, nur etwas verblümter Art.]

3) Desgleichen eine Menge Insignien des Ordens de la réunion[17] und der eisernen Krone.[18]

[9] [Abermals ein bildliches Geständniß der Unmöglichkeit, künftighin noch zwei Kronen auf einem Haupte zu tragen, und die Holländer als französische Knechte zu behandeln. Wir wissen es schon, daß Napoleon unvermeidliche Verluste nicht gern gradezu eingesteht, sondern nur andeutet. Die Italianer und Holländer, wird es bald heißen, verdienten ihrer unbegreiflichen Abtrünnigkeit und Treulosigkeit wegen nicht länger die Ehre, mit einem großen Reiche und Volke durch so innige Bande verbunden zu seyn. Sie haben diese Ehre verwirkt. Der Kaiser bereut es, sein Vertrauen und seine Wohlthaten an Unwürdige verschwendet zu haben. Er überläßt sie ihrem Schicksale.]

4) Die Kaiserkrone, so wie die Königskronen der Könige von Westphalen, Spanien und Neapel.

Großmüthig bringen die erhabenen Herrscher ihren theuersten Schmuck dar, und legen ihn, dem Beispiele ihres erlauchten Bruders folgend[19], auf dem Altare des gemeinsamen Vaterlandes nieder. Verstand und Herz sagen es ihnen, daß sie mit Frankreich und dessen Oberhaupte ein gemeinsames Interesse haben.

[Wie groß muß die Noth seyn, wenn man die Reichskleinodien veräußert! Daß die gekrönten Häupter sich ihrer Kronen entledigen, kann man sich aus bangen Ahnungen erklären. Die Herren fühlen nachgerade, daß ihre Kronen wanken. Dem Fallen zuvorzukommen, nehmen sie dieselben [10] lieber selbst ab, wie man den Hut abnimmt, wenn der Sturm ihn fortzuführen droht. Das gemeinsame Interesse, welches an ihren Kaiserlichen Bruder die Könige von Spanien u[nd] u[nd] fesselt, besteht darin, daß sie nothwendig mit ihm fallen oder gefallen sind. Der Kaiser hofft gewiß, daß alles in Frankreich wie in den hochherzigen Preußen unter den jetzigen Umständen eilen soll, die theuersten Kostbarkeiten darzubringen, als da sind: Ringe, Uhren, Ketten, Armbänder et caetera. Friedrich Wilhelm ist solcher Opfer werth, aber kein Napoleon. Sollte er als ein erfindungsreicher Kopf nicht schon darauf gesonnen haben seinen Krieg zu einem heiligen zu stempeln, um einen dem Preußischen ähnlichen Enthusiasmus in seine muthlosen Soldaten zu bringen, welche in ihrem Unglücke und dem feindlichen Glück eine Bestätigung finden, daß sie für eine faule Sachen fechten?]

5) Eine Menge von silbernen und goldenen Tafelaufsätzen, Geschirren u[nd] u[nd].

6) Der kostbare Edelstein, welchen Se[ine] Majestät der Kaiser an Ihrem Degen tragen.

Für alle bisher aufgeführten Kostbarkeiten läßt sich die Regierung auch statt des Geldes mit Congreavschen Raketen[20] bezahlen, und namentlich opfert der Kaiser den zuletzt genannten Edelstein uns um diesen Preis.

[Aber, Herr Kaiser, sind denn die Congreaveschen Raketen nicht englische Kunstprodukte, Ge- [11] gen alle früheren Decrete, welche den Gebrauch Englischer Waaren verbieten, gleichsam als wenn von dem Englischen Freiheitsgeiste, welcher daranhaftet, etwas mit nach Frankreich hinüberschlüpfen, und durch den Gebrauch sich den dortigen Sclavenseelen mittheilen könnte, wollen Sie selbst durch einen Tauschhandel diese Gesetze aufhaben? Wollen Sie nicht wie andere Fürsten, eine Ehre darin setzen, erster Unterthan des Gesetzes zu sein — Um einem solchen Raisonnement zu begegnen, wird der Kaiser die Congreaveschen Raketen durch ein eigenes Decret gewiß nächstens mit der China, deren Einfuhr er erlaubt hat, in eine Classe setzen. Aber was haben China und Englische Brandraketen mit einander gemein? In den Augen des Kaisers offenbar den gleichen Grad von Unentbehrlichkeit. Es wird ihm nicht schwer, zu beweisen, daß, so wie die Chinarinde[21] zur Heilung der Fieberkranken unentbehrlich ist, eben so auch die Congreaveschen Raketen, welche der französische Kunstfleiß nun einmal nicht liefern kann, zur Besiegung der Feinde Frankreichs unentbehrlich geworden sind. Wundern dürften wir uns also nicht, wenn ein eigenes Kaiserliches Decret die Einfuhr dieses Englischen Kunstprodukts nächstens frei gäbe, und von allem Impost befreite, wie die Chinarinde. Indeß wird sich wohl kein Engländer mit einer solchen Lieferung befassen wollen und dürfen. Um keinen Preis wird dem Kaiser das wichtige Geheimnis der Bereitung verrathen werden, und da es dem französischen Scharfsinne wohl nicht gelingen wird, dieser gefährlichen Erfindung so bald auf die Spur zu kommen, so wird der Kaiser gleich dem Fuchse, dem die Weintrauben sauer sind[22], weil er sie nicht fassen kann, es bis dahin unter seiner Würde halten, von einem so grausamen Mittel Gebrauch zu machen. Aergern wird es ihn aber fortwährend, daß diese [12] Brandraketen wie höllische Geister unter seine wandelnden Redouten fahren, und durch ihre furchtbare zerstörende Kraft den Haupttheil seiner neuesten Kriegskunst zu Schanden machen. Man sagt, dieses Englische Feuer, welches das im Alterthum so gefürchtete griechische Feuer noch übertreffen mag, habe die geheime Zauberkraft indem es unlöschbar bis auf die Seele durchbrennt, in derselben den Freiheitszunder zu zünden, und Sclavenseelen für das geraubte Gut der Freiheit neu zu entflammen. Wehe Napoleon, wenn die Brandraketen diese für ihn noch furchtbarere, nicht geahndete Eigenschaften an seinen Franzosen bewähren! Das Congreavesche Feuer könnte dann leicht auch seinen Thron unlöschbar niederbrennen, und schon hier auf Erden für ihn das Höllenfeuer werden, in welchem seine Despotenseele brennen und Angstschweiß schwitzen soll.

„Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“[23]

[Das der Kaiser seinen kostbarsten Stein mit so vielen anderen Prätiosen veräußert, darf uns übrigens nicht weiter befremden. Denn seitdem man ihn auf einem Krebse reiten sieht[24], ist er der Gefahr zu sehr ausgesetzt, von einem nachsetzenden Kosaken eingeholt, und an dem glänzenden Steine, von dem man schon weiß, selbst dann erkannt zu werden, wenn er als Reitknecht sichtbar wird. Seit der großen Bewegung von Moskau[25] hat sich der Kaiser diese Gefahr wohl nicht verhehlen können.]

7) Quintessenzen von dem Marke aller Nationen des Continents.

8) Große Vorräthe von confiscierten Englischen Waaren. [13] Die merklich erhöhten Staatsbedürfnisse seit der retrograden Bewegung von Leipzig[26] nach dem Rheine veranlassen die Regierung, von der sonstigen Strenge des Gesetzes, welches ihre Verbrennung befiehlt, dies Mal eine Ausnahme zu gestatten.

[Die Dringlichkeit der Umstände wird noch zu so manchen früherhin nicht geahndeten Milderungen der Gesetzesstrenge führen. Unwillkürlich wird man an das: Inter arma silent leges[27], erinnert.]

9) Große Convolute unbrauchbar gewordenen Papieres sollen als Maculatur verkauft werden.

Die aufgehäufte Menge dieses Papiers macht es nöthig, es nur in großen Quantitäten, zu verkaufen.—

[Wenn man späterhin einmal vergeblich nach der Rheinischen Bundesakte, nach der Constitutionsakte des Königreichs Westphalen, Neapel, Spanien u[nd] u[nd] und nach so manchem anderen wichtigen Documente für die politischen Erscheinungen unserer Zeit sucht, so darf man sich also nicht wundern, wenn sie mit der magna charta[28], dem großen Freiheitsbriefe der Engländer, gleiches Schicksal haben, und statt in einem Staatsarchive auf einem Schneidertische gefunden werden. Dieser wichtigen Papiere Gültigkeit ist nicht so ephemer[29] und vergänglich, als das die Gültigkeit der genannten französischen Papiere, welche seit der Leipziger Schlacht nur noch historische Merkwürdigkeit haben. Denn das große Blatt der [14] Engländer enthält wichtige Verwilligungen, welche unangetastet fortbestehen, während das Aufhebungsdecret des kaum seiner Wiege entwachsenen, von einer Geburt an siechen Westphälischen Königreichs die Constitutionsakte desselben um alle politische Wichtigkeit gebracht hat[30]. In keinem Staatsarchive ward das Original der magna charta gefunden. Lange hielt man dasselbe für verloren, als ein glücklicher Zufall es den zerstörenden Händen eines Schneiders entriß, welcher bei einem ähnlichen großen Papierverkaufe von Seiten der Regierung dasselbe mit erstanden hatte, ohne es selbst zu ahnden[31].

Niemand zweifelte daran, daß Papiere, wie die genannten, jetzt unter die Rubrik der unbrauchbar gewordenen gehören. Der große Krebszug von Moskau nach Paris und der kleinere, obwohl vielleicht noch empfindlichere, von Leipzig nach Paris , haben ihre Richtigkeit unwiderruflich entschieden. Leicht möglich daher, daß dergleichen historisch immer merkwürdige Schriften aus dieser Auction zu einem Schneider oder in einem Käseladen wandern. Wer Napoleons Charakter kennt, und er ist in der That jetzt nicht schwer mehr zu entziffern, der kann sich denken, wie gern er das Andenken an ephmere Schöpfungen vernichten wird, deren Erhaltung ihm unmöglich geworden ist]

10) Mehrere tausend Orhoft Thränen, allen Nationen seit einer langen Reihe von Jahren abgepreßt,

[und zwar, wie billig hinzugedacht und hinzu- gesetzt werden muß, durch unerschwingliche Con- [15] tributionen, Brand, Mord, Länderverwüstung und Ehrenschändung.]

Von teutschen Thränen ist der Vorrath am stärksten.

[An den französischen kann auch kein Mangel seyn.]

Ueber den Verkauf dieser kostbaren Waare kann sich nur derjenige wundern, dem es noch unbekannt ist, daß in den Thränen ein tödliches Salz steckt, welches auch großen medizinischen Werth nach den neuesten damit angestellten Versuchen hat. Von der Reichhaltigkeit dieser Soole giebt der Geschmack Kunde. Die Heilkräfte dieses feinen Salzes sind noch nicht so allgemein bekannt, wie sie es verdienen. Den sie sollen die Heilkräfte des Glaubersalzes[32] noch übertreffen, das doch bekanntlich dem Menschen auch angehört.

[Nach diesen, von dem Verfasser des Katalogs beigefügten, erläuternden Bemerkungen wundern wir uns weniger darüber, diese Vorräthe von Menschenthränen hier als Auktionsartikel aufgeführt zu finden, als darüber, daß Napoleon sich dadurch selbst als den großen Thränenpresser des Menschengeschlechts ankündigt. Wir wollen es glauben, daß in den Thränen das eigentliche Salz der Erde, das heißt, das feinste Salz steckt, und daß die Vorräthe dieser köstlichen Soole[33] bedeutend sind. Aber wenn zarte Seelen schon um der Ideen von Blut, Negerschweiß und Negerschmerz, welche sich mit dem Genusse [16] des indischen Zuckers vergesellschaften, etwas herbes in demselben finden, welche sie den Runkelrübenzucker, trotz der geringeren Süßigkeit und Conistenz, vorziehen läßt: wie viel mehr muß dann jeder Mensch von Gefühl sich scheuen, ein Salz zu gebrauchen, dessen Gewinnung für die Menschheit mit so viel Schmerzen verbunden ist, daß man selbiges als ein reines Product menschlicher Leiden betrachten muß! Wie viel Thränen gehören dazu, um nur eine Tonne dieses theuren Erzeugnisses zu gewinnen! Wir wundern uns, daß Napoleon als ein ächter Schlächter nicht auch mit dem Blute der Nationen Handel treibt, wovon die Vorräthe noch bedeutender sein könnten. Wer weiß, ob die französischen Runkelrübenzuckerfabrikanten sich nicht entschlössen, es ihm statt des gemeinhin gebrauchten Ochsenblutes zur Reinigung des Saftes beim Einkochen abzunehmen, zumal wenn der Orhoft von diesem Reinigungsmittel etwas wohlfeiler gelassen werden könnte, als das Rinderblut, welches die Syrupkocher gewöhnlich â Orhoft mit 7 R[eichs]th[a]l[e]r[n] bezahlen. Die Ströme dieses kostbaren Blutes sind unter Napoleons Schlachtmesser so reichlich geflossen, daß die Welt gegenwärtig einem großen Schlachthause ähnlich sieht, in welchem der große Menschenschlächter die Hekatomben seiner Schlachtopfer zur Schlachtbank führt. Gottlob, daß die arme Menschheit, des ewigen Aderlassens müde und dem Verbluten ganz nahe, ihre letzten Kräfte zusammen nimmt, um sich mit Gottes Hilfe von ihrem blutdürstigen Bedrücker zu befreien! Denn indem Napoleon die Formel ganz abnutzte, und eine Zeitlang bei einem größeren Theile damit Glauben fand, daß er nur Krieg führe, um der Welt einen höheren Grad von Wohlfahrt und das Glück eines ewigen Friedens zu erkämpfen, glich er einem medicinischen Pfuscher, und die Menschheit selbst einem [17] eingebildeten Kranken, der das Vertrauen zu seiner eigenen Kraft verloren hat, und alles von der Behandlung seines Arztes erwartet. Der ärztliche Pfuscher redet seinem vermeinten Patienten ein, er sey gefährlich krank, sein Uebel liege in Vollblütigkeit[34] und sogenannter Hypersthenie[35], es könne ihm daher nicht nicht eher völlig wohl werden, als bis er durch fleißiges Aderlassen, Schröpfen und Ansetzung von Blutegeln, so wie durch strenge Diät und Erhaltung von allen nährenden und erhitzenden Sachen, namentlich von Zucker, Kaffee und Gewürzen, den Ueberschuß von Kraft verloren habe, welcher zu bedenklichen Zufällen führen könne, als da sind Schlagfluß[36], Blutsturz[37] ec. Der bethörte Kranke glaubt diesem Gewäsch des Pfuschers, welcher nur seinen Vortheil beabsichtigt, indem er einen gesunden einredet, seine Schlaffheit sey Krankheit.

Der Unglückliche wird durch unaufhörlichen Blutverlust und eine Hungerkur, welche ihm wenig Ersatz giebt, an den Rand des Verderbens geführt. In diesem ängstlichen Zustande sehnt er sich nach seinem früheren zurück. Seine Gefahr entdeckt ihm den Betrüger. Wüthend darüber, unterwirft er sich nicht länger der schändlichen Behandlung seines angeblichen Arztes, und da dieser ihn zwingen will, schlägt er sich, erblickt in seinem vermeinten Wohlthäter nun seinen Mörder, und jagt ihn durch einen verzweifelten Schlag zum Hause hinaus. Der Pfuscher erklärt nun, der Kranke habe ein hitziges Fieber und rase. Allso Napoleon und die Menschheit.

Die betrogene, ausgesogene Menschheit und besonders der am meisten geplagte Theil derselben, hilft sich nun selber, und schlägt mit allen übrigen auf den Quälgeist los, welcher unter der Maske des Helfers ihn unter die Erde bringen wollte. Dies ihr Bestreben ist allerdings einem [18] Fieber vergleichbar, als wodurch sich die kranke Natur immer ihres Krankheitsstoffes zu entledigen sucht. Napoleon hat daher nicht ganz Unrecht, wenn er fragt, die Deutschen haben das Fieber. Wohl ihnen, wenn sie es früher bekommen hätten in dem Grade, wie sie es jetzt haben! Neue Kraft wird es ihnen erwecken, und neuen Wachsthum und frische Jugendkraft dem geschwächten Körper. Die ganze kranke Menschheit greift zu den Waffen und zu der alten kräftigen Kost, die man ihr entzogen hat. Selbstvertrauen und fröhlicher Mut kehrt ihr zurück bei dem sichtbaren Gelingen ihrer mit Gott begonnenen Unternehmungen. Grimmig schlägt sie auf ihren Verderber los. Er erliegt unter ihren Streichen. Seine Unbezwinglichkeit liegt bei Leipzig begraben . Aus Deutschland ist er herausgejagt, der durch Gott gestrafte und entschleierte Bösewicht. Die aufgedrungene Surrogate werden ihm über den Rhein an den Kopf nachgeworfen. Die ganze Zeit seiner Obergewalt wird als ein schlechtes Surrogat der frühern Zeiten verwünscht und verdammt. Die Zeit der Misshandlung ist vorüber. Heil und Freiheit blühen wieder auf aus der mit Blut gedüngten Erde. Die Produkte ist vorüber des fernen Auslandes sollen nicht mehr von dem edelsten Blute der Menschheit triefen. Der Zucker soll uns nicht mehr verbittert, der Kaffee nicht mehr vergällt werden durch das mit Blut geschriebene Machtgebot eines Alleinherrschers, dem es nur um eine Firma für seinen Ehrgeiz zu thun ist. Der freie Verkehr soll unter den Völkern nicht mehr verpönt seyn (sic!), damit Wohlstand und Bildung sich von neuem erheben, denn jede Beeinträchtigung des Waarentausches stört auch den Ideenaustausch, welcher der Wissenschaft so förderlich ist. Und kurz und gut: Westindien ist keine Runkelrübe und keine Runkelrübe ist Westindien. Punktum.]

[19] 11) Große Vorräthe von französischen Weinen und Waaren, welche die Regierung mit Bewilligung der Kaufleute in Bordeaux von denselben an sich genommen hat, um sie der kleinlichen Besorgniß zu überheben, daß sie ihnen von den ewigen Feinden der Franzosen abgenommen oder in Beschlag genommen werden könnten.

12) Ein merkwürdiges Automat, vorstellend eine Aegyptische Sphinx, welche auf vorgelegte Fragen mittelst verständlicher Zeichen antwortet, in zweifelhaften Fällen Rath ertheilt, die Geheimnisse des Schicksals in kurzen, aber deutlichen und bedeutungsvollen Zeichen offenbart, und nur dann unbeweglich bleibt und schweigt, wenn sie großes Unglück zu verkündigen hat[38].

Se[ine] Majestät erhielten diese aus dem feinsten Alabaster gearbeitete Sphinx von einem in Gefangenschaft gerathenen Emir in Aegypten als Lösegeld[39]. Unbekannt mit der zuletzt genannten Eigenschaft befremdete es den Kaiser, als sie seine erste Frage, welche die Eroberung der Syrischen Festung St. Jean d´Acre[40] betraf, unbeantwortet ließ. Schon [20] wollte er sie als unbrauchbar wegwerfen, als sie eine andere Frage, ob er glücklich aus Aegypten nach Frankreich zurückkehren würde, genügend beantwortete, uns so wieder zu Credit kam. Sie hat seitdem alle nachfolgende Siege vorhergesagt, welche den Ruhm des Kaisers und seiner Heere begründeten. Dabei ist noch die Eigenheit zu merken, daß sie sich immer nun über das Schicksal dessen erklärt, der fragt, über fremde Schicksale aber stets schweigt, so daß man nur das fremde Schicksal durch Schlüsse von sich auf andere und nur in dem Falle errathen kann, wenn das Glück und Steigen des Einen nicht ohne das Unglück des Anderen gedacht werden kann. Da der Kaiser schon seit langer Zeit diese wunderbare Sphinx nicht mehr gebraucht, indem er über sein und also über Frankreichs Schicksal (da beide unzertrennlich sind) schon längst von ihr die beruhigendsten Versicherungen erhalten hat, so haben Se[ine] Majestät sich entschlossen, dieß unübertreffliche, rätselhafte Kunstwerk, welches die Hand eines Magiers in Zeit von 30 Jahren zu Stande gebracht haben soll, zum Besten des Staates zu veräußern, wenn sich ein Käufer findet, der es mit Golde aufwiegt.

[Ohne kühn zu seyn in Vermuthungen, kann Man annehmen, nach diesen beschreibenden An- [21] merkungen des Kataloganfertigers, daß diese räthselhafte Sphinx seit geraumer Zeit nun schon die wichtigsten Fragen unbeantwortet gelassen, und sich dadurch die Ungnade des eigensinnigen Besitzers in solchem Grade zugezogen hat, daß er nichts mehr von ihr wissen will. Wer weiß, was Miß Fama sagt, daß er selbst lebenden Personen, wenn sie die Ueberbringer unangenehmer Nachrichten sind, seine Empfindlichkeit oft sehr fühlbar macht, und sich einer leidenschaftlichen Hitze überlassen kann, die ihn zu unwürdigen Handlungen hinreißt, der fühlt sich geneigt, es für möglich zu halten, daß der innere Mechanismus des Werks durch Faustschläge oder Fußtritte gestört ist. Einer oder der andere dieser Gründe, wenn nicht gar beide, mögen dem Verkaufe dieses Automats zum Grunde liegen, dessen geheimnißvolles Schweigen ihm die Schläge des Schicksals prophezeite, welche seine Heere in Rußland und Teutschland getroffen haben. Denn es läßt sich denken, daß er vor dem Beginn des heillosen Russischen Krieges diese seine Kassandra um Rath fragte, und verwöhnt durch eine ununterbrochene Reihe günstiger Aussagen, ihr endliches Schweigen nicht ertrug. Zürnend mit ihr und seinem Schicksale, trotzend auf seine Heeresmacht stempelte er sie zur Lügnerin, und prophezeite ohne sie Russland vermeinten Untergang. Der Erfolg hat gezeigt, daß er die Gabe der Weissagung nicht besitzt, und überhaupt zu den falschen Propheten gehört, vor denen das Evangelium warnt[41]. Sie gehen in Schaafskleidern; aber inwendig sind sie reißende Wölfe[42]. Diesen Irrlehren gleich, trägt auch Napoleon über den blutrothen Kriegsmantel immer ein weißes Friedenskleid. Nur eine Zeit lang konnte er damit täuschen, so daß Viele ihn für angefeindet und zum Blutvergießen gezwungen hielten. Der unbefangene Blick entdeckte bald die Wolfshaut [22] unter den Schaafskleidern. Die listige Verstellung konnte sie doch vor dem Scharfblicke prüfender Menschenkenner nicht ganz verbergen. Das Preußische Manifest von 1806[43] öffnete der geblendeten Menschheit durch Vorlegung unbezweifelter Thatsachen die Augen so mächtig, daß jeder, der sich nicht durch ein unverdientes Glück täuschen ließ, schon damals seine Oelzweige für das nahm, was sie sind, für Brandfackeln. Dafür erklärte sie schon der unglückliche Admiral Ville neuve[44] (1763-1805) nach der Seeschlacht von bei Trafalgar am Morgen seines Catonischen Selbstmordes in einem Briefe an Napoleon[45].]

13) Eine Menge künstlicher Blasebälge

[um den Leuten Wind vorzumachen.]

14) Deßgleichen eine Anzahl Streusandbüchsen mit dem feinsten, flüchtigsten Sande,

[um ihn den Leuten unmerkbar in die Augen zu streuen.]

Wer von diesen Kunstsachen, welche Dutzend- weise verkauft werden sollen, drei Dutzend auf einmal kauft, erhält das vierte umsonst.

[Ein herrliches Geständniß, daß die Zeit vorüber ist, wo diese Sachen mit Glück gebraucht werden konnten!

Was die gerühmte Freiheit des Landes betrifft, so ist es gewiß, daß derselbe oft ziemlich groß war, und nur gewissen Arten von Augen, die überhaupt nicht gut sehen, den Blick völlig trüben konnte. [23] Seit dem verhängnisvollen Krebszuge von Moskau und der großen Leipziger Schlacht sind den Leuten die Augen so mächtig aufgegangen, daß der feinste Sand nicht fein genug mehr ist, um den Leuten unmerkbar in die Augen gestreuet zu werden. Die künstlichen Berichte von der Schlacht bei Leipzig und bei Hanau[46] können, als die letzten ohnmächtigen Versuche, mit diesem feinen Flugsande betrachtet, überall nur Lachen und Bedauern erregen.

Selbst die windigen Franzosen lass sich jetzt keinen Wind mehr vormachen, und kommen am Ende, wenn ihnen das Spiel zu bunt wird, gar auf den vernünftigen Einfall, sich ihres Windmachers zu entledigen. Die an ihnen so oft und so lange mit Erfolg versuchten Blasebälge sind also jetzt, so gut als die Sandbüchsen mit dem von Napoleon eigenhändig präparirten feinen Sande, ein unnützer Hausrath.]

15) Ein großes künstliches Sprachrohr, Moniteur genannt[47], aus dem langen Gebrauche zu bekannt, als das es nöthig wäre, zu dessen Empfehlung etwas hinzuzufügen.

[Der Anfertiger des Katalogs muß die Verlegenheit gefühlt haben, in die er als Lobredner eines Instruments gerathen würde, zu dessen Empfehlung sind nichts weiter sagen läßt, als daß es, wie ganz Europa weiß, eine sehr in die Ohren dringende, gellende, betäubende Stimme hat, und das zur schnellen und allgemeinen Verbreitung lügenhafter Berichte sehr geschickt ist. Die ganze Welt kennt es als ein Lügenrohr, welches mit schamloser Keckheit das Reich der Finsterniß auf Erden zu verbreiten suchte. Die edel- [24] sten Männer verlästerte, verkleinerte, entwürdigte und verunehrte es, wenn sie Unrecht nicht Recht nennen wollten, wenn sie lieber im Dienste der Wahrheit und Freiheit verhungern, als im Dien- ste der Lüge und der Sclaverei sich bereichern wollten, wenn sie schlaue Bosheit ohne Scheu entlarvten, und für Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit siegen oder sterben wollten.

So wie der jedesmalige Vortheil des Besitzers es erheischte, lobte, oder tadelte, verkleinerte oder vergrößerte es. Mit den mächtigem Posaunenton verkündete und vergrößerte es jeden, wenn auch noch so zweifelhaften, Sieg der Finsterniß über das Licht, und suchte die Siege des letzteren zu entstellen und zu verkleinern.

Wir zweifeln, daß jemand diese Lügentrompete wird kaufen wollen. Durch den bisherigen Gebrauch ist sie gar zu übel berüchtigt. Auch soll sie bei der Verkündung des angeblichen Sieges bei Leipzig gesprungen seyn. Eine noch wahrscheinlichere Ursach des angebotenen Verkaufs finden wir in der endlichen Ueberzeugung Napoleons, daß alle Welt Ohrenzwang bekommt, und sich deshalb die Ohren zuhält, wenn die gellende Stimme dieses Teufelsinstruments ertönt. Ungern wird man es daher nicht sehen, wenn es einen Käufer findet, und verstummt. Denn es läßt das Wort Großmuth oft erschallen, ohne jedoch Schriften und Schriftsteller, welche gegen das Reich der Finsterniß kämpfen, großmüthig zu verschonen, obgleich, wie sein Besitzer sich so gern das Ansehen giebt, sie als Mückenstiche und Mücken zu verachten.]

16) Eine Menge Wagen und Militaireffectten, welche auf den große Märschen [25] der beiden letzten Feldzüge für die Armee unbrauchbar geworden sind. Es befindet sich darunter der Schlitten, in welchem Se[ine] Majestät in Gesellschaft des Herzoges von Vicenza[48] von Willna nach Paris reis´ten.

[Wie vieles ist nicht auf diesen großen Märschen unbrauchbar geworden! Wie viele Wagen blieben aus Mangel an Bespannung stehen, oder wurden, da man sie doch hatte stehen lassen müssen, den Gastwirthen zur Bezahlung der Zeche überlassen!

Der Kaiser möchte gern, wie man sieht, jede Erinnerung an die fatale Schlittenfahrt vernichten, welche für eine Luftfahrt doch zu weit war, und eine gar zu ernste Veranlassung hatte.]

17) Ein großer Vorrath des bei einer großen Branntweinlieferung in Teutschland für die Offiziere der großen Heere gelieferten Liqueurs, genannt Spanisch Ritter. So beliebt diese Sorte in Teutschland ist, so mögen ihn doch die französischen Soldaten, denen er wiederholentlich Uebelheiten verursacht hat, nicht mehr trinken.

[26] 18) Eine nicht unbedeutende Menge größten Theils Russischer Pelze, welche die große Franz[ösische] Armee in dem vorjährigen Winterfeldzuge zu spät bekommen hat, als daß sie bei der schon fast vollendeten großen Seitenbewegung, bei der Schnelligkeit und dem Mangel an Zusammenhang, womit dieselbe geschah, noch hatte können an die Einzelnen gehörig vertheilt werden.

19) Mehrere wichtige und interessante Manuscripte, zum Theil von hoher Hand, zum Theil von anderen sehr geschätzten Personen.

Wir begnügen uns hier mit der Aushebung einiger, deren politische und literarische Wichtigkeit einleuchtet. Der Raum dieser Blätter gestattet nicht, sie alle namhaft zu machen. Ihr Verlag wird gleichfalls dem Meistbietenden überlassen.

a) Systéme complet[es] des contributions, vom Herrn Generalintendanten Daru[49]

[Wahrscheinlich eine Darstellung des himmelschreienden Systems, nach welchem der ganze Continent ausgesogen worden ist.]

b) Histoire de mons tems (Geschichte meines Zeitalters)[50]. Das Werk reicht nur bis zur Einäsche- [27] rung von Moskau. Der seitdem neue Anstrengungen erfordernde Krieg raubte die Muße zur Fortsetzung dieses höchst wichtigen Werks, welches dem Leser bald die hohe Hand verräth, welche die Feder eben so gut zu führen weiß, als das Schwerdt. Cäsars Geist und Stil sind nicht zu verkennen in diesen Commentaren, welche von den wichtigsten Begebenheiten unserer Tage den Schleier wegziehen, welcher sie noch bedeckte. —

[Ein solches Werk bliebe allerdings eine sehr merkwürdige Erscheinung, und könnte für die Zeitgeschichte von der höchsten Wichtigkeit seyn, wenn dasselbe mit den Cäsarschen Commentaren gleiche Ansprüche auf historische Treue machen könnte. Allein ohne es gelesen zu haben, fürchtet der teutsche Herausgeber dieses Werks, daß in dem Umstande, daß hier auch der größte Feldherr seiner Zeit von seinen Kriegsthaten Nachricht giebt, die einzige Aehnlichkeit mit jenen Cäsarschen Commentaren liege. Wenn das Werk auch etwas mehr ist, als eine vollständige Sammlung der französischen Armeebülletins, von denen der künftige Geschichtsschreiber nur einen sehr vorsichtigen Gebrauch machen darf, so mag es doch wohl durch Form und Inhalt der Geschichtschreibung des Curtius[51] näher kommen, als Cäsars Erzählung seiner eigenen Waffenthaten. Wenigstens führt der Geist aller bisherigen Armeeberichte und Proclamationen auf diese Vermuthung. Die unpartheiische Nachwelt wird sich aber in diesem Falle durch die Darstellung eben so wenig bestechen lassen, als durch den historischen [28] Roman des Curtius. Es möchte dem hohen Geschichtschreiber wohl nicht gelingen, der Mitwelt und Nachwelt durch dieses Werk vorzuschreiben, was sie von ihm und seinen Thaten denken soll. Wer möchte übrigens nicht neugierig seyn, von Solcher Hand eine Darstellung so mancher zweifelhafter Begebenheit zu lesen! Mancher besorgt schon, daß viele Dinge, wie z[um] B[eispiel] Pichegru´s[52] Erdrosselung, die Erschießung des Duc d´Enghien[53], der ganze Moreausche Proceß[54], die Streitigkeiten mit dem ehrwürdigen Papste[55] und bis Entzweiung mit dem Bruder Lucian[56], theils entstellt und künstlich verschleiert, theils ganz mit Stillschweigen übergangen sind.]

Mit der Muße mag zugleich dem Verfasser des Werks die Luft ausgegangen seyn, es weiter fortzusetzen, seitdem die Begebenheiten eine so ungünstige Wendung genommen werden.]

c)Traduction de Quinte Curce Uebersetzung des Quintus Curtius)

[Curtius soll unter den lateinischen Autoren Napoleons Liebling von seinen Jugendjahren an gewesen seyn. Also mag der anonyme Uebersetzer niemand anders seyn, als der Kaiser selbst, welcher die vertraute Bekanntschaft mit diesem Geschichtschreiber, dessen Credit als solcher zu keiner Zeit sehr groß war, schon sonst bethätigt hat. Den romanhaften Held und Stil dieses [29] Scribenten scheint er sich zum Muster genommen zu haben.]

d) Le systéme d´espionage. La police publique et secrete. Zwei Broschüren.[57]

[Ueber beide Gegenstände wird man sich sehr gern belehren lassen. Besonders interessant wird es seyn, das öffentliche und geheime Räderwerk der französischen Polizei kennen zu lernen, welche eine so durchbare Waffe und Geissel in Napoleons Händen ist, daß ihre abscheuliche Anmaßung und Tyrannei zur Begründung es Franzosenhasses nicht wenig beigetragen hat. Die Regel des Verfahrens für die französische Geistespolizei , unter deren bleiernem Drucke der teutsche Geist erlag, so daß er sich freut, jetzt wieder frei athmen und wirken zu können, wird hier vielleicht aufgestellt, zum Beweise, daß Palm[58] nicht leben durfte. —

e) Der neue Machiavelli, eine vollständige Umarbeitung des ältern.

f) Ein Handwörterbuch, dessen erster Theil ein alphabetisches Verzeichniß milder Namen zur Ueberzuckerung herber Sachen enthält.

[30] [Anziehend muß jedem Leser ein vollständiges Verzeichniß aller der bekannten und verbrauchten, zum Theil auch wohl noch ungebrauchten, Wörter und Phrasen seyn, womit man dem Volke die herbesten Pillen versilbert und kandirt.]

Im zweiten Theile ist ein Verzeichniß von Worten zur Verstärkung und Erhöhung kleiner Vortheile, so wie zur beliebigen Stempelung jeder Tugend zum Fehler und jedes Fehlers zur Tugend.



Anmerkungen (Wikisource) Bearbeiten

  1. Scheible, Johann, Der Volkswitz der Deutschen über den gestürzten Bonaparte, seine Familie und Anhänger zusammengestellt aus den 1813 und 1814 erschienenen Flugschriften, und mit besonderer Bezugnahme auf die Napoleoniden der Gegenwart neu herausgegeben, Stuttgart 1849, Bd. 5, S. 93-116, abrufbar über die bayrische Staatsbibliothek.
  2. Vermutlich Pseudonym, keine weiteren Hinweise auf diesen Namen auffindbar.
  3. „Schwer ist es, keine Satire zu schreiben“, Zitat nach Juvenal, Sat. I, 30.
  4. St. Cloud liegt westlich von Paris, dort besaßen die französischen Könige ein Schloss, das in Napoleons Besitz überging.
  5. Jean-Baptiste Nompére de Champagny (1756-1834), 1. Duc de Cadore, französischer Staatsmann, bis 1811 Außenminister, danach Staatssekretär.
  6. Palais des Tuileries, Sitz der französischen Könige und Kaiser bis 1870.
  7. Dieser Degen („Potsdamer Degen“) wurde neben anderen Gegenständen aus dem Besitz Friedrich II 1806 aus Berlin geraubt und ging 1814 in Frankreich verloren.
  8. Auch die Quadriga Johann Gottfried Schadows, auf dem Brandenburger Tor 1793 angebracht, wurde 1806 aus Berlin geraubt, 1814 kehrt die Quadriga nach Berlin zurück.
  9. Schlacht bei Großgörschen, im französischen Raum Schlacht bei Lützen am 2. Mai 1813.
  10. Völkerschlacht bei Leipzig vom 16-19. Oktober 1813.
  11. Gemeint ist vermutlich Jüterbog bei Berlin, es geht hier um die Schlacht bei Dennewitz am 6. September 1813.
  12. Schlacht bei Großbeeren am 23. August 1813.
  13. Schlacht bei Kulm in Böhmen am 29. und 30. August 1813.
  14. Schlacht an der Katzbach, Schlesien, am 26. August 1813.
  15. Um welches Denkmal es sich hier handelt ist nicht klar, möglicherweise kann das von 1817-1821 errichtete Nationaldenkmal für die Befreiungskriege hiermit in Verbindung gebracht werden.
  16. Gemeint ist hier vermutlich der Orden vom Goldenen Vlies, in den auch Mitglieder der napoleonischen Familie und seines Umfeldes aufgenommen wurden.
  17. "Orden der Wiedervereinigung", gestiftet bei Union von Frankreich und Holland 1811, Aufhebung 1815.
  18. 1805 durch Napoleon für das Königreich Italien geschaffener Orden, 1814 aufgelöst.
  19. Gemeint sind ihr die beiden Brüder Napoleon Bonapartes, Jérôme Bonaparte, König von Westphalen (bis 1813) und Joseph Bonaparte, bis 1813 König von Spanien.
  20. 1804 von Sir William Congreave entwickelte britische Raketenwaffe, erstmals 1805 eingesetzt.
  21. Meint hier den Chinarindenbaum aus dem Chinin gewonnen werden kann.
  22. In Anlehnung an Äsops Fabel Der Fuchs und die Trauben.
  23. Zitat aus Friedrich Schillers Gedicht "Resignation" aus dem Jahr 1786.
  24. Anspielung auf den katastrophal verlaufenen Russlandfeldzug, zeitgenössische Karikaturen zeigen Napoleon auf einem Krebs reitend, der Gang soll eine gleichsam scheinbar vorwärtsgewandte, aber tatsächlich zurückweichende Bewegung zum Ausdruck bringen.
  25. Russlandfeldzug 1812.
  26. Gemeint ist hier der Winterfeldzug 1814 nach der Niederlage bei Leipzig bis zur Abdankung Napoleons.
  27. "Unter Waffen schweigen die Gesetze", ein Cicero zugeordnetes Zitat aus Pro Milone.
  28. Magna Charta als Grundsatzdokument der englischen Baronatsverfassung aus dem Jahr 1215.
  29. ephemer=für kurze Zeit bestehend
  30. Das Königreich Westphalen löst sich im November 1813 entgültig auf.
  31. Diese Überlieferungsgeschichte ist nicht nachweisbar.
  32. Natriumsulfat.
  33. Salzlösung.
  34. Ein aus der Tempramentenlehre stammender Begriff, der die Kombination emotionaler Stabilität und Extroversion meint (Sanguiniker).
  35. Entstammt dem Feld der sog. Erregungstheorie (Brownianismus), bei der davon ausgegangen wird das eine übermäßige Erregung (Hypersthenie) gesundheitsschädlich ist.
  36. Schlaganfall.
  37. Starke, plötzliche Blutungen.
  38. Es gibt keine ernstzunehmenden Hinweise, dass ein solches Objekt in irgendeiner Form in Napoleons Besitz existiert hat.
  39. Auch diese Episode ist nicht nachprüfbar.
  40. Belagerung von Akkon vom 20. März bis 21. Mai 1799.
  41. Anspielung auf Mt. 7:15-29.
  42. Direktes Zitat Mt. 7:15.
  43. Gemeint ist hier die preußische Kriegserklärung an Frankreich vom 9. Oktober 1806.
  44. Vizeadmiral Pierre de Villeneuve
  45. Bezugnahme auf den Selbstmord des römischen Politikers Cato d. J. 46 v. Chr., Villeneuve starb ebenfalls gewaltsam 1805 in Rennes, ein Suizid ist wahrscheinlich, aber auch über einen Mord wurde spekuliert.
  46. Schlacht bei Hanau am 30.-31. Oktober 1813.
  47. Anspielung auf die französische Zeitung Le Moniteur Universel, in napoleonischer Zeit Sprachrohr des Regimes und Propagandainstrument.
  48. Armand de Caulaincourt, Herzog von Vicence, Berater Napoleons und französischer General (1773-1827).
  49. Vermutlich Pierre Daru (1767-1829), französischer Schriftsteller, Historiker, Militär- und Staatsbeamter, sicher ist zu sagen, dass Daru maßgeblich für das napoleonische Kontributionssystem mit verantwortlich war, die oben genannte Schrift ist aber wohl eine Erfindung des Autors.
  50. Völlig fiktionales Werk, das hier mit dem Vorbild Friedrich II (Histoire de mon temps) Napoleon zugeschrieben wird.
  51. Quintus Curtius Rufus, römischer Historiker, vermutlich im 1. Jh. n. Chr.
  52. Jean Charles Pichegru (1761-1804), französischer General, später Konspirateur gegen das Direktorium, verhaftet und 1804 in einem Pariser Gefängnis gestorben, ob Selbstmord oder Mord ist ungeklärt.
  53. Louis Antoine Henri de Bourbon, Herzog von Enghien (1772-1804), von Napoleon 1804 wegen des Vorwurfs der royalistischen Gegenrevolution hingerichtet.
  54. Jean-Victor Moreau (1763-1813), als Konkurrent Napoleons 1804 ebenfalls des Hochverrats beschuldigt und verbannt.
  55. Lange anhaltende Konflikte mit dem Papst Pius VII, Höhepunkt die Besetzung des Kirchenstaates und seine Verhaftung 1807, Napoleon wird im Gegenzug exkommuniziert.
  56. Lucien Bonaparte (1775-1840), enger Vertrauter Napoleons und Innenminister, Zerwürfnisse über politisch-militärisches Vorgehen und Ehepolitik, 1804 zieht er sich ins Privatleben zurück.
  57. Die Bezugnahme auf das von Fouché geschaffene Agentennetz ist deutlich, die beiden Schriften allerdings höchstwahrscheinlich erfunden.
  58. Johann Philipp Palm (1766-1806), Nürnberger Buchhändler, 1806 in Braunau/Inn wegen eines anti-französischen Pamphlets hingerichtet.