Malerische Wanderungen durch Kurland/Katzdangen, Gebäude daselbst; Neuhausen, Flecken und Schloß; Schrunden, dessen Lage und Umgebungen; Fahrt nach Frauenburg; der Garten zu Berghoff

Die Stadt Hasenpoth Malerische Wanderungen durch Kurland
von Ulrich von Schlippenbach
Groß-Blieden, dasige Kirche, das Grabgewölbe und die Grabstatte; Fahrt nach Mescheneeken
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Katzdangen, Gebäude daselbst; Neuhausen, Flecken und Schloß; Schrunden, dessen Lage und Umgebungen; Fahrt nach Frauenburg; der Garten zu Berghoff.

Um von dem Wege von Schrunden aus bis Mitau, und von dieser Stadt selbst ein lebendigeres Gemälde entwerfen zu können, wählte ich zu meiner Reise gerade die Johanniszeit, wo sich der gebildetere Theil von beynahe ganz Kurland in Mitau zu versammeln pflegt; wo Virtuosen, Künstler und Gaukler, gleich den Zugvögeln, hinziehen, um dort die Brutzeit ihrer Künste, während sie selbst und ihre Jungen in den harten Thalern Kurlands reichliches Futter finden, abzuwarten. Neben einem stolzen Schwan, der seine Schwingen voll Kraft über Meer und Land erhebt, neben der Nachtigall, die in den wenigen Sommertagen jedes fühlende [333] Herz entzückt, zieht auch wohl ein Goldammer und ein Bachstelzchen daher; und wie jener durch ein leidliches Gezwitscher, so will diese durch ein künstliches Hüpfen und Springen Aufmerksamkeit erregen. Wem fällt hier nicht die Stelle aus der Bibel ein: „Sehet die Vögel unter dem Himmel an, sie säen nicht, sie ärndten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und Euer himmlischer Vater nähret sie doch;“ — und oft wunderbar genug. Es ist eine schlimme Sache, wenn man mit dem Vorsatz in den Wagen steigt, Reisebemerkungen zu machen. Die Reise gelingt oft so schnell und gut, daß für Bemerkungen wenig Zeit übrig bleibt. Mit gespannter Aufmerksamkeit verließ ich meine Wohnung, schon frühe Morgens; aber ein feuchter, kalter, schneidender Wind drang mir die traurige Bemerkung auf, daß selbst die wenigen schönen Sommertage schon seit ein paar Jahren in meinem Vaterlande noch seltener geworden sind. Unter ärgerlichen Betrachtungen über das Klima schlief ich ein, und hätte mich das laute Bellen meines Kartouche, der den bey feuchter Luft niedrig [334] fliegenden Schwalben mit großem Lärm nachsetzte, ohne sie jemals erreichen zu können, nicht erweckt; so wäre dem Leser sogar die Bemerkung verloren gegangen, der zufolge ich, und mich däucht ziemlich richtig, in dem Hunde einen spekulativen Philosophen erblickte. Wie dieser den Schwalben, dachte ich, ziehen manche Philosophen den zwischen Himmel und Erde schwebenden spekulativen Gestalten mit lautem Lärm nach, ohne sie jemals zu erreichen. Je dichter der Nebel den Himmel deckt, je näher schweben sie der Erde; doch auch dann dem tobenden Ich des lärmenden Spekulanten unerreichbar, der zufrieden seyn muß, sich selbst nur in seinem vergeblichen Bemühen mit lauter Stimme ausgesprochen zu haben.

Indessen langten wir in Schrunden an, und hier will ich, bis der Nebel fällt und heiteres Wetter einen Spaziergang erlaubt, aus der mir sonst so bekannten Gegend, der ich vorbeygefahren bin, einiges nachholen, was vielleicht dem Leser Unterhaltung gewähren kann.

Katzdangen, mit seinem Prachtgebäude, [335] verdient eine genaue Ansicht, da es, so viel mir bis jezt bekannt ist, von allen neueren Gebäuden in Kurland, Mesoten viellleicht ausgenommen, (das ich aber noch nicht gesehen habe) das prächtigste und schönste seyn möchte. Die Lage ist vortreflich, und die Aussicht auf mehrere benachbarte Höfe, besonders nach Wangen und der Stadt Hasenpoth zu, nicht weniger. Ein reizendes stilles Thal, das sich bis an den Hof zwischen ansehnlichen Hügeln längs einem klaren Bache hinzieht, gewährt einen friedlich ländlichen Anblick. Hier steht die Kunst, im Schmucke eines prächtigen Gebäudes, von der sie rings umgebenden Natur mit zartem Schwesterarm umschlungen. Aus dem hohen, durch zwey Stockwerke unter einer Kuppel über das Dach hinaufreichenden, runden Saal, der schön dekorirt und mit nach Antiken gearbeiteten Statüen der Hebe und Minerva ausgeschmückt ist, und dessen hochgewölbte Decke von acht korinthischen Säulen getragen wird, führt der Ausgang auf einen Balkon, dessen Fußboden aus einem einzigen flachen, ohnweit Katzdangen gefundenen [336] Granit besteht. Hier übersieht man den mit hohen Lindenstämmen umkränzten und mit vielen seltenen Fruchtbäumen angefüllten geräumigen Garten, der, wenn gleich nicht im neuesten Geschmack angelegt, doch nach alter Sitte desto fruchttragender ist, und in heißen Sommertagen, unter einem Gewölbe hoher Lindenzweige, Schatten und Kühlung gewährt. An diesen Garten stößt, durch eine Allee von Ahorn- Birken- und Drosselbeerbäumen verbunden, ein kleines Wäldchen, in dem fast alle hier in Kurland gedeihenden Bäume angepflanzt sind. Mitten in diesem Wäldchen stehen, von einem Gitter umgeben, zwey Säulen von weißem und grauem Marmor, deren jede eine aus karrarischem Marmor schön gearbeitete Urne trägt; dem Andenken der entschlafenen Ältern des jetzigen Besitzers der Katzdangenschen Güter[1] geweiht. Wenn ich das schöne Gebäude betrachte, wie es durch die dunkeln Laubengänge des Gartens mit dem Wäldchen und seinen schweigenden Gräbern verbunden [337] ist; so erblicke ich hier das Bild eines durch Kunstsinn und edles Gefühl erheiterten Menschenlebens, das durch einen dunkeln kühlen Gang im Tode, von süßen Träumen umweht, mit einem frey gen Himmel schauenden Grabe verbunden wird. Wer selbst an die Freuden seines Lebens das Andenken entschlummerter Geliebten knüpft, verdient ein Glück, das er genießt durch edle Gefühle in der bewegten Brust. — Als etwas Merkwürdiges muß ich bey Katzdangen anführen, daß das schöne Gebäude, unter der Anweisung des sehr geschickten Architekten und Maurer-Polierers Berlitz aus Berlin, mehrentheils von kurischen Bauern, die der genannte Architekt in der Maurerey unterrichtete, aufgeführt worden ist. In kurzer Zeit erlernten sie die schwersten Handgriffe und selbst die feinsten Stukkaturarbeiten. Auch die Quadern am Sockel des Gebäudes, und die schön gehauenen Schafte und Kapitäler der korinthischen Säulen, nach der Gartenseite hin, verfertigten Letten. Herr Berlitz gab ihnen Anleitung und zog sie sogar den hiesigen sogenannten deutschen Maurern vor, [338] weil er bey letzteren mehr Arroganz und weniger Gelehrigkeit und Trieb zur Erlernung des schweren Handwerks fand. Sollte dies nicht ein Beweis seyn, daß der Lette sehr leicht Bildung erhalten kann, sobald man sie ihm zu verschaffen nur bemüht ist? — Von Katzdangen geht der Weg, dem Krongute Neuhausen, vorbey, durch den Flecken gleiches Namens. Ersteres lehnt an die Ruinen eines alten Schlosses, das im Jahr 1277 vom Herrmeister Wolter von Nordeck erbauet ward; nur einige Mauern stehen noch, zwischen denen ein Drosselbeerbaum sich hervordrängt und mehrmals durch die Mauerspalten windet. In dem Stamme ist ein Stein fest eingewachsen und über der Mauer emporgehoben; so, als wollte hier die lebende blühende Natur ein Denkmal der Vorzeit in ihrem Schooße der Nachwelt gleichsam entgegen tragen. Der Flecken Neuhausen besteht als solcher nur aus einer Kirche, von mehreren, ich glaube sieben Krügen umgeben. Über Appussen und Berghoff führt nun der Weg nach dem Krongute Schrunden, das sich in der Ferne [339] mit seiner Kirche und der Menge, zu dem großen Gute gehörigen Wirthschaftsgebäuden, wie eine kleine Stadt ausnimmt. Das Wetter hatte sich geändert und erlaubte einen Spaziergang. Von der Kirche her fand ich eine recht interessante Aussicht: in der Ferne auf den Windaustrom, der sich in seinen hohen Ufern, wie ein Silberband, durch das schöne grüne Gewand der Natur hinzog; in der Nähe auf den Kirchhof, an dessen Ende eine vorbeymarschirende Artilleriekompagnie ihre Kanonen mit den dazu gehörigen Amunitionswagen aufgeführt hatte, um sie den bewohnten Häusern nicht zu nahe stehen zu lassen. Diese ehernen Korybanten standen vor der ruhigen Schlummerstätte des entschlafenen Landmannes, wie jene griechischen Priester der Cybele vor der Wiege Jupiters, am Berge Ida. Heil uns! dachte ich, diese offenen Feuerschlünde schützen in unserm Vaterlande den friedlichen Landmann und die Gräber seiner Väter. Schweigend stehen sie hier, als ehrten sie die stillen Rasenhügel der Entschlummerten, Doch laut, wie Donner Gottes, ertönt ihre [340] Stimme, wo sie für Recht und Wahrheit zu sprechen, gezwungen werden. Eine kleine mit Linden eingefaßte Grabstätte auf einem Hügel hinter der Kirche, wo die Zeit ein halbversunkenes Monument mit leiser, doch gewisser Hand bald verwischt haben wird, hat eine sehr gefällige Lage. Man übersieht eine Fläche von 2 bis 3 Meilen. Ich kenne nichts rührenderes als solche Denksteine auf den Pfaden des menschlichen Lebens, und der Leser mag es sich gefallen lassen, daß ich dergleichen öfterer in dem Gemälde Kurländischer Gegenden bemerken werde. Hier herrscht — ich möchte sagen — die heilige Sitte allgemein, die theuren Reste geliebter Freunde und Verwandte in hiezu besonders errichteten Gebäuden aufzubewahren. Oft sind diese in der Form antiker Tempel, oder auch wie kleine gothische Thürme aufgeführt, und da man sie mehrentheils an solchen Stellen errichtet, wo die Aussicht frey und schön, oder der Platz von schattigen Bäumen umgeben ist; so werden diese Mausoleen, die man hier Kapellen nennt, zugleich eine Zierde der Landschaft, die sie umgiebt. [341] Einige unter diesen sind wahrhafte Prachtgebäude, z. B. in Lieven-Bersen, Postenden und an andern Orten. Wie in eine große Urne hat der Tod die Asche aller der geschüttet, die sich im Leben theuer waren. Man lache immer über den Schwärmer, der an seinen kalten, fühllosen Staub etwas mehr als die Monaden der Materie knüpfen will; dem Herzen, das an der Brust eines andern treuen Herzens klopft, ist gewiß der Gedanke süß, einst mit diesem Herzen vereint in Staub zu fallen, — und aus so vereinter Asche hebt sich freyer und schöner der Phönix Hoffnung empor. Die mehresten Landgüter in Kurland besitzen dergleichen Erbbegräbnisse, und wahrlich in einem Lande, wo sich allenthalben der Genius mit der umgekehrten Fackel an Monumente der Dankbarkeit und Liebe lehnt, da muß im Leben der Bewohner ein Gefühl liegen, das sie der Achtung jedes Edlen würdig macht.

In Schrunden stand ehedem ein kleines Schloß mit einem Erdwall und Graben umgeben, das im Jahr 1331 wahrscheinlich von Eberhard von Monheim erbauet war. [342] Es hat eine schöne Lage an der Windau gehabt, jezt aber sind nur wenige Steinhaufen davon übrig. Im Frühjahr, wenn der Windaustrom seinen Eisgang feyert, muß hier von diesen Trümmern das große Schauspiel mit diesem Gefühl erblickt werden. Die Zeit und ihr Kommen und Schwinden haben tausend Dichter schon mit einem Strome verglichen, aber schwerlich ist jemals das Bild treffender, als wenn der Strom, von großen und kleinen Eisschollen bedeckt, die Ufer höhnend dahinzieht; hier und da, als wollte er Monumente für die Ewigkeit errichten, Eisfelsen wie Berge thürmt und sie doch gleich selbst wieder untergräbt und fortspült; hier einen Strohhalm, dort einen Kahn, ein Bild des menschlichen Lebens, davon trägt; hier ein junges Bäumchen der Wurzel entspült und dort eine untergrabene Felsenwand in den Abgrund zieht. Mit treffender Wahrheit muß sich auf den Trümmern einer alten Feste ein solches Bild idealisiren lassen; ein Bild, das hier durch acht alte eiserne Kanonen, die auf der andern Seite der Windau dem Schlosse gegenüber [343] liegen, und vielleicht ehemals zur Zerstörung der Burg bestimmt waren, nun aber zum Theil selbst völlig zerstört sind, recht eingreifend kommentirt wird. — Der Spaziergang war geendet, und wir kehrten zum Kirchenkruge, wo man, ungeachtet der ansehnlichen Bezahlung, uns ein erbärmliches Mahl bereitet hatte, zurück. Vor dem Kruge hatten sich einige Bauern versammelt, die keinen geringern Gegenstand zu ihrer kritischen, sehr lauten Unterhaltung gewählt hatten, als jenen, den Winkelmann in seiner Geschichte der Kunst, Theil 1 S. 388[2] abhandelt. Es war nämlich von dem Gange einiger Pferde, die vorgeritten wurden, die Rede. Die mehresten in der Versammlung traten der Meinung des gelehrten Magalotti bey, daß sich das eben vorgerittene Pferd kreuzweise bewege, ohne jedoch, wie dieser meint, einen diagonalischen Schritt anzunehmen. Der Besitzer versicherte dabey, es laufe schneller als eine Kugel; doch schien er nicht, nach der Bestimmung des L. 13. [344] pr. D. de act. emt. vend., für die wissenden und unwissenden Kardinalfehler, deren die neue sächsische Verordnung bey den Pferden nicht mehr als 11 angiebt, haften zu wollen. Ein solcher Pferdetausch, besonders wenn sich ein paar Juden unter den Handelnden befinden, giebt ein interessantes Gemälde im Geschmack der niederländischen Schule. Die Jahrmärkte bieten dergleichen Scenen am häufigsten dar. Hier erscheint, mit starkem Barte und im langen schwarzen Talar, auf einem kleinen Pferde sitzend, der Ebräer, indem er, um die Schnelligkeit seines Arions zu vermehren, beyde Füße als Ruder braucht, und die Flügel, die diesem abgehen, durch die Bewegung seiner Arme, mit denen er gleichsam zu flattern versucht, ersetzen will. Der Bauer unterdessen prüft mit einer ernsten Kennermiene oder einem bedeutenden Lächeln, als hoffe er doch den mosaischen Wettrenner mit allen seinen Ränken zu übersehen, die Bewegungen des Pferdes und seines Reuters, und lobt oder tadelt dabey mit sehr kraftvollen Ausdrücken. „Das Thier läuft wie das Wasser,“ oder, „wie der Wind,“ [345] hört man eben so oft als Tadel ausdrücken sollende Vergleiche mit allen möglichen Thieren, und vorzüglich mit dem Teufel, der, bey dem einzigen Pferdefuß, dennoch alle Pferdefehler an sich haben, und bald, wie dieser blind, oder lahm, oder alt, oder krank seyn soll. Während dem ich so dem Handel mit Pferden zusah, waren die meinigen angespannt, und ich kam zeitig nach dem 4 Meilen von Schrunden entfernten Frauenburg. Der Weg dahin, durch Wald und Fläche, hat nichts, was bemerkenswerth wäre. Dagegen liegt Frauenburg selbst, wo auch ehemals ein Schloß (1341 von Burchard von Dreylewen erbaut) gestanden hat, von dem jedoch nur Ruinen von Ruinen _ übrig sind, recht angenehm an einem Bache, den, wenn ich nicht irre, die Chronik die Daune nennt. Hier ist die Kirchspielskirche, eine Poststation und ein Briefkomptoir; ehemals hatte auch das Hauptmannsgericht hier seinen Sitz.

Wir waren früh genug angekommen, um noch einen Spaziergang nach dem benachbarten Gute Berghoff zu machen, das [346] seiner schönen Lage und seines Gartens wegen bekannt ist. Beydes verdient auch wirklich bemerkt zu werden. Die Aussicht ist hier in der Ferne und Nähe vortreflich, besonders auf einem mit hohen Birken umpflanzten Hügel, wo von der einen Seite sich die treflich kultivirte Landschaft darstellt, und eine Menge Landhäuser dem Auge sichtbar werden; von der andern Seite aber ziemlich ansehnliche mit Laub bewachsene Hügel die Ufer eines Baches einfassen, der sich durch den Garten schlängelt. Er kömmt aus dem nicht weit entfernten Zezerschen See, der wie ein weißer Schleyer um das grüngelockte Haupt der Hügel fällt. Der Garten, hauptsächlich derjenige Theil, wo die Natur von der Kunst nicht gezwungen, sondern nur freundlich geleitet worden ist, hat äußerst liebliche Stellen. Der Gang am Berge unter einem natürlichen Laubdach von Haselsträuchen, die zu dem Bache am Fuße des Berges sich herunter biegen, als wollten sie ihr schwesterliches Bild in der Tiefe desselben näher beschauen; der freye Wiesenplatz im Thal, und ein Steinsitz zwischen Tannenbäumen [347] auf der Anhöhe, der Landstraße gegenüber, haben mir besonders gefallen.

Auch in Frauenburg, und vorzüglich vom Kirchenberge, ist die Aussicht nach der Höhe, auf der Berghoff mit seinem hübschen Landhause, den Nebengebäuden und dem Garten liegt, höchst interessant, und war damals, als ich sie eben erblickte, noch durch ein erhabenes Schauspiel der Natur verschönert; denn während die ganze Landschaft im hellen Sonnenschein glänzte, zog ein Gewitter in der Ferne mit seinen finstern Wolken und Hagelstreifen vorüber. Es war, als lächelte noch die Erde, während der Himmel in der Ferne mit ernster, drohender Stirne herabblickte.

Am Busen lag der freundlichen Natur
Die junge Brut der Zweige und der Blüthen;
Das Sonnenlicht glänzt auf der grünen Flur,
Indeß entfernt zerstörend Donner wüthen:
Ein Bild von dir, beglücktes Vaterland,
Wo Alexanders Sonne glänzt;
Fern wüthet Krieg mit mörderischer Hand,
Indeß der Friede unsre Stirne kränzt.

Weiter weiß ich von der Natur und Kunst, die Frauenburg umgiebt, nichts [348] zu sagen; aber ich will hier die Gelegenheit nützen, um, da doch fast in allen Reisebeschreibungen etwas von schlechten Wirthen in den Gasthäusern, und wahrhaftig selten mit Unrecht, gesprochen wird, auch ein paar Worte von guten Wirthen sagen zu können. Wenn man unsern lieben Wirth Klestroff in Frauenburg und seine Familie sieht, so muß schon sein Anblick allein ein sehr gutes Vorurtheil für die Kraft und Nahrhaftigkeit seiner Speisen geben, da sie ihm bis zu dem Umfange von mehreren Ellen fortgeholfen haben. Wenn ihn einst der Himmel nach den anvertrauten Pfunden seines Körpers fragt, so kann er stolz hervortreten und lächelnd auf erwucherte Schiffpfunde zeigen. Dem sey, wie ihm wolle: seine Bewirthung, so wie die seines Nachbaren Franz, der wie jener Sohn eines Richters auf der Haut seines Vaters Rechtssprüche ertheilte, hier in dem Bilde des seinigen „Zum Alten Franz“ die Gäste bewirthet, verdient vorzügliches Lob. Man kann in keinem Gasthofe, selbst in den größeren der Städte, besser, reinlicher und bescheidener [349] bedient seyn, und die Preise sind, in Betracht der guten Speisen und Getränke, und in Verhältniß mit denen anderer Gasthäuser, immer nur gering.

In Kurland giebt es bekanntlich keine ordinaire Post; die Stelle derselben vertreten die Königsberger Fuhrleute, deren regelmäßig einer alle 8 Tage aus Königsberg nach Riga abgeht und von da wieder zurückkehrt. Eben war hier ein solcher Fuhrmann angekommen, dessen Fracht, außer andern Waaren, auch in einem jungen Mädchen aus Preußen bestand; die einen Mohren zum Reisebegleiter hatte. Anfangs mag wohl der schwarze Gefährte — ein zweyter Monostatos — nicht willkommen gewesen seyn, und unter dem Zelthimmel des Fuhrwagens die arme Pamina selbst gesprochen haben: Mond, verstecke dich dazu! Doch, wenn es wahr ist, was der gelehrte Damasius Blymburg in seinem Liebesgarten schreibt[3], „welcher Weibsperson Frau Venus eine Brille aufsetzt, die meinet ein Mohr sey ein Engel;“ [350] so könnte wohl selbst unter dem Plan des mächtigen Fuhrwagens ein Roman vorausgesetzt und allenfalls das Sujet zu einer neuen Oper werden. Statt daß, wie im Wasserträger, die Hauptperson aus einer Tonne springt, könnten hier zwey Liebende von verschiedener Farbe, schwarz und weiß; wie Lessing den Schlaf und den Tod im Schooße der Nacht gezeichnet wissen will, unter der Himmelsdecke des Königsberger Fuhrwerks agiren. Die Dekoration wäre gewiß neu und schön.

Von Frauenburg ist der Weg bis zum Gasthofe des alten Franz im Bilde, und des jungen in natura, durch den tiefen Sand beschwerlich; besser aber wird er schon auf den Groß-Bliedenschen Dämmen.



  1. Herr Karl von Manteuffel.
  2. Nach der Wiener Ausgabe.
  3. Disputatio inauguralia — von der Jungfrauenliebe, Wittenberg, 1679, Quaest.3. §1.