MKL1888:Fabrikgesetzgebung

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Fabrikgesetzgebung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 9971003
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Fabrikgesetzgebung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 997–1003. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Fabrikgesetzgebung (Version vom 31.05.2024)

[997] Fabrikgesetzgebung (Arbeiterschutz-Gesetzgebung). Die F. ist die besondere Gesetzgebung für Lohnarbeiter in größern Unternehmungen mit Ausschluß der land- und forstwirtschaftlichen und eigentlichen Handelsunternehmungen, welche die Arbeiter gegen solche Nachteile zu schützen bezweckt, die in ihren Arbeitsverhältnissen und in ihrer sonstigen sozialen Lage bei der Freiheit des Arbeitsvertrags und freier Konkurrenz entstehen können. Die F. erstreckt sich wesentlich auf die Regelung der Arbeitsverhältnisse (Arbeitszeit, Art der Beschäftigung, Lohnzahlung, Fabrikordnungen, Streitigkeiten aus dem Arbeitsvertrag, resp. über die Bedingungen desselben etc.), auf die Regelung der Haftpflicht der Unternehmer, der Wohnungsverhältnisse und auf die Einrichtung obrigkeitlicher Organe zur Kontrolle der Arbeiterzustände und zur Durchführung der F. Ursprünglich bezog sich die F. nur auf Fabriken, daher der Name; seitdem die F. erweitert worden, nicht mehr nur Fabriken und Fabrikarbeiter betrifft, wird die Bezeichnung Arbeiterschutzgesetzgebung üblicher. Über die Aufgaben der F. und die an eine rationelle F. in der modernen Volkswirtschaft zu stellenden Anforderungen vgl. Industrielle Arbeiterfrage.

Alle Industriestaaten, mit Ausnahme von Belgien, haben heute eine von Land zu Land sehr verschiedene F. In den meisten ist sie völlig ungenügend, in den übrigen (England, Schweiz, Deutschland, Österreich und einigen Staaten der nordamerikanischen Union) ist sie wenigstens reformbedürftig.

England.

Die älteste und umfangreichste F. hat England. Manche datieren sie von der 1796 erfolgten Einsetzung eines besondern Gesundheitsamtes im Interesse der arbeitenden Klassen, doch wurde das erste eigentliche Fabrikgesetz 1802 gegeben. Erster Grundsatz der bestehenden Gesetzgebung ist, zu gunsten der Arbeiterklasse überall da gesetzliche Maßregeln zu treffen, wo ihre eigne Kraft nicht ausreicht, ihre berechtigten Interessen zu wahren. Die heutige englische F. ist das Produkt eines langen Kampfes gegen den Egoismus des Unternehmerstandes und die Lehren der Manchesterschule (s. d.). Für die Geschichte derselben ist charakteristisch, daß man in Bezug auf die zu schützenden Personen und die einzelnen Produktionsarten nur schrittweise vorging, indem man der Vielgestaltigkeit der gewerblichen Unternehmungen Rechnung tragen wollte und namentlich bemüht war, durch staatliches Eingreifen nicht die Konkurrenzkraft der Unternehmungen und den Fortschritt der Technik zu gefährden. In der Geschichte lassen sich vier Perioden unterscheiden. In der ersten (1802–31) beschränkt sich die F. auf die Schafwoll- und Baumwollindustrie und auf unerwachsene Arbeiter, in der zweiten (1831–53) wird der Schutz ausgedehnt auf alle Arbeiter der Textilindustrie, in der dritten (1860 bis 1870) auf alle Industriezweige und auf die Werkstätten, in der vierten (seit 1878) auch auf die Hausindustrie. In jeder folgenden Periode schützt der Staat nicht bloß eine größere Zahl von Arbeiterklassen, sondern der bisher gewährte Schutz wird auch sachlich ein größerer. 1878 erfolgte die Kodifikation der bisherigen, aus einigen 20 zum Teil sehr umfangreichen Gesetzen bestehenden, immer nur die einzelnen Produktionszweige betreffenden Spezialgesetzgebung.

[Erste Periode.] Das erste Fabrikgesetz war die Moral and Health Act Sir Robert Peels des ältern. Dasselbe bezog sich nur auf Baumwoll- und Schafwollfabriken und auf die sogen. Kirchspielslehrlinge (Pfarrlehrlinge), d. h. die Armenkinder, welche gewissenlose Armenverwaltungen sich dadurch vom Halse schafften, daß sie dieselben in die Fabriken schickten. Für dieselben wurde die tägliche Arbeitszeit auf 12 Stunden festgesetzt und Nachtarbeit verboten; jeder Lehrling sollte täglich in den ersten vier Jahren seiner Lehrzeit Unterricht erhalten, und die Schulstunden sollten ihm als Arbeitszeit angerechnet werden. Bei den ungenügenden Durchführungsbestimmungen blieb indes der Schutz, welchen diese Akte gewähren sollte, illusorisch. Inzwischen[WS 1] entstanden viele mit Dampf betriebene Fabriken; in ihnen wurden auch andre Kinder und jugendliche Personen in großer Zahl und übermäßig beschäftigt. Nachdem auf Veranlassung R. Peels 1815 eine parlamentarische Enquete (die erste über die Zustände der Fabrikbevölkerung) veranstaltet worden war, kam 1819 ein neues Gesetz zu stande, das sich nur auf die Baumwollspinnereien bezog. Zum erstenmal ward eine bestimmte Altersgrenze (9 Jahre) für die Aufnahme in die Fabrik festgesetzt; die Arbeit der 9–16jährigen Kinder ward auf 12 Stunden täglich beschränkt und die Nachtarbeit von neuem verboten. Ein andres Gesetz von 1825 kürzte zum erstenmal die Arbeit am Sonnabend ab und regelte namentlich das Verfahren gegen die Gesetzesübertreter. Aber auch die Durchführung dieser Gesetze blieb eine völlig ungenügende. Einer energischen Agitation gelang es, 1831 ein neues Gesetz durchzubringen, welches die vorausgegangenen Gesetze aufhob, die Nachtarbeit für alle Personen zwischen 9 und 21 Jahren verbot und die Arbeitsdauer für Personen bis 18 Jahren auf 12 Stunden pro Tag und 9 St. Sonnabends festsetzte. Obgleich in ihrer Wirksamkeit auf die Baumwollindustrie beschränkt, war diese Fabrikakte doch insofern von hoher Bedeutung, als sie das erste Gesetz war, welches wenigstens zum Teil ausgeführt wurde. Das Hauptziel der weitern Agitation war die Beschränkung der Arbeitszeit auf 10 St. und die Ausdehnung der F. auf die gesamte Textilindustrie.

[Zweite Periode.] 1832–33 wurde eine umfassende Enquete über die Lage der Fabrikarbeiter veranstaltet. In dem Kommissionsbericht ward die allgemeine Herabsetzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden als verderblich und als gefährlicher Eingriff in die Rechte des freien erwachsenen Arbeiters verworfen und vorgeschlagen, die Arbeitszeit der Kinder von 9 bis 13 Jahren auf 8 St. herabzusetzen; um aber die notwendigen Hilfsarbeiter während des ganzen Arbeitstags zu erhalten, ward das sogen. Relaissystem empfohlen, d. h. die Einstellung doppelter Arbeitsreihen, von denen die eine von morgens bis mittags, die andre von da ab bis abends arbeitet. Die meisten Vorschläge der Kommission fanden Berücksichtigung in dem neuen Gesetz vom 29. August 1833, welches in allen Baumwoll-, Schafwoll-, Kammwoll-, Hanf-, Flachs-, Leinspinnereien und -Webereien den Personen unter 18 Jahren die Nachtarbeit untersagte und zum erstenmal zwischen Kindern von 9–13 Jahren und sogen. jungen Personen von 13–18 Jahren unterschied, indem es für erstere das Arbeitsmaximum auf 48 Stunden, für letztere auf 69 Stunden pro Woche festsetzte. Zur Durchführung des Gesetzes wurden vier Fabrikinspektoren bestellt. 1842 folgte das Bergwerksgesetz vom 10. August mit dem Verbot der Arbeit unter Tag für Frauen und für [998] Knaben unter 10 Jahren und der Einführung besonderer Bergwerksinspektoren. Das Gesetz von 1833, bei dessen Durchführung sich mehrfache Schwierigkeiten ergaben, namentlich infolge der Versuche, seine Vorschriften durch Anwendung des Relaissystems zu umgehen, wurde durch die Fabrikakte vom 6. Juni 1844 modifiziert. Diese betraf, wie das Gesetz von 1833, die Textilindustrie. Sie setzte das gesetzliche Minimalalter für Kinder auf 8 Jahre (bisher 9) herab, verkürzte aber die Arbeitszeit der Kinder bis zu 13 Jahren auf 61/2 Stunden pro Tag (bisher 9) und ordnete an, daß kein Kind an demselben Tag vor- und nachmittags in der Fabrik beschäftigt werden dürfe. Jenen Fabriken, welche „junge Personen“ (bis zu 18 Jahren) nur 10 St. pro Tag arbeiten lassen, wurde gestattet, Kinder auch 10 St. zu beschäftigen, aber nur an drei alternierenden Tagen in der Woche. Ferner wurde der gesetzliche Schutz, dessen „junge Personen“ teilhaftig sind, auf erwachsene Frauen ausgedehnt. Für Kinder wurde an den fünf ersten Wochentagen ein Schulbesuch von je 3 St. vorgeschrieben. Sehr eingehend regelte das Gesetz die Rechte und Befugnisse der Fabrikinspektoren; dieselben konnten zu jeder Zeit die Fabrikräume betreten, die Zeugnisse und Register einsehen, jede Person an Ort und Stelle vernehmen, vom Schulbesuch dispensieren, mit friedensrichterlicher Autorität Konstabler aufbieten, Zeugen und Angeklagte vorführen lassen. Für Gesetzesübertretungen wurden in erster Linie die Fabrikbesitzer, in zweiter die Fabrikleiter und Werkführer verantwortlich gemacht. Durch Gesetz vom 30. Juni 1845 wurde auch den in den Kattundruckereien beschäftigten Kindern und jungen Personen Schutz gegen Überarbeit gewährt; doch war dies Gesetz insofern mangelhaft, als es Nachtarbeit nur für Frauen und Kinder, nicht auch für männliche junge Personen (13–16 Jahre) verbot und weder Sanitätsvorschriften noch Bestimmungen über Arbeitsdauer, Mahlzeiten und Ruhepausen enthielt. Weit bedeutsamer als die Fabrikakte von 1844 war die vom 8. Juni 1847 (sogen. Zehnstundenbill). Sie betraf auch die Textilindustrie, setzte in dieser vom 1. Mai 1848 ab die Arbeitsdauer für alle jungen Personen unter 16 Jahren und Frauen auf 10 St. pro Tag, resp. 58 St. pro Woche fest. Mit diesem Gesetz schien das Ziel einer fast 20jährigen Agitation erreicht. Die Fabrikanten versuchten jedoch, ihre Fabriken während des gesetzlichen Arbeitstags (51/2 Uhr morgens bis 8 Uhr abends) über die für die Arbeitsdauer der geschützten Personen fixierte Stundenzahl durch Anwendung von Relais, welche verschiedene Anfangs- und Schlußzeiten hatten, hinausgehen zu lassen. Hierdurch wurde der Zweck des „Zehnstundengesetzes“ vereitelt und die Verwendung derselben Arbeiter während eines Tags in verschiedenen Fabriken ermöglicht. Diesem Kampf der Fabrikanten gegen das „Zehnstundengesetz“, der anfangs noch durch ein gerichtliches Erkenntnis legalisiert wurde, machte erst das Gesetz vom 5. August 1850 ein Ende. Es setzte den Normalarbeitstag für alle jungen Personen und Frauen auf die Zeit von 6 Uhr früh bis 6 Uhr abends herab und verlegte die gesetzlichen 11/2 Stunden Mahlzeiten innerhalb dieser 12 St. Hierdurch wurde die wirkliche Arbeitsdauer an den ersten fünf Wochentagen um 11/2 Stunden erhöht, dagegen durfte Sonnabends keine geschützte Person nach 2 Uhr mittags beschäftigt werden. Hinsichtlich der Arbeitszeit der Kinder (8–13 Jahre) blieb die Fabrikakte von 1844 in Geltung (Arbeitstag von 51/2 Uhr früh bis 81/2 Uhr abends). Um der daraus sich ergebenden Inkongruität ein Ende zu machen, verbot das Gesetz vom 20. Aug. 1853, Kinder vor 6 Uhr morgens und nach 6 Uhr abends, bez. im Winter vor 7 Uhr früh und nach 7 Uhr abends zu beschäftigen. Ein weiteres Gesetz vom 30. Juni 1856 suchte den Gefahren der nicht genügend eingefriedeten Maschinenteile zu begegnen.

[Dritte Periode.] In derselben wurden auch die Bleichereien und Färbereien (durch vier Gesetze von 1860, 1862, 1863, 1864) der F. unterworfen, jedoch mit der Erleichterung, daß Mehrarbeit zur Einbringung verlorner Zeit nicht bloß bei mechanischen Betriebsstörungen, sondern auch infolge von „Geschäftsschwankung, der Natur des Betriebes oder irgend einer andern Ursache“ mit 2 täglichen Zuschußstunden gestattet sein solle. Die Bestimmungen des Gesetzes von 1850 wurden 1863 auf die Appreturanstalten, dann auch auf die in Handbetrieb stehenden Werkstätten dieser Art ausgedehnt und damit der erste Schritt gethan, das Kleingewerbe einer gesetzlichen Beschränkung zu unterwerfen. Doch war der praktische Erfolg dieser Akte ein sehr geringer. Erst im J. 1870 wurden die ungenügenden Vorschriften des Gesetzes durch die Hauptbestimmungen der Fabrikakte ersetzt, welche 1867 für alle übrigen Fabriken erlassen worden war. Ferner wurden (Gesetz vom 6. August 1861) die mit Wasser oder Dampf betriebenen Spitzenmanufakturen einer gesetzlichen Regelung unterworfen mit der Begünstigung, Knaben über 16 Jahren unter der Bedingung neunstündiger Arbeit zwischen 4 Uhr früh und 10 Uhr abends beschäftigen zu dürfen. In den Bäckereien untersagte das Gesetz vom 13. Juli 1863 Personen unter 18 Jahren die Nachtarbeit, ohne jedoch die Arbeitsdauer innerhalb der gesetzlichen Arbeitszeit irgendwie zu regeln. In Bezug auf Bergwerke waren in den 50er Jahren zwei Nachtragsgesetze (14. Aug. 1850, 14. Aug. 1855) ergangen, welche hauptsächlich eine bessere Überwachung der Sicherheitsvorrichtungen in Kohlenwerken durch eine Vermehrung der Inspektorenzahl (auf 12) betrafen. 1860 wurde ein neues umfassendes Gesetz (ergänzt durch Gesetz vom 7. Aug. 1862) gegeben für Kohlen- und Eisenbergwerke, welches sich hauptsächlich auf Sicherheitsmaßregeln bezog. Auf Vorschlag einer neuen, 1862 zur Untersuchung der Zustände in den der F. nicht unterworfenen Industriezweigen eingesetzten Kommission wurde durch Gesetz vom 25. Juli 1864 die F. auf alle Fabriken von Thonwaren, Zündhütchen, Zündhölzchen und Patronen, Papiertapetendruckereien und Baumwollsamtscherereien ausgedehnt und außerdem vorgeschrieben, jede Werkstätte gut zu ventilieren und rein zu halten. Gleichzeitig wurde für Kaminfegerlehrlinge ein besonderes Gesetz vom 30. Juni 1864 erlassen, welches für diese das Aufnahmealter auf 10 Jahre herabsetzte und Personen unter 16 Jahren das Aufsteigen in Kaminen untersagte. Die Ausdehnung der F. auf alle Fabriken und auf das Kleingewerbe bot jedoch deswegen erhebliche Schwierigkeiten, weil ihre Bestimmungen den Verhältnissen der Textilindustrie eng angepaßt waren und namentlich der für diese Industrie festgesetzte Normalarbeitstag nicht schlechthin für alle Zweige der Fabrikation geeignet war. Es wurden demzufolge besondere Gesetze für Fabrik und Handwerk (sogen. Werkstätten) erlassen (15. und 21. August 1867). Das erste Gesetz betraf die Hochöfen, Eisen- und Kupferwerke, Maschinenfabriken, Metall- und Guttaperchafabriken, Papier-, Glas- und Tabaksfabriken, Druckereien und Buchbindereien und außerdem alle jene Anstalten, in welchen während eines Jahrs 50 und mehr Personen wenigstens 100 Tage gemeinschaftlich beschäftigt werden. [999] Alle diese Industriezweige wurden jedoch mit vielfachen Modifikationen für die einzelnen Branchen der F. unterworfen. Die zweite Akte regelte die Arbeitszeit im kleinen Handwerk. Da sich aber auf dieses die Vorschriften des Normalarbeitstags und der Mahlzeiten ohne bedeutende Beschränkungen der persönlichen Freiheit nicht wohl anwenden ließen, so mußte man sich begnügen, Bestimmungen zum Schutz der jungen Arbeiter und Frauen gegen Überarbeit zu treffen. Der allgemeine Arbeitstag wurde für Kinder von 6 Uhr morgens bis 8 Uhr abends, für junge Personen und Frauen von 5 Uhr morgens bis 9 Uhr abends festgesetzt. Innerhalb derselben durften sie aber nur die in der F. bestimmten Maximalarbeitszeit beschäftigt werden. Der freie Sonnabend-Nachmittag der F. wurde auch auf das Kleingewerbe übertragen, durfte jedoch mit besonderer Erlaubnis und unter gewissen Bedingungen später beginnen als um 2 Uhr nachmittags. Die Schulpflicht der Kinder wurde auf zehnstündigen Schulbesuch pro Woche festgesetzt. Die Aufsicht über die Werkstätten wurde den Kommunal-Sanitätspolizeibeamten übertragen, jedoch mit der Beschränkung, daß ihnen der Eintritt in eine Werkstätte erst infolge einer von ihnen vor der lokalen Behörde vorgebrachten Klage von dieser gestattet sei. Den Fabrikinspektoren wurde nur nebenbei der Besuch der Werkstätten zur Arbeitszeit gestattet, jedoch ohne die ausgedehnte Gewalt, die ihnen über Fabriken zustand. Während aber das Gesetz über die Fabriken von befriedigendem Erfolg begleitet war, ließ die Durchführung des „Werkstättengesetzes“ sehr viel zu wünschen übrig. Viele Gemeinden widerstrebten demselben. Erst als durch Gesetz vom 21. August 1871 die Werkstätten ebenso wie die Fabriken der Aufsicht und Gewalt der Fabrikinspektoren unterstellt worden waren, wurden die gesetzlichen Vorschriften von seiten der kleinen Unternehmer befolgt. Das Gesetz vom 9. August 1870 dehnte die Hauptvorschriften der Fabrikakte von 1867 auf die Kattundruckereien, Bleichereien, Färbereien aus, allerdings mit wesentlichen Modifikationen. 1874 erging das letzte Gesetz in dieser Periode, ein neues Spezialgesetz für Textilfabriken vom 30. Juli.

Es bezog sich auf diejenigen Fabriken, in denen Baumwolle, Wolle, Haar, Seide, Flachs, Hanf, Jute, Hede und Spitze den Gegenstand des gewerblichen Unternehmens ausmachen, mit Ausnahme jedoch der Werke, bei denen mechanische Kraft nicht verwendet wird. Dasselbe änderte an dem bisherigen Rechtszustand hauptsächlich folgendes: 1) Das Minimalalter der Beschäftigung wurde für Kinder von 8 auf 10 Jahre erhöht. 2) Das gesetzliche Kindheitsalter wurde auch noch auf das 13. Lebensjahr ausgedehnt. 3) Die Substituierung des Arbeitstags von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends, statt von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends, wurde für das ganze Jahr von der Wahl des Arbeitgebers abhängig gemacht; früher war sie nur im Winter zulässig. 4) Die für Mahlzeiten und Rast an den fünf ersten Wochentagen bestimmte Zeit wurde für jugendliche Personen und Frauen von 11/2 auf 2 Stunden erhöht, die wirkliche Arbeitszeit dadurch von 101/2 auf 10 St. verkürzt. 5) Die höchste zulässige Ausdehnung eines Arbeitsbannes oder der ununterbrochenen Beschäftigung wurde für die geschützten Personen von 5 auf 41/2 St. ermäßigt. 6) Für den Unterricht der Kinder wurde zum erstenmal verlangt, daß er in Schulen erteilt werde, deren Unterricht offiziell als wirksamer anerkannt wird. 7) „Modifications“ jeglicher Art sollten für Textilfabriken unstatthaft sein.

Bei der großen Zahl der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, von denen viele die frühern aufgehoben oder abgeändert hatten, manche unklar gefaßt oder auch durch die Entwickelung der Technik unpraktisch geworden waren, blieb die Feststellung des wirklich geltenden Rechts und die Anwendung desselben außerordentlich schwierig. Dazu kam eine große Ungleichheit des Schutzes, auch wo sie weder an sich noch nach dem derzeitigen Stande der Produktionszweige gerechtfertigt war. Die Kodifizierung und teilweise Revision der F. war ein dringendes Bedürfnis. Daher wurde 25. März 1875 eine Kommission eingesetzt, um die Vereinfachung und Kodifikation der Gesetze zu erörtern, die Wirkungen der F. zu untersuchen und Vorschläge zur Verbesserung derselben zu machen.

[Vierte Periode.] Auf Grund des von dieser Kommission erstatteten umfassenden Berichts erging das neue Fabriken- und Werkstättengesetz vom 27. Mai 1878 („the factory and workshop act“), das 1. Jan. 1879 in Kraft trat. Es ist einerseits eine Kodifikation der bisherigen Gesetze, enthält aber zugleich nicht unwichtige Abänderungen derselben, wesentlich zu gunsten der Arbeiter. Der erste Teil des Gesetzes enthält allgemeine Vorschriften, der zweite besondere Bestimmungen für einzelne Klassen von Fabriken und Werkstätten, welche die allgemeinen Bestimmungen zum Teil modifizieren. Der dritte und vierte Teil betreffen die Ausführung der Strafen, Strafverfahren etc. Der Inhalt der allgemeinen Bestimmungen ist folgender:

I. Das Gesetz schützt zunächst die Gesundheit und persönliche Sicherheit aller Arbeiter durch Vorschriften über den Zustand der Arbeitsräume (Größe, Sauberkeit, Ventilation etc.), die Einrichtung der Maschinen und gefährlichen Werkzeuge, die Reinigung derselben etc.

II. Das Gesetz regelt sodann die Beschäftigung der Kinder, jugendlichen Personen und Frauen. Im Sinn desselben ist ein Kind (child) eine Person unter 14 Jahren, eine jugendliche Person (young person) eine Person von 14 bis unter 18 Jahren, eine Frau (woman) eine weibliche Person von 18 und mehr Jahren. Wenn aber ein Kind von 13 Jahren von einer bestimmten Behörde ein Zeugnis bekommt, daß es ein gewisses Maß von Ausbildung im Lesen, Schreiben und Rechnen besitzt, so soll es als eine jugendliche Person angesehen werden. Das Gesetz unterscheidet bezüglich des Schutzes dieser Personen: Fabriken (factories), Werkstätten (workshops) und häusliche Arbeitsstätten (domestic workshops), in welchen mechanische Kraft nicht zur Anwendung kommt. Ist dies in solchen Arbeitsstätten der Fall, so sind sie Werkstätten im allgemeinen Sinn. Bei den Fabriken unterscheidet es die der Textilindustrie (textile factory) und der sonstigen Industrie (non textile factory).

1) Am weitesten gehen die Schutzbestimmungen in der Textilindustrie. Die wesentlichsten sind:

a) Für alle drei Klassen ist die Nachtarbeit (von 7 bis 7 oder von 6 bis 6 Uhr), dann die Arbeit an Sonntagen, am Weihnachtstag und Karfreitag verboten. Außerdem müssen ihnen im Jahr noch acht halbe Feiertage gewährt werden.

b) Für jugendliche Personen und Frauen ist die Maximalarbeitszeit an den fünf ersten Wochentagen 10 Stunden (2 St. Pause für Mahlzeiten), am Sonnabend 6–61/2 St., der Sonnabend-Nachmittag ist frei. Ohne Unterbrechung von mindestens 1/2 Stunde dürfen sie nicht länger als 41/2 St. hintereinander beschäftigt werden.

c) Kinder dürfen erst vom 10. Jahr an beschäftigt werden und dann entweder nach dem System der täglichen Arbeit oder dem System der Arbeit an umschichtigen Tagen. Bei jenem System darf ihre Beschäftigung an den fünf ersten Wochentagen an einem Tag entweder nur vormittags oder nur nachmittags stattfinden. [1000] Ein Kind aber, das in einer Woche in der Vormittagsreihe arbeitete, darf in der folgenden nur in der Nachmittagsreihe arbeiten. Sonnabends darf seine Arbeit nie früher beginnen, noch später endigen als die einer jugendlichen Person; aber ein Kind darf nie an zwei Sonnabenden hintereinander und nie an einem Sonnabend in einer Woche beschäftigt werden, in welcher an irgend einem andern Wochentag seine Arbeitszeit mehr als 51/2 St. betrug. Bei dem zweiten System darf es nur an drei Wochentagen und an ihnen nach den für jugendliche Arbeiter geltenden Vorschriften beschäftigt werden, aber noch mit der Maßgabe, daß die Arbeit während 14 Tagen nie an den gleichen Wochentagen stattfinden darf. Bei beiden Systemen darf es nicht ohne Unterbrechung von mindestens 1/2 St. länger als 41/2 St. hintereinander arbeiten.

2) Für die in der „nichttextilen Industrie“ beschäftigten Personen dieser Art bestehen folgende Modifikationen dieser Bestimmungen:

a) Alle drei Klassen dürfen Sonnabends bis 2 Uhr und 5 St. hintereinander,

b) jugendliche Personen und Frauen dürfen an den fünf ersten Wochentagen 101/2 St. beschäftigt werden.

c) Kinder dürfen hier nach dem System der Arbeit an umschichtigen Tagen nur beschäftigt werden, wenn in der Fabrik mindestens 2 St. für Mahlzeiten an den fünf ersten Wochentagen gewährt werden. Statt der Vorschrift, daß sie nicht zwei Sonnabende hintereinander und an einem Sonnabend gar nicht beschäftigt werden dürfen, wenn sie an einem andern Wochentag schon mehr als 51/2 St. beschäftigt waren, besteht nur die Bestimmung, daß sie Sonnabends nicht in derselben (Vor- oder Nachmittags-) Reihe arbeiten dürfen, in welcher sie an einem andern Tag derselben Woche gearbeitet haben.

3) Bezüglich der Werkstätten ist die Arbeit der Kinder und jugendlichen Personen in gleicher Weise geregelt wie bezüglich der Nichttextilindustrie. Was die Frauen betrifft, so wird unterschieden, ob in der Werkstätte auch Kinder, resp. jugendliche Personen beschäftigt sind oder nicht. In jenem Fall besteht für sie gleiches Recht wie für die jugendlichen Arbeiter, und es ist für sie kein Unterschied zwischen Werkstättenarbeit und Arbeit in der nichttextilen Industrie. In diesem Fall aber ist für sie jenes Recht dahin modifiziert: der Arbeitstag darf an den fünf ersten Wochentagen von 6 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, am Sonnabend von 6 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags währen; in dieser Zeit müssen sie aber an den fünf ersten Wochentagen 41/2 Stunden, Sonnabends 21/2 St. frei von Arbeit sein (wirkliche Maximalarbeitszeit also 101/2, resp. 71/2 St.).

Die den unter 1) bis 3) angeführten Klassen für Mahlzeiten normierte Zeit muß stets in dieselbe Tagesstunde fallen, und während dieser Zeit dürfen sie nicht in der Fabrik oder Werkstätte beschäftigt werden, noch in irgend einem Raum, in welchem eine gewerbliche Arbeit vorgenommen wird, sich aufhalten.

4) Bezüglich der Arbeit in häuslichen Arbeitsstätten ohne Anwendung mechanischer Kräfte enthält das Gesetz nur Schutzbestimmungen für Kinder und jugendliche Personen. Kinder dürfen nur beschäftigt werden an den fünf ersten Wochentagen entweder in der Zeit von 6 Uhr morgens bis 1 Uhr nachmittags oder von da bis 8 Uhr abends (mit der Maßgabe, daß, wenn sie in einer Woche vormittags beschäftigt wurden, sie in der nächsten Woche nachmittags beschäftigt werden müssen) und Sonnabends nur in der Zeit von 6 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags (mit der Maßgabe, daß sie Sonnabends nicht vor oder nach 1 Uhr nachmittags beschäftigt werden dürfen, wenn sie in derselben Woche vor oder nach dieser Zeit beschäftigt waren), u. sie dürfen nicht länger als 5 Stunden hintereinander ohne Unterbrechung von 1/2 St. für Mahlzeit beschäftigt werden. Für jugendliche Personen ist der Arbeitstag an den fünf ersten Wochentagen von 6 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, am Sonnabend von 6 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags und während derselben die Maximalarbeitszeit auf 101/2 St., resp. (Sonnabends) 71/2 St. normiert.

III. Das Gesetz regelt den obligatorischen Schulbesuch der in Fabriken und Werkstätten beschäftigten Kinder in der Weise, daß Kinder, welche nach dem System der täglichen Arbeit beschäftigt sind, an den fünf ersten Wochentagen in einer obrigkeitlich als genügend (efficient) anerkannten Schule täglich einmal und Kinder, welche nach dem System der Arbeit an umschichtigen Tagen beschäftigt sind, innerhalb 14 Tagen an fünf dem Tag ihrer Arbeit vorhergehenden Werktagen täglich zweimal eine solche Schule besuchen müssen. Die Regierung bestimmt die Stundenzahl eines solchen Schulbesuchs. Ein Kind, welches in einer Woche nicht den vorgeschriebenen Schulunterricht empfangen hat, darf in der nächsten Woche nicht beschäftigt werden, bevor es nicht die versäumten Schulstunden nachgeholt hat.

IV. Eine besondere Vorsorge ist noch für Personen unter 16 Jahren getroffen. Keine solche Person darf in Fabriken über 7, resp. 14 Tage beschäftigt werden, ohne daß der Fabrikbesitzer ein amtliches Zeugnis erhalten hat, welches das Alter derselben konstatiert und zugleich, daß die gesetzlich zulässige Beschäftigung ihrer Gesundheit nicht schaden werde. Auch der Besitzer einer Werkstätte soll ein solches Zeugnis sich beschaffen. Jeder Fabrikinspektor aber darf, wenn er findet, daß Personen, die auf Grund solcher Zeugnisse in Arbeit genommen sind, die Arbeit nicht zuträglich sei, die Beschäftigung derselben untersagen und eine ärztliche Untersuchung veranstalten.

V. Von Unfällen, welche Arbeiter in Fabriken oder Werkstätten treffen und welche entweder den Tod oder eine solche Körperverletzung derselben herbeigeführt haben, daß sie in den nächsten 48 Stunden nicht wieder arbeiten können, ist sofort dem Fabrikinspektor und dem Distriktsarzt Anzeige zu machen. Der letztere hat sofort Natur und Ursache des Unfalles zu untersuchen und dem Inspektor Bericht zu erstatten.

Die Haftpflicht (s. d.) der Arbeitgeber wurde durch ein besonderes Gesetz vom 7. Sept. 1880 geregelt.

Mit dem Gesetz von 1878 ist die englische F. zu einem formellen Abschluß gelangt. Man glaubt mit ihr bis zu der Grenze gegangen zu sein, welche die notwendige Rücksicht auf die Erhaltung der internationalen Konkurrenzkraft der Industrie und die berechtigten Interessen der Unternehmer ziehe. Zu der englischen F. sind auch noch zu rechnen das Gesetz vom 6. Aug. 1872 über Schiedsgerichte in Arbeitsstreitigkeiten und die besondern Gesetze über Arbeiterwohnungen von 1868 mit den Novellen von 1879 und 1882, von 1875 mit den Novellen von 1879 und 1882 und von 1851, 1866, 1867 (s. darüber B. Ruprecht, Die Wohnungen der arbeitenden Klassen in London, Götting. 1884).

Schweiz.

Größer ist der Schutz, welchen die Eidgenossenschaft den Fabrikarbeitern gewährt. Eine eidgenössische F. existiert erst seit dem Fabrikgesetz vom 23. März 1877, das nicht ohne schwere Kämpfe zur Annahme gelangte und 1. Jan., resp. 1. April 1878 in Kraft trat. Bis dahin war die F. Gegenstand der kantonalen Gesetzgebung. Die industriellen Kantone hatten mit wenigen Ausnahmen schon seit den 30er Jahren fabrikgesetzliche Bestimmungen (Zürich und Thurgau schon seit 1815). Eine neue Ära dieser Gesetzgebung begann seit 1859, in welchem Jahr Zürich ein neues allgemeines Fabrikgesetz erließ. Diesem Beispiel folgten fast alle industriellen Kantone. Besonders einschneidende Gesetze wurden erlassen in [1001] Aargau (1862), Glarus (1864), Baselland (1868), Baselstadt (1869), St. Gallen, Thurgau. Die Schutzbestimmungen waren sehr weitgehende.

Das neue Gesetz hat gleiches Recht für alle Kantone geschaffen. Es betrifft nur die Arbeit in den Fabriken, d. h. „in denjenigen industriellen Anstalten, in welchen gleichzeitig und regelmäßig eine Mehrzahl von Arbeitern außerhalb ihrer Wohnungen in geschlossenen Räumen beschäftigt wird“. Der Schutz, den es gewährt, ist teils ein allgemeiner, für alle Arbeiter, teils ein besonderer, für einzelne Arbeiterklassen.

I. Die allgemeinen Schutzbestimmungen sind hauptsächlich folgende: 1) Gesetzlicher Arbeitstag von 6 Uhr morgens bis 8 Uhr abends (im Sommer von 5 Uhr morgens bis 8 Uhr abends) und Maximalarbeitszeit von 11 Stunden, an den Tagen vor Sonn- und Festtagen von 10 St. Der Bundesrat hat die Befugnis, bei gesundheitsschädlichen und andern Gewerben diese Zeit noch zu reduzieren. Eine ausnahmsweise, vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit ist mit Genehmigung der kantonalen Verwaltungsbehörden zulässig. Zum Mittagsessen ist um die Mitte der Arbeitszeit mindestens eine Stunde freizugeben und eventuell außerhalb der gewohnten Arbeitsräume eine angemessene, im Winter geheizte Lokalität den Arbeitern unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. 2) Die Nachtarbeit, d. h. die Arbeit zwischen 8 Uhr abends und 6, resp. 5 Uhr morgens, ist nur ausnahmsweise zulässig, als regelmäßige nur bei Fabrikationszweigen, die ihrer Natur nach einen ununterbrochenen Betrieb erfordern, und hier auch nur mit Genehmigung des Bundesrats. Eine ausnahmsweise, vorübergehende Nachtarbeit kann von kantonalen Verwaltungsbehörden gestattet werden. Einmalige Nachtarbeit für dringende Reparaturen bedarf keiner Genehmigung. 3) Die Sonntagsarbeit ist, wie die Nachtarbeit, verboten und geregelt. Wo sie gestattet wird, muß für jeden Arbeiter der zweite Sonntag frei bleiben. Die Kantonalgesetzgebung kann weitere von Arbeit freie Feiertage bestimmen. 4) Im Interesse der Gesundheit und Sicherheit der Arbeit sind folgende Vorschriften erlassen: In jeder Fabrik sind die Arbeitsräume, Maschinen und Werkgerätschaften so herzustellen und zu unterhalten, daß dadurch Gesundheit und Leben der Arbeiter bestmöglich gesichert werden. Namentlich ist für gut beleuchtete, möglichst staubfreie, ordentlich ventilierte Arbeitsräume, bei gefährlichen Maschinen und Treibriemen für eine sorgfältige Einfriedigung und überhaupt für die Anwendung aller erfahrungsgemäß und nach dem technischen Produktionsprozeß und den gegebenen Verhältnissen möglichen Schutzmittel zu sorgen. Die Errichtung einer neuen und Umgestaltung einer bestehenden Fabrik bedarf der Genehmigung der Kantonsregierung, die nur erteilt werden darf, wenn die Fabrikanlage den gesetzlichen Anforderungen entspricht, und bei Fabrikanlagen, deren Betrieb ihrer Natur nach mit besondern Gefahren für Gesundheit und Leben der Arbeiter und der Bevölkerung der Umgebung verbunden ist, an angemessene Vorbehalte zu knüpfen ist. 5) Bei erheblichen Körperverletzungen oder Tötungen in der Fabrik hat der Fabrikbesitzer sofort der kompetenten Lokalbehörde Anzeige zu machen, welche die Ursachen und Folgen des Unfalles zu untersuchen und der Kantonsregierung zu berichten hat. 6) Die Regelung der Haftpflicht (s. d.) der Fabrikbesitzer wurde einem besondern Bundesgesetz vorbehalten (Gesetz vom 25. Juni 1881). 7) Obligatorisch ist der Erlaß einer Fabrikordnung (s. d.), welche, nach vorheriger Mitteilung an die Arbeiter, der Genehmigung der Kantonsregierung bedarf und in jeder Fabrik augenfällig anzuschlagen, auch jedem Arbeiter bei seinem Dienstantritt besonders zu behändigen ist. Die verhängten Bußen (wozu Lohnabzüge für mangelhafte Arbeit oder verdorbene Stoffe nicht gehören) sind im Interesse der Arbeiter, namentlich für Unterstützungskassen, zu verwenden.

II. Besondere Schutzbestimmungen bestehen: 1) Für Frauenspersonen. Sie dürfen unter keinen Umständen zur Sonntags- oder zur Nachtarbeit verwendet werden, ebensowenig zur Reinigung im Gang befindlicher Motoren, Transmissionen und gefahrdrohender Maschinen. Haben sie ein Hauswesen zu besorgen, so sind sie 1/2 Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens 11/2 Stunde beträgt. Wöchnerinnen dürfen vor und nach ihrer Niederkunft im ganzen während 8 Wochen, nach ihrer Niederkunft mindestens 6 Wochen nicht in der Fabrik beschäftigt werden. Schwangere Frauen dürfen in manchen Fabrikationszweigen überhaupt nicht arbeiten. 2) Für minderjährige Arbeiter, Kinder, welche das 14. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, dürfen gar nicht zur Arbeit in Fabriken verwendet werden. Jungen Leuten unter 18 Jahren ist die Sonntags- und Nachtarbeit untersagt. Ausnahmsweise kann jedoch der Bundesrat unter gewissen Kautelen diese gestatten. Für Kinder von 14 und 15 Jahren dürfen der Schul- und Religionsunterricht und die Arbeit in der Fabrik zusammen 11 Stunden pro Tag nicht übersteigen. In manchen Fabrikzweigen dürfen Kinder überhaupt nicht beschäftigt werden. Der Bundesrat hat diese Zweige zu bestimmen.

Die Durchführung des Gesetzes liegt den Kantonsregierungen ob, zum Zweck der Kontrolle hat aber auch der Bundesrat eigne Beamte, Fabrikinspektoren, zu ernennen (s. Fabrikinspektion).

Deutsches Reich.

In Deutschland hat die F. einen eignen Entwickelungsgang genommen. Schon in den 20er Jahren war von der preußischen Regierung der Erlaß eines Gesetzes, betreffend die Kinderarbeit in Fabriken, in Aussicht genommen worden. Die Anträge des rheinischen Provinziallandtags sowie die Wahrnehmung, daß die Fabrikdistrikte nicht im stande seien, ihr Rekrutenkontingent für die Armee vollständig zu liefern, führten zum Regulativ vom 9. März 1839 (dazu Kabinettsorder vom 6. April 1839), welches die Aufnahme von Kindern in Fabriken, Berg- und Hüttenwerken vor dem 9. Jahr verbot, die Arbeitszeit der jungen Leute unter 16 Jahren auf 10 Stunden täglich normierte und ihnen die Nachtarbeit und die Arbeit an Sonn- und Festtagen untersagte; auch war darin der Erlaß besonderer bau-, sanitäts- und sittenpolizeilicher Anordnungen vorgesehen. Verschärft wurden diese Vorschriften durch das Gesetz vom 16. Mai 1853, indem das Normaljahr für die Aufnahmefähigkeit in Fabriken auf das 12. Jahr hinaufgesetzt und eine weitere Beschränkung der täglichen Arbeitszeit junger Personen verfügt wurde. Bemerkenswert ist, daß schon dieses Gesetz die Aufstellung besonderer Fabrikinspektoren in Aussicht nahm. Weitere fabrikgesetzliche Bestimmungen enthielt die Gewerbeordnung von 1856, z. B. über das Truckverbot, welche fast sämtlich wörtlich in der deutschen Gewerbeordnung Aufnahme fanden. Auch andre deutsche Staaten erließen frühzeitig Verordnungen zum Schutz der Kinderarbeit in Fabriken, so Baden (1840), Bayern (1840). Von den größern deutschen Staaten hatte Württemberg diesen Punkt nicht durch detaillierte Bestimmungen geregelt, sondern nur den allgemeinen [1002] leitenden Gesichtspunkt aufgestellt, daß die Verwendung von Schulkindern und jungen Leuten unter 18 Jahren in Fabriken nur in einer Weise stattfinden dürfe, bei welcher dieselben an dem geordneten Besuch des Gottesdienstes und der Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht nicht gehindert, und wobei für Gesundheit, körperliche Entwickelung und religiöse und sittliche Erziehung keine Nachteile zu besorgen seien. Die neuen liberalen Gewerbeordnungen, welche 1861 bis 1864 in den meisten Einzelstaaten erlassen wurden, enthielten auch fabrikgesetzliche Bestimmungen, meist aber nur zu gunsten von Kindern und jugendlichen Arbeitern und selbst diese in völlig unzureichender Weise. Nach der Gründung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs wurde die F. Sache des Bundes, resp. Reichs. Die erste gemeinsame Regelung erfolgte durch die später Reichsgesetz gewordene Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom 21. Juni 1869. Die betreffenden Bestimmungen umfaßten nur wenige Paragraphen. Der Standpunkt der Gewerbeordnung war folgender. Der Bund, resp. das Reich wollten einen doppelten Schutz gewähren: Erstens sollten unmündige, in Fabriken beschäftigte Personen unter 16 Jahren gegen eine übermäßige Beschäftigung geschützt werden (§ 128–133). Es wurden verboten die regelmäßige Beschäftigung von Kindern unter 12 Jahren und die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (nach 81/2 Uhr abends bis 51/2 Uhr morgens) der jungen Personen unter 16 Jahren. Die Beschäftigung während dieser Zeit wurde dahin geregelt, daß für Kinder von 12–14 Jahren eine Maximalarbeitszeit von 6 Stunden neben 3 Stunden Unterricht, für junge Leute von 14–16 Jahren eine solche von 10 Stunden angeordnet und weiter bestimmt wurde, daß zwischen den Arbeitsstunden vor- und nachmittags eine Pause von je 1/2 Stunde, mittags eine ganze Freistunde, dabei jedesmal auch Bewegung in der freien Luft gewährt werden müsse. Zum Zweck der Kontrolle wurden die Arbeitgeber verpflichtet, der Ortspolizei von den zu beschäftigenden jugendlichen Arbeitern Anzeige zu machen, solche nur auf Grund eines ihnen übergebenen, von der Ortspolizei ausgestellten Arbeitsbuches zu beschäftigen und über die Beschäftigten eine Liste zu führen. Außerdem sollten noch alle Arbeiter gegen eine Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit bei der Arbeit sowie gegen das Trucksystem (s. d.) geschützt werden. Das Truckverbot enthielt der § 134; zu jenem Zweck bestimmte § 107: „Jeder Gewerbeunternehmer ist verbunden, auf seine Kosten alle diejenigen Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, welche mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebes und der Betriebsstätte zu thunlichster Sicherung der Arbeiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit notwendig sind“. Diese an sich völlig unzureichenden Bestimmungen wurden noch dadurch illusorisch, daß gar keine Organe existierten, welche sich um die ordentliche Durchführung derselben bekümmerten. Einige, aber noch keineswegs genügende Änderungen führte das Gesetz vom 17. Juli 1878 herbei. Kindern unter 12 Jahren wurde die Fabrikarbeit unbedingt verboten. Wöchnerinnen dürfen während 3 Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden. Alle Arbeiter unter 21 Jahren wurden polizeilicher Kontrolle unterstellt, Kinder müssen eine Arbeitskarte, die andern ein Arbeitsbuch (s. d.) haben. Obligatorisch wurde die Fabrikinspektion (s. d.) gemacht. Endlich gab der § 139a noch dem Bundesrat die Befugnis, unter bestimmten Voraussetzungen den Schutz für Kinder, jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen teils auszudehnen, teils zu verringern. Die betreffende Verordnung ist dem nächstfolgenden Reichstag vorzulegen, der sie aufheben kann. Der Bundesrat kann den Schutz ausdehnen bei gewissen Fabrikationszweigen, welche mit besondern Gefahren für Gesundheit und Sittlichkeit verbunden sind, die Beschäftigung jener Personen gänzlich untersagen oder von besondern Bedingungen abhängig machen, insbesondere auch die Nachtarbeit der Arbeiterinnen untersagen. Den Schutz verringern kann er in Bezug auf Spinnereien sowie auf Fabriken, in denen ununterbrochen (Tag und Nacht) gearbeitet werden muß, oder deren Betrieb eine Einteilung in regelmäßige Arbeitsschichten von gleicher Dauer nicht gestattet, oder deren Betrieb seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, indem er die gesetzlichen Beschränkungen bezüglich der Arbeitszeit der Kinder und jugendlichen Arbeiter aufheben kann, jedoch nur mit der Maßgabe, daß die Arbeitszeit der Kinder (von 12 und 13 Jahren) die Dauer von 36 Stunden und die für junge Leute (von 14 und 15 Jahren) in Spinnereien die Dauer von 66 St., in andern Fabriken die von 60 St. nicht überschreiten darf. Der Bundesrat hat von dieser doppelten Befugnis für vier Produktionszweige Gebrauch gemacht: a) durch Verordnung vom 23. April 1879, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Walz- und Hammerwerken; b) durch Verordnung gleichfalls vom 23. April 1879, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten; c) durch Verordnung vom 20. Mai 1879, betreffend die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Spinnereien, welche für alle Personen unter 16 Jahren in Hechelsälen sowie in Räumen, in denen Reißwölfe im Betrieb sind, während der Dauer des Betriebes die Beschäftigung wie den Aufenthalt untersagt, für jugendliche Arbeiter aber, welche ausschließlich zu Hilfsleistung bei dem Betrieb der Spinnmaschinen verwendet werden, die tägliche Maximalarbeitszeit von 10 auf 11 St. erhöht, sofern ärztlich bescheinigt ist, daß ihre körperliche Entwickelung ihre Beschäftigung bis zu 11 St. täglich ohne Gefahr für ihre Gesundheit zuläßt; d) durch die Verordnungen vom 10. Juli 1881 und 12. März 1883 für Steinkohlenbergwerke.

Diese Verordnungen suchen das Interesse der Unternehmer mit dem Interesse der zu schützenden Personen möglichst in Einklang zu bringen, aber die Situation der letztern ist zum Teil doch eine ungünstigere geworden, als sie gesetzlich, wenn auch nicht immer thatsächlich, nach der Gewerbeordnung war.

Österreich.

In Österreich beschränkte sich bis zum 8. Juni 1885 die F. auf die wenigen Bestimmungen der Gewerbeordnung von 1859, 6. Hauptstück (§ 82–87), die einen noch geringern Schutz gewährten als die deutsche Gewerbeordnung. Sehr viel größer aber ist der Schutz geworden durch die neue umfassende Regelung von 1885 (Gesetz vom 8. März). Die Hauptbestimmungen der geltenden Rechte sind folgende. Von allgemeinen, auf alle Gewerbsunternehmungen bezüglichen sind hervorzuheben: 1) Das Verbot der Sonntagsarbeit mit der Maßgabe, daß bei einzelnen Kategorien von Gewerben, bei denen eine Unterbrechung des Betriebes unthunlich, oder bei denen der ununterbrochene Betrieb im Hinblick auf die Bedürfnisse der Konsumenten oder des öffentlichen Verkehrs erforderlich ist, der Handelsminister die Arbeit auch an Sonntagen gestatten darf (ist in einem großen Umfang geschehen). 2) Das Truckverbot. 3) Obligatorische [1003] Arbeitsbücher. 4) Obligatorische, der Gewerbsbehörde vorzulegende Arbeitsordnungen für Fabriken und Gewerbsunternehmungen, in welchen über 20 Hilfsarbeiter in gemeinschaftlichen Lokalen beschäftigt sind. 5) Vorgeschrieben sind für alle Arbeiter Ruhepausen (zusammen mindestens 11/2 Stunden). 6) Verpflichtungen der Gewerbsinhaber zur Vermeidung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Moral der Arbeiter (§ 74). 7) Zu regelmäßigen gewerblichen Beschäftigungen dürfen Kinder unter 12 Jahren gar nicht, zwischen 12 und 14 nur verwendet werden, sofern ihre Arbeit der Gesundheit nicht nachteilig ist und die körperliche Entwickelung nicht hindert, auch der Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht nicht im Weg steht, und nie länger als 8 Stunden täglich. 8) Durch ministerielle Verordnung kann bei gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Verrichtungen die Beschäftigung jugendlicher (unter 16 Jahren) und weiblicher Arbeiter verboten oder nur bedingungsweise gestattet werden. 9) Verboten ist die Nachtarbeit (8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens) der jugendlichen Arbeiter. Der Handelsminister (im Einvernehmen mit dem Minister des Innern) ist jedoch ermächtigt, für bestimmte Kategorien von Gewerben mit Rücksicht auf klimatische Verhältnisse und sonstige wichtige Umstände diese Grenzen der Nachtarbeit angemessen zu regeln oder überhaupt die Nachtarbeit zu gestatten. 10) Wöchnerinnen dürfen erst 4 Wochen nach ihrer Niederkunft zu regelmäßigen gewerblichen Beschäftigungen verwendet werden. Von besondern Bestimmungen für fabrikmäßig betriebene Gewerbsunternehmungen sind zu erwähnen: 1) Die Arbeitsdauer darf ohne Einrechnung der Arbeitspausen höchstens 11 Stunden binnen 24 Stunden betragen. Doch kann durch ministerielle Verordnung Gewerbskategorien bei nachgewiesenem besondern Bedürfnis eine weitere Arbeitsstunde gewährt werden. Die Liste ist von 3 zu 3 Jahren zu revidieren. 2) Wo der ununterbrochene Betrieb zulässig, ist behufs Ermöglichung des wiederkehrend erforderlichen Schichtwechsels ministeriell die Arbeitszeit angemessen zu regeln. 3) Kinder unter 14 Jahren dürfen zu regelmäßiger Beschäftigung gar nicht, jugendliche Arbeiter von 14–16 Jahren nur zu leichtern Arbeiten verwendet werden, welche der Gesundheit derselben nicht nachteilig sind und deren körperliche Entwickelung nicht hindern. 4) Die Nachtarbeit dieser Arbeiter und der Frauenspersonen ist verboten, aber Ausnahmen durch ministerielle Verordnung sind bedingungsweise zulässig. – Das Gesetz vom 11. Juni 1883 führte Gewerbeinspektoren ein, die Zahl der Aufsichtsbehörden und Inspektoren ist durch Verordnung vom 15. Jan. 1885 auf 12 festgesetzt.

Andre Staaten.

In den übrigen europäischen Staaten beschränkt sich die F. wesentlich auf Schutzbestimmungen für Kinder, resp. Minderjährige; aber selbst diese sind nirgends ausreichende. In Frankreich ist das Hauptgesetz das Gesetz vom 2. Juni 1874 (getreten an Stelle des Gesetzes vom 22. März 1841). Es bezieht sich auf die industrielle Arbeit von Kindern und jungen Personen unter 16 Jahren und minderjähriger Mädchen (16–21 Jahren) in Manufakturen, Fabriken, Hüttenwerken, Bergwerken, Bauhöfen und Werkstätten. Von den Bestimmungen seien nur erwähnt (das Gesetz, abgedruckt bei Lohmann, s. unten): Das normale Minimalalter der Beschäftigung ist 12 Jahre (ausnahmsweise 10), die Maximalarbeitszeit für 10–12jährige 6 Stunden, für 12–15jährige 12 St., wenn sie den ersten Elementarunterricht genossen haben, sonst 6 St., für 15jährige 12 St. Verboten ist die Nachtarbeit für Personen unter 16 Jahren, in Hüttenwerken und Manufakturen auch für Mädchen von 16–21 Jahren; Sonntags und Feiertags darf keine dieser Personen zur Arbeit verwendet werden etc. Eine besondere Inspektion wurde angeordnet (s. Fabrikinspektion). Das Gesetz vom 9. Sept. 1848 (dazu Dekret vom 17. März 1851), welches den Normalarbeitstag von 12 St. für sämtliche Arbeiter in Fabriken einführte, ist nicht zur praktischen Durchführung gelangt. – In Dänemark: Gesetz vom 23. Mai 1873, Schweden: Verordnung vom 18. Juni 1868, Holland: Gesetz vom 19. Sept. 1874 (Abdruck der Gesetze bei Lohmann, s. unten), in Rußland: Gesetze vom 1. Juni 1882 und 14. Juni 1884.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist die F. Sache der Einzelstaaten. Die Union hat für die in ihren Werkstätten beschäftigten Arbeiter den achtstündigen Arbeitstag durch Gesetz vom 25. Mai 1868 eingeführt. Fast alle industriellen Staaten (18) der Union haben fabrikgesetzliche Bestimmungen: 14 über Kinderarbeit, 13 über jugendliche Personen, 4 über weibliche Arbeiter. Die Bestimmungen sind in den einzelnen Staaten verschieden. Die älteste, umfangreichste und interessanteste F. dieser Art hat Massachusetts. Ein legaler Arbeitstag besteht in einer Reihe von Staaten, teils von 10 St. (7 Staaten), teils 8 St. (6 Staaten); aber nur in 3 Staaten ist die Vorschrift keine zwingende, die andern gestatten die vertragsmäßige Abrede einer längern Arbeitszeit. 10 Staaten haben eigne arbeitsstatistische Bureaus (s. Arbeitsämter), und ebenso haben 10 Staaten besondere Gesetze zum Schutz von Bergwerksarbeitern. Im allgemeinen entspricht die dortige F. keineswegs den berechtigten Anforderungen (vgl. über diese F. besonders Tait, s. unten).

Da bei der internationalen Konkurrenz diejenigen Länder, welche ihre Industrie durch eine F. nicht beschränken, leicht vor andern einen Vorsprung gewinnen, so wurde auch mehrfach der Gedanke angeregt, es möchten die Hauptindustrieländer Vereinbarungen miteinander treffen, auf Grund deren sie alle ihre F. nach gewissen gemeinsamen Grundsätzen regelten. Doch hat eine solche internationale F. wegen der Verschiedenartigkeit aller einschlägigen Verhältnisse zur Zeit keine Aussicht auf Verwirklichung.[WS 2]

Litteratur. „Verhandlungen der Eisenacher Versammlung zur Besprechung der sozialen Frage“ (Leipz. 1873); „Schriften des Vereins für Sozialpolitik“, Bd. 2 u. 4 (das. 1873 u. 1874); Schönberg in seinem „Handbuch der politischen Ökonomie“ (dort auch weitere Litteratur); Brentano ebenda; Derselbe, Das Arbeitsverhältnis gemäß dem heutigen Recht (Leipz. 1877); Lohmann, Die F. der Staaten des europäischen Kontinents (Berl. 1877); v. Plener, Die englische F. (Wien 1871); v. Bojanowski, Die englischen Fabrik- und Werkstättengesetze bis zum Gesetz von 1874 (Berl. 1876); Derselbe, Das englische Fabrik- und Werkstättengesetz von 1878 (Jena 1882); Tallon u. Maurice, Legislation sur le travail des enfants dans des manufactures (Par. 1875); Morillot, Du travail des enfants dans les manufactures (das. 1877); v. Scheel, Die Fabrikgesetzgebungen der Kantone der Schweiz etc. (in den „Jahrbüchern für Nationalökonomie“, Bd. 20, 1873); Cohn, Die Bundesgesetzgebung der Schweiz etc. (das. 1879); Böhmert, Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz, Bd. 1 (Zürich 1873); Tait, Die Arbeiterschutzgesetzgebung in den Vereinigten Staaten (Tübing. 1884).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Inzischen
  2. Siehe hierzu noch die umfangreichen Artikel Arbeiterschutzkonferenz (Band 18) und Arbeiterschutzgesetzgebung (Band 19).